WENN EINE TÜR SICH SCHLIEßT...         mit Bildern>>>

(Fortsetzung zu (K)EIN Platz in der Herberge)

Teil 1          

„Bin ich nicht gut, Onkel Pepe?“, fragte der Kleine mit seiner fiepsigen Stimme. 
„So ein Quatsch, Kleiner! Du bist der netteste kleine Scheißer, den ich kenne.“ Pepe sprach die Wahrheit, er kannte zwar nicht viele kleine Scheißer, woher auch, doch dieser war ihm ans Herz gewachsen. Pepe war sehr vergesslich geworden, die Knochen taten ihm weh, sein Appetit war nicht mehr so gut wie früher und seine Verdauung erst recht nicht. Früher... ja da hatte er jede Menge gekochten Schinken gefuttert und jede Menge Hähnchenbrust – hach, wie lecker! Doch jetzt konnte sein Magen fast nichts mehr bei sich behalten, und alle Zähne taten ihm weh.

„Aber warum ist sie dann weggegangen?“

Ach, das war es! Pepe wand sich innerlich, denn keiner wusste, warum die Mutter von dem kleinen Scheißer abgehauen war. Vielleicht wurde sie überfahren oder sie war plötzlich krank geworden. Alles ziemlich unwahrscheinlich, denn in dieser Gegend fuhren die Autos nicht schnell genug, um jemanden überfahren zu können, sogar ein langsamer Kater wie Pepe konnte gemütlich über die Straße laufen und den Autos eine Stinkepfote zeigen. Natürlich ging er kaum noch hinaus, sondern lag fast nur noch auf der warmen Fensterbank mit der kuscheligen Decke. Die Menschin hatte sie ihm hingelegt. Wo war er? Ach ja, und das mit der Krankheit? War natürlich auch möglich, aber sooo schnell? Wird jemand so schnell krank und wird dann sooo schnell weggebracht? Pepe wusste es nicht.
„Sie ist bestimmt nicht absichtlich weggegangen, Kleiner“, sagte er schließlich, bevor die Müdigkeit ihn übermannte oder besser gesagt überkaterte. Er merkte nur noch, dass der Kleine sich zu ihm gelegt hatte und sich an ihn kuschelte. Das arme mutterlose Eischhörschen...

Eischhörschen... Pepe träumte die Vergangenheit, träumte vom letzten Jahr, als er Squirrel und Cooney kennen lernte, Squirrel, das Eichhörnchen mit Sprachfehler und Tanzfimmel, und Cooney, den Waschbären mit Waschzwang. Man arrangierte sich gut, fraß gemeinsam Katzenfutter, es war lustig und amüsant mit den beiden, und die Menschin mochte sie auch, vor allem den putzteufeligen Waschbären... Dann verliebte sich Squirrel. Und wie! Das Mädel war natürlich außergewöhnlich und vor allem ganz anders als Squirrel. Der Tanzkünstler Squirrel schien absolut unfähig, für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Er hatte keine weich gepolsterte Baumhöhle, und er hatte auch keine Vorräte für den Winter gesammelt und irgendwo versteckt. Alles in allem war er keine gute Partie für ein Eichhörnchenmädchen. Aber das kümmerte Feh nicht. Feh war ein schönes Mädchen von wunderbar roter Farbe und mit einem fantastischen Schwanz ausgestattet. Ein ernsthaftes kleines Hörnchen, bar jeder Koketterie, und sie mochte Squirrel, diesen Künstler unter den Eichhörnchen, sie sah etwas in ihm, was wohl noch keine vor ihr gesehen hatte. Wie auch immer, die beiden richteten sich auf dem Zedernbaum vor Pepes Haus gemütlich ein, und es gab Nachwuchs: Vier kleine Eichhörnchen, drei davon waren schnell erwachsen, sie hauten ab und suchten sich ein nach Eichhörnchenart ein eigenes Revier. Aber das vierte Junge war ein bisschen sehr klein geraten. Keiner hätte ihm Überlebenschancen zugetraut, aber Feh und Squirrel kümmerten sich Tag und Nacht um den Winzling, und allmählich sah er nicht mehr aus wie ein nacktes Ding mit hervorquellenden Augen, sondern wie ein richtiges Eichhörnchen, allerdings ein sehr winziges Eichhörnchen.

Doch dann verschwand Feh von einem Tag auf den anderen. Alle waren zuerst verwundert, man rechnete damit, dass das Mädel sich verlaufen oder vielmehr versprungen hatte, aber Feh war doch so ein gewissenhaftes Mädchen, das keinerlei Risiken einging, und als sie nach einer Woche immer noch nicht zurück war, da schlug die Verwunderung in Entsetzen um. Man versuchte, den allein gelassenen Squirrel zu trösten – aber Squirrel war total fertig, er hatte Feh so geliebt, er hatte sein Leben für sie geändert, und es war ihm noch nicht einmal schwer gefallen, das zu tun. Aber was war passiert? Niemand in der Gegend wusste von ihr, niemand hatte sie seit jenem Tag mehr gesehen. Sie war spurlos verschollen, ohne jede Spur.

Without a trace, träumte Pepe, das hatten sie sich gemeinsam immer angeschaut, Pepe, Cooney, Squirrel, Feh und in der Mitte weich und warm gelagert der kleine Scheißer, der Winzling...

***~~***~~***

Without a trace... Auch Waschbär Cooney dachte an Feh, er polierte gerade ein Weinglas, als der Kleine sich zu ihm gesellte. Cooney seufzte auf, stellte das Weinglas zur Seite und band sich die Schürze, die er sich von einem kleinen Mädchen aus der Nachbarschaft ‚geliehen’ hatte, ein wenig fester um.
„Onkel Pepe schläft“, berichtete der Kleine mit seiner fiepsigen Stimme.
„Er ist alt und wird es wahrscheinlich nicht mehr lange...“ Cooney verkniff sich die letzen Worte, denn er wollte den Kleinen nicht noch mehr beunruhigen. Der Kleine war ja fürchterlich daneben, seit seine Mutter verschwunden war. Und Squirrel war zwar lieb und nett und vor allem total vernarrt in den Kleinen, aber die Mutter konnte er ihm wohl nicht ersetzen. Er bemühte sich zwar sehr, versuchte den Kleinen an ein Leben draußen zu gewöhnen, und das hieß: Squirrel musste ein Winternest im Baum anlegen, Squirrel musste Nüsse und Eicheln sammeln für den Winter und sie irgendwo verstecken, wo man sie wiederfinden konnte. Squirrel musste alles tun, wozu er eigentlich keine Lust hatte. Cooney empfand größten Respekt für Squirrel, der ja in Wirklichkeit ein Künstler war. Wie er die große Squirrel-Welle getanzt hatte, halsbrecherisch von Ast zu Ast, welch wundervolles Erlebnis...

