Das Licht am Ende der Fahnenstange

 

KAPITEL II Teil 1

 

Zwei Tage danach, spät abends klopfte Porterhouse an Spikes Zimmer, um ihn abzuholen. Und Spike war froh darüber, denn das Verhältnis zu Buffy hatte sich nicht entspannt, ganz im Gegenteil, und er wollte eigentlich nur raus hier und einen saufen gehen. Porterhouse wollte auch Gwydion sehen. Seltsam, dass dieser wilde Punk, der Frauen überhaupt keine Liebe entgegenbrachte sondern sie nur bumsen wollte, solche Zuneigung zu Gwydion empfand. Zu einem fast sieben Monate altem sabbernden Baby. Zu einem Baby, das unfähig war, seine Glieder koordiniert zu bewegen, das seinen Speichel nicht unter Kontrolle hatte, geschweige denn seine Schließmuskeln. Eben zu einem Baby.

Aber Porterhouse fühlt sich in Gwydions Gegenwart einfach besser als sonst.

„Du kennst Porterhouse noch nicht?“ stellte Spike eher fest als dass er Buffy fragte.

„Nein. Hallo.“ sagte Buffy etwas wortkarg zu dem kurzgeschorenen Punk, der zwar aufgeblickt hatte, sie aber mit Missachtung strafte und sich sofort wieder über Gwydions Bettchen beugte.

„Meine Güte“, sagte er verwundert und irgendwie zärtlich“, der ist aber groß geworden.“

„Er wächst wie Unkraut“, sagte Spike, und auch seine Stimme klang zärtlich.

Porterhouse badete einige Augenblicke in der friedvollen Aura des Kleinen, wie er es schon vor Monaten getan hatte, als Lilah noch lebte – zu der er übrigens am Anfang um keinen Deut freundlicher gewesen war als jetzt zu Buffy – dann riss er sich los.

„Wir wollten doch immer schon mal ins Cops gehen“, meinte er zu Spike.

„Wollten wir das?“ Spike erinnerte sich vage, dass Porterhouse ihn vor Ewigkeiten schon mal ins Cops mitnehmen wollte, aber dann hatten sie keine Zeit dafür gehabt wegen der Band und weil Spike sich viel um Lilah kümmerte. Und nachdem der Erfolg gekommen war und sie die Tournee machten und er erfuhr, dass Lilah schwanger war, da hatte er einfach keine Lust mehr gehabt, in Kneipen zu gehen. Er war zwar noch ein paar Mal im E-body gewesen, aber das war mitten am Tag gewesen, nicht sehr lange und eigentlich nur aus dem Grund, irgendwas zu essen und vielleicht Bronson, den Bassisten der Band zu sehen.

Spike blickte Buffy fragend an. Natürlich nicht, um sie um Erlaubnis zu bitten ausgehen zu dürfen, nein wirklich nicht, aber irgendwer musste ja auf die Kinder aufpassen.

Buffy zuckte mit den Schultern und ging wortlos in ihr Zimmer. Sie war schon sauer genug, um sich noch mehr aufregen zu können. Er war ja wirklich jeden Abend weg. Wenn nicht mit seinen Bandmitgliedern, dann mit blonden Schwedinnen. Und wer weiß, was er noch so alles trieb. Und dieser Porterhouse war ja... wirklich, er war ätzend.

Spike interpretierte das Schulterzucken und das daraufhin folgende in ihr Zimmer gehen als ...aäääh ja, Einwilligung, auf die Kinder aufzupassen.

Wenn ihr langweilig wäre, könnte sie sich ja Angel als Gesellschaft dazuholen, überlegte er grimmig, verdrängte aber diesen Gedanken erfolgreich, zog sich seine Fliegerjacke über und verließ mit Porterhouse das Hotel und eine überaus muffige Buffy.

 

~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*

 

Das Cops erwies sich beim ersten Augenschein als ziemlich enttäuschend, mal abgesehen von der kühlen Einrichtung, die ganz aus Glas und Aluminium bestand.

Es war sehr klein, geradezu winzig klein, lag im Kellergeschoss und hatte ein einziges kleines Fenster. Ein unter Platzangst Leidender würde hier wohl bald in Panik ausbrechen.

Aber unter Platzangst litten Spike und Porterhouse nicht. Außerdem hatte das Cops durchaus seine Vorteile. Die schärfsten Bräute der Punkszene verkehrten hier. Die Musik war ultrascharf. Die Videos auch. Und es gab die größten Sambuccas der westlichen Hemisphäre. Was vielleicht übertrieben war, denn möglicherweise gab es irgendwo auf in der östlichen Hemisphäre einen ähnlichen Laden, vielleicht in Moskau, und vielleicht gab es dort ähnliche große Sambuccas wie im Cops. Aber das war reine Spekulation.

Der Grund, warum die Sambuccas so groß waren, lag allein in der Tatsache begründet, dass dafür immer die gleichen Gläser benutzt wurden, und zwar sehr große. Für andere Sachen wie Schnaps oder Bier nahm das schwule Personal immer verschieden große und von der Form her total unterschiedliche Gläser aus dem riesigen Regal für... na ja unterschiedliche Gläser.

Das konnte dazu führen, das ein spendabler Typ, der eine Runde für fünf Leute ausgeben wollte, fünf verschiedenförmige und vor allen verschieden große Gläser bekam, in denen natürlich auch fünf wirklich sehr unterschiedliche Mengen an Bier, Schnaps und so weiter enthalten waren. Wenn man Glück hatte, erwischte man ein Halbliter-Einmachglas, wenn man Pech hatte nur ein nullkommaeins großes Schnapsglas. Aber diese Benachteiligungen glichen sich bei der nächsten Bestellung wieder aus.

Beim Sambucca herrschten diese Gesetze des Zufalls nicht. Sambucca wurde, vielleicht durch kosmische Bestimmung oder durch die Laune des Chefs immer in gleich großen Behältnissen serviert, und zwar in Nullkommazweilitergläsern, allerdings nur halb voll, was egal war, denn ein guter Sambucca hat so seine einundvierzig Schleifen. Ja wirklich, ein guter Sambucca hat an die 41% Alkohol, und für ein Likörchen ist das eine ganze Menge. Der Rest besteht aus Zucker.

Eigentlich war das Zeug total untrinkbar, und Spike trank es nur, weil gerade Winter war und man den einundvierzigprozentigen Alkohol in flüssiger Form herunterschlucken konnte. Im Hochsommer bei Temperaturen um die 35° wurde sich der Alkohol schon bevor er den Mund erreicht hätte, in Dunst auflösen, und man würde versuchen, den Dunst zu schlucken, aber nichts würde die Kehle erreichen geschweige denn hinunterfließen.

Aber Gottseidank war jetzt Mitte Februar und die Temperaturen entsprechend niedrig.

Bei den ersten drei Sambuccas kaute Spike noch vorschriftsmäßig die traditionell mitservierten Kaffeebohnen. Immer drei an der Zahl, bis er sie in den Zähnen stecken hatte und sie nicht mehr loswerden konnte. Am Anfang versuchte die schwule Bedienung auch noch, den Samucca traditionell anzuzünden, was Spike sich bald energisch verbat, denn der kostbare Alkohol durfte nicht verbrannt werden, auch wenn’s noch so schön aussah.

Nach fünf Gläsern hatte die schwule Bedienung es endlich kapiert. Keine Kaffeebohnen und kein Anstecken! Hupps!!!

Nach einer Stunde, in der kaum fünf Minuten vergangen waren, nur scheinbar natürlich, erhob sich Spike und setzte sich auf einen Barhocker vor das Videogerät.

„Die haben hier die geilsten Dinger“, rief Porterhouse ihm nach.

Das musste Spike nachprüfen.

Whow, die Achtziger. Wunderbar. Seine Musik, Seine Gruppen.

Joy Division, New Order, die Krupps…

Wunderbar, Einfach wunderbar. Dead Kennedys!

„Gib mir noch so ein süßes Ding“, wandte er sich mit schon leicht unsicherer Zunge an die schwule Bedienung.

Something always goes wrong when things are going right

You've swallowed your pride to quell the pain inside

someone captured your heart . Like a thief in the night.

and squeezed all the juice out – until il ran dry.

Ja schau man einer an, The The... Spike musste ein wenig mitsingen, natürlich nur ganz leise, das war kein Lied zum Mitgrölen, ach und es war traurig. So traurig.

Leicht schwankend auf seinem Barhocker starrte er auf den Monitor und murmelte in sich hinein: Der Schmerz? Nein. Mein Herz? Nein. Du? Du nicht. Nein.

Auf einmal fühlte er, wie ihn das Verlangen nach einer Zigarette überkam. Der Alkohol machte ihn schwach, so schwach, er hatte gewusst wie schwer es werden würde. Zwölf Monate hatte er nicht mehr geraucht, und ausgerechnet in dieser Kneipe durfte man rauchen, es war fast ein Privatclub, und es roch so verdammt anregend nach Zigarettenqualm. Spike war noch nicht in das Stadium gelangt, in dem der Zigarettenqualm ekelhaft riechen würde. Leider noch nicht.

