Das Licht am Ende der Fahnenstange

 

KAPITEL VI Teil 1

 

Am nächsten Morgen – am nächsten ziemlich frühen Morgen – bereute Buffy schon, dass sie sich auf die Sache mit dem Erbsenpflücken eingelassen hatte. Man weckte sie nämlich um halb fünf! Heiliger Strohsack.

Im Frühstücksraum gab es nur Kaffee, Tee und Milch, das übliche Frühstücksbüffet war noch nicht aufgebaut, stattdessen gab es fertige handliche Pakete mit, wie Buffy vermutete, Nahrungsmitteln drin und mehrere Thermoskannen zum Mitnehmen. Buffy hatte trotz der frühen Morgenstunde schon so einen Hunger, dass sie am liebsten ihr Päckchen aufgemacht und ein wenig genascht hätte, aber sie bezwang dieses Verlangen frauhaft.

Außer ihr kamen noch zwei andere genauso verschlafen aussehende Frauen zum Erbsenpflücken mit, eine hagere Blondine, die mit dem freiwilligen Barkeeper und Stallausmister verheiratet und recht nett war, und eine pummelige Dunkelhaarige, die erst seit drei Tagen mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern da war und die Buffy noch nicht so gut kannte.

Man nickte sich verschlafen zu.

„Hi Ladies!“ Ein munter aussehender Max betrat den Frühstücksraum, im Schlepptau hatte er Andromeda, die wohl auch aus dem Bett gefallen war.

„Du kommst mit?!“ sagte Buffy erleichtert zu der jungen Jägerin. Sie stellte es sich nett vor, neben Andromeda zu arbeiten.

„Klar komme ich mit.“ Andromeda musste lachen. „Max hat gesagt, ich hätte es mal wieder nötig.“

Die hagere Blondine fing an, giggelig zu lachen, und Andromeda verstand nicht, warum dieses dürre Weib so dämlich lachte.

„Wann habt ihr denn das letzte Mal richtig körperlich gearbeitet, Ladies?“ Max ignorierte das anzügliche giggelige Lachen – er schien wirklich eine ausgezeichnete Laune zu haben, zumindest im Vergleich zu den letzten Wochen, und Buffy fragte sich, was wohl diese ausgezeichnete Laune bewirkt hatte.

Verlegenes Schweigen breitete sich aus.

„Wusste ich’s doch! Also, habt ihr die Decken? Gut. Sonnenschutz? Gut. Essensrationen? Hüte? Kopftücher?“

Alle nickten.

„Dann können wir ja los.“ Max wandte sich zur Tür. „Wir machen es heute richtig ökologisch, das heißt, keine Motoren, kein Benzin, keine sonstigen Maschinen. Nur reine geballte menschliche, genauer gesagt weibliche Arbeitskraft.“

Worauf habe ich mich da eingelassen, fragte sich Buffy, die ihre ältesten mittlerweile zu Shorts umgewandelten Jeans trug, ein ausgeleiertes T-Shirt, das sie fast schon weggeschmissen hätte und ein... Kopftuch! Und sie hatte im Augenblick absolut keine Lust, auf die Felder zu gehen.

„Sag mal, sieht es nicht nach schlechtem Wetter aus?“ wandte sie sich hilfeheischend an Andromeda.

„Nee, Buffy.“ Andromeda musste lachen, denn Buffy suchte wohl einen Grund, um sich vor den Erbsenfelder zu drücken. „Gestern war der Himmel am Horizont graurosa, und das ist ein sicheres Zeichen für eine langfristige Schönwetterperiode. Alte Farmerweisheit. Außerdem müssen die Erbsen gepflückt werden, egal ob es regnet oder stürmt.“

Dann gibt es also kein Entrinnen, dachte Buffy und fügte sich in ihr Schicksal.

Vor dem Herrenhaus stand ein Leiterwagen, und vor ihn waren zwei gewaltig breite Ackergäule gespannt. So dicke Hintern hatte Buffy selten gesehen. Außer vielleicht bei der Wirtin Maryann in Campodias einziger Kneipe.

Unter großen Gejohle kletterten die Frauen mehr oder weniger umständlich auf das hölzerne Gefährt, steckten ihre Beine durch die Holzstangen an der Seite des Leiterwagens und ließen sie hinunterbaumeln.

„Ich muss schon einen Sonnenstich haben, dass ich das mitmache, dachte Buffy. Gott sei Dank lag die Wohnung nach hinten raus, und Spike konnte sie nicht sehen.