„Wohin geht Onkel Pepe denn dann?“

Cooney fluchte innerlich. Diese Kinder mussten einen immer nach den unmöglichsten Sachen ausfragen.
„Onkel Pepe weiß“, begann er vorsichtig, „dass man von den Menschen weggebracht wird an einen Ort, an dem man sich sehr wohl fühlt und an dem man dann von allen Qualen erlöst ist.“
„Ehrlich?“ Der Kleine sah erstaunt aus.
„Klar doch, little Brother, er hat es ja selber gesehen. Er kam zu den Menschen, und die hatten schon einen sehr alten Kater. Die Menschen überlegten lange, aber als sie dann sahen, dass der Kater schlimm dran war, da nahmen sie ihn eines Tages und brachten ihn an diesen Ort....“
„Das ist schön“, sagte little Brother andächtig, um dann blitzschnell fortzufahren: „Was meinst du, Uncle cool Cooney, ist meine Mammi auch an diesem Ort?“
„Ich... äääh weiß es nicht“, stotterte Uncle cool Cooney gar nicht so cool wie sein Name es vermuten ließ.
„Aber wo ist sie dann?“, fragte der Kleine beharrlich. „Meinst du, sie hatte mich nicht lieb und ist deswegen abgehauen?“
„No, little Brother!“ Cooney sagte das mit Überzeugung. „Deine Mutter hatte so ein ausgeprägtes Pflichtbewusstsein, das war schon nicht mehr schön...“ Cooney überlegte krampfhaft, was er dem Kleinen noch sagen sollte, fand heraus, dass er ziemlichen Bullshit geredet hatte und sagte dann mit einiger Verzweiflung:
„Na, wenn die dich nicht lieb gehabt hat!“

Der Kleine gab sich dem Anschein nach damit zufrieden, verließ Uncle cool Cooney und machte sich auf, um nach draußen zu gehen, und zwar durch die Katzenklappe, die auf die Veranda führte.
Es war draußen schon ziemlich dunkel. Er blickte kurz zurück und sah Onkel Pepe auf der Fensterbank schlummern. Dann wuselte er sich durch die zweite Katzenklappe, die direkt ins Freie führte und kletterte sofort auf seinen Geburtsbaum, der ganz nah am Haus stand, weswegen (aber das wusste der Kleine natürlich nicht) die Besitzer des Hauses ihn schon öfter verflucht hatten wegen der vielen Nadeln, die immer und ewig von ihm herunterrieselten.

Natürlich war Paps dort. Er hockte trübsinnig in dem ungemütlichen Nest, das er selber gebaut hatte. Paps war überhaupt nicht praktisch veranlagt, deswegen wirkte das Nest auch so chaotisch. Der Kleine schaute sich die Pfoten von Paps an. Sie sahen ziemlich ungepflegt aus, Paps selber sah auch ziemlich ungepflegt aus. Der Kleine erinnerte sich daran, dass Paps früher besser ausgesehen hatte, nicht so struppig und vor allem nicht so verzweifelt. Der Kleine erinnerte sich auch daran, was sie alles versucht hatten, als Mammi verschwunden war.
Sie hatten natürlich jeden gefragt, ob er vielleicht etwas gesehen hatte. Sie hatten Feh beschrieben, haargenau – aber niemand konnte sich an sie erinnern. Seitdem waren viele Tage vergangen, und es war bitter kalt geworden. Die Tage wurden kurz und trübe, die Blätter waren fast vollständig von den Bäumen abgefallen, und es war kalt und ungemütlich in der alten Zeder, vor allem in den Nächten.

Der Kleine legte sich an Paps’ Seite und versuchte sich an seinem Körper zu wärmen, bis jetzt hatte das immer funktioniert, aber heute Nacht wohl nicht, denn kurze Zeit später fingen seine winzigen Zähne vor Kälte an zu klappern.
„Paps!“ Er rüttelte an seinem Vater. „Sollen wir nicht zu Onkel Pepe gehen? Da ist es so schön warm...“
Paps reagierte nicht. Und er fühlte sich auch ziemlich kalt an, wie der Kleine feststellen musste. Oh je, oh je, was war los mit Paps? Und was sollte er tun?
Der Kleine schaute aus dem Nest in die Dunkelheit und wimmerte ängstlich vor sich hin. Er hatte Angst, Paps alleine zu lassen.

Auf einmal hörte er eine tiefe Stimme, die zu ihm sprach: „Was knurr is’n los, knurr Kleiner?“
Die Augen des Kleinen waren natürlich Eichhörnchenaugen, also Augen, die eher im Hellen gut gucken konnten, und deswegen war er jetzt quasi blind. Aber die Stimme kannte er. Sie gehörte einem Streuner, der neu in der Gegend war. Dieser Streuner war nachtschwarz, bis auf einen winzigen weißen Fleck auf seiner Brust, und er wollte mit keinem was zu tun haben. Der Kleine hatte ihn schon öfter vom Baum aus beobachtet. Dieser Kerl war wohl sehr knurrig veranlagt – er führte sogar knurrige Selbstgespräche. Aber konnte man ihm trauen? Kater jagten ja alles mögliche, und so ein Eichhörnchen war eine leichte Beute, vor allem wenn es so kalt wie Paps war. Der Kleine entschloss sich widerstrebend, dem knurrigen schwarzen Kerl zu trauen, was anderes blieb ihm ja nicht übrig, und zur Not würde er ihn beißen...
„Hi Schwarzer“, sagte er forsch, um das Zittern in seiner Stimme zu verbergen.
„Nenn mich einfach Psycho San“, sagte der Schwarze.
„Pssei...was? Weißt du was, ich nenn dich einfach Sanni. Kannst du mir helfen?“
Ein heftiges Rascheln war im Gebüsch unter dem Baum zu hören, dann ein Knurren, und der Kleine bekam ein wenig Angst.
„Psycho San heiße ich! Aber meine Güte, was soll’s... Was ist denn los, Kleiner?“
„Paps ist so kalt! Ich will nicht, dass Paps so kalt ist.“
„Und was schwebt dir so vor, Kleiner?“, knurrte Psycho San.
„Wir müssen ihn ins Haus bringen zu Onkel Pepe.“
„Oha!“, knurrte Psycho San. „Onkel Pepe, ist das dieser alte Knacker, der immer auf der Fensterbank pennt?“
„Onkel Pepe ist kein Knacker, Sanni“, sagte der Kleine entrüstet – er wusste zwar nicht, was mit ‚alter Knacker’ gemeint war, aber Sannis Tonfall hörte sich irgendwie beleidigend an, und auf Onkel Pepe ließ er nix kommen.
„Wie auch immer“, knurrte Psycho San gelassen. „Also, was schwebt dir so vor?“
„Kannst du Paps irgendwie runter tragen... und durch die Klappen zu Onkel Pepe bringen?“

