KAPITEL III Teil 1
Lieber
Bill,
durch
Zufall haben wir erfahren, dass Lilah mit Dir verheiratet war und dass Ihr
einen gemeinsamen Sohn habt.
Wir
waren natürlich entsetzt über Lilahs tragischen Tod. Ich habe das Mädel immer
gern gehabt, sie war die jüngere Schwester meiner Frau, die sehr früh im
Kindbett gestorben ist.
Leider
hatte Lilah sich seit ungefähr zwei Jahren nicht mehr bei uns gemeldet, was uns
unverständlich war, denn bis dahin hatte sie uns wenigstens einmal im Jahr
besucht, vor allem wegen meiner kleinen Tochter. Die beiden waren immer wie
Schwestern, trotz des Alterunterschieds. All unsere Versuche, mit Lilah
telefonischen Kontakt aufzunehmen, scheiterten, und wir waren sehr besorgt.
Auch bei ihrer Firma konnte man uns letztes Jahr keine Auskunft geben. Und dann
mussten wir aus der Zeitung erfahren, dass Lilah von eben dieser Firma ermordet
worden war.
Wir,
das heißt ich und mein Töchterchen möchten nun gerne Lilahs Sohn (und deinen
natürlich auch) kennen lernen. Natürlich nur, wenn Du möchtest.
Ruf'
einfach an, wir haben Platz genug. Du kannst gerne noch jemanden mitbringen und
Du kannst so lange bleiben, wie Du willst. Du wirst feststellen, dass Campodia
ein netter Ort ist, ein bisschen altmodisch vielleicht, aber sehr angenehm...
In
der Hoffnung auf Deinen baldigen Besuch verbleibe ich
Archibald
von Campe
„Ich
habe da einen Brief bekommen“, erzählte Spike ziemlich locker.
„Was für
einen Brief?“ Einen Augenblick lang war Buffy erschrocken, weil sie glaubte,
Lilah hätte auch Spike einen Brief aus dem Jenseits geschickt, ähnlich wie sie
Buffy vor ein paar Monaten einen Brief geschickt hatte. Und vor allem glaubte
sie, der Brief wäre so ähnlich wie ihr Brief und in dem Brief stünde, dass
Buffy auch einen Brief bekommen hätte. Denn diesen Brief hatte sie vor Spike
verschwiegen, weil sie Angst vor seiner Reaktion hatte.
„Er ist
von einem Verwandten von Lilah.“ Spike schaute Buffy vorsichtig an, denn man
konnte nie wissen, wie sie auf das Wort ‚Lilah’ reagieren würde.
„Ach“,
sagte Buffy. Sie war ziemlich erleichtert, dass der Brief nicht von Lilah
selber war.
„Er hat
mich und Gwydion eingeladen. Er ist ein Onkel von Lilah, und er hat erst jetzt
erfahren, dass Lilah einen Sohn hat.“
„Und
jetzt will er ihn kennen lernen“ stellte Buffy eher fest als dass sie fragte.
„So ist
es“, sagte Spike, auch er erleichtert, weil sie es so leicht aufgenommen hatte,
denn normalerweise ging ihr alles, was mit Lilah zu tun hatte, schwer auf die
Nerven. „Ich bin es Gwydion schuldig. Er muss seine Verwandten kennen lernen.“
„Du
willst also hinfahren?“ Buffy war so froh, ihn wieder hier zu haben, dass ihr
Lilahs Erwähnung scheißegal war. Außerdem war Lilah tot...
„Ich denke schon. Es ist allerdings ein bisschen weit weg. Im südwestlichsten Zipfel von Idaho. Wahrscheinlich am Arsch der Welt...“
„Und
gebirgig, was?“ Buffy musste lachen.
„Richtig!
Diesmal fahren wir mit dem Auto“, schlug Spike vor. „Ich habe es satt, dauernd
irgend was waschen zu müssen und nie genug Klamotten zu haben.“
„Es ist
eine lange Fahrt“, gab Buffy zu bedenken. Ihr Herz hatte einen Sprung gemacht,
als er „Diesmal fahren wir mit dem Auto“ sagte, denn die Einladung galt wohl
nur für ihn und Gwydion, und er wollte sie trotzdem mitnehmen. Das war gut,
denn nach ihrer langen Trennung jetzt sofort wieder ohne ihn sein zu müssen,
das wäre entsetzlich.
„Du
könntest ja auch mal fahren“, sagte Spike vielsagend
„Oh
Gott, du weißt ja, ich und die Technik...“
„Gut.
Überredet. Ich glaube, ich hätte keine ruhige Minute, wenn du fahren würdest,
also fahre ich besser selber.“ sagte Spike erleichtert.
„Ich
habe fast nichts zum Anziehen“, gab Buffy, der es anscheinend nichts ausmachte,
dass sie nicht autofahren konnte, zu bedenken.
„Natürlich
nicht!“ meinte Spike grinsend. „Also fahren wir morgen nach Cleveland und
decken uns mit Klamotten ein. Vielleicht hat Archibald ja ein Schloss, und es
finden dauernd irgendwelche Bälle statt.“
„Archibald?“
„Ja
tatsächlich, der Typ heißt Archibald von Campe.“ Spike musste lachen. „Hört
sich an wie alter mitteleuropäischer Landadel. Und der Witz an der Sache ist,
der Ort , in dem er lebt, heißt Campodia. Ich frage mich, ob die von Campes
diesen Ort gegründet haben.“
„Hört
sich fast so an“, meinte Buffy.
„So
gesehen ist ein Schloss gar nicht so unwahrscheinlich.“
„Vielleicht
haben die auch einen Brunnen mit einem Frosch drin....“ schlug Buffy vor.
„Vielleicht
tanzt der Frosch auf dem Ball mit“, meinte Spike. „Gut, wir werden auf alles
vorbereitet sein. Im Guten wie im Schlechten. Wenn der Typ nur eine Bauernkate
hat, dann nimmst du eben eine Schürze mit, denn dann musst du vielleicht für
seine unehelichen Bälger kochen. Und ich muss im Schweinestall arbeiten. So
werden wir unseren Unterhalt bestreiten.“
„Ach du
lieber Himmel, so schlimm wird es doch wohl nicht sein!“
„Zur Not
können wir immer noch abhauen.“
„Aber
vielleicht hat er ja doch ein Schloss. Muss ja nicht groß sein“, hoffte Buffy.
Spikes
Angebot, mit Buffy einkaufen zu gehen, war nicht ganz so uneigennützig, wie sie
vielleicht dachte. Er hatte schon jetzt ein schlechtes Gewissen wegen der
Bitte, die er an sie stellen würde, und er wollte sie vorher besänftigen,
obwohl er ahnte, dass sie nicht besänftigt sein würde, nein im Gegenteil, sie
würde stinksauer auf ihn sein. Und sie hatte ja auch Recht...
Er trug
ihr seine Bitte kurz vor ihrem Einkaufsbummel vor.
Und er
hatte Recht. Sie war wirklich stinksauer. Er trug ihr seine Bitte kurz vor
ihrem Einkaufsbummel vor.
„Wie
bitte! Was willst du? Da bleib’ ich lieber hier!“ Buffy funkelte ihn wütend mit
aufgerissen braunen Augen an.
„Ist
doch halb so wild.“ Spike, der diesen Ausbruch erwartet hatte, versuchte sie zu
besänftigen, ohne viel Hoffnung auf Erfolg.
„Du
spinnst doch wohl! Ich soll mich als dein Kindermädchen ausgeben? Das ist ja
wohl das Letzte!“ Buffy funkelte ihn nicht nur wütend an, sondern sie war durch
und durch wütend.
„Nicht
als mein Kindermädchen, sondern als das von den Kindern. Ach Quatsch, was rede
ich denn da! Als eine alte Freundin, die auf...“
„Alte
Freundin? Das wird ja immer besser!“
„Buffy,
bitte versteh’ doch. Wofür würden sie mich halten, wenn ich ein paar Monate
nach Lilahs Tod direkt mit einer neuen Frau ankäme?“
„Und mit
noch einem Kind!“ sagte Buffy empört. „Willst du Morgan etwa verleugnen? Nein,
das glaube ich nicht!“
„Natürlich
will ich Morgan nicht verleugnen. Ich dachte so ungefähr an die gleiche
Geschichte, die wir deinem Vater erzählt haben, allerdings ohne die darauf
folgende Hochzeit und ohne den Kitsch mit der wiedererwachten oder eigentlich
nie verlorengegangenen Liebe...“ Spike grinste ironisch.
„Also
doch Kindermädchen!“ Buffy traute ihren Ohren nicht, als sie ihn so ironisch
über ihre Liebe reden hörte.
„Buffy,
bitte!“, sagte Spike eindringlich. „Wir könnten dadurch erklären, warum wir
kein gemeinsames Schlafzimmer haben. Das wäre doch viel leichter, oder?“
„Noch
leichter wäre es...“, Buffys Stimme stockte, denn sie hatte sagen wollen, dass
es noch leichter wäre, wenn sie gar keine getrennten Schlafzimmer hätten, aber
sie wollte sich keine Blöße vor ihm geben. Und sie fürchtete sich vor seiner
Zurückweisung.
„Was?“
fragte Spike und schaute sie immer noch eindringlich an.
„Ach
nichts. Gut, gehen wir einkaufen. Aber ich schwöre dir, das wird lange dauern.
Das wird verdammt lange dauern!“
~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*
„Nicht
das.“ Spike rollte mit den Augen, als Buffy aus der Umkleidekabine kam und eine
seltsame Kombination trug, so eine Mischung aus... Abendkleid und Blaumann,
jedenfalls stand es ihr nicht.
„Warum
nicht?“
„Trag’
um Gottes willen keinen U-Boot-Ausschnitt. Das ist eine Sünde gegen den Körper.
Trag’ normale Ausschnitte, egal ob rund oder V-förmig, aber trag’ um Gottes
Willen keine U-Boot-Ausschnitte.“
„Ich
liebe sie aber.“ Buffys Stimme klang verzagt.
„Ich
liebe sie nicht. Ich denke immer, sie schnüren dir die Kehle ab“, sagte Spike
verzweifelt, denn mittlerweile hatte er es satt, überall seinen Senf zugeben zu
müssen. Es war ermüdend und stressig, eine Frau beim Einkaufen zu begleiten und
sie auch noch beraten zu müssen. Das war Buffys Rache an ihm. Na gut. Trotzdem
war es verdammt anstrengend, obwohl sie zugegebenermaßen eine wirkliche hübsche
Frau war, aber diese U-Boot-Ausschnitte... Nein danke.
„Wie
findest du dieses Cocktailkleid?“ Buffy spürte seine mieser werdende Stimmung –
diese Stimmung war natürlich kein Wunder nach einem Vier-Stunden-Trip durch
diverse Boutiquen – und hielt das Kleid nur noch vor ihren Körper. Sie hatte
mittlerweile das Gefühl, als würde er gleich explodieren und deshalb probierte
sie das sogenannte Cocktailkleid nicht an. Es wäre zu gefährlich gewesen.