Nein und noch mal nein! Nicht wieder anfangen. Das ist genau wie mit der Liebe, sie bringt nichts Gutes.

Andererseits sagte man, das Alkohol die Adern erweitert und Nikotin sie verengt, Wie wunderbar, was für ein fein ausgeklügeltes System, falls es stimmte... Vielleicht war er deswegen so schnell besoffen geworden, weil ihm das wunderbar ausgleichende Nikotin fehlte, das die vom Alkohol erweiterten Adern so hübsch wieder zusammenzog. Ach ja...

Nein. Ich will nicht. Als Kind war ich doch auch glücklich, und ich habe nicht geraucht. Nur ist das schon so lange her. Eigentlich kann mich gar nicht mehr daran erinnern....

Nein. Ich will nicht. Es gibt auch ein Leben nach dem Rauchen. Ja toll, nur kommt es einem so verdammt lange vor, es fehlt der Zeitmesser, die Zigarette als Uhr, vielleicht jede halbe Stunde eine, und man kontrolliert die Zeit. Und jetzt stehe ich ohne da und habe keinen Bezugspunkt mehr wie... ja vielleicht in einer Black Box. Ich kann die Zeit nur messen, indem ich trinke, mit langsamen Schlucken diese süße Zeugs saufe, bis mir die Zähne im Mund verfaulen....

Sich mit diesen Sprüchen aufbauend, gewann Spike allmählich wieder die Gewalt über sich selber – oder über den Dämon in sich, der unbedingt nach Zigaretten verlangte.

Er setzte sich wieder zu Porterhouse an die Theke. Viel Auswahl zum Sitzen hatte man hier nicht, außer den paar Barhockern gab es drei kleine Tische, natürlich aus Alublech mit passenden Stühlen auch aus Alublech.

Die schwule Bedienung wollte Spike anbaggern. Spike war das etwas peinlich, aber er war jetzt so besoffen, dass er tatsächlich ein wenig mit der Bedienung flirtete.

„Du bist nicht schwul“, meinte die Bedienung dann schließlich enttäuscht. „Ich sehe es in deinen Augen.“

„Ach schade, wär vielleicht ’ne Alternative,“ sagte Spike enttäuscht. „Und der?“ Er wies mit dem Zeigefinger auf seinen Kumpel Porterhouse. „Ist der schwul?“

„Nie im Leben. Der hat so kalte Augen.“

„Na denn woll’n wir da mal einen drauf trinken!“

„Gibst du mir einen aus?“ fragte eine weibliche Stimme neben ihm.

Arrgh, jetzt kamen auch noch die Weiber dazu! Jetzt musste man nicht nur gegen seine Nikotinsucht ankämpfen sondern auch noch gegen den Drang, irgendein Weib zu bumsen, es war schon so lange her. Wie lange? Ooohh, so lange nun auch wieder nicht. Wann war es? Ach ja, Mitte November war das liebe Buffylein in seinem Hotel erschienen. Und....

leider war er so besoffen gewesen, dass er fast alles vergessen hatte, aber er musste schlimm gewesen sein.

Und außerdem hatte er jetzt zwei Ehefrauen, denen er treu sein musste, und zwar seine verstorbene Ehefrau Lilah und seine jetzige Ehefrau Buffy, wobei er die erste schon mit der zweiten betrogen hatte, zwar nach ihrem Tode betrogen hatte, aber Betrug ist Betrug...

„Mach mir mal ’nen Espresso, aber so ’nen richtig großen...“,wandte er sich an die Bedienung. „Und mach ihr ’nen Sambucca.“ Er wies mit dem linken Daumen auf die auffällige Erscheinung neben sich.

Damit meinte er ein Mädel mit pechschwarzen Haaren und roten Strähnen darin, ein Mädel mit üppigen Titten, die nur durch eine Art schwarzes Netz verhüllt wurden, nein verhüllt konnte man nicht sagen, sie wurden dadurch eher betont, sozusagen hervorgehoben, so dass Spikes Augen ihn schwer hinunterzogen zu diesen ...

Ach was, es war genug. Er riss sich los von diesem faszinierenden Anblick und wandte sich wieder seinem Sambucca zu. Im gleichen Augenblick wurde ihm ein dampfender Espresso in einer großen Kaffeetasse serviert. Wohlgemerkt: in einer großen Kaffeetasse!

Es war ein eindrucksvoller Augenblick, als der einschläfernde Sambucca – oder besser gesagt, der geil machende Sambucca, der auch die schlampigsten Schlampen schön machte – mit dem belebenden Espresso zusammenprallte und die Normalität wiederherstellte. Fast wieder herstellte.

„Hatten wir nicht noch was vor?“ fragte Spike Porterhouse, zwar immer noch mit ein wenig stockender Stimme wegen der vielen Sambuccas, aber doch schon ernüchtert.

„Ich ruf ihn jetzt an“, sagte Porterhouse, schob die Braut beiseite, die sich auf seinem Schoß niedergelassen hatte und an seinem Ohr knabberte. Und wählte eine Nummer auf seinem Handy.

„Du kannst jetzt kommen. Wir sind bereit.“ Porterhouse grinste.

Spike grinste auch. Obwohl er sich gegen die Schlampe wehren musste, die sich immer näher an ihn drängte und ihm dann ins Ohr flüsterte: „Was ist, Bill? Hast du auch ein big bad thing?“ Sie kannte ihn, realisierte Spike durch die Alkoholschwaden hindurch, die sein Gehirn durchzogen. Sie kannte ihn von der Band.

Die Antwort auf die Frage wäre... schwierig. Vielleicht ja, vielleicht nein, aber mit Sicherheit nicht für diese Braut. Also gab er ihr keine Antwort, sondern bestellte noch einen Sambucca für sie.

Er grinste immer noch, als nach einer halben Stunde Snikkers ins Cops kam, seine beiden Freunde und Bandmitglieder mit seinem Taxi abholte, nachdem er sie vorher ermahnt hatte, doch ihre Zeche zu zahlen, was sie fast vergessen hätten.

 

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Sie ließen sich von Snikkers fahren.

Der hatte auch die Baseballschläger besorgt. Ein fein ausgeklügelter Plan. Keiner würde sie verdächtigen, weil sie erst im Cops gewesen waren und dann ein Taxi bestellt hatten. Sie würden, wenn es hart auf hart kommen würde, sich gegenseitig ein Alibi geben.

Das Haus war dunkel, sie hatten ausspioniert, dass es seit Halloween im letzten Jahr nicht mehr bewohnt worden war. Die Hautür hing nicht mehr schief in den Angeln, sondern war repariert worden. Auch das zerbrochene Fensterglas hatte man ersetzt.

Wer hatte das getan, wunderte sich Spike. Waren sie immer noch da? Lauerten sie im Hintergrund, um sich die Kinder anzueignen?

Die verdammten Wichser!

Spike wies Snikkers an, die Scheinwerfer auszumachen und zu wenden, um bei drohender Gefahr gleich losfahren zu können.

Dann ging er mit Porterhouse um das Haus herum, um über die Terrasse in den Wintergarten zu gelangen, was mit den Baseballschlägern hervorragend klappte. Das Glas brach und kreischte unter den Schlägen. Sie machten kein Licht an, denn möglicherweise waren die Überwachungskameras noch aktiv.

Snikkers lauschte andächtig den Geräuschen, die kurz darauf aus dem Inneren des Hausen drangen. Er lächelte.

Es war ein alberner und kindischer Akt der Barbarei, es war bescheuert und ziemlich gesetzeswidrig, aber es war sehr befriedigend, alles im Haus, was sich irgendwie in Stücke hauen ließ, in Stücke zu hauen. Dem Gasherd widmete Spike besonders viel Aufmerksamkeit mit dem Baseballschläger, obwohl objektiv betrachtet, der arme Gasherd gar nicht wusste, was er letztes Jahr angerichtet hatte.

Es war ein alberner und kindischer Akt der Barbarei , aber er war befriedigend. Er war sogar total befriedigend!

Spike wusste nun, dass er alles in Los Angeles erledigt hatte.

 

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KAPITEL II Teil 2

 

Am nächsten Morgen kam eine muntere Buffy in Spikes Zimmer: Nachdem sie ein paar Mal erfolglos an die Tür gebumst hatte und keiner sie hereinbat, hatte sie schon befürchtet, er wäre über Nacht nicht heimgekommen sondern irgendwo versackt. Versackt in den dubiosen Lokalen, in denen er und die Jungs verkehrten.

Aber dem war wohl nicht so, wie sie beruhigt dachte. Er lag vollkommen angezogen und schlapp auf seinem Bett und stöhnte, als sie die Vorhänge zurückzog und die niedrig stehende Sonne einen Teil des Zimmers erhellte. Dann fluchte er und öffnete seine Augen, die ziemlich verquollen aussahen.