Es war sehr still unter dem Baum. Sanni überlegte anscheinend angestrengt. Hoffentlich überlegte er. Der Kleine hatte echt Angst, dass Sanni einfach abgehauen war. Aber nach einer Weile hörte er Psycho Sans knurrige Stimme sagen: „Also wirklich Kleiner, du hast Sachen drauf! Hmmm, ich könnte ihn mit meinen Zähnen tragen... Blöderweise hab ich überhaupt keine Übung darin. Das ist bei Katzen eher Weiberkram... Ich kann mich zwar erinnern, dass meine Mutter mich mal so trug, aber...“ Psycho San verstummte, und sogar in der Dunkelheit war zu erahnen, dass er nicht weiterreden wollte.
„Bidde, bidde!“, bettelte der Kleine „Versuch es doch einfach! Bidde, bidde!“
„Na gut!“, knurrte Psycho San. Er nahm ein wenig Anlauf und sprang dann wie einer dieser Bären aus dem Fernsehen an dem Baum empor, immer stückweise, bis er die Astgabel mit dem Eichhörnchennest erreicht hatte.
„Hi Sanni!“ Der Kleine hatte all seine Bedenken vergessen und begrüßte den schwarzen Kater freudig.
„Hi Kleiner. Na, dann wollen wir mal!“, sagte Psycho San. Er peilte die Lage, sah ein Eichhörnchen im Nest liegen, das war dann wohl der Paps von dem Kleinen, und er sah nicht gut aus, der Paps. Psycho San zögerte nicht lange, denn jetzt steckte er schon zu tief in der Sache drin, absurd absurd... Also packte er den Paps kurzentschlossen mit den Zähnen im Nacken, sprang dann vorsichtig mit ihm aus dem Nest hinaus – Paps war erstaunlich leicht zu tragen – hakte sich am Baumstamm ein und hangelte sich Step bei Step mit dem Hinterteil nach unten den Baumstamm herab. Ein wahres Kunststück, wie er dachte, denn die meisten Katzen kamen zwar leicht auf einen Baum hinauf – aber schwerlich hinunter...
Der Rest war einfach. Es ging nur noch geradeaus. Der Kleine lief vor ihm her, Psycho San folgte ihm und war auf einmal inmitten von Wärme und sanftem Licht. Er sprang auf ein großes weich aussehendes Ding und legte den kalten Paps dort ab.

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Teil 2

Pepe erwachte. Wie immer in letzter Zeit wusste er nicht, wo er sich gerade befand. Verwirrt schaute er um sich und sah seinen Freund Squirrel auf dem Sofa liegen. Neben ihm saß der kleine Scheißer und beugte sich gerade über seinen Papa, der übrigens ziemlich fertig aussah. Vor dem Sofa hockte ein großer schwarzer Kater, der die beiden Eichhörnchen gespannt betrachtete.

GROßER SCHWARZER KATER? In Pepe schrillten sämtliche Alarmglocken. Er war zwar immer ein friedlicher Kater gewesen, aber die anderen Kater, die waren eben nicht so friedlich...
„Aaargg, was hast du hier zu schaffen?“, blaffte er den fremden Kater an und verschluckte sich dabei, denn es war schon lange her, seit er jemanden angeblafft hatte.

„Reg’ dich nicht auf!“, knurrte der schwarze Kater lässig. „Ich hab’ deinen Freund hierhin gebracht. Er scheint ziemlich kalt zu sein…“

Das beruhigte Pepe nun gar nicht. Er ordnete schnell seine steifen Glieder, sprang hinunter von der warmen Fensterbank und hinauf aufs Sofa, wo er seinen Freund mit der Pfote anstupste.
Squirrel fühlte sich wirklich ziemlich kalt an. Unterkühlung, meldete Pepes TV–geschultes Gehirn. Warmhalten war angeraten.
„Wir müssen ihn aufwärmen“, rief er. Pepe griff sich den Freund mit beiden Pfoten, legte sich geschwind auf den Rücken und zog Squirrel auf seinen warmen plüschigen Bauch. „Kommt alle her und wärmt ihn! Auch du Cooney, wo auch immer du deinen Staubwedel schwingst!“
Daraufhin erschien Cooney sofort, er sprang geschwind auf das Sofa, streichelte Squirrel sanft mit seinen langen Pfoten, und dabei berührte er auch den Kleinen, der sowieso schon eng an seinem kalten Papa klebte.

Psycho San traute seinen Augen nicht, was taten die da? Er fühlte sich hin und hergerissen, einerseits verabscheute er solche Vertraulichkeiten, andererseits verspürte er irgendwie das Bedürfnis, sich... Oh Mann, was geschah da mit ihm? Doch dann vergaß er seine Hemmungen und drängte sich knurrend an die letzte ungewärmte Seite des Eichhörnchens – viel Platz war ja nicht mehr – wobei er immer Pepe im Auge behielt, denn der alte Knacker mit den gefährlich aussehenden Tigerstreifen hatte bestimmt einiges drauf...

Ihre Wiederbelebensversuche hatten Erfolg. Ein paar Minuten später fing Squirrel an zu husten. Pepe schaute ihn besorgt an, oh je, hoffentlich hatte er sich nicht auch noch ’ne Lungenentzündung eingefangen, aber nein, der Hustenanfall ging vorbei.

Squirrel richtete sich auf, schaute verständnislos um sich, erkannte dann seinen Kleinen, erkannte worauf er lag, nämlich auf Pepes Bauch, sah Cooney, den Putzteufel, sah einen pechschwarzen Kater...
„Verdammisch, hau’ ab von mir, du schwarzes Monster, sonst beiß’ isch disch!!!“, quiekte er in Panik.

„Mach’ mal halblang“, sagte Pepe gelassen und entfernte Squirrel zart von seinem wunderbar wärmenden weißen Bauch.

„Isch beiße ihn!“

„Dann beiß’ ihn doch!“, sagte Pepe vorwurfsvoll. „Wär’ aber ziemlich blöd von dir, denn er hat dir wohl das Leben gerettet...“

„Genau Paps“, der Kleine meldete sich zu Wort. „Du warst so kalt, und ich hatte so eine Angst, aber dann hat Sanni mir geholfen...“

„Bitte Kleiner, nenn’ mich doch Psycho San“, knurrte der schwarze Teufel.

„Sorry Sanni!“ Der Kleine hörte sich so betrübt an, dass Psycho San von diesem Augenblick an aufhörte, auf der korrekten Anrede zu bestehen. Hatte ja sowieso keinen Sinn...

Squirrel rappelte seinen schmächtigen Körper auf, sprang auf die breite Fensterbank, und der Kleine, Pepe und Cooney taten es ihm nach.
 
„Ihr seid ja ein seltsamer Haufen“, meinte Psycho San ironisch, er war natürlich auf dem Sofa sitzen geblieben.

„Und warum meinst du das?“, fragte Pepe zerstreut, denn seine Aufmerksamkeit war voll auf Squirrel gerichtet, aber Squirrel war anscheinend wieder okay. Er sah normal aus, und er fühlte sich auch normal an, wie Pepe mit seiner vorwitzigen Vorderpfote kurz abfühlte – was von Squirrel mit einem zornigen Blick quittiert wurde.

„Ihr lebt hier bei Menschen...“

„Na und?“ Pepe schaute Psycho San ärgerlich an, denn dessen Stimme hatte so abfällig geklungen.

„Menschen sind nicht gut!“ Psycho San setzte sich demonstrativ hin und fing an, sein linkes Hinterbein zu putzen.

„So’n Quack!“, sagte Pepe. „Ich bin schon ewig bei den Menschen, und sie haben mich immer gut behandelt. Sie haben sogar Squirrel und Cooney aufgenommen.“

„Dann hast du Glück gehabt!“, knurrte Psycho San spöttisch.

Pepe antwortete nicht, er schien nachzugrübeln. „Ich kann mich noch gut dran erinnern, als ich klein war“, sagte er schließlich verträumt.

Alle schauten erstaunt auf ihn. Was war denn jetzt los, wurde Pepe sentimental? So oder ähnlich dachten seine Freunde, und auch Psycho San machte sich auf einiges gefasst.