Spike
begutachtete das Kleid kritisch. Es schien okay zu sein. Kein U-Bootausschnitt,
passable Farbe, fast weiß, sanfter weicher Stoff, kein bisschen Schnickschnack.
Es würde ihr stehen.
„Nimm
es“, sagte er schließlich. „Obwohl, Cocktailkleid... Diesen Ausdruck habe ich
zuletzt in den Sechzigern gehört. Meinst du, in Campodia werden Cocktails
serviert?“
„Es ist
verdammt teuer.“ Buffy machte sich mehr Sorgen um ihr Konto als um die Frage,
ob in Campodia Cocktails serviert würden, denn das was sie heute schon
eingekauft hatte, sprengte eindeutig ihren Kreditrahmen.
„Nimm
es!“
„Na
gut!“ Buffy war erleichtert. Das bedeutete wohl, dass Spike ab nun bezahlen
würde, und zwar alles. Normalerweise bezahlte jeder für sich selbst, außer in Restaurants,
aber sie gingen ja kaum aus wegen der Kinder, und wenn, dann war Dawn dabei.
Buffy hatte das Gefühl, es wäre Spike lieber, wenn Dawn mit dabei war.
Jedenfalls überwies er jeden Monat eine beachtliche Summe auf ihr Konto, und
damit konnte sie machen, was sie wollte, und sie musste ihn nicht um Geld
fragen. Alle anderen Nebenkosten teilten sie untereinander auf, wobei Spike
sich immer sehr großzügig zeigte. Nach den äußerst mageren letzten drei Jahren
war Buffy auf einmal in der Lage, sich bessere Kleidung und viele neue Bücher
leisten zu können, und die Zeiten, als sie in einem Doublemeat Palace arbeiten
musste, waren dem Himmel sei Dank vorbei. Andererseits hatte sie früher
wenigstens mit Spike geschlafen, und das kam ihr im nachhinein sehr kostbar
vor, während jetzt... Aber man kann nicht alles im Leben haben.
Spike
war aufgestanden und wanderte wie ein gereizter Tiger durch die Regale. Er
wollte die Sache ein wenig beschleunigen und griff sich zielsicher ein paar
Oberteile und Hosen.
„Hier“,
er zeigte Buffy den Haufen Kleidung. „Nimm das!“ Dann erspähte er noch ein
gutes Teil, ein ziemlich gewagtes Kleid, legte auch das auf den Haufen und
sagte mit bestimmender Stimme: „Und das auch!“
„Gute
Wahl“, meinte Buffy beifällig lächelnd. „Ich nehme es.“ Spike hatte immer schon
einen ausgezeichneten Geschmack gehabt, und ihre Größe schien er auch zu
kennen.
„Können
wir dann gehen?“ fragte Spike hoffnungsvoll.
„Du
Witzbold!“ In Buffys Augen funkelte ein boshaftes Licht. „Jetzt gehen wir erst
einmal Schuhe kaufen...“
„Äääcchzz“, ächzte Spike. „Die Kinder warten bestimmt schon auf uns.“ Eine Wunschvorstellung von Spike, denn die Kinder hatten sie bei Willow und Kennedy abgegeben, und die Kindern hatten sich nicht darüber beschwert.
Wenn
Spike nur ein Bruchteil der Geduld, die er bei der Beschäftigung mit den
Kindern an den Tag legt, bei ihrem Einkaufen und Anprobieren aufbringen würde,
dann wäre er der ideale Begleiter, dachte Buffy. Er verlor nie die Nerven mit
den Kleinen, was wirklich bewundernswert war, vor allem bei Morgan, die eine
richtige Nervensäge sein konnte. Manchmal sagte Spike, dass Morgan wohl große
Ähnlichkeit mit Buffy als Baby haben müsste. Was Buffy jedes Mal bestritt und
rotzfrech behauptete, Morgan hätte wohl mit Baby-Spike große Ähnlichkeit und
sie hätte seine Sturheit geerbt Was wiederum Spike bestritt. Er wäre nämlich
ein liebes und sehr ruhiges Kind gewesen.
Spike
fühlte sich unbehaglich. Er war nicht nur wegen des stressigen Einkaufens
geschafft, sondern auch wegen des Eindrucks, den Buffy auf ihn machte, als sie
abwechselnd in sommermäßigen Klamotten, tiefausgeschnittenen Kleidern und
kurzen Röckchen aus der Umkleidekabine kam und sich vor ihm präsentierte, so
unschuldig liebreizend präsentierte, dass Spike nicht umhin konnte, eine Absicht
in diesem unschuldigen Getue festzustellen. Und das Schlimme daran war, es
verfehlte seine Wirkung nicht auf ihn, denn schließlich war er ja tatsächlich
aus Fleisch und Blut (im wahrsten Sinne des Wortes mittlerweile). Und er war
ein Mann. Ein Mann, der verdammt lange nicht mit einer Frau geschlafen hatte...
Er wollte weg aus diesen Läden.
Eigentlich
war das Leben richtig schön, dachte Buffy, wenn nur Spike... Buffy riss sich
zusammen und entschloss sich, in die Vollen zu gehen. Wenn man den Mann seiner
Wahl nicht kriegen konnte, dann musste man eben jede Menge Schuhe kaufen.
Obwohl: Schuhe kaufen konnte sie immer...
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Eine Woche später, es war die letzte Juniwoche, fuhren sie los. Für Dawn war gesorgt, sie ging schon aufs College in Cleveland und teilte sich dort ein Zimmer mit einer Studienkollegin. An den Wochenenden würde sie bei Willow und Kennedy wohnen.
Der Van
war beladen bis kurz vorm Achsenbruch. Sie hatten alles dabei, vom Kinderwagen
und little Buddhas Lauflernhilfe über Spikes Gitarre bis zur Abendgarderobe.
Der Hauptteil des Vans allerdings war mit Buffys Klamotten gefüllt.
Das
Wetter war wunderschön, es war fast noch ein Frühlingswetter mit einem
sagenhaft klaren tiefblauen Himmel. Das Gras sah besonders saftig aus, und das
Laub der Bäume hatte noch dieses zarte maifarbene Grün, diese herrlich frische
knackige Frühlingsfarbe, die es in den folgenden Sommermonaten bald verlieren
würde.
Es war
ein berauschender Tag.
Buffy
hatte trotz ihres Status als ‚alte Freundin’ einigermaßen gute Laune. Gut, sie
würde das Kindermädchen spielen, zumindest am Anfang, und dann würde man
weitersehen. Und sie konnte ein bisschen Urlaub gut vertragen.
Spike
hatte eine CD von einer Gruppe namens ‚Dead Kennedys’ aufgelegt, wie er ihr
unbedingt erzählen musste, und bei einem Stück sang er den Refrain laut mit und
zwar: ‚It’s a Holiday in Campodia’, obwohl es eigentlich Cambodia heißen
musste. Spike amüsierte sich köstlich darüber.
„Biafra
ist geil. Dagegen ist Johnny Rotten fast lahmarschig“, meinte er bewundernd und
sang weiter den Refrain mit:
It's a holiday in Campodia
Don't forget to pack a wife
Was zum
Geier meint er mit Biafra, fragte sich Buffy. Das war doch ein Staat in Afrika.
Und wer war Johnny Rotten?
„Wer
oder was ist Biafra?“
„Erstens“,
sagte Spike, „ist es fast mal ein Staat gewesen, und zwar das westliche
Nigeria, man wollte sich selbstständig machen, wurde aber niedergemetzelt von
Verwandten. Zweitens ist es der Sänger von ‚Dead Kennedys’, genauer gesagt
heißt er Jello Biafra.“
„Da
spricht der Herr Professor“, meinte Buffy respektvoll. „ Du hast ja wirklich
Ahnung von Geschichte.“
„Klar
doch“, Spike trommelte den Rhythmus des Songs auf dem Lenkrad mit. „Johnny hat
immer so schön ins Publikum gerotzt...“
Buffy
fand weder Yello noch Johnny besonders sympathisch, hielt Jello für einen
grauslichen ‚Sänger’ und Johnny für ein ekelhaftes Schwein und fand, dass
‚Holiday in Cambodia’ ein besonders grässlicher Punksong war, vor allem die
Stelle mit dem ‚Don't forget to pack a wife’. Aber Spike schien den Song, oder
besser gesagt, das hirnerweichende Gegröle wirklich zu mögen.
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KAPITEL III Teil 2
Es ging
immer höher hinauf.
„Mein
Gott! Wie hoch liegt das hier?“ fragte Buffy.
„Ziemlich
hoch“, sagte Spike. „Ich glaube, die höchsten Berge in Idaho sind über
dreitausend Meter hoch. Manch ein Staat in Europa wäre froh, auch nur einen
einzigen von der Sorte zu haben.
„Sind
wir bald da?“
„Oh ja,
hoffentlich“, meinte Spike, der ziemlich genervt aussah. Nicht die
dreitagelange Reise hatte ihn geschafft, sondern vielmehr die zwei
Übernachtungen, die sie einlegen mussten in diesen dubiosen Drive-ins, die so
an Gangster- und Horrorfilme erinnerten. Jedenfalls hatte Buffy sich recht
anständig benommen, und ihn nicht bedrängt. Spike glaubte, dass Morgans nahe
Anwesenheit der Grund dafür gewesen war.
Jedenfalls
ging es die letzten hundert Meilen ständig bergauf. Nicht, dass es die
zweihundert Meilen davor nicht auch schon ständig bergauf gegangen war...
Zum
Arsch der Welt, wie Spike meinte. Gott, was hatte er sich nur dabei gedacht,
als er hierhin fahren wollte. Die Leute waren bestimmt unmöglich. Aber
andererseits war er es Gwydion schuldig, dass er seine Verwandten kennen
lernte.
Lilah
hatte allerdings nie von ihrem Schwager und ihrer Nichte erzählt. Seltsam war
das. Andererseits hatten W&H es vielleicht nicht für nötig befunden, der
wiedererweckten Lilah ihre gesamten Erinnerungen mitzugeben. Es war vielleicht
hinderlich für die Interessen der Firma. Spike hatte das unbestimmte Gefühl,
dass auch ihm einige Erinnerungen fehlten. Nein, das stimmte nicht, er hatte
alle Erinnerungen, aber die passenden Gefühle dazu fehlten oder waren einfach
nicht vorstellbar. Warum hatte er sich geopfert? Weil er die Jägerin liebte?
Das konnte er sich nicht mehr vorstellen. Diese Gefühle waren nicht mehr da,
und es schien ihm unvorstellbar, dass er so etwas für sie getan hatte. Sein
ganzes Verhalten damals in Sunnydale erschien ihm unvorstellbar. Diese Tussi
und er in sie verliebt bis zum... ach was wusste er.. Es war einfach nicht
vorstellbar. Gewiss, sie war anziehend, aber sie war nicht sonderlich
intelligent und auch nicht besonders originell und vor allem nicht sonderlich
ehrlich, sie hatte eigentlich nicht von dem, was er an Frauen liebte. Was hatte
sie, was war es gewesen? Und warum waren diese Gefühle weg, an die er manchmal
eine verschwommene, schmerzhafte Erinnerung hatte? Fragezeichen über
Fragezeichen. Waren die Gefühle manipuliert worden von W&H? Oder hatte er
sie selber verdrängt? Jedenfalls konnte er sich besser an seine schlimmsten
Zeit als Vampir erinnern als an seine Gefühle im letzten halben Jahr in
Sunnydale. Die Gefühle lagen irgendwo im Nebel...