„Was zum Teufel... „ stöhnte er und hielt sich die Stirn. „Verflucht noch mal, geht es mir dreckig!“ stöhnte er weiter.

Buffy konnte ein schadenfrohes Lächeln nicht unterdrücken und schmiss ihm den weichen großen Stoffdelphin, der Gwydion gehörte und der zufällig hier herumlag, an den Kopf. Sie wollte ihm ja nicht weh tun, musste aber automatisch an die Zeiten denken, an denen sie ihm eine harte Kerze an den Kopf geworfen hatte. Das war nach ihrer ersten Nacht...

„Aua, was machst du? Willst du mich umbringen?“

Buffy schnüffelte in die Luft.

„Das darf doch nicht wahr sein! Allein vom Riechen werde ich ja schon besoffen“, meinte sie spöttisch und rümpfte die Nase.

„Äääcchzz...“, war die gegrunzte Antwort.

„Du solltest jetzt aufstehen“, meinte sie dann.

„Warum, aua, sollte ich das?“ stöhnte Spike, der sich aufgerichtet hatte und sich immer noch den ...aua... Kopf hielt.

„Da du ja keine Lust oder Zeit hast, mit mir einkaufen zu gehen, werde ich heute alleine gehen“, stellte sein ihm angetrautes Eheweib eben fest.

„Nicht. So. Laut. Bitte“, stöhnte Spike abgehackt..

„Vielleicht geht noch jemand mit von den anderen. Vielleicht kommt Angel ja mit.“ überlegte Buffy ziemlich laut, was Spike natürlich noch einmal aufstöhnen ließ. Man weiß nicht, ob wegen Buddys lauter Überlegung oder wegen der Erwähnung von Angel.

„Haben sie Regen angesagt?“ sagte er dann träge. Er war tatsächlich so geschafft, dass sogar Angels Erwähnung ihn nicht besonders aufbringen konnte.

Buffy sah auf seine Hände und schaute ihn missbilligend an. Seine Hände waren blutverschmiert und mit Schnitten übersät.

„Was hast du gemacht?“ fragte sie vorwurfsvoll.

„Ich weiß nicht.“ Ratlos schaute Spike auf seine Hände. Tatsächlich wusste er es wirklich nicht mehr, bis ihm dann langsam die Eingebung kam. Heiliger Strohsack, sie hatten es wirklich getan. Sie hatten alles in Stücke gehauen in diesem verdammten Haus, was sich irgendwie in Stücke hauen ließ.

„Ach nichts“, sagte er zu Buffy.

Na klar, er erzählt mir natürlich nichts, dachte Buffy mürrisch.

Spike hatte sich ganz ganz langsam auf die Bettkante gesetzt und stützte vorsichtig seinen Kopf mit den Händen ab. Er versuchte krampfhaft, diesen seinen Kopf nicht zu bewegen, denn jede Bewegung verschaffte ihm mörderische Schmerzen in der Stirngegend und irgendwo dahinter. Sogar das Atmen war schmerzhaft.

Geschieht ihm recht, dachte Buffy und hatte doch ein wenig Mitleid mit ihm. Was natürlich vollkommen ungerechtfertigt war.

Spike versuchte, seine Finger zu bewegen, aber abgesehen davon, dass die Wunden auf seiner Hand ziemlich wehtaten, konnte er keinen einzigen Finger krumm machen. Der verfluchte Sambucca wirkte also genauso wie Ouzo, und zwar Finger und sonstige Glieder lähmend. Es würde eine Weile dauern, bis sich alles wieder bewegen ließ.

Gern der Zeiten gedenk ich, da alle Glieder gelenkig bis auf eines, zitierte Spike fast lautlos, diese Zeiten sind vorüber, steif sind alle Glieder bis auf eines. Von wem war das noch? Spike vollbrachte tatsächliche die grandiose geistige Anstrengung, mit einer höllisch schmerzenden Stirn den Dichter... aua... herauszufinden. Es handelte sich tatsächlich um Goethe, den alten deutschen Knacker

„Was ist denn?“ fragte Buffy wieder ungeduldig, als sie ihn so vor sich hin murmelnd auf seine Finger starren sah.

„Gar nichts. Absolut gar nichts.“ Spike erhob sich langsam und vorsichtig, ohne den Kopf groß zu bewegen. „Lass mir nur noch ein bisschen Zeit, um meinen Kopf unter die Dusche zu halten. Und den Rest auch. Obwohl ein Fass mit Eiswasser besser wäre...“ Sprachs und ging vorsichtig schwankend und mit steifgehaltenem Kopf ins Badezimmer. Er trug, wie Buffy bemerkte, noch alle Sachen, die er gestern Abend angehabt hatte. War wohl zu besoffen gewesen, sie auszuziehen.

Sie sah ihm kopfschüttelnd hinterher.

„Gwydion hab ich schon gefüttert. Aber du musst für Morgan was kochen!“ rief sie ihm nach. Morgan aß nämlich keine Sachen aus dem Glas oder sonstige Babyfertignahrung, sondern nur Sachen, die zu Hause gekocht wurden. Seit Spike in Woodcape aufgetaucht war, zog Morgan es vor, sich ihre Mahlzeiten von ihrem Daddy kochen zu lassen. Daddy konnte am besten kochen von allen anderen Leuten, vor allem besser als Mommy, und Daddy’s Spagetti waren in allen Varianten gut.

„Oh Gott!“ hörte sie Spike stöhnen, bevor er im Badezimmer verschwand. „Hoffentlich“, er machte eine Pause, die mit Stöhnen gefüllt war, „ist was im Kühlschrank.“

Dann hörte sie nur noch: „Wieso muss ICH immer kochen? Zwei Ehefrauen, und keine konnte oder kann kochen...“

Ein befriedigtes Lächeln überzog Buffys Gesicht. Die göttliche Lilah hatte also auch nicht kochen können. Hahahaha!

 

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Ich sollte mir auch noch das Saufen abgewöhnen, dachte Spike. Saufen ohne Rauchen macht einfach keinen Spaß. Und der Kater ist wie immer ... vom Feinsten.

Er verbrachte einen ruhigen Vormittag mit seinen Kindern, die glücklicherweise sehr lieb zu ihm waren, als würden sie spüren, wie schlecht es ihm ging.

„Daddy aua“, sagte Morgan mitleidig zu ihm und berührte zart seine linke Hand, die schlimmer zugerichtet war als die rechte. Morgan war so ein Schatz!

Seine Kopfschmerzen und das allgemeine Übelgefühl waren nach einer Stunde zwar nicht vorbei, aber er konnte es ertragen – seine Jägerselbstheilungskräfte versagten auch bei einem Kater nicht – und er hatte es sich mit Gwydion und Morgan auf seinem Bett gemütlich gemacht. Heute war nicht der Tag für wilde Spielchen mit den Kindern, sondern ein Tag zum Fernsehen.

Und vielleicht würde er Morgan eine Geschichte über einen Vampir erzählen, vielleicht über einen nicht ganz so bösen Vampir. Wahrscheinlich wusste Morgan schon ein bisschen über ihn, konnte es aber noch nicht verstehen, und er musste ihr irgendwann die ganze Wahrheit schonend beibringen. Wie brachte man seinem Kind so etwas schonend bei?

So in Märchenform, vielleicht? Grimm mit Bruder...

Er hatte Angst davor.

Und Gwydion musste es auch irgendwann erfahren. Und auch das, was mit seiner leiblichen Mutter geschehen war und dass Buffy nicht seine leibliche Mutter war.

MERDE!!!

Aber immerhin hatte er in L.A. alles erledigt, was zu erledigen war.

Er hatte Lilahs Eigentumswohnung zu einem, wie seine Agentin Vivian ihm sagte, äußerst gutem Preis verkauft.

Das Schlimmste war gewesen, Lilahs Kleider, die sich noch in der Wohnung befanden, zu entsorgen. Sie waren ein Teil von ihr, obwohl Spike diese Kleider nie an ihr gesehen hatte, denn als sie mit ihm zusammen war, hatte sie zu einem sehr viel weniger strengen Stil gefunden. „Gib sie irgend jemanden, der sie gebrauchen kann? Meinetwegen bring es zu ’ner Kirche“, hatte er zu Snikkers gesagt, der die Sachen daraufhin wirklich zu einer Kirche brachte...

Auch Lilahs Schmuck wollte er nicht zu Geld machen. Er hatte den Schmuck einem Penner auf der Straße geschenkt und bildetet sich ein, der Penner wäre ein Opfer von W&H oder vielleicht sogar ein Opfer von Lilah gewesen, und es wäre eine Art von Wiedergutmachung an ihm. Was natürlich Quatsch war. Eigentlich wollte er nur nicht in einen Laden gehen und mit dem Inhaber um den Wert von dem verdammten Schmuck feilschen.

Also auch das erledigt. Gut.

Der Porsche war verkauft und hatte tatsächlich noch fünfzigtausend Dollar gebracht. Anscheinend war der Wiederverkaufswert eines Porsche sehr hoch.