Und wirklich, der alte Kater begann von seiner längst vergangenen Kindheit zu erzählen: „Wir waren zu viert, meine Mama war eine kleine Tigerin. Sie hatte, bevor sie uns bekam, Onkel Lewis kennen gelernt“, Pepe schaute versonnen drein. „Natürlich war er kein richtiger Kater mehr, der Onkel Lewis, aber er mochte meine Mama sehr und erlaubte ihr, bei ihm zu wohnen...“

„Und dann? Was ist dann passiert?“, fragte der Kleine gespannt.

„Wie war das noch?“ Pepe überlegte und fuhr dann fort: „Sie wurde überfahren, als wir noch ganz klein waren...“

„Och!“, sagte der Kleine bedauernd. Onkel Pepes Mutter war also auch weg gekommen.

„Der Mensch, der bei Onkel Lewis wohnte, gab sich viel Mühe mit uns, aber Mama fehlte uns schrecklich, und es gab keine Milch mehr zu trinken.“ Pepe machte eine kurze Pause, bevor er weitersprach: „Und Onkel Lewis hat uns geliebt. Er hat sich immer hingelegt und dachte wohl, wir könnten an ihm Milch trinken wie bei Mama, Da kam aber keine Milch, aber trotzdem war es schön...“ Pepes Pfoten zutzelten mit rhythmischen Bewegungen an der weichen Decke, auf der er lag, und er fing heftig an zu schnurren.
 
„Grundgütiger!“ Psycho Sans knurrende Stimme schreckte alle auf. „Bei mir war es ein bisschen unromantischer...“
 
„Oh je Sanni, was ist denn passiert?“, fragte der Kleine
 
„Nix besonderes“, knurrte Psycho San. „Meine Mutter lebte mit uns in einer verlassenen Gartenlaube. Mutter war noch sehr jung, nicht einmal richtig erwachsen. Die Menschen hatten ihr wohl einen Tritt verpasst, als sie schwanger wurde, und sie musste sich alleine durchschlagen.
 
„Das ist aber schlimm Sanni“, meinte der Kleine mitfühlend, während alle anderen ihre Klappe hielten und ihre Blicke fasziniert an Psycho Sans knurriger Katzenschnute hingen.
 
„Nun ja, es war... eben so. Es gab nie genug zu trinken für uns fünf. Deswegen brachte Mutter auch unseren kleinen Bruder weg. Wir haben nie wieder was von ihm gesehen...“

„Das ist wirklich schlimm“, fiepste der Kleine, und auch die anderen sahen Psycho San mitleidig an. Aber Psycho San ignorierte ihre mitleidigen Blicke. „Dann brachte sie ein Schwesterchen weg, und wir waren nur noch zu dritt. Aber es ging uns besser, wir konnten zwar nicht mehr von ihr trinken, aber sie spuckte uns zweimal am Tag Katzenfutter hin, so dass wir ein bisschen satt wurden.“ Psycho San holte tief Luft, bevor er weiterknurrte: „Bei uns ging’s eigentlich nur ums Fressen, wir haben uns immer gestritten ums Ausgespuckte* – und fast nie miteinander gespielt.“ Er knurrte verächtlich. „Und Psycho Mum, so hieß meine Mutter, mochte uns nicht besonders. Sie hat uns zwar versorgt, aber richtig lieb war sie nie zu uns.“

„Aber das gibt es doch gar nicht“, warf Pepe ein, „dass eine Mutter ihre Kinder nicht lieb hat.“

„Ich wollte ihr nicht gehorchen, und deswegen mochte sie mich am allerwenigsten“, Psycho Sans große goldgelbe Augen verwandelten sich in goldgelbe Schlitze. „Aber ich will nicht länger drum herum schwafeln, irgendwann schleppte Mutter uns drei zu irgendwelchen Menschen, die wollten uns aber nicht behalten, sondern brachten uns in einem Käfig irgendwohin, wo wir getrennt wurden. Dann kam endlose Zeit später ein Mensch vorbei, der mich haben wollte, aber...“ hier stockte Psycho Sans Stimme unmerklich, „er hat mich nach ein paar Tagen rausgeschmissen. Lag vielleicht daran, dass ich nicht sehr freundlich war und alles angeknurrt habe. Sogar mich selber...“

„Und dann, Sanni?“

„Tja, und dann bin ich ziemlich lange durch die Gegend gezogen, habe da mal was geklaut und dort mal was gejagt, bis sie mich gefangen haben. Diesmal landete ich in einer Tierhandlung, was für ein beschissener Ort, stickig, stinkig, mit zahmen Mäusen und Ratten...“ Psycho Sans Geknurre verstummte.

„Und wie bist du da weggekommen, Sanni?“

„Ich hab’ mich krank gestellt, mich einfach hingelegt und mich nicht mehr bewegt...“, erzählte Psycho San ungerührt. „Und dann kam einer und hat mich aus dem Käfig gezogen. Klar hatte ich Schiss, aber ich hab’ mich solange nicht bewegt, bis er die Mülltonne aufgemacht hat...“
 
„Eia, das ist ja schrecklich, Sanni, und dann, und dann?“ Die braunen Augen des Kleinen glitzerten gespannt.
 
„Dann habe ich ihn schrecklich gekratzt, sogar im Gesicht, er hat mich fallen lassen, und ich bin über die hohe Mauer gesprungen...“
 
„Wow!“, sagte der Kleine bewundernd. Auch die anderen schauten Psycho San respektvoll an. Er war wohl ein richtig wilder und vor allem ein cleverer Kerl.
 
Der Kleine allerdings grübelte in sich hinein, er hatte nicht vergessen, was Sanni von seiner Mutter erzählt hatte, und das machte ihn sehr traurig.
„Ich glaub’ aber bestimmt, dass deine Mammi dich lieb gehabt hat!“, sagte er schließlich nach einer Weile. „Meine Mammi hat mich lieb gehabt, das weiß ich jetzt!“ Er starrte auf die Fensterscheibe, ohne sie wirklich zu sehen. „Und als ich noch ganz klein war, da sang sie mir immer ein Lied vor, ich kann mich noch genau dran erinnern.“
Er räusperte sich, holte tief Luft und sang dann mit leiser hoher Stimme:
Brown eyes…
baby’s got brown eyes
like a deep brown tree
on a summer day…

* Die Annahme, dass Katzen ihr Futter für den Nachwuchs auswürgen, ist überhaupt nicht abwegig. Psycho Mum ging damals immer rund wie eine Kugel weg (hat mindestens zwei Dosen Katzenfutter verspeist) und kam immer dünn wie eine Nudel zurück. ;)

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Teil 3

Es war ergreifend, wie der Kleine sang. Pepe guckte betroffen und putzte sich angestrengt das Gesicht, wobei er viel Aufmerksamkeit auf seine Augen verwendete. Cooney hielt sich einen Wischlappen vor seine Nase, anscheinend wollte er hineinniesen, aber es kam kein Nieser. Squirrel kämpfte mit den Tränen, er schaute verzweifelt vor sich hin und dachte: ‚Ach Feh, du Liebste und Schönste, wo bist du? Warum hast du uns verlassen?’

Einzig Psycho San ließ sich von keiner Rührung überkatern, er schüttelte sich kurz und sah aus, als würde er über etwas nachsinnen. „Das hab’ ich doch schon mal gehört...“, sagte er schließlich.