Spike
fuhr über ein Bahngleis und sah vor sich ein Schild: Campodia 3 Meilen. Sie
hatten es endlich geschafft. Und es ging immer noch bergauf.
Zur
Linken sah man eine lange Bergkette und viele Orte, die sich an diese Bergkette
schmiegten, die Sicht war hervorragend. Zur Rechten sah man ein Sägewerk, in
dem man heftig sägte und fräste. Die Luft roch nach Holz- und Sägespänen.
Dann endlich vor einer scharfen Rechtskurve ein Schild mit dem Namen Campodia.
Der Ort
sah nett aus, wenn man Verfall als nett bezeichnen würde, aber in diesem Fall
war der Verfall wirklich nett und malerisch. Das lag wohl an der Jahreszeit,
die alles in ein frisches Grün tauchte. Spike fühlte sich an seine Heimat
erinnert, in der auch so ein malerischer Verfall herrschte. Nein nicht in
London, sondern in einem Ort in Sussex, wo er als Kind immer den Sommer
verbracht hatte.
Nach ein
paar Sekunden Fahrt ging es nur noch nach rechts oder links, weil ein großer
idyllischer Teich die Weiterfahrt versperrte. Außerdem sah man auf der anderen
Seite des Teiches ein großes... nein Schloss konnte man dazu nicht sagen... ein
großes altes Haus, ja das war es wohl. Ein großes altes Haus
Spike
entschied sich, nach links zu fahren. Links sitzt das Herz, und neunzig Prozent
aller Menschen wenden sich nach links, wenn sie vor der Wahl stehen: rechts
oder links.
Und wo
wohnte jetzt Archibald von Campe?
Spike
fuhr die geschlängelte Hauptstraße entlang bis zum Ortsende, was circa zwei
Minuten dauerte, sah das Schild ‚Landsend 5 Meilen’, musste automatisch lachen,
denn ‚Landsend‘ war zu komisch, dann wendete er das Auto, fuhr langsam zurück
und versuchte krampfhaft einen Eingeborenen zu finden, der ihm Auskunft geben
konnte. Was gar nicht so einfach war, denn es befand sich kein Mensch auf der
Straße.
Dieses
Kaff Campodia war anscheinend nicht sehr groß. Spike schätzte es auf vielleicht
tausendfünfhundert Einwohner, also auf sehr klein.
Endlich
sah er ein verhutzeltes Weiblein, das gerade aus einem kleinen Laden herauskam,
möglicherweise handelte es sich bei diesem Laden um eine Bäckerei, denn die
Frau trug ein glänzendes hellbraunes Brot, das aus einem Stück Fettpapier
herauslugte, unter dem Arm. Der Laden sah nicht aus wie eine Bäckerei, sondern
wie eine normale kleine Wohnung aus mit einem winzigen Schaufenster ohne was drin
in dem Schaufenster...
Spike
hielt sofort und schwang sich aus dem Auto .
„Tschuldigung.
Archibald von Campe? Wo wohnt der?“ fragte er für seine Gemütsverfassung sehr
höflich – Spike hatte nämlich den Verdacht, dass man ihn verarscht und ihn in
dieses Kaff gelockt hatte, wo es nicht die Spur eines Archibald von Campe geben
würde. Er hatte zwar vor schon mit von Campe telefoniert, sein letztes
Gespräch, in dem er seine baldige Ankunft angekündigt hatte, lag erst zwei
Stunden zurück. Aber die Telefonnummer konnte fingiert sein.
„Die von
Campes?“ fragte das verhutzelte schwarzgekleidete Weiblein, und ein Lächeln
überzog sein mit tausend Knitterfalten übersätes Gesicht. „Fahren sie dort
hinten an der Strulle links ab und dann sofort wieder rechts. Da ist das Gut.“
Das
waren seltsame kryptische Worte, mit denen Spike nicht viel anfangen konnte.
Strulle?
Hääää? Gut? Was gut? Spike hatte keine Ahnung, was das Weiblein meinte,
bedankte sich aber trotzdem höflich bei ihm – es sah seltsam blass aus, aber
wahrscheinlich hatte die hiesige Landbevölkerung eine Abneigung gegen eine
gewisse Körperbräunung – stieg wieder in den Van und sagte entnervt zu Buffy:
„Manchmal möchte ich mir wirklich das Rauchen wieder angewöhnen...“
Buffy
unterdes behielt ihre gute Laune, hielt die Klappe und freute sich auf die
Dinge, die eventuell ihrer harren würden. Vielleicht eine Dusche...
Spike
fuhr langsam ein paar Meter weiter, schaute aufmerksam nach links, bemerkte
eine kleine Straße, das heißt einen größeren asphaltierten Trampelpfad, setzte
den Blinker und fahr nach links.
Langsam an einer ... ja was war das... schwer zu sagen, es war möglicherweise die Strulle, es war ein mit Steinen ummauertes Wasserchen, das kaum noch floss, weil es wahrscheinlich in den Teich mündete, den Spike bei seiner Einfahrt in den Ort bemerkt hatte. Der Teich war so versandet und versifft, dass die Strulle, wenn es denn die Strulle war, sicherlich stillstand oder nur noch ganz langsam floss.
Egal.
Was hatte das Weiblein gesagt? Dann direkt rechts. Spike riss das Steuer herum
und fuhr direkt rechts herum.
Und
landete zu seinem Erstaunen in einem riesigem Hof. Links am Eingang des Hofes
befand sich ein Torhüterhäuschen, Neuere Generationen hätten es vielleicht als
Gästehaus bezeichnet. Oder als Poolhaus. Als Poolhaus ohne Pool.
Es
handelte sich um einen Gutshof. Ein Gut, natürlich... Jetzt verstand er, was
das Weiblein gemeint hatte.
Spike
fuhr ganz langsam weiter. Vor allem fuhr er langsam, um keins von den
gackernden Hühnern platt zu fahren, die gemächlich über den riesigen Hof
stolzierten. Das wäre kein guter Einstand gewesen mit einem plattgefahrenen
Huhn. Vor Spikes geistigen Auge erschien das Bild, wie er dem Besitzer des
Gutes ein plattgefahrenes Huhn reichte – und wie dann der Besitzer des Gutes
sagte: Nein das ist keins von unseren. So platte Hühner haben wir nicht....
Zur
Rechten erstreckten sich riesige Stallungen.
In der
Mitte erstreckte sich ein riesiger Misthaufen mit dem ihm typischen angenehmen
Landgeruch. Der Misthaufen roch in der Tat ziemlich angenehm, zumindest im
Vergleich zu stinkendem Kunstdünger. Für eine gewisse Geruchskulisse ist auf
jeden Fall gesorgt, dachte Spike belustigt und musste grinsen.
Und zur
Linken, der Weg gabelte sich nämlich, und der Misthaufen war in der Mitte,
befand sich eine kleine aus Natursteinen gemauerte Kirche, eine Kirche im
Miniformat, eine protestantische Kirche, wie man sofort sah, ohne dass man groß
raten musste, denn sie war so absolut schmucklos und nüchtern. Und sie war alt.
Obwohl es in den Staaten gar nichts richtig Altes geben konnte, sah sie alt
aus. Sozusagen verdammt alt. Spike verstand allmählich den Sinn von Archibald
Worten: Bei uns ist es recht altmodisch....
Aus den
Stallungen kam gerade ein vielleicht dreißigjähriger großer gutaussehender Mann
heraus, er trug Gummistiefel und einen blauen Overall, er hatte widerspenstig
aussehendes schwarzes kurz geschnittenes Haar, eine gute athletische Figur und
einen energischen Gang. Er winkte Buffy und Spike kurz zu und verschwand dann
mit langen Schritten in dem Torhüterhäuschen, in dem Gästehaus oder in dem
Poolhaus, je nachdem, was es nun wirklich war.
„Der sah
aber gut aus“, meinte Buffy verträumt.
„Wolltest
du nicht ’ne Dusche?“ fragte Spike bissig und schaute sie von der Seite an.
„Dann nimm am besten gleich ’ne kalte...“
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KAPITEL III Teil 3
Ein paar
Leute, größtenteils ältere blasse schwarzgekleidete Frauen kamen aus der
Kirche, der Gottesdienst war anscheinend vorbei. Spike schloss aus der Menge
der Kirchgänger, dass es in Campodia nicht gerade vor gläubigen Christen
wimmelte.
Die
Kirchenglocke ertönte melodisch, nicht zu laut, und es roch nach Koteletts.
Nach Koteletts? Lecker.
Spike
fragte sich, wie das wohl zusammenhing, bis ihm einfiel, dass heute Sonntag
war.
Der Gottesdienst
war wirklich zu Ende. Und zum Mittagessen gab es Koteletts. Vielleicht mit
irgendwelchen Gemüsen, die in einer fetten Mehlschwitze schwammen... Kein
angenehmer Gedanke. Bis auf die Koteletts natürlich. Die rochen so frisch und
lecker, als wäre das Schwein, von dem sie stammten, gerade erst geschlachtet
worden.
Allerdings
war es bis zum Mittagessen noch ein wenig Zeit. Und diese Zeit nutzten die
Ehemänner des Ortes und natürlich auch die Junggesellen, die sich um den
Kirchgang gedrückt hatten, um in der vielleicht einzigen Kneipe des Ortes ein
ausgiebiges Bier zu nehmen. Am Stammtisch. Und die meisten Koteletts würden
kalt und die meisten Frauen sauer sein, wenn die Männer endlich nach Hause
kämen...
Am
Stammtisch, wo Frauen ein Fremdwort sind. Am Stammtisch, wo die Honoratioren
des Ortes an ihrem speziellen Tisch sitzen und zwar in dieser Reihenfolge: Der
Gutsherr, der Bürgermeister oder Sheriff, der Besitzer der Sägewerke, der
größte Rinderzüchter, der größte Schafzüchter, der Apotheker – Spike glaubte
allerdings nicht, dass dieses Kaff sich eine Apotheke leisten konnte – und der
Lehrer, nicht direkt verachtet, aber unterste Honoratioren-Schiene.
Die
Normalsterblichen saufen an der Theke, wo sie hingehören, während die
Honoratioren an diesem gewissen Tisch, dem Stammtisch mit dem Schild
‚Stammtisch’ sitzen und saufen. Manchmal unterhält sich der Gutsherr kurz mit
einem Bekannten an der Theke, wenn er vom Klo kommt. Allerdings geht er dann
bald wieder an den Stammtisch zu seinen Spezies... Wobei sich die Gespräche
zwischen den Männern am Stammtisch und denen an der Theke nicht sehr viel
unterscheiden.... Hauptsächlich geht es um Politik... Hahahahah.