Er konnte ihn ja sowieso nicht gebrauchen.

Er hatte sich von den Jungs verabschiedet. Die Band war Legende und vorbei, obwohl ihre DVD immer noch gut verkauft wurde, mittlerweile war sie über den Atlantik nach Europa vorgedrungen, und vor allem Engländer, aber auch Deutsche und Italiener hatten Geschmack an diesem nostalgischen Werk gefunden. Es gab Angebote, mit der Band in England aufzutreten, aber Spike wollte nicht, und der Rest der Band wollte keinen neuen Sänger. Aber besuchen kommen wollten sie ihn, und zwar alle, Bronson, Snikkers, Casio und Porterhouse.

Casio hatte ihm ein Laptop gegeben, das Lilah gehört hatte. Und Casio hatte ihm erzählt, dass er es gewesen war, der die vernichtenden Daten über W&H ins Netz gestellt hatte auf Lilahs Anweisung.

Spike musste schlucken, als Casio es ihm erzählte. Später in seinem Zimmer hatte Spike das Laptop eingeschaltet und verzweifelt nach einer Botschaft von Lilah gesucht. Aber das Laptop war gähnend leer, außer dem Betriebssystem und Word war fast nichts installiert. Es gab keine Botschaft von Lilah.

Maja hatte sich wohl entschlossen, nach Schweden zurückzugehen. Spike hatte ihr seine Adresse in Woodcape gegeben und sie gebeten, sich ab und zu bei ihm zu melden und sei es auch nur übers Handy. Sie war so eine großartige Frau, und er würde sie vermissen. In aller Freundschaft natürlich.

Es war also alles erledigt, wenn auch nicht verarbeitet, und Spike konnte mit seiner... haha Familie Los Angeles verlassen. Los Angeles hatte die erste Station in Sachen Zukunftstauglichkeit seiner Ehe sein sollen – die erste Probe, um eine Vision wahr werden zu lassen – und diese erste Station war nicht gerade ermutigend gewesen. Mittlerweile zweifelte Spike am Wahrheitsgehalt dieser Vision. Es war wohl doch nur ein beschissener Traum gewesen. Die erwachsenen Kinder, er und Buffy und anscheinend noch ein Abkömmling von ihnen, das war vollkommen absurd. Wie hatte er jemals an diese Vision – nein Vision war das falsche Wort, sondern eher Trugbild oder Fata Morgana – glauben können? Vielleicht, weil er es wollte? So’n Quatsch!

Es klopfte an die Tür.

„Immer herein“ meinte Spike und hoffte, es wäre Maja, einer von den Jungs oder sonst jemand, den er gut leiden konnte.

 

Es war Angel.

 

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KAPITEL II Teil 3

 

Es war Angel mit seinem üblichen grimmigen Gesichtsausdruck, der, wie Spike meinte, ausschließlich für ihn reserviert war.

Nun war es nicht so, dass er Angel hasste, so wie er ihn früher gehasst hatte. Nein, der Hass war irgendwie verflogen. Aber besonders lieben tat er Angel auch nicht.

Angel nahm sich einen Stuhl und setzte sich neben das Bett, in dem Spike mit seinen Kindern und jeder Menge Spielzeug lag.

Spike schaltete den Fernseher aus.

„Was ist?“ fragte er ein wenig gereizt.

„Das wollte ich eigentlich DICH fragen“; sagte Angel.

„Ich kann dir nicht ganz folgen.“

„Wieso habe ich das Gefühl, du bist nicht gut für sie“, Angel sah Spike während dieser Worte nicht an, sondern heftete seine Augen auf Gwydion, der Angel zutraulich ansah und anfing, mit den Armen zu rudern, weil er zu ihm wollte.

„Kann ich ihn mal halten?“ fragte Angel.

„Klar. Du meinst also, ich wäre nicht gut für sie. Kannst mir das irgendwie erklären?“ fragte Spike aufsässig, den er liebte es nicht und hatte es nie geliebt, von Angel gemaßregelt zu werden. Ausgerechnet von dem! Wieso fühlte er sich in Angels Gegenwart immer so untergebuttert?

„Sie macht keinen sehr glücklichen Eindruck“, sagte Angel und hob Gwydion hoch in die Luft. Gwydion lachte.

„Hat sie sich bei dir beschwert?“ Spike wurde allmählich sauer. Was wollte Angel ihm da erzählen? Der Grund für Buffys Nichtglücklichsein war ja wohl ausschließlich in der Tatsache begründet, dass sie ihre große Liebe Angel nicht kriegen konnte. Also was wollte dieser Sack ihm da sagen?

„Nicht direkt. Aber sie ist eben... nicht glücklich. Ich hatte gedacht, wenn ihr schon verheiratet seid, dann würdet ihr was draus machen.“

„Ach, sie hat dir von der Heirat erzählt“, Spike lachte spöttisch auf. „Nun, ich habe sie nicht dazu gezwungen.“

„Verdammt noch mal Spike. Sie ist nicht glücklich.“

„Ach ja? Und mit dir wäre sie wahrscheinlich glücklicher. Natürlich nur, bevor du dich in den bösen Onkel Angelus verwandelst.“

„Du weißt genau, dass es nicht geht.“ Angel lächelte gequält.

„Und genau das ist mein Dilemma, denn was wäre, wenn es plötzlich ginge? Was wäre dann mit unserer sogenannten Ehe? Also lass mich doch mit diesem Scheiß in Ruhe!“

„Sie will dich“, sagte Angel, und es kostete ihn eine große Überwindung, das zu sagen.

„Sie wollte mich schon vor drei Jahren! Ach, ich vergaß zu sagen, sie wollte nicht mich, ich war ja ein böser Vampir ohne Seele, sie wollte meinen Körper.“

„Halt’s Maul!“ Angel erinnerte sich an den Tag im Mai im letzten Jahr, als Buffy ihm erzählt hatte, dass sie es schon mit Spike getrieben hatte, als der noch gar keine Seele besaß...

„Du kannst es ja immer noch nicht ertragen, wenn jemand anders sie berührt, Kumpel. Also gib mir keine Ratschläge.“ Spike hatte sich einigermaßen beruhigt und wollte seinen alten Kampfgefährten auch beruhigen. „Wir sind schon ein sauberes Pärchen. Du früher mit deinen sadistischen Spielchen... und ich, na ja, ich hab ihr auch einiges angetan.“

„Du solltest es wenigstens versuchen“, meinte Angel nun auch besänftigt, und es lag wahrscheinlich an Gwydion, dass sie auf einmal friedlicher miteinander umgingen.

„Es ist schwer. Es ist verdammt schwer.“ Spike war zwar besänftigt, aber nicht besänftigt genug, um Angel davon zu erzählen, dass er ihn und Buffy vor einigen Tagen in inniger Umarmung gesehen hatte. „Aber wo du mal hier bist... Kannst du mal ein bisschen auf den Buddha aufpassen? Ich muss für die Fee was kochen, und ich habe wirklich absolut keine Ahnung, was.“

„So nennst du die beiden also? Weißt du überhaupt, wie ich dich beneide“ sagte Angel, der Spike mit Gwydion auf dem Arm gefolgt war. Morgan wollte natürlich auch um keine Preis der Welt verpassen, was ihr Daddy für sie kochen würde und hatte sich an Spikes Hosenbeine gehängt.

„Du wartest immer noch auf das, wie hieß es noch?“

„Shanshu. Es heißt Shanshu“, sagte Angel

„Genau, das Shanshu. Aber es muss doch, verdammt noch mal, andere Möglichkeiten geben, ein Mensch zu werden.“

„Ich habe es noch nicht verdient“, sagte Angel.

„Ich bitte dich! Ist es so erstrebenswert, ein Mensch zu sein? Ja gut, wegen Buffy.... Aber die Qualen hören nicht auf, wenn du ein Mensch bist, Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Und ich habe Angst, dass Morgan irgendwann einen meiner Träume aufschnappt. Sie weiß doch gar nicht was los ist, die arme Kleine.“ Spike wirkte besorgt. „Einen dieser Träume, wo ich Menschen töte...“

„Mein Sohn hasst mich“, gab Angel mit versteinertem Gesicht zu.

„Wirklich?“

„Er sieht in mir nur den Vampir. Er ist von diesem Holtz erzogen worden.“

„Oooh“, Spike überlegte einen Augenblick. „Bring ihn doch mal mit Gwydion zusammen. Der Kleine kann einiges bewirken. Nur bei Buffy und mir wirkt es anscheinend nicht.“

Spike hatte Connor noch nie gesehen. Connor war in dieser anderen Dimension aufgewachsen, in die W&H auch seine Kinder hatten schicken wollen, um sie vorzeitig erwachsen werden zu lassen, nein, besser gesagt, geschlechtsreif.... Grässlicher Gedanke. Spike spürte, wie ihn eine Welle der Wut auf diese verdammten Wichser überkam. Bei Connor hatte es geklappt, er war jetzt schon erwachsen. War das nur die Schuld von Holtz oder waren W&H auch daran beteiligt gewesen?