Diese Worte gingen fast in der allgemeinen Sentimentalität unter, doch einer hatte sie mitbekommen, nämlich der Kleine, vermutlich weil er noch die guten Ohren der Kindheit besaß. „Wie denn was denn, Sanni, wo hast du das gehört?“, fragte er aufgeregt.

Psycho San dachte angestrengt nach, und nach einer Weile fiel es ihm ein: „In dieser idiotischen Tierhandlung, wo ich eingesperrt war, da hab’ ich das gehört“.

Mittlerweile hatten es auch die anderen kapiert, und alle überlegten, wie es sein konnte, dass Psycho San dieses Lied in der Tierhandlung gehört hatte. Und ob da ein Zusammenhang zwischen der verschwundenen Feh und diesem Lied war.

„Isch will dahin!“ Squirrel zog als erster seine Schlüsse.

„Ich auch“, quietschte der Kleine.

„Was denn? Wohin?“

„Isch will in die Tierhandlung, was immer das ausch ist! Du musst uns hinführen!“ Squirrel sah leicht hysterisch bei diesen Worten aus.

„Aber was wollt ihr da?“

„Vielleicht ist Feh da“, Squirrel strich sich mit seiner winzigen Pfote über die Augen und zwinkerte irgendwie.

„Ja genau, vielleicht ist Mammi da“, sagte der Kleine sehnsüchtig.

„Vielleicht seid ihr total übergeschnappt“, knurrte Psycho San. „Und isch... oh Mist, ICH hab’ Angst dahin zu gehen, es liegt nämlich an der Hauptstraße...“ Das war natürlich gelogen, er fürchtete die Hauptstraße nicht, in Wirklichkeit hatte er Angst vor der Tierhandlung und dem Menschen darin.

„Egal! Du musst uns hinführen!“ Squirrel wischte Psycho Sans Einwände mit einer Pfotenbewegung beiseite. „Und isch glaube nischt, dass du Angst hast.“

„Ich auch nicht, Sanni!“

„Ich komme mit!“, ließ Pepe sich hören.

„Ich auch!“ Cooney band demonstrativ sein Schürzchen ab.
 
Psycho San stöhnte auf und ergab sich in sein Schicksal. Die würden ihn ja sowieso nicht in Ruhe lassen, diese bepelzten Irren. Er überlegte: Sie mussten über die Hauptstraße. Dort fuhren viele Autos daher und noch andere Riesendinger, aber damit kannte er sich aus. Und gut, es war schon dunkel, aber es war immer noch viel los. Man musste sehr vorsichtig sein, um nicht von neugierigen Menschenaugen gesehen zu werden. Und da alle mitkommen wollten, sogar der alte Knacker Pepe, würden sie so unauffällig sein wie... na ja wie zwei Eichhörnchen, zwei Kater und ein Waschbär. Also absolut auffällig! Psycho San musste in sich hineinlachen. Die meisten Menschen würden zwar denken, sie hätten zu tief ins Glas geguckt, wie das bei ihnen so hieß, aber trotzdem war Vorsicht geboten. Sehr viel Vorsicht...

„Wir gehen hintereinander“, knurrte er. „Und es muss wie zufällig aussehen. Wenn die uns erwischen, dann kommen wir alle ins Tierheim. Oder in noch was Schlimmeres. Also unauffällig verhalten! Ich geh’ als erster, und ihr schleicht euch hinter mir her.“ Nach dieser eindringlichen Rede überlegte Psycho San, ob der zivilisierte alte Kater Pepe und der Waschbär Cooney nur im Entferntesten eine Ahnung hatten, wie man sich unauffällig verhielt. Er seufzte auf. Es hatte keinen Sinn, sie würden trotzdem mitkommen wollen.
 
Also marschierte man los. Psycho San ging voran, nach ihm Pepe, dann kamen die beiden Eichhörnchen, und hinten sicherte der Waschbär ab. Man hielt eine unordentliche Marschordnung ein, lief mal hierhin, lief mal dorthin, versteckte sich ab und zu unter einem parkenden Auto, und Psycho San war überrascht, wie gut alles klappte.
Als es aber dann auf die Hauptstraße ging, wurden alle ziemlich nervös. Die vorbeibrausenden Autos kamen ihnen schrecklich vor, aber auch die Menschen, die auf dem Bürgersteig daher gingen, konnten eine Bedrohung darstellen.
Zum Glück war das Wetter ziemlich mies, ein stürmischer Wind wehte, und es fing an zu regnen. Die paar Menschen waren mit diesem Ding beschäftigt, das sie über sich hielten, wenn es regnete – und keiner richtete seine Aufmerksamkeit auf kleine wuselige Tiere, die über den Bürgersteig liefen.
Vor allem die beiden Eichhörnchen stellten sich sehr geschickt dabei an. Sie wechselten so schnell die Richtung beim Laufen, dass sie aussahen wie große rote Blätter, die vom Sturm umhergewirbelt wurden. Es lief eigentlich recht gut, wie Psycho San fand.
In einem günstigen Augenblick, als gerade kein Auto zu sehen war, befahl er: „Los Leute, jetzt geht’s über die Straße!“ Er rannte los – er schaute sich nicht um, sondern hoffte, dass sie ihm folgten, und das taten sie. Alle erreichten unbeschadet die andere Seite, und er atmete erleichtert auf.

„Da hinten muss es sein“, sagte er zu Pepe, der plötzlich neben ihm aufgetaucht war. Eigentlich fand er den alten Knacker gar nicht so übel.
 
„Was.. meinst...du, warum...könnte.. sie.. dort.. sein? Warum.. wird.. sie.. dort.. gefangen.. gehalten?“ Pepe war ein wenig außer Puste geraten durch den schnellen Marsch, so was war er nicht mehr gewohnt.
 
„Ach weißt du“, Psycho San erlaubte sich ein Grinsen, „die Menschen haben viele Gründe, uns gefangen zu halten. Aber wenn das wirklich eure Feh ist in der Tierhandlung, dann tippe ich auf Geldgier...“

„Ich... habe... schon.... von... Versuchslaboren... gesehen.. im... Fernsehen“, keuchte Pepe. „Aber.. was... wollen.. die... mit... einem... Eichhörnchen?“

„Vielleicht suchen sie einen, der sich für ihr Fell interessiert.“

„Hääh?... Aber... sie.. ist... doch... so... klein...“

„Pffft...“, knurrte Psycho San abfällig in sich hinein. „Es gibt nichts, was die Menschen nicht machen würden...“

„Nicht... meine...“ Pepe wirkte bei diesen Worten sehr überzeugt, und Psycho San sagte nichts darauf, er wollte nicht grob zu Pepe sein, denn zu diesem Thema hatte er eine eigene Meinung, außerdem kam ihm die Gegend gerade sehr bekannt vor.

„Wir sind da“, er winkte dem Rest der Bande zu und zog sich in den Schatten eines parkenden Autos zurück. Die anderen setzten sich zu ihm. Mittlerweile waren alle vollkommen nass, bis auf den Waschbären, dessen Fell irre wasserabweisend war. Doch Psycho San, Pepe und die beiden Eichhörnchen trieften nur so vor Nässe, und der kalte Wind verstärkte diese Nässe zu einer widerlich klammen Kälte. Über ihnen schaukelte eine Weihnachtsbeleuchtung im Wind und trieb seltsame Schatten über den Bürgersteig. Es erinnerte Psycho San daran, dass das große Liebesfest der Menschen bevorstand.
 