Frauen
sieht man keine bis auf die Wirtin hinter der Theke. Manchmal verirren sich
Touristinnen in die einzige Kneipe des Ortes, aber die Mittagszeit am Sonntag
ist die falsche Zeit dafür. Sogar der Dorfpapagalli, ansonsten für seine
Geilheit bekannt, wagt es nicht, die Frauen anzuquatschen, denn zur Mittagszeit
am Sonntag ist es ‚a man’s world’. Meistens verlassen die Frauen dann
fluchtartig und gedemütigt das Lokal.
Spike
verspürte nicht viel Lust, die einzige Kneipe im Ort zu besuchen, na gut, er
verspürte jetzt noch nicht viel Lust, die einzige Kneipe im Ort zu besuchen,
sondern er fuhr langsam in eine der Parkbuchten, die vor dem Herrenhaus
angelegt waren. Die beiden Wege vereinigten sich nämlich vor dem Herrenhaus
wieder, und man konnte entweder wieder zurückfahren – diesmal auf der anderen
Seite – oder vor dem Herrenhaus parken. Eine andere Möglichkeit gab es nicht,
bis auf einen Fußweg, den Spikes scharfe Augen erspähten, aber da würde er mit
dem Auto nicht entkommen – ach was dachte er da – ...durchkommen können.
Das
Herrenhaus? Seltsam. Wie kam er auf das Wort ‚Herrenhaus’? Ganz einfach, das
Wort ‚Herrenhaus’ passte darauf wie Arsch auf Eimer. Obwohl es eigentlich
nichts anderes als ‚groß’ war. Es war groß und rechteckig mit einem Beschlag
aus altrosafarbenem Schiefer, der wohl in den zahlreichen Steinbrüchen des
Columbia-Plateaus abgebaut wurde. Altrosa Zeiten. Es hatte viele Fenster und
vor den Fenstern waren viele Fensterläden angebracht, die weiß gestrichen
waren.
Das Haus
war zweieinhalbstöckig. Unten gab es zwei Treppen, die sich ähnlich wie die
Wege vorm Haus vereinigten, nur führten beide Treppen diesmal zur großen
geschnitzten Eingangstür. Untenherum gab es auch Säulen, die eine große
Terrasse im ersten Stock stützten. Und irgendwie hätte es kitschig aussehen
müssen, aber durch sein Alter, Spike schätzte es auf über hundert Jahre – das
war für Europa fast neu, aber für USA
schon verdammt. Und es wirkte großartig, schön und ausgefallen. Aber vor allem
wirkte es gemütlich. Gemütlich? Dieses überaus deutsche Wort fiel Spike
automatisch ein.
Hinter
dem Haus, Spike hatte so eine vage Vermutung, gab es einen riesigen Garten mit
hohen Bäumen. Bei guten Wetter wurden dort Liegestühle aufgestellt, und die
weniger sonnenhungrigen Gäste, darunter würde sich auch Spike zählen, konnten
sich der Sonne entziehen, indem sie den Schatten der riesigen Bäume aufsuchten
und coole Drinks nehmen... Hach!
Buffy
träumte immer noch von einer Dusche.
Spike
wollte gerade die Autotür öffnen, als er neben sich einen Mann auftauchen sah,
der ihm freundlich zulächelte.
„Du
musst Bill sein“, sagte er zu Spike, der sich aus dem Auto schwang und sich
reckte, weil seine Glieder von der langen Fahrt ziemlich steif geworden waren.
„Wieso
sind Sie nicht beim Stammtisch?“ fragte Spike entgeistert .
„Nicht
doch, Bill“, sagte der Mann freundlich. „Ich hab ihn heute ausfallen lassen. Weil
ich auf euch gewartet habe.“
„Du bist
Archibald van Campe?“ Spike ging automatisch zum Du über und wunderte sich über
nichts mehr. Archibald machte den Eindruck eines wirklich mit allen Wassern
gewaschenen Mannes, und er sah ein wenig aus wie der ältere Sean Connery. Ergo
sah er sehr gut aus, und er hatte auch eine sehr wohltönende Stimme, die
wiederum Sean Connerys Stimme sehr ähnelte...
Und vor
allem wusste er genau, dass er gut aussah.
Spike
mochte ihn vom ersten Augenblick. Vermutlich war Archibald genauso ein
Drecksack wie er selber...
„Archie,
nenn mich einfach Archie. Wo ist denn mein Neffe?“ fragte sein angeheirateter,
ja was war er.. ach ja Schwager.. begierig.
„Immer
mit der Ruhe, ääääh... Archie. Ich hol ihn schon“, sagte Spike. „Aber erst einmal
möchte ich dir... äääh... Buffy vorstellen. Sie ist die Mutter von Morgan,
meiner Tochter. Und sie kümmert sich ein wenig um Gwydion.“
Buffy
war auch ausgestiegen und reckte sich ein wenig. Sie kümmert sich ein wenig um
Gwydion. Das fing ja gut an. Sie wollte auf der Stelle zurückkehren nach
Woodcape unter diesen demütigenden Verhältnissen.
Dann
küsste Archibald von Campe ihr galant die Hand, und sie war beeindruckt. Er
wirkte trotz des Handkusses kein bisschen verweichlicht, nein ganz im
Gegenteil, dieser Landjunker, zugegebenermaßen nicht mehr der Jüngste, sie
schätzte ihn auf 45 - 50 Jahre, wirkte absolut nicht unmännlich. Nein, ganz im
Gegenteil- Sogar sein leichter Landgeruch, eine Mischung aus Misthaufen,
Pfeifentabak und Pferdegeruch wirkte absolut angenehm. Er hatte, Buffy spürte
das sofort, etwas ungemein Väterliches und Vertrauenswürdiges... Buffy hatte
immer ihren Vater vermisst. Eine zeitlang hatte sie ihn in Giles gefunden und
dann wieder verloren. Mittlerweise hatte sie fast das Gefühl, Spike wäre ihr
Vater, er war genauso streng wie ein Vater, und genauso wie ein Vater ließ er
den Gedanken an Sex absolut nicht zu. Ich bin pervers, dachte Buffy. Spike als
Vater, als gestrenger Vater, das ist wohl die absurdeste Vorstellung, die ich
jemals hatte. Ich muss damit aufhören.
„Hier
ist er“, Spike hatte mittlerweile Gwydion aus dem Van geholt und präsentierte
ihn stolz seinem Schwager.
„Oh mein
Gott! Was für ein Prachtkerl!“ Archibald von Campe nahm Gwydion auf den Arm und
wiegte ihn zärtlich. „Und was für eine Ähnlichkeit mit Lilah er hat!“
„Hat
er?“ fragte Spike, der bisher immer nur gehört hatte, dass Gwydion ihm selber
ähnlich sähe und möglicherweise auch Morgan. Aber eine Ähnlichkeit mit Lilah,
bis auf die Haarfarbe vielleicht, hatte noch keiner festgestellt. Andererseits
kannten die Leute, mit denen er jetzt zu tun hatte, Lilah nicht richtig.
„Oh ja.
Außerdem sieht er Andromeda ähnlich.“
„Bitte
wem?“
„Andromeda,
meiner kleinen Tochter“, erklärte Archibald. „Ich frage mich übrigens, wo das
Kind steckt. Ach was, sie wird in den Ställen sein.“
Spike
interessierte Archibalds kleine Tochter herzlich wenig. Er hatte mittlerweile
Morgan aus dem Van geholt und präsentiert sie Archibald mit den Worten: „Und
das ist meine Tochter Morgan!“
Was sich
ziemlich drohend anhörte, und Archibald reagierte auch dementsprechend
wohlwollend – weil er spürte, dass sein Schwager Bill es nicht zulassen würde,
wenn seine uneheliche Tochter Morgan irgendwie benachteiligt würde – mit den
Worten: „Die ist aber wirklich hübsch!“ Woraufhin er auch Morgan in den Arm
nahm, nachdem er Gwydion an Buffy weitergereicht hatte. Archibald musste das
nicht heucheln, nein er empfand wirkliche Liebe zu Kindern, egal ob sie jetzt
mit ihm blutsverwandt waren oder nicht.
Spike
blickte ihn befriedigt an,. Er hätte es nicht geduldet, wenn sein Schwager oder
sonst wer Morgan nicht respektiert hätten.
„Oh, da
kommt sie ja“, sagte Archibald und er blickte zu den Ställen herüber.
Ach ja,
das Töchterchen, dachte Spike.
Allerdings
deckte sich sein erster Eindruck absolut nicht mit der Vorstellung Töchterchen
oder kleine Tochter.
Er sah
ein Mädchen aus der Stalltür herauskommen, fast schon eine junge Frau, und
dieses Mädchen hatte von weiten solch eine Ähnlichkeit mit Lilah, dass ihm die
Kehle trocken wurde, denn das konnte einfach nicht sein.
Sie trug
verwaschene blaue Jeans, Reitstiefel und eine strahlend weiße Bluse.
Sie sah
Lilah so ähnlich, dass ihm das Herz fast stehen blieb.
Sie
hatte das gleiche lange braune Haar mit den goldenen Lichtreflexen wie Lilah,
nur mehr gelockt. Wahrscheinlich versuchte sie es zu bändigen und zu glätten.
Ihre Lockenpracht hatte sie im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengerafft.
Sie
hatte fast die gleiche Figur wie Lilah, nur war sie nicht so zierlich gebaut
wie Lilah, sondern kräftiger. Und sie war sowohl kleiner wie auch größer als
Lilah. Lilah musste ursprünglich recht groß gewesen sein, Spike wusste das,
denn er hatte in einer Vision Gwydion im Alter von vielleicht 25 Jahren
gesehen, und Gwydion war sehr groß gewesen. So groß wie ein Basketballspieler.
Warum so groß? Spike vermutete, dass sie Lilah zwar kleiner erschufen, aber
dass ihre Gene nicht kleiner zu machen waren und dass Gwydion ihre Gene
teilweise geerbt hatte. Und Gwydion würde groß werden. Spike wusste das.
Das
Mädchen, das er auf sich zukommen sah, war mittelgroß. Sie war zwar kleiner als
Spike, aber auch größer als die Lilah, die er gekannt hatte..
Als sie
mit langen geschmeidigen Schritten näher kam, sah er, dass sie die gleichen gut
geschnittenen Gesichtszüge wie Lilah hatte. Nur hatte sie graugrüne
schräggestellte Augen statt Lilas blauer Augen. Sie erinnerte ihn an eine
wunderschöne Katze.
Beim
Näherkommen verflüchtigte sich die Illusion vollkommen, Lilah vor sich zu
haben. Das junge Mädchen war eine ganz andere Person, wenn auch mit vielen
Ähnlichkeiten zu Lilah.
„Meine
Tochter Andromeda. Wir nennen sie Andy“, sagte Archibald von Campe und fügte
hinzu: „Sie hat sich so auf ihren Neffen gefreut.“
Spike
lächelte unsicher. Andromeda war schnell näher gekommen. Sie hatte ihn
angeblickt, und ihr Blick sah aus, als wäre sie bis ins Herz betroffen, aber
sie verbarg diesen Blick, schaute kurz auf den Boden, wandte sich dann ruhig an
Spike und sagte: „Das ist Gwydion? Natürlich ist es Gwydion. Ooooh, ist der süß!“
Sie nahm
ihn auf den Arm und blickte ihn neugierig und bewundernd an. Und der Blitz, der
in sie gefahren war, als sie Spike zum erstenmal in Wirklichkeit sah, sie
versuchte, ihn zu verdrängen. Wenn auch mit wenig Erfolg.