„Gute Idee.“ sagte Angel in Spikes Gedanken hinein.

„Du müsstest dich allerdings beeilen, denn ich bin mit dieser Stadt fertig. Ich schätze, wir werden bald abreisen. Allerdings, Buffy kann hier bleiben, wenn sie will. Denn ich muss ja diesen Film machen...“

Angel schwieg eine Weile, bevor er sagte: „Also du meinst wirklich, das mit dem Menschsein ist nicht so toll?“

„Du kannst dich nicht mehr daran erinnern, was?“

„Es ist so lange her, dass ich ein Mensch war. Außer...“ Angel hörte auf zu sprechen und wirkte nachdenklich.

„Hast du dir mal Gedanken darüber gemacht, was für ein Mensch du werden würdest?“ fragte Spike und inspizierte den Inhalt des Kühlschranks. Eine Packung geriebener Käse und eine Packung Schinken fielen ihm ins Auge. Das schrie gerade zu nach Nudeln mit... vielleicht Käse und Schinken. Und im Tiefkühlfach fand er eine angebrochene Packung Brokkoli. Er füllte einen Topf mit heißem Wasser aus dem Boiler, gab Salz dazu, stellte ihn auf eine Herdplatte und schaltete die Platte ein.

„Keine Ahnung. Was meinst du?“

„Ich weiß nicht“, sagte Spike vorsichtig. „Ich bin als Mensch gar nicht so verschieden von dem Vampir Spike. Vielleicht bin ich jetzt die Summe meiner Erfahrungen – irgendwie. Ich bin immer noch sarkastisch, ich mag die Menschheit nicht besonders, und Liebe, du weißt es am besten, konnte ich auch als Vampir empfinden. Nun ja, der Blutdurst ist weg und die Mordlust auch. Als Vampir, vor allem ganz am Anfang, hatte ich Probleme, ein Vampir zu sein... so ein richtig gemeiner blutdürstiger Schweinehund von einem Vampir, wie du einer warst. Aber ich hab’s geschafft. Und jetzt habe ich Probleme, ein Mensch zu sein.“

„Wenn ich wieder ein Mensch würde... Wie wäre ich dann?“

„Keine Ahnung... Ich befürchte, du bist eine reine Kunstfigur. Diese Seele, die du da hast, das ist gar nicht deine eigene, deshalb bist du so unstabil, mal Angelus, mal Angel. In Wirklichkeit bist du gar nicht real.“ Spike musste lachen über diese reale Wirklichkeit, das war doppelt gemoppelt. „Tut mir leid, Angel, aber so sehe ich es.“

„Ich fühle mich aber ziemlich real. Und außerdem weiß ich, wie ich als Mensch wäre“, sagte Angel fast unhörbar.

„Ach komm’, woher willst du das wissen?“ Spike hatte die leisen Worte gehört. Er schüttete gerade in kleine Stücke zerbrochene Makkaroni in den Topf mit dem mittlerweile kochendem Wasser, stellte dann eine Pfanne auf eine weitere Herdplatte und schaltete sie an.

„Ich habe mich in einen Menschen verwandelt. Das muss jetzt schon fünf oder sechs Jahre her sein.“ Es bereitete Angel offenkundig Mühe, dieses Spike zu erzählen.

„Quatsch!“ sagte Spike, er sah Angels gequält aussehendes Gesicht. „Ist das wahr?“

„Buffy war gerade zu Besuch bei mir. Wir kämpften gegen einen Mohra-Dämonen –und dann ist Blut von ihm in eine Wunde von mir geraten. Man sagt diesen Dämonen nach, dass sie alles mögliche mit ihrem Blut regenerieren können. In diesem Fall war ich es, der regeneriert wurde.“

„Is ja’n Ding! Und weiter?“ Spike zerpflückte den Schinken in kleine Stücke, gab ihn in die Pfanne, ließ ihn ein wenig anbraten und blickte Angel für einen kurzen Augenblick aufmerksam an, bevor er sich wieder der Pfanne zuwandte.

„Ich konnte Sonnenlicht vertragen, ich konnte normal essen. Und das Beste von allem war, ich konnte mit Buffy...“ Angel sprach nicht aus, was er mit Buffy konnte, aber Spike verstand ihn trotzdem sehr gut.

„Und wieso habe ich nie davon gehört? Ich meine, Buffy hätte es mir bestimmt unter die Nase gerieben,“ sagte Spike ungläubig, bevor er nach einer kleinen Gedankenpause fortfuhr: „Nein, hätte sie nicht, denn natürlich wäre alles ganz anders gelaufen...“

„Sie kann sich nicht daran erinnern.“

„Häääh!“ Spike wirkte ungläubig.

„Ich habe die Mächte gebeten, es rückgängig zu machen. Ich hätte ihr als Mensch nicht mehr so helfen können wie als Vampir.“

„Das glaube ich nicht!“ Spike gab den gefrorenen Brokkoli in den Topf mit den Makkaroni, um ihn ein paar Minuten lang mitkochen zu lassen. Er sollte nicht mehr hart sein aber auch nicht zu matschig...

„Es ist wahr.“

„Bist du dir darüber im Klaren, dass es vielleicht deine einzige Chance war, ein Mensch zu werden?“

„Ich hoffte und hoffe immer noch, das Shanshu....“

„Das Shanshu, meine Güte! Das Shanshu! Okay, du brauchst also ein Menschsein mit Zertifikat! So was einfaches wie mit Dämonenblut ist dir nicht gut genug.“ Spikes Stimme klang aufgebracht, als er den Topf mit den Nudeln und dem Brokkoli abgoss und auf eine kalte Herdplatte stellte. „Immer der edle Ritter, nicht wahr? Was würde Buffy dazu sagen?“ Spike gab etwas Tomatenmark in die Pfanne mit dem gebratenen Schinken und rührte das ganze mit einem Löffel um.

„Du wirst es ihr doch nicht erzählen.“ Angels Stimme klang verzagt.

„Ich hätte wirklich nicht übel Lust, aber ich werde es nicht tun. Sie wäre bestimmt nicht begeistert.“ Spike schüttete die Nudeln und den Brokkoli in die Pfanne und verrührte alles vorsichtig miteinander.

„Mittlerweile weiß ich nicht mehr, ob es richtig war. Andererseits war da so eine Prophezeiung, dass sie sterben würde.“

„Jeder muss sterben. Vor allem Jägerinnen müssen sterben.“ Spike öffnete die Packung mit dem geriebenen Käse und schüttete ihn auf den Inhalt der Pfanne.

„Ich wollte sicher gehen.“

„Nun gut. Sag’ mal, Alter, könnte es sein, dass du so ’ne Art Kontrollzwang hast?“ Spike nahm sich noch einen Löffel und mischte den Käse unter die Nudel-Brokkoli-Tomatenmark-Schinken-Masse.

Daraufhin sagte Angel nichts. Überhaupt nichts.

„Als du aus Sunnydale abgehauen bist, hast du sie damals gefragt, was sie wollte? Nein, hast du mit Sicherheit nicht. Nein, du weißt ja immer, was für andere gut ist.“

Angel sagte immer noch nichts.

„Na, dann wollen wir uns das mal reinziehen, nicht wahr Fee?“ grinste Spike und belud zwei tiefe Teller mit dem Essen. „Ich glaub, Onkel Angel hat keinen Hunger...“

Der Käse zog ganz viele Fäden, und es machte Morgan einen Heidenspaß, von ihrem Daddy mit Fäden gefüttert zu werden.

 

„Das sieht interessant aus“, meinte Angel.

„Es schmeckt. Es schmeckt wirklich. Nur das Spülen hinterher ist der absolute Horror, der Käse klebt überall dran“, Spike musste lachen. „Könntest du dich eventuell dazu durchringen, hier eine Spülmaschine aufzustellen? Vielleicht beim nächsten Besuch?“

„Ich werde den Gedanken in Erwägung ziehen.“

„Sollen wir gleich zum Strand fahren? Ich muss hier mal weg. Und die Sonne kommt bestimmt nicht raus“, sagte Spike.

„Ich habe den Eindruck, Spike, dass du fast immer ‚weg‘ bist.“

„Nur in Geschäften. Also willst du? Ich kann nicht zwei Kinder auf einmal schleppen. Und der Van hat abgedunkelte Scheiben, aber das weißt du ja.“„

„Na gut.“

 

Sie fuhren nach Long Beach, und Spike erinnerte sich an den Tag im Dezember, als er mit Gwydion hier gewesen war.

„Da drüben in dem Strandcafe hab’ ich in der Zeitung gelesen, dass Buffy im Knast sitzt“, erzählte er Angel, als sie nebeneinander den Strand entlanggingen. Angel trug Gwydion, und Spike passte auf, dass Morgan nicht zu nah ans Wasser lief. Nach einer Weile wurde die Fee müde und ließ sich von Spike tragen.