Sie versuchten durch die Schaufensterscheiben der Tierhandlung zu gucken. Der Innenraum war schwach beleuchtet, und im Vordergrund sahen sie einen großen Hoppelhasenstall, in dem fünf Hoppelhasen schliefen. Dahinter erstreckte sich eine Reihe von Käfigen mit hauptsächlich Flattermännern drin. Die schliefen auch.

Der Kleine deutete auf etwas: „Da hinten Paps, da ist was Rotes!“

Squirrel fixierte die scheinbar unendliche Reihe der Käfige mit den Flattermännern, den Hoppelhasen und den anderen kleinen Vieschern, die gerade mal so groß wie er selber waren, aber Feh konnte er nicht sehen. Verdammt nosch mal! Squirrel wurde zornig. Sie musste da sein! Dieses Lied kannte nur sie, wer sonst von den Flattermännern, Hoppelhasen und sonstigen Vieschern würde so was singen? „Wir müssen da rein!“, sagte er verzweifelt.

„Du bist ja verrückt“, knurrte Psycho San. „Wie sollen wir denn da reinkommen? Und falls wir da reinkommen, wissen wir nicht, ob wir da jemals wieder rauskommen...“

„Das ist mir egal!“, plärrte Squirrel los. „Wenn nischt jetzt, wann dann?“

„Beruhige dich“, knurrte Psycho San. Die ganze Lage war zwar schier aussichtslos, dieser Haufen von Irren würde bestimmt scheitern – und er mit ihnen – aber irgendetwas in seinem Inneren gegrüßte die Gefahr, die von dieser Aktion ausging.
„Na gut! Wenn ihr unbedingt wollt, dann also weiter...“ Er lief los, den Bürgersteig aufmerksam im Blick, kaum Menschen waren zu sehen, der Regen kam ihm noch ekliger vor als vorhin, und wenn er nicht schon total nass gewesen wäre, dann hätte er sich sofort irgendwo verkrochen, aber im Augenblick berauschte ihn die Gefahr so sehr, dass er sein nasses Fell und die Kälte vergaß. Er lief an mehreren Toreinfahrten vorbei, bis er eine gefunden hatte, die nicht durch Gitter versperrt war. Sie wirkte wie ein finsteres Loch.

„Da ist es“, sagte er knurrend – und ging zögernd in die Dunkelheit hinein.

Wieder erschien Pepe an seiner Seite. „Hör mal, Psycho San“, begann er verhalten, er wusste anscheinend nicht, wie er weiterreden sollte.

„Na spuck’s schon aus“, Psycho Sans Stimme hörte sich noch knurriger an als sonst.

„Weißt du, ich hab’ da so ein blödes Gefühl...“

„Was meinst du damit?“, Psycho San musterte den alten Kater kurz von der Seite, er war schwer damit beschäftigt, den Hintenrumweg zu dieser blöden Tierhandlung zu finden. Das war nicht einfach, es ging über niedrige und nicht so niedrige Mäuerchen und durch dichtes Gebüsch.

„Falls mir etwas... passieren... sollte..“, der gute Pepe litt wieder unter Atemnot, „dann musst.. du.. dich.. um.. sie... kümmern.“

„Äääh was bitte?“ Was wollte der alte Knacker von ihm? Dass er sich um diese Bande von Waschbären und Eichhörnchen kümmern sollte? Absurd das! Obwohl der Kleine ja ein Netter war... „Die kommen gut alleine klar, die bepelzten Irren“, knurrte er.

„Nein...“, keuchte Pepe. „Ich... meine.. die... Menschen...“

„Papperlapapp!“ Psycho San schüttelte unwillig den Kopf und wollte noch was voll Gemeines sagen, aber sie waren gerade dabei, über eine hohe Mauer zu springen, und dahinter war er, der schreckliche Ort, an dem er seine Freiheit erkämpft hatte. Er drehte sich um und verkündete triumphierend: „So Leute, da ist es!“

Sie waren auf einem Hinterhof gelandet, der ziemlich öde aussah. In dem schwachen Licht, das aus den oberen Etagen des Hauses hinunter fiel, erkannte man nur ein paar Mülltonnen und einen Schuppen mit einem Vordach. Sie drängten sich alle unter das Vordach. Psycho San schüttelte sich, um den ekligen nassen Regen loszuwerden, aber er schüttelte sich auch, weil er sich dran erinnerte, wie der Typ ihn in die Mülltonne schmeißen wollte. Auch die anderen schüttelten sich, bis auf den Waschbären, der es wohl nicht nötig hatte.

„Wo bist du rausgekommen?“, fragte Pepe ihn.

Psycho San deutete mit der Pfote auf eine klapprige Tür, die aber dennoch vollkommen einbruchsicher für Katzen, Waschbären und Eichhörnchen gewesen wäre, wenn sie nicht im oberen Bereich ein kleines Glasfenster gehabt hätte... „Da müssen wir rein“, sagte er ausnahmsweise nicht knurrend.

„Durch das Zeug da? Das ist hart!“ Pepe überlegte. Er hatte schon viele Filme im Fernsehen gesehen, und er wusste, dass dieses durchsichtige Zeug nicht unbezwingbar war. Es konnte splittern. Aber wodurch?
„Was meinst du Cooney?“ Er wandte sich an den Waschbären. „Wenn ich da reinspringe, würde es dann ein Loch geben?“

„Du hast doch nicht alle Tassen im Schrank“, knurrte Psycho San entsetzt. „Du würdest dir nur die Birne prellen. Nein, wir brauchen was Härteres als deinen Schädel!“

„Einen Stein vielleicht, Alter?“, ließ sich Cooney vernehmen.

Psycho San schaute verdutzt auf den Waschbären. Der hatte ja echt was drauf. „Du sagst es“, knurrte er. „Aber wie kriegt man ihn da durch?“

„Alter, ich hab’ ja fast Hände wie die Menschen, zwar ohne Daumen, aber irgendwie geht das schon. Also, ich hab’ mir das so vorgestellt...“

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Teil 4

Es lief darauf hinaus, dass Cooney sich einen Pflasterstein schnappte, der am Rand des Grundstücks herumlag und dann auf Psycho San hinaufsprang, der wiederum auf Pepe stand, wobei sie aussahen wie die Bremer Stadtmusikanten. Aber nur fast, denn die Eichhörnchen spielten keine Rolle bei dieser Aktion, sie waren einfach zu klein dafür.

Und dann schmetterte Cooney mit seinen begnadeten Händen den kantigen Stein in die Glasscheibe – und das ging auch ohne richtige Daumen.

K L I R R R R!!! Die Scheibe fiel aus ihrer brüchigen Verkittung einfach nach innen weg, und ein nettes Loch gähnte oben in der Tür.
Sie schauten sich ängstlich um, vielleicht hatte ja jemand das Klirren gehört, es war ziemlich laut gewesen. Aber kein Mensch schaute aus dem Fenster, und es kamen auch keine neuen Lichter hinzu.

„Na, dann woll’n wir mal“, knurrte Psycho San, er sprang mit Leichtigkeit durch das Loch in der Tür, Pepe folgte ihm – er sprang so mühelos wie in seiner Jugend, und nach ihm sprangen Squirrel, der Kleine und zuguterletzt Cooney durch das Loch.