Natürlich
hatte sie ihren angeheirateten Onkel schon auf einer DVD-Hülle gesehen, aber
nichts hatte sie im entferntesten darauf vorbereitet, was für eine gewaltige
Ausstrahlung dieser Onkel in der Realität auf sie haben würde. Nein, auf so
etwas konnte man durch nichts und niemand vorbereitet werden.
Es war
Liebe. Es musste Liebe sein. Andromeda war zwar noch sehr jung, aber da sie
dieses noch nie erlebt hatte, war sie bereit, es zu akzeptieren
Spike
stellte auch ihr Buffy als Mutter von Morgan vor. Spike hatte mittlerweile
realisiert, schnell realisiert, dass Andromedas Erscheinung nur ein Truglicht
seiner Erinnerung an Lilah war, aber trotzdem... Wenn er nicht ganz genau
hinsah, könnte er sich vorstellen, dass Lilah jetzt an seiner Seite wäre. Die
Illusion wäre vollkommen. Ein verführerischer Gedanke, in den man sich fallen
lassen konnte. Ooh ja.!
Auch
Buffy versuchte sich mühsam zu beherrschen.
Diese
Andromeda – oh Gott was für ein Name! – war so wundervoll jung, und sie war
unschuldig, das wusste Buffy genau. Andy war vielleicht körperlich keine
Jungfrau mehr, aber sie war noch unberührt von der Liebe. Und Andy kam ihr vor
wie sie selber, bevor sie Angel kennen gelernt hatte. So unschuldig war sie
damals auch gewesen. Und auch so anfällig für die Liebe. Für die Liebe zu
Angel. Verdammt! Verdammt!
Sie
hatte den Blick gesehen, mit dem Andromeda Spike anschaute. Konnte es möglich
sein, dass Andromeda sich in Spike verliebt hatte? Natürlich, warum nicht?
Spike hatte das Charisma dafür. Er war zwar kein Vampir mehr, aber er hatte
immer noch diese gewisse Ausstrahlung. Er war derjenige, welcher...
Buffy
fühlte sich auf der Stelle unglücklich. Das hatte sie nicht erwartet.. Das
erschwerte alles nur. Lilahs Schatten war eigentlich schon lang genug, und
jetzt kam noch der Schatten von Lilahs Nichte dazu. Nein, das konnte einfach
nicht wahr sein!
~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*
KAPITEL III Teil 4
Der
erste Tag in Campodia war für Buffy, Spike und natürlich auch für die Kinder
wie im Fluge vergangen.
Sie
hatten eine Wohnung im ersten Stock bezogen. Ja, es handelte sich um eine
richtig abgeschlossene Wohnung. Es handelte es sich zwar um eine kleine
Wohnung, aber sie war gut aufgeteilt, hatte drei kleine Schlafzimmer mit in die
Wand eingebauten Schränken, einen recht großen Wohnraum mit einer Kochnische
und natürlich ein Badezimmer mit Wanne und Dusche. Von allen Zimmer aus konnte
man, bis auf das Badezimmer natürlich, auf den Balkon gehen, der auf der
Hinterseite des Hauses angebaut war und der von den anderen Wohnungen in diesem
Stockwerk durch Holzspaliere abgeteilt war. Man sah vom Balkon aus auf einen
großen parkähnlichen Garten mit vielen großen Bäumen.
Nachdem
sie die Kinder versorgt, sich selber geduscht und endlich frische Sachen
angezogen hatten, nahmen sie die Kinder auf den Arm und ließen sich von
Archibald das ganze Haus zeigen. Archibald fing unten damit an.
Im
Souterrain befanden sich die Wirtschaftsräume.
„Wenn
ihr etwas waschen wollte, findet ihr hier die Waschmaschinen und die Trockner,
Archibald deutete auf drei Waschmaschinen und drei Trockner. „Natürlich könnt
ihr auch eure Wäsche zum Waschen hier abgeben. Tante Mansell bringt nichts
durcheinander.
Buffy
und Spike sahen sich an und entschieden, ohne darüber gesprochen zu haben, dass
sie ihre Wäsche und die der Kinder selber waschen wollten. Zumindest
größtenteils.
Archibald
zeigte ihnen dann die Vorratskammern, zwei an der Zahl, die so groß waren, dass
man sich darin verlaufen konnte. Darin hingen riesige geräucherte und
ungeräucherte Schinken und Würste aus eigener Schlachtung, standen jede Menge
Konserven und jede Menge mit Obst und Gemüse gefüllter Einmachgläser. Ein
kleines Kühlhaus war auch dabei. Darin stapelten sich jede Menge Kisten mit
Mineralwasser, Bier und Limonade.
„Hast du
’ne Brauerei?“ fragte Spike, verwundert ob der überaus beruhigenden großen
Anzahl von Bierkästen.
„Ja“,
sagte Archibald van Campe, „und sie ist die eigentliche Quelle unseres
Wohlstandes, wenn man einmal von den Kupferminen absieht...“
Daraufhin
war Spike wirklich beeindruckt. Natürlich weniger von den Kupferminen...
Ferner
gab es im Souterrain die Räume für das Personal. Archibald sprach von Tante
Bernadette, der Köchin, von Tante Mansell, die wohl das Haus in Ordnung hielt
und von zwei Stubenmädchen.
„Ihr
könnt eure Wohnung selber saubermachen, wenn ihr wollt, ihr könnt es aber auch
einem der Mädchen überlassen.“
Das
hörte sich alles gar nicht schlecht an.
„Und das
hier?“ fragte Buffy aufgeregt, als sie eine Tür sah, auf der stand Swimming
Pool. „Ist da etwa ein Swimming Pool drin?“
„Er ist
nicht besonders groß“, gab Archibald von Campe zu, „nur sieben mal vier Meter.
Aber wenn man die Gegenstromanlage einschaltet, kann man ganz nett schwimmen.“
Daraufhin
war Buffy zum erstenmal wirklich beeindruckt. Nur sieben mal vier Meter! Eine
Pfütze von einem Swimming Pool war das.
„Also
weiter“, Archibald fing nun an, den Tagesablauf auf dem Gut zu erklären:
„Frühstück gibt es ab sieben Uhr und bis zehn Uhr. Danach kann man sich selber
etwas aus dem Kühlschrank holen, wir haben immer eine Reserve da für Spätaufsteher.
Sieben Uhr hört sich vielleicht früh an“, Archibald lächelte, „aber die meisten
unserer Gäste stehen ganz früh auf, um irgend etwas zu unternehmen, seien es
Ausflüge oder auf die Jagd gehen oder Reiten oder Erbsenpflücken... Manche
wollen schon um sechs Uhr geweckt werden.
„Wirklich?“
fragte Buffy verwundert.
Auf die
Jagd? Spike überlegte. Nein das war nichts für ihn, Auf der Jagd war er
einhundertzwanzig Jahre lang gewesen, und das Wild, welches er gejagt und zur
Strecke gebracht hatte, unterschied sich bestimmt sehr von den hiesigen
Jagdopfern...
Erbsenpflücken?
Buffy überlegte auch. Was zum Geier sollte das für eine tolle Unternehmung
sein? ...Archibald hatte ein wirklich schöne Stimme, sie klang wie die von Sean
Connery.
„Können
Sie reiten, Buffy?“ fragte Archibald.
„Nein,
um Himmels willen“, gab Buffy verlegen zu.
„Sie
sollten es lernen. Natürlich erst einmal drinnen in der Reithalle. Wir haben da
ein besonders gutmütiges kleines Pferdchen. Ein richtiges Schaukelpferdchen.“
„Hhmm“,
sagte Buffy zögernd, denn eigentlich hatte sie noch nie auf einem Pferd
gesessen und das eigentlich auch nie vorgehabt. „Ja vielleicht irgendwann.“
Archibald
von Campe lächelte. „Und du Bill? Wie steht’s mit dir?“
„Ich
kann einigermaßen reiten. Natürlich nur für den Hausgebrauch“, sagte Spike.
„Das
wird reichen. Also weiter: Mittagessen gibt es nicht bei uns, bis auf den
Sonntag, wer mittags Hunger hat, kann immer noch die Reste von Frühstück essen.
Am frühen Nachmittag reichen wir eine sogenannte Vesper. Es gibt dann hausgemachten
Kuchen, Brote mit Schmalz, Mettwurst und Schinken. Die Gäste sind ganz wild
danach.“
„Mein
Cholesterinspiegel steigt schon beim bloßen Zuhören, Archie“, sagte Spike
grinsend und schüttelte sich ein wenig.
„Der
Cholesterinspiegel ist hier kein Thema. Hier wird einem körperlich soviel
abverlangt, dass das ganze Fett vollständig verbrannt wird und man sogar noch
abnimmt. Ich glaube, das macht der viele Sauerstoff in der Luft.“
„Echt?“
fragte Buffy ungläubig.
„Echt!
Natürlich haben wir auch Gäste, die es vorziehen, den ganzen Tag in ihrem
Zimmer zu bleiben und zu lesen oder fernzusehen. Jeder wie er will. Es gibt
natürlich auch kalorienreduzierte Nahrungsmittel für diese Gäste“, sagte
Archibald, wie Spike zu hören zu meinte, eine Spur herablassend.
„Apropos
Fernsehen“. Spike musste das wissen. „Habt ihr Kabel oder was?“
„Wir
haben eine riesige Satellitenschüssel auf dem Dach, man kann sie nur vom Garten
aus sehen. Also für Programmvielfalt ist gesorgt. Aber wie gesagt, Bill, ich
glaube nicht, dass du viel fernsehen wirst.“
„Gott
sei dank!“ war Spikes erleichterte Antwort, und er dachte bei sich: Ich glaube
schon, dass ich viel fernsehen werde.
„Also
die Aktivitäten haben wir jetzt durch, zumindest einen Teil davon. Oh, da fällt
mir noch ein, man kann hier in der Nähe Segelfliegen oder mit dem Gleitschirm
was machen, Es gibt hier eine wunderbare Thermik. Außerdem werdet ihr
feststellen, dass wir nichts typisch amerikanisches machen, sondern eher
europäische Bräuche pflegen. Wir veranstalten kein Barbecue, sondern ein
Grillfest. Wir grillen keine Hamburger, sondern Koteletts und Spar-Rips. Wir
veranstalten kein Rodeo, sondern feiern ein Schützenfest. Und so weiter und so
fort. Und wir bieten noch ganz besondere Aktivitäten, ein Beispiel: Ein
weiblicher Gast, eine reiche Industrielle ist das, liebt es, der Köchin zu
helfen.“
Buffy
und Spike schauten sich verblüfft an.