Angel blickte immer wieder besorgt zum Himmel empor, aber die Wolkenschicht war so dicht, dass man den Eindruck hatte, unter einer total undurchsichtigen Käseglocke zu sein.

„Du wirst schon nicht verkokeln“, Spike lachte.

Auch Angel musste lachen, er entspannte sich und ging in Gedanken versunken neben Spike her.

 

~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*

 

Viele Meilen weiter nördlich: Eine junge Frau, eher noch ein junges Mädchen, betritt gerade den Pferdestall eines Gestüts. Wie alt mag sie sein? Vielleicht fünfzehn, sechzehn Jahre. Sie wird von fast allen Leuten Andy genannt.

In Andy ahnt man schon die volle Schönheit, die sie eines Tages besitzen wird, aber das ist ihr überhaupt nicht bewusst und wenn sie es wüsste, wäre es ihr egal. Irgendwie ist sie ein Naturkind, sie liebt Tiere, vor allem Katzen und Pferde und sogar den mürrischen alten Ziegenbock, der fürchterlich stinkt, und der nur noch lebt und sein Gnadenbrot bekommt, weil das Lieblingspferd des Gutsherren einen Narren an diesem stinkenden alten Bock gefressen hat.

Andy ist gespannt auf die Neuerwerbung des Gestüts, einen schwarzen Wallach – er ist morgens gebracht worden, als sie noch in der Schule war.

Sie hat den hölzernen Riegel der Stalltür schon in der Hand, als von drinnen ein ohrenbetäubendes Krachen und dazu ein Wiehern aus mehreren Pferdekehlen ertönt.

Sie kommt nicht mehr dazu, die Tür zu öffnen, weil von der anderen Seite das neue Pferd mit voller Kraft dagegen springt, die Holztür in Stücke tritt und Andy, die mit fast übermenschlicher Geschwindigkeit zu Seite gehechtet ist, doch noch erwischt – die restliche Tür knallt ihr nämlich voll in die Rippen und sie sinkt nach Luft japsend zu Boden, während der Wallach sich draußen austobt und dem Himmel sei Dank nicht weglaufen kann, weil jemand geistesgegenwärtig Gatter vor alle Hofausgänge gestellt hat.

Stöhnend richtet Andy sich auf. „Ganz schön wild für einen Wallach“, denkt sie. Weiter denkt sie nichts.

„Ist alles okay, Max“, sagt sie ächzend, denn sie bekommt nicht richtig Luft. Der große dunkelhaarige Mann, der sich über sie beugt, schaut sie besorgt an.

Die Verletzung würde schnell heilen, das weiß sie .Woher weiß sie es? Es war schon immer so gewesen. Als Baby wurde sie entführt und Tage später durch Zufall ngen im Wald gefunden. Die kleine Andy hatte viele tiefe Wunden, war bis auf die Knochen durchnässt und litt an starker Unterkühlung, aber nach zwei Tagen war sie wieder gesund. Auch dieses Mal würde es so sein...

Der oder die Entführer des Babys Andy wurde(n) nie gefunden.

 

~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*


Spike, Buffy und die Kinder flogen Ende Februar von Los Angeles zurück nach Cleveland.

Spike wollte nicht mit dem Auto im Winter tagelang durchs Land fahren, also ließ er sich den Van nach Woodcape überführen. Sein Kumpel Porterhouse war so freundlich, das zu übernehmen.

 

Eine Woche später verabschiedete sich Spike von seiner Frau und den Kindern und fuhr mit dem Van und Porterhouse, der ihn begleiten wollte, Richtung New York, um mit den Dreharbeiten zu beginnen.

Porterhouse hatte vor, sich in New York ein bisschen zu amüsieren.

Lilahs Laptop nahm Spike mit, er wollte mit Buffy durch E-Mails in Verbindung bleiben.

Buffy hatte kein gutes Gefühl, weil Porterhouse mit von der Partie war. Würde Spike sich von dem wilden Punk anstecken lassen, würde er sich auch amüsieren wollen? Sie fürchtete es fast.

Alles Quatsch, Buffy beruhigte sich selber, Spike wusste schon, was er tat. Wusste er es? Sie hoffte es jedenfalls, aber das Herumsitzen zu Hause würde sie bestimmt wahnsinnig machen. Und das wollte sie nicht.

Porterhouse war ein Wurm und ein Weiberheld. Und sie sollte Spike einfach vertrauen. War aber gar nicht so einfach, wenn sie nur wüsste, was Spike so wollte...

 

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KAPITEL II Teil 4

 

E-Mail Entwurf von Buffy:

 

Mein Liebster,

kaum bist du weg, schon vermisse ich dich. Ich hab’ ja gedacht, es wäre schlimm, dich nicht berühren zu dürfen, weil du das ja nicht zulassen willst, aber dich gar nicht hier zu haben, ist noch schlimmer. Warum vertraust du mir nicht? Was habe ich getan, dass du mich nicht willst? Aber es ist mir egal, du fehlst mir. Am liebsten möchte ich dir von Lilahs Brief erzählen, in dem sie schreibt, dass du vielleicht doch noch Gefühle für mich hast, aber vielleicht hat Lilah sich ja geirrt. Und du würdest dich bestimmt fürchterlich aufregen, wenn ich dir den Brief zeigen würde. Also lass’ ich es lieber. Also wann kommst du? Musst du Liebesszenen spielen? Wenn ja, dann sollte ich besser dabei sein. Lass dich nicht umgarnen, sonst würde ich wahrscheinlich ausflippen.

Kommst du am Wochenende? Darf ich dich dann küssen und vielleicht... verzeih’ mir, ich will ja nicht unverschämt werden.

Ach ja, die Kinder, vor allem Morgan vermissen dich auch.

In Liebe Buffy


Diese E-Mail wurde nie gesendet, sondern markiert und gelöscht...

 

 

Gesendete Fassung:

 

Hallo Spike,

Die Kinder, vor allem Morgan, vermissen dich sehr, deshalb schlage ich vor, du beeilst dich mit den Dreharbeiten, denn sie sind so quengelig, dass ich es kaum aushalte. Morgan isst auch nicht richtig, ich denke, sie vermisst deine Kochkünste, ich versuche es ja mit dem Kochen, aber... vergiss es! Mittlerweise ist sie wohl so hungrig, dass sie es doch isst, das arme Würmchen. Gwydion bekommt seinen nächsten Zahn, aber er ist so ein Schatz, dass man es kaum merkt.

Am Sonntag waren Robin, Faith und Xander zu Besuch da. Xander brachte ein recht nettes Mädchen mit. Sie waren sehr erstaunt, als sie Gwydion sahen und noch erstaunter, als ich ihnen erzählte, dass ich jetzt mit dir verheiratet bin. Aber Gwydion mit seinem guten Einfluss hat bewirkt, dass sie nicht allzu entsetzt waren. Warum sollten sie auch? Jedenfalls waren sie von Gwydion sehr angetan, und hinterher auch nicht mehr so erstaunt. Sie hatten dich schon vorher im TV gesehen und erkannt. Unser Leben ist wirklich seltsam, man wundert sich über nichts mehr.

Xanders Freundin erwies sich als so dumm wie ein Brot. Meine ich jedenfalls, und wenn ich das sage – ich bin ja auch nicht die Hellste – wird es wohl stimmen.

Und Robin und Faith haben irgendwelche Probleme, die Stimmung zwischen ihnen wurde seltsam, nachdem ich ihnen von unserer Heirat erzählt habe. Es ist ja auch Faith‘ erste richtige Beziehung. Weißt du übrigens, dass sie erst vor kurzem aus dem Gefängnis gekommen ist? Sie hat sich freiwillig gestellt, und das haben sie ihr hoch angerechnet. Sie weilt also mittlerweile vollkommen legal unter uns.

Wie sind deine Filmpartner denn so?

Wie gesagt, die Kinder vermissen dich. Kommst du am Wochenende?

Gruß Buffy

 

 

E-Mail von Spike (kein Entwurf, sondern endgültige Fassung):

 

Hallo meine Lieben,

Die Fee muss essen, also lass es ihr nicht durchgehen, aber kauf’ auf keinen Fall Pizza oder Burger für sie, das macht fett. Chinesisch müsste gehen, aber nur ab und zu. Und so schlimm können deine Kochkünste doch nicht sein, oder? Allerdings hatte ich noch nicht das Vergnügen...

Ich muss gleich sagen, dass ich dieses Wochenende nicht kommen kann. Wir drehen in der Wüste von Arizona in einem kleinen Kaff. Und ich muss reiten! Wobei ich gar nicht weiß, ob ich's überhaupt noch kann. Hab schließlich seit über hundertzwanzig Jahren kein Pferd mehr bestiegen. Man soll es nicht verlernen, hat man mir gesagt, aber die meinen wahrscheinlich nur ein paar Jahre ohne Reitpraxis und keine hundertzwanzig...