Es roch nicht gut in dem Laden, und das war noch untertrieben, in Wahrheit roch es durchdringend nach den Exkrementen von allen möglichen Tieren, unter anderem auch nach Katzenscheiße, wie Psycho San und Pepe kundig feststellten. Aber die war schon älter, und ihre Verursacher waren wohl nicht mehr hier. Was war wohl mit denen passiert? Sie hörten auf, sich darüber Gedanken zu machen, denn sie standen mitten in der Tierhandlung und konnten die Käfige, die sie von außen nur verschwommen gesehen hatten, nun genauer betrachten.

Als erstes fiel dem Kleinen das rote Ding auf, das er fälschlicherweise für Mammi gehalten hatte. In Wirklichkeit war es ein bunter Flattermann mit gebogenem Schnabel, der wie beknackt auf einer Stange hin und herrutschte.
„Was bist du denn für einer?“, fragte er den nervösen Flattermann.

„Was bist du denn für einer?“, krächzte der Flattermann zurück.

„Ich bin der Kleine. Hast du meine Mammi gesehen?“

„Ich bin der Kleine. Hast du meine Mammi gesehen?“, tönte es in perfekter Kopie von dem roten Flattermann zurück.

Psycho San schaute ungläubig diesem Spielchen zu. Dann wurde er ein wenig sauer, er stellte sich eng an den Käfig – griff blitzschnell mit der Pfote durch das Gitter des Käfigs, hatte flugs den Roten um die Kehle gefasst und sagte mit betörend knurriger Stimme: „Pass mal auf, du Clown! Wenn du meinst, du könntest uns hier verarschen, dann hast du dich aber getäuscht!“

„Örrgghh...“ Der rote Stimmenimitator lief noch ein bisschen röter im Gesicht an, wie es schien.

Psycho San lockerte etwas seinen Griff. „Wo ist das rote Eichhörnchen?“, fragte er streng und glotzte den Flattermann an, ohne seine Augenlider zu bewegen. Ein toller Trick, um Artgenossen zu übertölpeln, aber anscheinend wirkte dieser Trick auch auf Flattermänner.

„Cchhörrcchhen....?“ Der Flattermann röchelte ein wenig.

Psycho San verstärkte den Druck um den Hals des Flattermanns wieder und sah ihn dabei unheilvoll an.

„Örrgghh...“, würgte der Flattermann und spuckte endlich aus, was Psycho San wissen wollte, nämlich: „Chinten, da chinten rrrechts, da ist ein Chhörrchen, ein rrotes, es singt manchmal...“

„Na also, du bunter Clown!“, knurrte Psycho San, er zog seine mit scharfen Messern besetzte Pfote zurück und bedeutete den anderen, wohin sie gehen sollten. Nämlich nach chinten rrrechts... Er merkte, dass Pepe ihn beeindruckt anschaute, und das machte ihn irgendwie stolz.

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Feh liegt in ihrem Käfig. Sie hat von draußen einen Lärm gehört, ihm aber keinerlei Bedeutung zugemessen. Und danach krächzte einer der Vögel laut herum.
Manchmal ist es draußen noch viel lauter, und die Vögel regen sich immer so fürchterlich auf. Sie ist jetzt schon so viele Tage hier und hat noch nicht den Mut aufgegeben. Sie futtert immer reichlich, um nicht vom Fleische zu fallen, so würde es jedenfalls Pepe nennen, der Squirrels Freund ist. Pepe ist ein guter Kerl. Was machen sie jetzt wohl gerade, denkt Feh wehmütig und überhört das leise Tappen von Pfoten. Wie dumm sie gewesen ist, in diese blöde Falle zu gehen. Aber darin lagen viele wunderbare große Nüsse, sie dufteten so verführerisch unbekannt, und sie wollte sie unbedingt dem Kleinen mitbringen. Aber da schnappte die Falle zu, und von einem Augenblick zum anderen war sie von einem freien Eichhörnchen zur Gefangenen geworden.

Die Nächte sind schlimm mit ihren unbekannten Geräuschen und diesem Licht, das nicht natürlich ist, aber sie sind immer noch besser als die Tage...
Die Tage sind grauenhaft grell, wenn ein Mensch sie interessiert in ihrem Gefängnis anstarrt, während sie versucht, sich im äußersten Winkel des Käfigs zu verbergen, aber auch wenn man sie nicht erblicken kann, fühlt sie sich trotzdem ohne Fell... Tage, irregräuliche Tage, wenn Feh feststellt, dass man über sie verhandelt, während jemand sein gieriges Gesicht an die Gitterstäbe ihres Käfigs drückt...

„Mammi?“

Feh ist plötzlich hellwach. Sie rappelt sich auf, geht von der hintersten Ecke ihres Gefängnisses nach vorne ans Gitter – und sieht den Kleinen und Squirrel.
Das kann nicht wahr sein, sie fängt an überzuschnappen, hat Wahnvorstellungen, dumme Träume und Wünsche...

„Wir holen disch hier raus!“

Dies aber scheint ein sehr wahrer Traum zu sein. Feh, eine überaus realistische, mit allen vier Pfoten auf dem Baum stehende Person schöpft neue Hoffnung und klammert sich an das Gitter ihres Käfigs, um ihrem Kleinen nahe zu sein, ihn berühren zu können. Und wie groß er geworden ist! Aber Squirrel sieht gar nicht gut aus, und wie er sie anschaut, so sehnsüchtig...

Psycho San und Pepe sehen sich an. Was können sie tun, um Feh aus ihrem Käfig zu befreien?

„Null Problemo...!“ Wieder ist es Cooney, der die Initiative ergreift.

„Was hast du vor?“, fragt Pepe ihn.

„Hast du vergessen, Alter, dass ich fast Daumen habe?“ Cooney sieht ein wenig beleidigt aus.

„Öööh ja doch“, sagt Pepe verlegen.

„Ich kann außer Saubermachen noch ’ne Menge anderer Sachen, Alter.“ Cooney lächelt spitzbübisch auf Waschbärenart.

„Na dann mal los!“ Psycho San grinst Pepe an und knurrt leise: „Vielleicht war er mal Einbrecher – oder hat zumindest bei ’nem Schlüsseldienst gearbeitet...“

...Woraufhin Cooney einfach mit beiden Pfoten an der Verriegelung des Käfigs herumfuchtelt, was anscheinend wirklich null Problemo für ihn ist, und voilà: Der Riegel ist geöffnet, und die Tür schwingt langsam auf.

Feh kann es immer noch nicht glauben, sie atmet tief aus, macht zögernd einen Schritt nach draußen – und springt dann entschlossen aus dem Käfig.

Doch plötzlich ertönt ein summendes Geräusch, jemand schaltet gerade die Deckenbeleuchtung an, und der Laden wird in ein grelles Licht getaucht.

Scheiße, denkt Psycho San, jetzt haben sie uns am Wickel. Seine genialen Katzenaugen sehen, kaum vom hellen Licht geblendet, wie ein großes Trumm von Mensch zwischen den Käfigen herumstolpert. Der Mensch sieht böse aus, und er hält ein langes, gefährlich aussehendes Ding in seinen Händen. Der Mensch, er ist es, der ihn damals...