„Ja, sie
findet Vergnügen daran, Brot zu schneiden, Gemüse zu schnetzeln, Kartoffeln zu
schälen, der Köchin bei ihrer Arbeit zuzuschauen und ihr was abzugucken, einen
Speiseplan aufzustellen und natürlich auch für mehrere Leute zu kochen. Das ist
so eine Art Kochkurs für Großfamilien, nach dem Motto: Man nehme zwanzig
Eier....“ Archibald lachte auf. „Übrigens sind die Köchin genauso wie auch Mansell
entfernte Tanten von mir, genauer gesagt sind es beide verwitwete Tanten, die
hier leben und sich die Langeweile vertreiben mit ihrer Arbeit, man kann die
Tanten also nicht als Personal bezeichnen. Natürlich wohnen sie auch hier.“
„Vielleicht
wäre das mit der Küche was für dich“, schlug Spike vor und schaute Buffy
hinterhältig von der Seite an.
„Möglicherweise“,
sagte Buffy nachdenklich. Sie sah sich im Geiste schon ein wunderbares Mahl für
mehrere Personen kochen. Demnächst in Woodcape. Alle würden begeistert sein und
sie für ihre Kochkünste loben. Moment mal, wen würde sie einladen? Willow und
Kennedy, Robin und Faith und Xander natürlich mit einer Frau seiner Wahl. Das
wären dann schon sechs Personen. Dawn musste natürlich auch dabei sein. Mit Spike
wären sie dann neun Personen, fürwahr eine Großfamilie... Allerdings hatte sie
leise Bedenken, ob Spike und Robin sich vertragen würden.
„Wir
hätten vielleicht doch die Schürzen einpacken sollen“, sagte Spike, als er sie
so in Gedanken verloren sah.
„Möglicherweise“,
sagt Buffy, immer noch in Gedanken verloren.
„Ein
anderes Ehepaar, das aber jetzt noch nicht da ist, kümmert sich liebend gern
den ganzen Tag um den kleinen oder größeren Nachwuchs von anderen Leuten. Das
Paar ist kinderlos und freut sich das ganze Jahr darauf, irgendwelche kleinen
Scheißer hier betreuen zu können.“
„Ist ja
irre“, sagte Spike begeistert und knuffte Buffy zart in die Seite. „Was meinst
du dazu, wir könnten richtig Ferien machen, natürlich nur ab und zu. Nicht dass
ich little Buddha und die Fee irgendwie loswerden möchte...“
„Hhmmm“,
sagte Buffy verträumt.
„Wenn
jemand lesen möchte, steht ihm unsere Bibliothek zur Verfügung. Meine Vorfahren
haben allerlei Schätze im Laufe der Jahre zusammengetragen, von Ovid bis
Shakespeare... Aber wir haben natürlich auch neuere Literatur, amerikanische
Literatur, Chrichton und Grisham zum Beispiel, falls jemand das mag...“ Van
Campe zog ein Gesicht, als würde er diese beiden Technokraten unter den
Schriftstellern nicht besonders mögen.
„Eine
Bibliothek?“ Buffy wirkte jetzt voll aufgekratzt. „Wo ist sie?“
„Im
Erdgeschoss ganz hinten, sie ist sozusagen der Wurmfortsatz des Ballsaals.“
Man ging
die gewundene Treppe zum Parterre hoch, denn von Campe wollte ihnen wirklich
alles zeigen, und sie hatten im Kellergeschoss angefangen.
Der
Ballsaal wurde, wie er erzählte, nur selten als ‚Ballsaal‘ benutzt. Er wurde
eigentlich nur im Spätsommer für den Sommerball und zu Weihnachten für die
Gala-Weihnachtsfeier benutzt. Ansonsten diente der kleinere Teil des Ballsaals
– abgetrennt durch eine Schiebetür von dem größeren Teil – als Frühstücksraum,
Speisezimmer und Aufenthaltsraum. Fünf Esstische standen direkt an den großen
Fenstern. Außer den Esstischen und Stühlen gab es im Aufenthaltsraum mehrere
bequeme Sofas mit Tischchen und eine kleine Bar.
Und es
gab einen Billardtisch.
„Wunderbar“,
sagte Spike. Der Billardtisch hatte Löcher und war Gott sei Dank keiner von
diesen beknackten Quadre33-ohne-Löcher-Billardtisch. Dreiband, gute Güte, wer
hatte denn Spaß bei so etwas? Ohne Löcher...
Eine
zweiflügelige Glastür führte nach draußen auf eine geräumige halbrunde
Steinterrasse, auf der zwei große Tische mit Stühlen aus wetterfestem Holz
standen. Das Holz hatte durch die Witterung eine silberne Farbe angenommen.
Mehrere Deck-Chairs aus dem gleichen Holz standen auf der linken Seite der
Terrasse an einer Backsteinmauer, die von wucherndem Efeu fast verdeckt wurde.
„Bei
guten Wetter frühstücken und vespern wir natürlich draußen“, klärte Archibald
sie auf und wies auf die Tische und Stühle, die jetzt natürlich noch unbesetzt
waren.
Eine
Steintreppe führte hinunter in den riesigen Garten mit diesen riesigen Bäumen.
„Im Augenblick ist es noch ein bisschen zu kühl dafür, aber wir hatten auch
schon Tage, an denen wir draußen gesessen haben.“
„Wundervolle
alte Ahornbäume“, sagte Buffy.
Archibald
klärte sie darüber auf, dass es sich um Platanen und nicht um Ahornbäume
handelte. Sie ähnelten sich zwar sehr, aber die Ahörner hatten als Früchte
kleine Propeller und die Platanen stachelige Kugeln.
Der
riesige Park war an seinen äußeren Rändern ummauert. Spike war neugierig, wie
es außerhalb des Gartens aussah und ging nach rechts bis an den Rand der Mauer.
Sie war recht hoch, und man konnte gerade noch drüberblicken. Spike blickte auf
einen Teich, auf dem mehrere Schwäne majestätisch daherschwammen und der
teilweise mit einem grünen Zeug bedeckt war. Spike wusste nicht, ob dass der
gleiche Teich war, den er beim Ankommen gesehen hatte. Und dieses grüne Zeugs?
Sah nett aus.
„Entengrütze!“
sagte Archibald lakonisch, als Spike wieder von seiner Exkursion zurück war.
„Wir haben drei Teiche in Campodia, den oberen, das ist der, den man zuerst
sieht, wenn man in Campodia ankommt, den mittleren, den sieht man ,wenn man
nach rechts fährt und dann den unteren, der ist schon fast im Nachbarort.
Dieses ist der mittlere.“
„Klingt
einleuchtend“, sagte Spike, der sich in diesem Augenblick vornahm, Campodia zu
Fuß zu erforschen.
„Hey,
man kann vom Garten ja in den Swimming Pool gehen. Das ist aber verdammt
praktisch“, stellte Buffy gerade fest.
Das fand
Spike auch.
Sie
gingen wieder ins Haus hinein. Das Wetter war nicht so berauschend, dass man
das Bedürfnis verspürte, sich draußen aufzuhalten, nein, es war recht kühl und
windig.
„Der
Sommer kann hier ganz plötzlich kommen“, sagte der Hausherr, der wohl das
Bedürfnis verspürte, sich für die nicht so dollen Wetterverhältnisse zu
entschuldigen, „aber wenn er erst einmal da ist, dann bleibt er auch. Ab und zu
gibt es ein paar richtig heftige Gewitter, und es gießt in Strömen, aber danach
ist alles wieder fantastisch.“
„Regen
kann auch sehr schön sein“, sagte Spike, und er meinte es auch so.
Wieder
im Haus deutete Archibald auf die kleine Bar.
„Man
muss sich hier schon selber bedienen“, erklärte er. „Einer unserer Gäste
empfindet ein ausgemachtes Vergnügen dabei, sich hinter die Bar zu stellen,
Bier und Wein auszuschenken und Cocktails zu mixen. Im Augenblick ist er
allerdings noch in den Ställen und hilft beim Ausmisten.“
„Aha!
Cocktailkleider?“ sagte Spike vielsagend zu seiner Ehefrau.
„Arbeitet
in den Ställen?“ gab seine Ehefrau vielsagend zurück.
„Die
meisten unserer Gäste treffen erst im Juli ein, und ich kann mittlerweile
sagen, dass sie Freunde für uns geworden sind. Außerdem muss ich noch
hinzufügen, dass wir es eigentlich nicht nötig haben, Geld für unser Haus zu
verlangen, aber sie zahlen es gerne und wir sind froh über ein wenig
kultivierte Gesellschaft. Hier im Dorf... Aber ihr werdet es ja selber sehen“,
Archibald zwinkerte ihnen zu.
„Also,
Archie, ganz unten befinden sich die Wirtschaftsräume, die Vorratskammern, die
Küche, ein paar Zimmer für die Tanten und die Dienstmädchen und ein
klitzekleiner Swimming Pool. Im Parterre befinden sich also die Bibliothek und
der sogenannte Ballsaal. Und ein paar Waschräume.“ fasste Spike zusammen.
„Richtig.
Und der erste Stock ist für die Gäste reserviert. Es gibt dort fünf Wohnungen
in allen Varianten, mal für ein Ehepaar mit Kindern, mal für ein kinderloses
Ehepaar, mal für eine Einzelperson. Ihr habt die Ehepaar-mit-Kindern-Variante.
Ich hoffe, dass es euch recht ist? Obwohl ihr nicht verheiratet seid, kennt ihr
euch ja gut genug...“ Archibald lächelte anzüglich, denn die beiden hatten
schließlich eine gemeinsame Tochter, und die war bestimmt nicht beim Händchenhalten
entstanden...
„Es ist
schon okay“, sagte Buffy nach kurzem Zögern, und sie bedachte Spike mit einem
vorwurfsvollen Blick, aber Spike kümmerte nicht groß drum, sondern ignorierte
den Blick schlauerweise einfach. Hatte er vielleicht ein schlechtes Gewissen?
Sein Schwager kannte nicht die ganze Wahrheit. Aber was war das für eine
Wahrheit? Sie waren zwar verheiratet, aber... Ach jaa, Buffy seufzte innerlich.
„Und was
ist im Dachgeschoss?“ fragte Spike.
„Nun,
dort wohne ich mit Andromeda. Und mit meiner zweiten Frau natürlich – wenn sie
mich mal besucht...“
„Wie
konnte ich nur so blöd sein“, sagte Spike. „Irgendwo müsst ihr ja wohnen...“
„Außerdem
befindet sich dort unsere Hochzeitssuite, aber die ist nur selten belegt.
Kommen wir zum Abendessen“, fuhr Archibald mit seinen Erklärungen fort. „Also,
das Abendessen ist für uns die wichtigste Mahlzeit des Tages. Es wird alles
aufgetischt, was unsere Ställe und Felder hergeben. Meistens werden zwei
verschiedene Menüs serviert. Ohne Vorbestellung. Denn die Gäste sind so
ausgehungert nach einem arbeitsamen und mit Aktivitäten vollgestopften Tag,
dass sie viel mehr essen, als sie jemals beabsichtigt haben. Aber sie nehmen
nicht an Gewicht zu, nein...“
„Im
Gegenteil“, sagten Buffy und Spike wie aus einem Munde. „Man nimmt sogar ab!“
Beide
schauten sich recht sprachlos und verwundert an ob dieser gedanklichen
Übereinstimmung und mussten lachen.