Meine Filmpartnerin ist sehr hübsch... und verheiratet. Sie spielt Valentinos (also meine) zweite Ehefrau. Valentino ist übrigens ein sehr interessanter Typ, er war privat eher unauffällig, aber auf der Leinwand kam eine gewisse Erotik von ihm rüber. Ich hab mich in seine Biografie vertieft, muss ja schließlich wissen, wie er oder ich war...

Es tut mir wirklich leid, dass ich nicht kommen kann. Vielleicht nächstes Wochenende. Gib den Kindern einen Kuss von mir. Ich werde auch anrufen, wenn ich Zeit habe.

Bis nächstes Wochenende vielleicht

 

 

E-Mail Entwurf von Buffy:

 

Das ist mal wieder typisch, die Kinder, die Kinder und noch mal die Kinder und von mir kein Wort, als ob es mich überhaupt nicht gibt. Na immerhin ist deine Filmpartnerin verheiratet. So wie du, mein Lieber. Ich hoffe, du vergisst es nicht!

Ich weiß nicht, ob ich es so lange ohne dich aushalten kann. Es ist alles so leer hier. Ich beneide Xander, denn seine Freundin ist schwer verliebt in ihn, und ich beneide Faith, denn Robin ist auch schwer verliebt in sie, aber da ist trotzdem irgendwas zwischen den beiden. Irgendwas, was nicht stimmt.

Küsse für die Kinder? Warum nicht für mich?

In Liebe Buffy

 

Markiert und gelöscht...

 

 

Gesendete Fassung:

 

Schade, dass du nicht kommen kannst, vor allem für die Kinder.

Die Küsse habe ich ihnen übermittelt, aber sie waren nicht sehr besänftigt, vor allem die Fee nicht. Sie kriegt keine Pizza und keine Burger. Ich mache ihr meistens Spagetti, da kann nicht viel schief gehen...

Vielleicht kannst du ja nächstes Wochenende kommen.

Wieso bist du so lange nicht geritten? Wie bist du denn früher irgendwohin gekommen? Autos gab es doch noch nicht. Oder?

Buffy

 

 

E-Mail von Spike (kein Entwurf, sondern endgültige Fassung):

 

Also das Reiten.... Gute Frage. Ab 1900 gab es tatsächlich schon Autos, ich meine Autos, die man auch wirklich fahren konnte. Aber erst ab circa 1920 gab es ein richtig gut ausgebautes Straßennetz, und 1880 (natürlich auch später) hätte sich jedes Pferd eher im Grabe umgedreht, als mich auf ihm reiten zu lassen. Sie haben es gewittert. Ich war das Raubtier für sie. Und damit hatten sie nicht ganz unrecht.

Also, Reiten fiel aus, denn an einem permanent durchgehenden Pferd hätte ich keine Freude gehabt. Ich hätte es töten müssen. So viel zum Reiten. Mit der Kutsche ging es, da haben die Pferdchen nicht geschnallt, wen sie da an Bord hatten.

Wir, das heißt Darla, Angelus, Drusilla und ich – ich sage das mal in der Reihenfolge unseres Alters – zogen es also vor, die Eisenbahn zu benutzen. Damit kam man recht bequem und flott ans Ziel. Natürlich war das Eisenbahnnetz nicht so komplex wie heutzutage.

Nach Peking sind wir übrigens auch mit der Eisenbahn gefahren, obwohl ich es vorgezogen hätte ,mit einem Dampfer zu reisen. Mit einem Dampfer zu reisen war extrem bequem und komfortabel. Und mit der Verpflegung hatte man auch keine Probleme. Die Leichen konnte man unauffällig über Bord werfen, und dass man immer nur nachts zu sehen waren oder bei wirklich beschissenem Wetter, hat damals keinen interessiert. Und wenn auch, was hätten sie uns schon groß antun können? Aber nein, Darla, die blöde Kuh, musste ja unbedingt Eisenbahnfahren. Angelus, nein, er musste damals schon Angel gewesen sein, hatte unsere Spur verfolgt, er traf uns in Peking und wollte sich wohl wieder mit Darla zusammentun.

Was natürlich scheiterte.

Ach übrigens, ich werde nie seinen angeekelten Gesichtsausdruck vergessen, als ich ihm erzählte, dass ich meine erste Jägerin getötet hatte. Ich konnte mir damals keinen Reim auf diesen Ekel machen...

Tut mir leid, aber du hast gefragt...

Wir drehen also in der Wüste und in irgendwelchen luxuriös ausgestatteten Zelten, mit unheimlich viel Plüsch, Plunder und grauslichem fürchterlichen Schnickschnack.

Ich muss Klamotten tragen, die so kitschig sind wie die Typen sich in den zwanziger Jahren die Kleidung eines Beduinenfürsten vorgestellt haben. Absolut grauenhaft.

Wir drehen hier, weil ‚Der Scheich’ Rudis erster richtiger Film war, abgesehen von ‚The four Horsemen of Apokalypse’, das ist der Film, in dem er Tango tanzt. Shit, ich habe Bammel davor, auch Tango tanzen zu müssen.

Die Pausen zwischen den Dreharbeiten vertreibe ich mir mit meiner Gitarre, das heißt mit dem Spielen auf meiner Gitarre. Weißt du eigentlich, dass ich 1938 in Paris war? Nein natürlich nicht, woher auch – also, ich habe Django Reinhardt in einem Club spielen sehen und war danach so fasziniert vom seinem Gitarrenspiel, dass ich einen Gitarrenspieler gekidnappt habe und ihn zwang, mir Unterricht zu geben. Nein, auch das weißt du bestimmt nicht. Der Mann hat mir so einiges beigebracht.

Jedenfalls solange er lebte...

Die Arbeit ruft. Also vielleicht nächstes Wochenende.

Viele liebe Grüße

 

Spike war recht geschwätzig, wie es schien. Hatte er Langeweile oder Sehnsucht? Oder wollte er Buffy etwa schocken?

 

 

E-Mail Entwurf von Buffy:

 

Willst du dich runtermachen oder was? Ich denke doch, die Zeiten sind vorbei, vor allem die Zeiten mit Drusilla. Weißt du, dass ich immer sauer auf sie war? Nein, bestimmt weißt du das nicht. Zuerst war ich sauer auf sie, weil Angel früher mit ihr zusammen war. Und später war ich sauer auf die blöde Kuh, weil du so in sie vernarrt warst, du verdammter Idiot! Vampire konnten keine Liebe empfinden, daran habe ich damals geglaubt, aber du verdammter Idiot hast alles widerlegt, und das konnte nicht sein.

Außerdem fand ich es wohl damals schon beunruhigend, wie attraktiv du warst, natürlich nur auf diese unmenschliche Raubtierart, attraktiv wie ein Panther, ein Python oder ein Weißer Hai. Nichts zum Kuscheln, aber gefährlich attraktiv. Und das gehörte sich nicht für einen Vampir. Oder? Und wie du mich einmal niedergemacht hast, das war damals als Jonathan uns alle verhext hatte, du hast deine Hand auf meine Brust gelegt und mir mit irgendwas gedroht, und ich war unfähig mich zu wehren. Ich stand wie gelähmt da und starrte dich an wie ein hilfloses Opfer einen Tiger. Jonathan hat dann den Bann gebrochen, und danach war ich noch saurer auf dich als ich vorher schon gewesen war.... Oh ja. Memories...

Falls wir jemals in der Lage sein werden, über unsere Vergangenheit sprechen zu können, dann haben wir Gesprächsstoff bis zum Ende unseres Lebens.

Falls wir jemals in der Lage sein werden, über unsere Vergangenheit sprechen zu können, dann könnten wir die Pausen in unseren Gesprächen mit etwas anderem ausfüllen...

Ach ja, wer zum Teufel ist Django Reinhardt?

Ich liebe dich!

 

Im Papierkorb gelandet...

 

 

Gesendete Fassung:

 

Vielen Dank für diese informative... äääh Erklärung. Jetzt weiß ich Bescheid. Ich glaube, heute könntest du unbesorgt ein Pferd besteigen. Von dem anderen Zeug, dem alten Zeug will ich eigentlich gar nichts wissen, obwohl es doch recht interessant ist.

Also vielleicht nächstes Wochenende.

Ach ja, wer zum Teufel ist Django Reinhardt?

Buffy

 

Buffy wurde immer wortkarger in ihren wirklich abgeschickten E-Mails.

 

 

E-Mail von Spike (kein Entwurf, sondern endgültige Fassung):

 

Du hattest recht, ich kann ein Pferd besteigen. Reiten kann ich es auch, ich glaube, das verlernt man wirklich nicht, obwohl... ich soll eine Kandare benutzen, und das kann ich nicht so gut, obwohl es angeblich leichter sein soll, Nein, ich kann’s eigentlich nur mit der altmodischen europäischen Trense. Was man mit der Trense erreichen kann, das geht mit der Kandare nicht. Man reitet das Pferd an die Trense heran, es wird also kürzer, und irgendwann hat es diese erhabene Haltung, dieses verzögerte Traben, dieses Schwingen in den Gliedern, wie man es beim Dressurreiten sieht. Mit der Kandare latschen die Pferde einfach nur so dahin. Ich werde mich durchsetzen müssen, weil es mit Trense einfach besser aussieht.