„Macht schnell!“, knurrt Psycho San. „Ihr wisst, wo das Loch in der Tür ist...“

Aber der Mensch ist schon nahe herangekommen. Seine gierigen Augen haben erfasst, was los ist: Jemand will stehlen, irgendwelche kleinen Mistviecher wollen SEIN Eigentum stehlen! Breitbeinig steht er im Gang und wedelt mit dem langen gefährlich aussehenden Ding herum, bereit alles umzuhauen, was an ihm vorbei will.

„Lauft, Leute, lauft!!!“ Es ist Pepe, der das ruft. Und alle gehorchen ihm, obwohl er doch nur ein alter kraftloser Kater ist.
Alle laufen los, sogar Psycho San, der Härteste unter den Katern läuft instinktiv los...
...Pepe wirft sich vor die Füße des Menschen, er hat die Absicht, den Menschen zum Stolpern zu bringen – und der Mensch stolpert wirklich über ihn, er fällt zur Seite, stößt ein paar Worte aus, es hört sich an wie: „Du verdammtes Mistviech, ich werd’s dir geben!“

Pepe sieht nur noch ein großes Ding, das auf ihn zukommt, dann verliert er das Denken. Er sieht nicht mehr, dass Squirrel ihm zu Hilfe eilt, wagemutig ist Squirrel immer schon gewesen, er ist das tapferste kleine Eichhörnchenmännchen, das jemals lebte, Squirrel springt den Menschen an und kratzt ihn mit seinen scharfen Krallen, aber der Mensch schleudert ihn an die Wand. Doch dann greift er sich an die Augen und stößt einen wütenden Schrei aus.

Squirrel rutscht an der Wand hinunter, bleibt einen Moment lang benommen am Boden liegen und rappelt sich dann wieder hoch.

Psycho San hört den wütenden Schrei des Menschen und blickt zurück. Er sieht Pepe leblos am Boden liegen.
Aber nein, er bewegt sich noch, seine Augen sind auf Psycho San gerichtet, und Psycho San erkennt, dass Pepe ihm mit diesem Blick eine flehende Botschaft schickt. Oder bildet er sich das nur ein? Nein!

„Jaja, ich mach es!“, ruft er Pepe zu. „Ich kümmere mich um deine Menschen.“ Aber Pepes Augen sind mittlerweile geschlossen. Einen Augenblick lang ist Psycho San unsicher, aber dann entscheidet er sich.
„Los vorwärts! Komm’ Squirrel, es ist zu spät für ihn. Beeilt euch, wir haben nicht mehr viel Zeit!“

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Pepe liegt auf seiner Fensterbank, er fühlt sich wunderbar warm, und nichts tut ihm mehr weh. Er schaut kurz nach draußen. Da fällt dieses weiße Zeug massenhaft vom Himmel hinunter. Er hasst es, es tut seinen empfindlichen Pfoten weh, und er ist froh, dass er nicht hinaus muss.
Um ihn herum ertönt leise Musik, stimmt ja, es Weihnachten. Er sieht Feh auf dem Sofa. Sie schaut wie gebannt auf den großen geschmückten Weihnachtsbaum, in dem Squirrel gerade seine geniale halsbrecherische Squirrel–Welle tanzt. Das ist bestimmt nicht einfach für ihn zwischen all den Kugeln, die seine tanzende Gestalt so wunderbar widerspiegeln.
Pepe spürt eine sanfte Bewegung an seinem Rücken, er dreht sich kurz um, und tatsächlich liegt der kleine Scheißer ganz nah an ihm, und Pepe berührt ihn sanft mit der Pfote.
Cooney kommt gerade ins Zimmer hinein. Er hat einen roten Staubwedel in seiner begnadeten Hand ohne Daumen, und er fuchtelt damit unter dem Weihnachtbaum herum. Cooney ist echt verrückt, aber auf eine liebe Art. Und anscheinend ist alles gutgegangen. Wirklich alles gutgegangen? Wo ist Psycho San? Er wollte sich doch um die Menschen kümmern.

Psycho San ist in der Küche. Die Menschin hat ihm leckere Sachen gegeben, und er fühlt sich sehr zu ihr hingezogen, ihre Hände sind so sanft und lieb. Hat Pepe etwa recht gehabt? Vielleicht gibt es wirklich Menschen, die anders sind.
Während Psycho San sich an die Beine der Menschin schmiegt und dabei tiefgründige Überlegungen anstellt, da spürt er auf einmal etwas Seltsames. Pepe... Ist er hier? Oder ist das nur eine in die Irre führende Wahnvorstellung? Er weiß natürlich, dass seine Spezies ungewöhnlich ist. Katzen können manchmal in die Zukunft schauen und haben übersinnliche Fähigkeiten. Okay, manchmal sind Katzen einfach nur verrückt... Er muss lachen.

Wie auch immer, es zieht ihn irgendwie magnetisch ins Wohnzimmer – und da sieht er Pepe auf der Fensterbank liegen. Er vergisst sein Knurren und starrt Pepe einfach nur an.

„Mir geht’s gut.“ Pepe lächelt ihm zu. „Und ich hoffe, dir auch.“

„Ja, doch“, stammelt Psycho San. Ist das jetzt wirklich? Die anderen, also Squirrel, Feh, der Kleine und Cooney sehen Pepe anscheinend nicht. Aber was ist schon wirklich? Er sieht Pepe, und er weiß, dass Pepe da ist.

„Ich muss bald weg“, sagt Pepe gerade, „es kann nicht mehr lange dauern.“

„Aber wohin gehst du denn?“

„Keine Ahnung. Vielleicht werde ich meine Mutter besuchen und meine Geschwisterchen. Vielleicht streife ich in der Gegend herum und schaue mir die Sterne an, ich bin eben ein sehr neugieriger Kater. Oder vielleicht schlafe ich einfach nur und träume alles mögliche.“

„Ach Pepe“, seufzt Psycho San, „ich werde dich vermissen. Und deine Menschen sind gar nicht so übel. Ich hab’ sie zu der blöden Tierhandlung geführt, sie haben dich dort in der Mülltonne gefunden...“ Psycho San macht eine Pause, denn vielleicht weiß Pepe ja gar nicht, dass er gestorben ist, aber andererseits macht Pepe einen voll coolen Eindruck, also fährt er fort: „Sie haben dich im Garten begraben, und sie waren ziemlich sauer auf deinen Mörder. Der Laden ist mittlerweile geschlossen. Jedes Tier hat ein Zuhause gefunden, sogar die dämlichen Flattermänner...“

„Das ist schön!“ Pepe fängt an zu grinsen. „Weißt du Sanni, es war der beste Abgang für mich, ich hätte sowieso bald gehen müssen, und was für seine Freunde zu tun, ich glaube, das nennt man zwei Fliegen mit einer Pfote fangen. Also mach’ das Beste draus, Kumpel.“

Psycho San nickt. „Vergiss nur eins nicht. Du bist jetzt Legende...“ Er will noch viel mehr sagen, doch etwas geschieht mit Pepe, er wird langsam immer durchsichtiger, er löst sich unaufhaltsam vor Psycho Sans Augen auf, bis er schließlich ganz verschwunden ist.

Psycho San muss schlucken, er vermisst den alten Knacker wirklich, doch dann sieht er draußen einen steil zum Himmel emporstrebenden wunderbar bunten Regenbogen – und er fühlt sich irgendwie getröstet.
 

ENDE

© 2006 by Ingrid

 Solange man an jemanden denkt, solange lebt er...


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