Auch
Archibald von Campe fing an zu lachen: „Ganz genau. Man nimmt sogar ab.“ Nach
einer kleinen Weile fiel ihm noch etwas zu dem unerschöpflichen Thema der
Aktivitäten in Campodia und Umgebung ein: „Ach ja, ich hatte das Bergsteigen
und das Angeln vergessen. Aber du, Bill, siehst mir nicht so aus, als wolltest
du auf die Berge kraxeln.“
„Da sei
Gott vor,“ sagte Spike entsetzt.
~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*
Andy lag
in ihrem Zimmer auf dem Bett. Ihre Gedanken waren seltsam verschwommen, und sie
musste unaufhörlich lächeln. Sie hatte Angst, dass jedermann ihre wunderbare
Stimmung spüren würde, ihre Benebelung und ihr Glück. Sie wollte nicht dabei
ein, wenn ihr Vater Bill und Buffy das Haus zeigen würde. Sie hätten vielleicht
ihre Gefühle erraten.
„Komm
her, Alfonso“, sagte sie zärtlich zu dem kleinen getigerten Kater, der gerade
durch die nur angelehnte Tür hereinkam und sie frech anschaute. Alfonso war
Andys bevorzugter Liebling. Sie hatte ihn bei seiner Geburt praktisch aus
seiner Mutter herausgezogen, weil er mit seinem dicken Kopf im Geburtskanal
steckengeblieben war. Sie hatte ihn trockengerieben und ihm ihre eigene Atemluft
in das winzige Mäulchen geblasen, bis er endlich angefangen hatte zu atmen.
Andromedas
Onkel Bill schien den gleichen Blick wie Alfonso zu haben.
Alfonso
durfte im Haus bleiben, er wurde der unumstrittene King von Campodia, der
Schrecken der Hunde und ein wirklich unausstehliches verwöhntes Vieh.
„Mein
Süßer“, gurrte Andy ihm ins Ohr, denn er war natürlich sofort auf ihr Bett
gesprungen und trampelte auf ihrem Magen herum. „Wie findest du ihn?“
Alfonso
schnurrte laut in Andys Gesicht und schaute sie aus seinen großen grünen Augen
an, er schaute sie intelligent an, denn Alfonso war kein Blödmann... äääh
Kater. Alfonso wusste nur noch nicht, was er werden sollte, ein Huhn, eine
Ente, ein Hund oder ein Mensch vielleicht? In diesem Alter war alles möglich.
„Er
sieht so gut aus“, seufzte Andy. „Ich fühle mich schwach, wenn ich in seiner
Nähe bin. Ich hoffe, er merkt nichts davon. Was meinst du, Alfons?“
Alfons
bezog diese bewundernden Worte natürlich auf sich selbst, nach dem Motto: Ich
bin schön, ich bin klug – als Haustier bin ich überqualifiziert – er legte noch
einen Gang zu im Schnurren und ließ ein leises heiseres Krähen hören.
„Er ist
wunderbar“, sagte Andy. „Ich wusste, dass du auch so denkst, mein süßer Alfi.“
„Kräääh!“
Alfi rieb sein wunderbar getigertes Schnäuzchen an Andromedas Nase und dachte:
Ich bin so wunderbar.. und der größte unter dem Ding, das so schon warm ist...
Spike
wachte früh auf und fühlte sich prächtig ausgeschlafen.
Sie
waren so zeitig schlafen gegangen, dass sie das grandiose (nach Archies Worten)
Abendessen verpasst hatten, und sie waren sofort eingeschlafen. Die Kinder
waren noch viel früher eingeschlafen.
Er würde
hier wirklich eng mit Buffy, seiner Ehefrau – Spike musste unwillkürlich
lächeln – zusammenwohnen. Er hatte sich immer noch nicht an den Gedanken
gewöhnt, mit ihr verheiratet zu sein, eigentlich war es unglaublich bei ihrer
Vergangenheit. Er konnte nur hoffen, dass ihr freundschaftlicher Umgang auch
weiterhin so freundschaftlich bleiben würde.
Nachdem
er geduscht hatte, war auch Gwydion wachgeworden, und Spike nahm ihn aus dem
Kinderbett. Alles was man braucht ist da, dachte er beifällig, sogar eine
Wickelkommode stand in dem Kinderzimmer. Spike verpasste Gwydion eine neue
Windel und zog ihm ein Sweatshirt und Hosen an. Er nahm den Kleinen auf den Arm
und trat auf den Balkon hinaus. Die Sonne schien, es war angenehm warm, und
Gwydion hatte die richtige Kleidung für dieses Wetter an.. Spike warf noch
einen Blick auf die Uhr, es war acht, warf noch einen Blick auf die Fee, die
aber noch fest schlief und ging schließlich hinaus aus der kleinen Wohnung, die
Treppe hinunter in den Frühstücksraum.
Außer
Andromeda, die sich gerade am Büffet einen Teller vollud mit Brot und Rührei,
befand sich kein Mensch darin.
Drei von
den sieben Tischen waren gedeckt mit Tellern und Tassen. Große Warmhaltekannen
standen darauf, beschriftet mit ‚KAFFEE, ‚TEE‘ und ‚MILCH‘.
„Hallo“,
sagte Spike zu Andromeda.
Sie
lächelte ihn an, verlegen wie es ihm schien und sagte ihrerseits: „Hallo.“
Spike
setzte Gwydion in einen Babystuhl, von dieser Sorte gab es drei Stück, nahm
sich einen Teller und ging zum Frühstücksbüffet, das an einer langen Tafel
aufgebaut war. Zu seiner Überraschung gab es ein richtig kontinentales, das
heißt englisches Frühstück mit Rührei, gebackenem Schinken und gebratenen
kleinen Würsten. Alles befand sich auf elektrischen Warmhalteplatten und war
mit großen silbernen Deckeln zugedeckt. Es gab auch gekochte Eier, diverse
Brotsorten und Brötchen, die Spike eher mitteleuropäisch als amerikanisch
vorkamen, Toast, Butter, Halbfettmargarine, mindestens – wie Spike nach einem
flüchtigen Blick feststellte – vier Sorten Käse, ferner Marmelade und Honig,
Nusscreme, rohen und gekochten Schinken, diverse Wurstsorten und Mettwurst,
teils geschnitten, teils am Stück. Ein großes Messer lag einladend daneben.
„Hier im
Dorf ist es üblich, dass man sich die Mettwurst selber abschneidet“, sagte
Andromeda erklärend zu Spike, als sie seinen verwunderten Blick bemerkte. „Man
isst ein Stück von diesem“, sie deutete auf das graue Körnerbrot, „Brot dazu.
Und man isst es immer abwechselnd.“
„Das
hört sich aber sehr mächtig an“, sagte Spike ungläubig und dann lachend: „Ach
ja, ich vergaß, man nimmt hier nicht zu...“
„Nein,
man nimmt hier eher ab“, sagte Andromeda nun auch lachend. Er hat eine
wahnsinnig erotische Stimme, dachte sie, so rauh und trotzdem wohlklingend.
„Was zu
beweisen wäre“, sagte Spike, nahm sich ein wenig Rührei, ein bisschen von den
rohen Schinken, der übrigens in kleine Würfel geschnitten war und mit einem
Löffel gelöffelt werden musste, eine Scheibe Brot, ein wenig Butter und schnitt
sich ein Stück von der Mettwurst ab. Für Gwydion nahm er ein bisschen Käse mit.
Gwydion würde später sein Fläschchen bekommen. Ansonsten aß er schon fast
alles, was auf den Tisch kam.
„Setzt
du dich zu mir?“ fragte er das Mädchen.
„Hätte
ich auch ohne Aufforderung getan. Ich hab’ allerdings wenig Zeit, muss gleich
zur Schule, und der Schulbus kommt in einer halben Stunde. Aber in zwei Wochen
habe ich endlich Ferien.“ Andromeda seufzte erleichtert auf.
„Wo ist
die Schule?“
„In New Brunswick. Das ist ungefähr drei Meilen von
hier.“
„Die
Wurst schmeckt interessant, ein bisschen wie Mailänder Salami“, sagte Spike
anerkennend.
„Das ist
ein deutsches Rezept. Mein Ur-Ur-Urgroßvater hat es damals mitgebracht. Probier
mal den Schinken. Ist nicht jedermanns Sache, er ist kaum geräuchert, nur
gesalzen und getrocknet. Ich finde, er hat einen Hauch von Verwesung.“
Auch der
Schinken inklusive Hauch von Verwesung fand Spikes Zustimmung. Der Schinken
schmeckte übrigens wie italienischer Parmaschinken. Seltsam, diese
deutsch-italienische Geschmacksübereinstimmung.
„Darf
ich ihm was geben?“ fragte Andromeda zaghaft und betrachtete Gwydion zärtlich.
„Er wird
dich schon nicht beißen“, sagte Spike erheitert. „Nein, ganz in Gegenteil,
little Buddha hat einen Charme, da könnte ich blass vor Neid werden.“
„Little
Buddha?“
„Ich
nenn ihn so, weil er die Leute zur Erleuchtung bringt. Zur Wahrheit oder zum
Guten. Ich kann es nicht genau erklären. Jedenfalls hat der kleine
Hosenscheißer irgendwas an sich...“
„Er ist
süß“, meinte Andromeda und reichte Gwydion ein Stückchen Brot mit Honig,
welches er dankbar entgegennahm, vorsichtig hineinbiss und sie dann anlächelte.
Gwydions Charme war wirklich umwerfend. Den Rest des Brotes matschte er sich
auf sein Sweatshirt, woraufhin Spike nun aufseufzte.
„Nein,
du kriegst nichts“, sagte Andromeda auf einmal mit fester Stimme und schaute
hinter sich. „Gar nichts kriegst du!“
„Was
meinst du?“ fragt Spike erstaunt, der das auf sich bezogen hatte.
„Alfonso
kriegt nichts. Der bettelt jeden an und ist sooo verfressen...“
„Der
Tiger hier?“ Spike beugte sich zu dem strammen Katerchen hinunter und klopfte
ihm anerkennend auf das Hinterteil. Alfons drückte seine Hinterbeine fest
durch, wurde dadurch automatisch ein paar Zentimeter größer und drückte den
hinteren Teil seines Rückens fest gegen Spikes tätschelnde Hand.
„Er hat
die gleichen Augen wie du“, meinte Spike verwundert. Und das stimmte. Andromeda
sowie auch Alfonso hatten große mandelförmige graugrüne Augen.
„Öööcch!“
Gwydion hatte die Katze bemerkt und streckte sein Händchen aus, um dieses
wunderbare pelzige Wesen zu berühren. Alfonso rümpfte die Nase, anscheinend
hatte er mit Kleinkindern nicht viel im Sinn. Alfonso hielt diese kleinen...