Unter weiterem Gekicher ging die Fahrt dann los. Andromeda saß vorne neben Max auf dem Wagen. Sie trug eine weite bequeme Hose, aber kein Kopftuch, sondern hatte einen Strohhut aufgesetzt, der ihr ausgezeichnet stand.

Die kann tragen, was immer sie will, es sieht fantastisch aus, dachte Buffy neidisch.

Max schien das auch zu finden, denn er hatte wieder diesen Blick, den er nur bekam, wenn Andromeda in der Nähe war.

Nach einer halbstündigen vergnügten Fahrt hatten sie die sagenumwobenen Erbsenfelder erreicht.

Sie kamen Buffy verdammt groß vor.

Am Abend vorher hatten die Männer mit Macheten die Erbsenpflanzen zur Strecke gebracht, und sie hatten sich anscheinend ganz schön ausgetobt. Spike hatte nicht dabei mitgemacht, sondern eine Partie Billard mit Archie gespielt.

Das riesige Erbsenfeld war durch niedrige und nicht ganz so niedrige Hecken in unregelmäßige Quadrate unterteilt.

„Das hat Max angeordnet. Max sagt, man braucht Vögel, die irgendwo nisten können. Und Max sagt, er braucht Vögel, um das Ungeziefer in Schach zu halten. Denn es gibt natürlich Ungeziefer, wenn man die Felder nicht mit Herbiziden und Pestiziden besprüht. Außerdem befestigen die Hecken den Boden, und er wird nicht durch Wind und Regen weggespült.“

„Das leuchtet mir ein.“ Buffy musste in sich hineinlächeln über Andromedas Eifer, ihr Max‘ Ansichten zu erklären. Die Kleine schien sich wirklich für seine ökologischen Maßnahmen zu interessieren.

Mehrere ältere, aber auch einige jüngere Frauen aus dem Dorf knieten schon auf dicken Decken in einer Reihe und pflückten die Erbsenschoten von den abgeschnittenen Erbsenpflanzen ab, die wie ein Teppich über das Feld verstreut lagen. Jede von ihnen hatte einen Jutesack neben sich, von denen einige schon halb voll waren.

Wann sind die denn aufgestanden, fragte sich Buffy verwundert.

„Okay, nehmt eure Plätze ein.“ Max war immer noch gutgelaunt. „Ich werde dann mal zurückfahren. Ich komme mittags vorbei, um die ersten wieder mitzunehmen.“

„Du bleibst nicht hier?“ fragte Buffy enttäuscht.

Auch die anderen Frauen machten lange Gesichter. Mit Max wäre das Erbsenpflücken um einiges erotischer gewesen, denn jede von ihnen hatte schon einmal davon geträumt, wie es wohl mit ihm wäre...

„Bin ich verrückt?“ grinste Max. „Ich leg mich jetzt erst mal wieder ins Bett. Es ist nämlich noch verdammt früh.“ Er bestieg wieder den Leiterwagen und dirigierte die riesigen Ackergäule in einem Kreis wieder zurück, winkte den Frauen noch einmal zu und verschwand dann langsam hinter der nächsten Biegung des Feldwegs.

„Der Bastard!“ sagte Andromeda. „Kann sich noch mal ins Bett legen.“

Nach zehn Minuten eifrigen Pflückens taten Buffy die Knie und sonst noch einiges weh.

„Ignoriere den Schmerz“, wurde sie von Andromeda ermahnt.

„Du hast gut reden. Ich glaube, meine Kniescheibe ist bald durch“, maulte Buffy und versuchte, ein wenig hin und herzurutschen, um den Druck zu vermindern.

„Das geht schon vorbei“, sagte Andromeda tröstend. Das Mädel hatte anscheinend schon Erfahrung in dieser Beziehung.

Ein paar Minuten arbeiteten sie schweigend nebeneinander.

„Wieso hat diese Frau Wiggam eigentlich eben so dämlich gekichert?“ fragte Andromeda nach einer Weile. Nach einer Weile, in der es Buffy klar geworden war, dass Andromedas Jutesack jetzt schon gefüllter aussah als ihrer, Buffys Jutesack.

„Diese Frau denkt immer an schlechte Sachen“, sagte sie schließlich zu Andromeda. „Auch wenn gar nichts Schlechtes gesagt wurde.“

„Überhaupt, was für ein Name! Lola!“ Andromeda biss sich am Thema ‚Wiggam’ fest.