Dem Himmel sei Dank werden nicht alle alten Valentinofilme nachgedreht, eigentlich nur ‚der Scheich’ und dieser Tangofilm. Ein Hauptteil der Filmszenen mit Rodolfo wird nachträglich aufgearbeitet, digital verbessert und teilweise sogar mit meinem Gesicht versehen. Es gibt technisch wohl nichts mehr, was man nicht machen kann. Demnächst werden sie nur noch digitale Schauspieler nehmen, die kann man so schön nach dem Zeitgeschmack formen. Oder besser gesagt, den Zeitgeschmack selber formen...

Andererseits glaube ich, dass man manche Typen einfach nicht digital erfinden kann.

Ich übe immer noch auf der Konzertgitarre. Wusstest du, das Django Reinhardt an seiner linken Hand nur noch drei Finger hatte? Die zwei hinteren würden verbrannt, als er seine Frau aus einem Wohnwagen (er war Zigeuner) retten wollte. Ohne diese wichtigen zwei Finger kann man eigentlich nicht richtig Gitarre spielen. Aber Django konnte es, und ich weiß zum Verrecken nicht, wie er es gemacht hat. Er ist für mich der Jimi Hendrix der 30er Jahre. Nein das ist falsch, Jimi Hendrix ist der Django Reinhardt der 60er Jahre. Beide konnten aus einem harmlosen Stück eine Provokation machen, es zerreißen und zerpflücken wie es zum Beispiel Hendrix mit der amerikanischen Nationalhymne gemacht hat, ich hab’s in Woodstock gesehen und gehört. Und Django hat das gleiche mit all diesen ursprünglich harmlosen netten Stücken gemacht.

Ich kann dieses Wochenende wieder nicht kommen. Erklär das bitte den Kindern und gib ihnen Küsse von mir.

 

 

E-Mail Entwurf von Buffy:

 

M I S T !!!

 

Übertippt...

 


Gesendete Fassung:

 

Django Reinhardt war also Zigeuner, na gut. Ist ja interessant.

Nett, dass du dich mit deiner Gitarre beschäftigen konntest. Ich beschäftige mich stattdessen mit Hausarbeit und den Kindern. Die werden immer unerträglicher. Nein nicht, dass ich sie nicht ertragen könnte, ich liebe sie. Aber sie erleiden den Mangel, dass du, nämlich ihr Vater, einfach nicht da ist. Also schwing dich auf und komm mal wieder vorbei, bevor sie ganz vergessen, dass du ihr Vater bist.

Besonders Morgan wird allmählich ziemlich ungeduldig. Es sieht so aus, als würde sie in sich hineinlauschen. Kann es sein, dass sie dich in Gedanken sucht. Und kannst du sie spüren?

Sie tut mir so leid.

Also versuch doch einfach mal, zu kommen.

Buffy

 

 

E-Mail Entwurf von Spike:

 

Verflucht Buffy, ich will ja, aber im Augenblick kann ich nicht. Ich muss eine Szene drehen, in der ich eine Frau vergewaltige, die ich liebe – als Scheich natürlich – und das erinnert mich an gewisse Momente, als... Ach verdammt noch mal.

Du wirst natürlich sagen, dass ich diese Filmszene ganz bestimmt gut spielen kann. Dieser Scheich liebte die Frau auch, genauso wie ich damals dich geliebt habe, aber Gewalt ist Gewalt, und ich kann nicht verstehen, wie du mir das verzeihen konntest. Hast du es mir verziehen? Eigentlich ist es ja unverzeihbar. Wenn du diesen Film sehen wirst... ach Shit!

Außerdem hatte ich einen seltsamen Traum. Natürlich habe ich viele Träume, Träume, in denen meine Opfer auftreten. Träume mit allen Scheußlichkeiten meines früheren Unlebens, also ziemlich grauenhafte Träume.

Aber dieser Traum war etwas anderes. Er hatte nichts mit meinen früheren Opfern zu tun, sondern er wirkte so neutral wie eine grafische Schwarz-Weiß-Zeichnung.

Das Bild sah aus wie Yin und Yang. Die obere Hälfte war dunkel – also Yang – mit einem hellen Kreis oder Fleck in der linken Mitte, und die untere Hälfte war weiß – also Yin – mit einem dunklen Kreis oder Fleck in der rechten Mitte. Es war wirklich eine relativ harmlose Darstellung, aber es wirkte bedrohlich. Zwar nicht so bedrohlich und deprimierend schrecklich wie meine sonstigen Träume, aber bedrohlich. Was zum Teufel kann es wohl bedeuten? Hat die Fee mit ihrer prophetischen Gabe etwas damit zu tun?

Könnte das die Verbindung sein, von der du schreibst, dass Morgan sie sucht?

Ich bin beunruhigt...

 

 

Natürlich wurde dieser Entwurf nie gesendet, stattdessen entschloss sich Spike, sofort in Woodcape anzurufen. So für alle Fälle. Trotz der späten Zeit.

„Buffy?“

„Spike? Ja, ich bin es. Was ist los? Wieso rufst du an?“ Buffy war wirklich erstaunt, denn sonst rief Spike nur zu bestimmten Zeiten an, zum Beispiel wenn die Kinder wach waren... Und jetzt war es ein Uhr nachts.

„Eigentlich nur so“, Spike war schon halb beruhigt, denn es schien in Woodcape nichts Außergewöhnliches passiert zu sein.

„Irgendwas Außergewöhnliches passiert?“ fragte er trotzdem, um ganz sicher zu gehen.

„Nein.“ Buffys Stimme klang fragend.

„Ich wollte nur sichergehen“, sagte Spike.

„Warum? Wieso sichergehen?“

„Ach, es ist nichts“, Spikes Stimme wirkte erleichtert. „Manchmal glaube ich, dass Morgan mir irgend etwas schickt, unbewusst natürlich, denn so ein Winzling weiß doch gar nicht, was los ist... oder?“ Nun hörte sich Spikes Stimme unsicher an, als ob er irgendwie Angst hätte.

„Was genau hast du denn geträumt? Du hast doch irgendwas geträumt?!“

„Irgendwas mit Yin und Yang. Hell und Dunkel, Gut und Böse. Ich hab keine Ahnung.“

„Sagt mir eigentlich nichts“, meinte Buffy ratlos.

„Mir auch nicht“, sagte Spike. „Eigentlich glaube ich nicht an diesen ganzen fernöstlichen Hokuspokus. Vielleicht war mir nur von dem grässlichen Barbecue schlecht. Mynherr hat es mitten in der Wüste veranstaltet.“

„Mynherr? Dein Produzent?“

„Ja, er gab sich die Ehre, mir beim Drehen zuzusehen und mich danach mit Steaks und Bier abzufüllen. Also, dieses amerikanische Bier ist wirklich unter aller Sau...“

„Geh’ besser schlafen, Spike, und denk’ nicht mehr an den Traum. Er hat bestimmt nichts zu bedeuten. Ganz bestimmt nicht!“

„Wenn du das sagst...“

„Hier ist nichts passiert“, sagte Buffy, und sie ließ ihre Stimme nicht so zärtlich klingen, wie ihre Stimme eigentlich klingen wollte, und sie sagte auch nicht: Hier ist nichts passiert außer deiner Abwesenheit...

„Gut“, sagte Spike, es klang erleichtert. „Schlaf gut, Buffy.“ Nach diesen Worten legte er auf.

Und Buffy sonnte sich in diesen Worten. Schlaf gut, Buffy. Oh Gott!! Wie bescheiden sie doch geworden war. Trotzdem... Schlaf gut, Buffy klang wunderbar.

 

~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*


Als Spike dann wirklich am nächsten Wochenende in Woodcape erschien, geriet er mitten in den Auszug von Willow und Kennedy. Die beiden zogen nach Cleveland, weil Willow dort eine gut bezahlte Stellung bei einer aufstrebenden Computerfirma angenommen hatte.

Im Haus ging es natürlich chaotisch zu, und Buffy und Spike hatten absolut keine Zeit, sich über irgend etwas ausführlich zu unterhalten.

Spike hatte Angst, Buffy und Dawn alleine in Woodcape zurück zulassen, aber Buffy beruhigte ihn mit den Worten: „Sie werden es nicht wagen. Nein, sie werden es bestimmt nicht wagen. Außerdem ist Dawn jetzt auch eine Jägerin. Naja, eine halbe vielleicht. Und wir werden aufpassen. Nicht wahr Dawnie?“

Woraufhin Dawnie ihr einen mörderischen, aber dennoch liebevollen Blick zuwarf.

Spike erzählte Buffy auch nichts von dem Brief, den seine Agentin Vivian zu ihm weitergeleitet hatte. Dafür würde nach den Dreharbeiten noch Zeit sein.

 

© Ingrid Grote 2004   Fortsetzung HIER

 

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