Dinger für eine ganz andere Spezies als die großen Menschen, mit denen er es
normalerweise zu tun hatte. Diese kleinen... Dinger, das waren mit Sicherheit
irgendwelche Tiere, und vor allem, wenn diese Tiere anfingen zu laufen, dann
kniffen und zwackten sie Alfonso, und deswegen war es besser, ihnen aus dem Weg
zu gehen. Obwohl, dieses Tier machte einen recht annehmbaren Eindruck.
„Öööcch!“
Jetzt klang Gwydions ‚Öööcch’ enttäuscht, denn als Alfonso feststellte, dass er
nichts zu Essen bekam, verschwand er schnurstracks durch die geöffnete
Terrassentür nach draußen, sprang dort auf einen Deck-Chair, der schon ein
bisschen Sonne abbekam, legte sich auf den Rücken und rekelte wollüstig seinen
weißen pelzigen Bauch in den wärmenden Sonnenstrahlen.
„Der
will nix mit dir zu tun haben, Buddha“, sagte Spike lächelnd zu seinem Sohn.
„Immerhin
hat er ihn nicht angefaucht“, meinte Andromeda. „Das ist schon ein gutes
Zeichen. Normalerweise ist Alfons nicht so nett.“
„Du
siehst Lilah sehr ähnlich“, sagte Spike nachdenklich zu Andromeda.
„Das
sagen viele. Aber es stimmt nicht“, meinte Andromeda, die sich geschmeichelt
fühlte. „Es ist vielleicht unser Haar.“
„Kann
sein“, sagte Spike, „aber als ich dich gestern aus dem Stall kommen sah, da hab
ich zuerst gedacht, du wärst Lilah. Aber nur auf den ersten Blick...“
„Wie
hast du sie kennen gelernt?“ fragte Andromeda neugierig..
„Ich
habe sie“, Spike musste grinsen, „neben einem Müllcontainer gefunden.“
„Häääh!!??“
sagte Andromeda ungläubig und dachte, er wollte sie ein wenig veräppeln.
„Nein
wirklich, es stimmt. Sie war überfallen worden, und ich hab sie dann in mein
Hotelzimmer mitgenommen.“
„Das
klingt irgendwie romantisch.“
„Das war
es nicht. Na ja, vielleicht ein bisschen. Sie war bewusstlos und hatte sich den
Unterarm gebrochen. Ich hab ihr vorgeschlagen, bei mir zu wohnen, wegen ihrem
Arm natürlich nur, sie machte so einen hilflosen Eindruck, und sie hat dann
wirklich bei mir gewohnt.“ Spike verschwieg Andromeda natürlich, dass er von
W&H als Mensch zurückgebracht worden war, und dass sie die kurz vorher
gestorbene Lilah auch zurückgebracht hatten. Sie waren beide ziemlich
durcheinander gewesen, und das erklärte vielleicht, warum sie sich so gut
verstanden hatten.
Gut
verstanden am Anfang und geliebt am Ende.
„Hinterher
ist es dann passiert. Ich hatte mich so an ihre Nähe gewöhnt, dass ich es gar
nicht gemerkt habe...“ Spikes Stimme stockte.
„Du hast
sie sehr geliebt?“ sagte Andromeda leise.
„Sie hat
mich verdorben“, sagte Spike und lächelte.
„Äääh was?“
Andromeda war ein wenig bestürzt.
„Sie hat
mich verdorben für jede andere Frau“, sagte Spike.
„Aber
Onkel Bill“, Andromedas Stimme klang aufgeregt, „du willst mir doch nicht
erzählen, dass Lilah die einzige Frau war, die dich glücklich gemacht hat. Du
bist doch so...“ überwältigend hätte sie fast gesagt, Andromeda stotterte ein
wenig und hörte auf zu sprechen. Sie hatte Angst, dass sie schon zu viel gesagt
hatte.
„Onkel
Bill? Bitte nicht! Nenn mich Bill, bei Onkel Bill muss ich immer an diese
Fernsehserie denken mit dem Butler und den zwei bescheuerten Gören, diesen
rothaarigen sommersprossigen Gören, die kreischten auch immer rum: Onkel Bill,
Onkel Bill!“
„Gut“,
sagte Andromeda, „also Bill ohne Onkel. Du willst mir wirklich erzählen, dass
Lilah die einzige Frau war, die dich...?“
„Kaum zu
glauben, was? Aber es ist so. Die anderen... ach was soll’s. Reden wir nicht
mehr drüber.“
„Bill?“
Andromeda kostete das Wort ‚Bill’ aus, es hatte einen so wunderbaren Klang.
„Ja,
Kitten?“
„Kitten?“
Andromeda war erstaunt über diesen Kosenamen.
„Du
siehst wirklich aus wie ein Kätzchen. Mit diesen grünen Augen“, sagte Spike und
lächelte sie an, was Andromeda reichlich verwirrte.
„Finde
ich gut... Kitten“, sagte sie nach einer Weile, und ließ das Worte auf ihrer
Zunge zergehen. „Also Bill, hast du Lust, irgendwann das Haus zu sehen, in dem
Lilah gelebt hat? Ich meine, wo sie gelebt hat, bevor sie nach Los Angeles
ging. Ich war als Kind oft dort bei meinen Großeltern. Dann hatten sie einen
Autounfall und sind gestorben.“
„Das hat
Lilah mir erzählt“, sagte Spike, er hatte so wenig Zeit mit Lilah verbracht,
dass er jeden kleinen Hinweis auf ihre Herkunft und ihr Wesen suchen würde, um
sie länger in sich tragen zu können. Und dieses Kind, dieses Kitten schien eine
gute Mittlerin zu Lilahs Wesen zu sein.
„Es ist
nicht weit. Vielleicht eine Stunde zu Pferde“, sagte Andromeda.
„Wir
sollen dahin reiten?“ meinte Spike zweifelnd. Er konnte zwar reiten, aber
mitten in dieser Gegend, das schien ihm etwas riskant zu sein. Wenn er sich den
Hals brach, dann blieben seine beiden Kinder als Halb- beziehungsweise
Vollweise zurück.
„Du
wirst dir schon nicht den Hals brechen“, Andromeda schien seine Gedanken zu
erraten und blickte ihn lächelnd an. „Wir üben natürlich vorher in der
Reithalle.“
„Das
kann aber noch ein Weilchen dauern, bis ich soweit bin...“ Spike spürte auf
einmal, etwas sehr Vertrautes in Andromeda, aber er konnte sich nicht erklären,
was es war. Es war bestimmt ihre Verwandtschaft mit Lilah. Was hätte es auch
sonst sein können.
Buffy
sah die beiden, als sie mit Morgan auf dem Arm in den Aufenthaltsraum kam.
Unwillkürlich
ging sie zwei Schritte zurück. Die beiden machten so einen vertrauten Eindruck,
dass es ihr schon fast weh tat.
Nach
einer Sekunde beruhigte sich aber ihr etwas schneller gewordener Puls, und sie
dachte, als sie lächelnd auf den Tisch zuging, an dem die beiden samt Gwydion
saßen: Was kann dieses Kind Spike schon bedeuten. Klar, sie sieht ein wenig aus
wie Lilah, aber sie ist noch so jung. Hatte Spike vielleicht eine Vorliebe für
junge Mädchen? Eher nicht. Aber was weiß ich schon groß von ihm? Das dachte
Buffy.
„Du bist
aber früh aufgestanden,“ sagte sie zu Spike und lächelte Andromeda zu. Trotz
einer kleinen unterwelligen Eifersucht auf das junge Mädchen mochte sie es
eigentlich gut leiden.
„Oh,
Buffy“, sagte Spike freundlich zu ihr und streckt die Arme aus, um Morgan
entgegen zu nehmen, die sich schon zu ihm heruntergebeugt hatte.
„Daddy“,
jauchzte Morgan begeistert und legt ihre Arme um seinen Hals.
Beneidenswertes
Kind, dachte Andromeda.
Beneidenswertes
Kind, dachte Buffy.
Was
Morgan in diesem Augenblick von beiden empfing, hätte sie vielleicht verwirren
können, aber Morgan hatte es sich angewöhnt, nicht auf die Gedanken in ihrer
Nachbarschaft zu achten. Sie hatte so eine Art geistiger Firewall aufgebaut, um
sich vor anderer Leute Gedanken zu schützen. Es war meistens lästig, anderer
Leute Gedanken zu sehen, es war lästig, weil das meiste unverständlich war...
Und es war langweilig wie die Gedanken ihrer Mom. Also blockte sie es ab.
„Oooh,
ich glaube, ich habe den Bus verpasst“, sagte Andromeda, stand eilig auf,
winkte Buffy, Spike und den Kindern noch einmal zu und verschwand aus dem
Frühstücksraum. Einen par Minuten später kam sie wieder herein, nahm sich zwei
Scheiben Brot und ein Stück Wurst, packte das ganze in eine der
Frühstückstüten, die auf dem Tische lagen, winkte noch einmal verlegen zu der
Gruppe am Tisch hin und sagte: „Ich frag’ Max, ob er mich zur Schule fährt.“
Und verschwand endgültig.
„Das
sieht gut aus“, sagte Buffy nach einem gründlichen Blick auf Spikes Teller, von
dem er noch fast nichts gegessen hatte.
„Es ist
gut“, Spike nickte anerkennend. „Und man wird nicht dick davon.“
„Dann
hol’ ich mir auch was. Was sollen wir heute machen?“
„Ich
dachte mir“, sagte Spike, „dass wir einen kleinen Spaziergang machen und den
Ort erkunden, das wird ja nicht lange dauern, so klein wie er ist. Und dann
hatte ich vor, in den Pferdestall zu gehen und mir die Schaukelpferdchen
anzugucken.“
„Die
Schaukelpferdchen? Irgendwie hab ich Angst vor denen“, gab Buffy zu.
Andromeda
schien wirklich ein nettes Mädchen zu sein. Buffy spürte etwas sehr Vertrautes
in ihr, aber sie konnte sich nicht erklären, was es war. Nein, sie hatte
wirklich absolut keine Ahnung, was es sein könnte.
Ein
begeistertes Quietschen riss Buffy aus ihren Gedanken.
Morgan
hatte Alfonso erspäht.
Der
kleine Tiger machte einen großen Satz aus seinem Deck-Chair und brachte sich in
Sicherheit. Noch ein Tier! In ein paar Metern Entfernung blieb Alfonso erst
einmal sitzen, um die Lage zu peilen.
Morgan
konnte sich voll auf ihn konzentrieren. Er hat Angst, er denkt ich will ihn
kneifen oder ihm wehtun. Andere kleine ... haben ihm schon wehgetan.
Automatisch
entstand in ihrem Kopf ein Bild, in dem sie Alfonso zeigte, dass sie überhaupt
nicht vorhatte, ihn zu zwicken oder ihm wehzutun, sie wollte ihn doch nur
streicheln. Ganz zart nur.
Alfonso
war wirklich kein Blödmann, Er war wie manche Katzen leicht telepatisch
veranlagt, er ließ sich von dem Tier, dass möglicherweise doch kein Tier war,
zart über den Kopf streicheln, obwohl er dabei ein bisschen zitterte. Aber das
Zittern ging schnell in Schnurren über.
© Ingrid
Grote 2004 Fortsetzung HIER
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