„Die macht jedem schöne Augen“, berichtete Buffy. „Zu Spike kommt sie auch immer mit so fadenscheinigen Sachen, nur um ihn anzumachen. Hach, mein Kühlschrank lässt sich nicht öffnen, oder: Hach, ich krieg das Fenster nicht zu. Hach, mein Wellensittich muss entwurmt werden. Warum fragt sie nicht ihren eigenen Mann?“

Bei Spikes Erwähnung schaute Andromeda ein wenig traurig, aber dann fing sie an zu lachen. „Was für eine Schlampe! Außerdem finde ich sie“, Andromeda blickte über die Schulter hinüber zu den beiden anderen Frauen, aber die waren Gottseidank außer Hörweite, „nicht gerade hübsch. Dieses abgezehrte Gesicht und diese dürre Figur!“

Sie kommt drüber hinweg, dachte Buffy. Nein, sie ist schon fast drüber hinweg.

„Männer haben manchmal einen komischen Geschmack.“ sagte sie.

„Ich glaube, mit meinem Vater hat sie auch irgendwas“, deutete Andromeda an.

„Wirklich?“ Buffy war erstaunt. Archie tat so etwas? Das konnte sie sich überhaupt nicht vorstellen. Ihr gegenüber verhielt er sich immer wie der perfekte Gentleman. Er war väterlich und fürsorglich und einfühlsam.

Wieder arbeiteten sie eine Weile schweigend vor sich hin.

„Andy, sag mal, bist du eigentlich noch ääääh... Jungfrau?“ Buffy hätte sich die Zunge abbeißen können wegen dieser vorwitzigen Frage, aber sie war wirklich neugierig, und Andromeda schien ihr diese Frage nicht übel zu nehmen.

„Ich bin zwar noch Jungfrau“, erzählte Andromeda ziemlich locker, „aber nicht so richtig, wenn du weißt, was ich meine...“

Buffy nickte, sie hatte eine ungefähre Vorstellung von dem, was Andromeda meinte.

„Jedenfalls habe ich schon mit Jungs rumgefummelt, aber wirklich passiert ist es nicht...“

„Muss ja auch nicht sein“ ,meinte Buffy nachdenklich.

„Aber manchmal denke ich, ich bin nicht richtig normal.“

„So’n Quatsch“, sagte Buffy entrüstet, überlegte eine Weile und sagte dann: „Vielleicht wartest du auf den Richtigen. Aber auch, wenn der Richtige oder was man für den Richtigen hält, kommt, kann es in die Hose gehen.“ Buffy schwieg einen Augenblick. „Bei mir war es eine Katastrophe.“

„Die Sache?“ fragte Andromeda neugierig.

„Nein, nicht die Sache selbst, das war wunderbar, aber danach...“ Buffy seufzte auf.

„Was war denn danach?“

„Danach hat er sich verwandelt. Alles was vorher gut in ihm war, wurde böse...“

„Spike hat’s mir erzählt.“

„Ich denke, wir waren von Anfang an verflucht.“ Wieder seufzte Buffy, aber es hörte sich diesmal nicht mehr so traurig an. „Spike hat mich irgendwann, das war Jahre später, diese Sache überwinden lassen. Seltsam... Wir waren immer Todfeinde. Früher jedenfalls.“

„Ich weiß nicht, ob ich auf den Richtigen warte“, sagte Andromeda nach einer längeren Pause. „Ich weiß nur, dass ich ein bestimmtes Bild im Kopf habe, dass ich am Anfang wirklich geil bin und dass ich dann auf einmal, wenn es ernst wird, nicht mehr geil bin, weil das Bild nicht mehr stimmt, und dann kann ich es nicht mehr ertragen, nicht mehr weitergehen... Ist schon seltsam!“ Andromeda machte ein ratloses Gesicht. „Jedenfalls halten die Jungs mich bestimmt für eine verklemmte Zicke.“

„Mach dir nichts draus, was die Jungs von dir halten“, sagte Buffy und fügte aufmunternd hinzu: „Irgendwann wird das Bild schon stimmen.“

Als sie um neun Uhr endlich die große Frühstückpause machten, meinte Buffy, noch nie so einen Hunger verspürt zu haben wie in diesem Augenblick. Die mitgebrachten Brote waren fantastisch, sie waren mit der dorftypischen hausgemachten Dosenwurst belegt, es gab Äpfel und Pflaumen dazu, Kaffee und Tee aus den Thermoskannen und sogar Malzkaffee war dabei. Sie saßen auf ihren Decken und aßen, als ob sie tagelang nichts zu essen bekommen hatten. Und dabei war es doch gerade mal neun Uhr.

Als es dann mit der Arbeit weiterging, war Buffy leicht sauer, weil jede der Frauen inklusive des reichen Töchterleins Andromeda‚ Erbin eines wahrscheinlich riesigen Vermögens, mehr Erbsen in ihren Sack gepflückt hatte als sie, Buffy die Jägerin.

Sie sah, dass eine der Frauen aus dem Dorf ihren vollen Sack zu dem gerade eingetroffenen Leiterwagen brachte, ihn wiegen ließ und eine Quittung erhielt – und überlegte doch allen Ernstes, ob sie vielleicht ein paar kleinere oder größere Steine in ihren eigenen Sack packen sollte, um das Gewicht zu erhöhen.

Schäm dich, Buffy, ermahnte sie sich selbst. Du solltest an so etwas nicht mal denken! Und sie legte natürlich keine Steine in ihren Sack. Sie war die schlechteste Pflückerin in diesem Erbsenfeld. Dafür hatte sie andere Qualitäten. Aber was für welche?

Also begann sie, Andromeda von ihren Heldentaten zu erzählen, die sie als Jägerin vollbracht hatte, und das junge Mädchen schaute sie bewundernd an.

„Ich glaube, hier gibt es keine Dämonen, jedenfalls habe ich noch nie einen hier gesehen“, sagte Andromeda schließlich resignierend.

„Dämonen sind überall.“ meinte Buffy aufmunternd.

Damit hatte Buffy, wenn auch unbewusst recht. Es gab in Campodia zeitweise einen nicht zu unterschätzenden Dämon, den allerdings noch keiner als Dämon entlarvt hatte.

Um die Mittagszeit – Max erschien übrigens nicht – hatte Buffy die Nase voll. Sie hatte tatsächlich mit Ach und Krach zwei Säcke mit Erbsen vollgepflückt und hievte sie an den Leiterwagen, wo sie von einem grinsenden Helfer in Empfang genommen wurden. Die Säcke wurden gewogen, und Buffy erhielt zwei Zettel, auf denen jeweils die Gewichte der Säcke standen.

„Können wir mitfahren?“ fragte sie den Helfer. Sie drehte sich zu Andromeda um. „Was meinst du, Andy? Oder willst du etwa noch weitermachen?“

Andy schüttelte den Kopf. Sie kletterten auf den Leiterwagen, und Buffy fühlte sich so angenehm erschöpft wie noch nie. Alle Knochen taten ihr weh, aber das leichte Rumpeln des Leiterwagens passte irgendwie zu ihren Schmerzen. Ihr Gesicht, vor allem ihre Nase hatte ein bisschen viel Sonne abbekommen, aber auch das war ein angenehmes Gefühl.

„Weißt du eigentlich, dass du in einem Paradies lebst?“ fragte Buffy schließlich. „Und ich möchte eigentlich gar nicht weg von hier.“

„Paradies? ... Nein das ist es nicht“, sagte Andromeda nach einer Weile nachdenklich. „Du musst bedenken, dass das Gut ein richtiges Hotel ist. Es zeigt nicht das normale Leben auf dem Land. Wir betreiben nur Landwirtschaft und außer der Pferdezucht machen wir kaum was mit Tieren. Okay, die Schweine, die sind für den Eigenbedarf, aber die haben ein ganz gutes Leben, solange sie leben jedenfalls...“ Wieder machte Andromeda eine Pause. „Massenviehzucht machen die anderen, und das ist die Wirklichkeit. Lass dich nicht täuschen. Das Gut ist eine Illusion und dürfte es in dieser Form gar nicht geben. Aber Dad liebt es nun mal und will es so erhalten.“

„Schade, dass es nicht überall auf dem Lande so ist.“ meinte Buffy enttäuscht.

„Es gibt viel Elend hier, wovon die Touristen auf den ersten Blick nichts sehen. Wenn ich nur an die Katzen denke...“

„Was ist denn mit den Katzen?“

„Es gibt zu viele davon. Sie werden nicht rechtzeitig sterilisiert und vermehren sich dann unkontrolliert. Man findet die Kleinen nach zwei Monaten irgendwo auf dem Heuboden, und dann geht einer hin, steckt sie in einen Sack und ersäuft sie im Teich. Das ist schrecklich, nicht wahr?“

„Das ist grausam.“ Buffy war entsetzt und fühlte sich urplötzlich aus ihrem Traum vom Landleben gerissen. „Gibt es denn keine anderen Möglichkeiten?“

„Ich versuche, sie in den Ställen der Farmer aufzustöbern und sie zum Tierarzt zu bringen, bevor sie wieder trächtig sind, aber es fast immer zu spät. Dafür arbeite ich, weißt du, ich pflege die Pferde, ich reite sie und so weiter, aber fast alles, was ich damit verdiene, geht für den Tierarzt drauf.“

„Das wusste ich gar nicht.“ Buffy war erstaunt über Andromedas Bereitschaft, sich so hingebungsvoll für die Landkatzen einzusetzen. Das Mädchen hatte es wirklich drauf, gut zu sein. Und gegen Dämonen zu kämpfen war ja ganz nett, aber es hatte Buffy andererseits auch großen Spaß gemacht, und sie bezweifelte, dass es Andromeda Spaß machte, sich mit diesem Katzenelend auseinander zu setzen.

„Onkel Herbie, der nebenbei auch auf die Jagd geht, hat schon mal ein paar kleine Kätzchen erschossen. Statt sie zu ersäufen. Kannst du dir das vorstellen? Aber er hat gesagt, so ein Gemetzel würde er nicht noch einmal veranstalten.“

„Oh Gott!“

„Jetzt bringen Max und Dad die Kleinen zum Tierarzt in New Brunswick und lassen sie da einschläfern. Es ist traurig, aber es ist die einzige Möglichkeit. Wenn wir sie hier lassen, würden es immer mehr werden, die sich mit Krankheiten wie Katzenschnupfen gegenseitig anstecken. Und sie sehen so mickrig aus und haben Geschwüre an den Augen, und sie vermehren sich trotzdem. Ach es ist schlimm“, schloss Andromeda verzweifelt.

Buffy schwieg den Rest des Weges betroffen. Also doch kein Paradies.

Als sie mit dem Leiterwagen langsam in den Gutshof einfuhren, spürte Buffy instinktiv eine Veränderung am und im Hof.

Ein LKW mit Kühlvorrichtung stand mitten auf dem Hof. Er sollte wohl die Erbsen in irgendeine Fabrik bringen.

Aber das war nicht der Grund für die Veränderung, die Buffy spürte.

Ein rotes Mercedes-Cabriolet stand auf dem Parkplatz vor dem Haus, und eine elegant gekleidete Frau mit kurzgeschnittenem schwarzen Haar schritt gerade aus dem Haus. Hinter ihr standen Archie und ferner Spike mit Gwydion auf dem Arm und Morgan, die sich an Spikes Beine klammerte.

Zirza, die Herrin des Hauses, die fast nie anwesende Herrin des Hauses, hatte sich die Ehre gegeben und war aus dem 450 Meilen entfernten San Francisco angereist.

 

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KAPITEL VI Teil 2

 

Buffy kam sich total bescheuert vor mit ihrer schmutzigen abgeschnittenen Jeans, ihrem dämlichen Kopftuch, das sie blöderweise noch auf dem Kopf hatte und mit ihrer wahrscheinlich geröteten Nase, sie wusste zwar nicht, ob die Nase wirklich gerötet war, aber sie brannte etwas, und das war kein gutes Zeichen.

„Hallo Zirza“, sagte Andromeda recht kühl. Das Verhältnis zwischen ihr und ihrer Stiefmutter war genauso unterkühlt wie ihre Stimme. Sie hatten sich noch nie sehr nahe gestanden. Zirza war nie der mütterliche Typ gewesen, der knuffige Kleinkinder, egal wie entzückend süß und niedlich sie aussahen, geherzt und verhätschelt hatte...

Mit der fast erwachsenen Andromeda schien Zirza allerdings ganz gut klarzukommen...

„Ich habe dir ein paar Sachen mitgebracht“, sagte sie lächelnd zu ihrer Stieftochter. „Ich glaube, sie werden dir ganz fantastisch stehen.

Andromeda nickte geschmeichelt. In Campodia konnte man überhaupt keine Klamotten kaufen, und in New Brunswick war die Auswahl auch recht bescheiden, deswegen war sie froh, wenn Zirza ihr ab und zu ein paar Sachen aus einer ihrer Boutiquen mitbrachte. Mit diesen Sachen war sie dann wirklich die Königin von Campodia, und die Jungen, die Andromeda normalerweise nicht beachteten, weil sie eine von ihnen war, konnten sich einreden, sie wäre eine Touristin aus San Francisco... Eine Touristin aus der Fremde, wo die Mädels viel reizvoller waren als hier. Und man konnte über Zirza sagen was man wollte, aber die Frau hatte einen verdammt guten Geschmack....

Zirza war mittelgroß, sehr schlank, und sie trug ihr schwarzes Haar so kurz geschnitten, dass ihr kindlicher Kopf förmlich zum Darüberstreicheln einlud.

Diese Frisur war wirklich raffiniert, dachte Buffy. Automatisch fiel ihr dazu ‚Kindchenschema’ ein. War das Wort richtig? Buffy neigte dazu, ihrer Schwester nie richtig zuzuhören. Männer und natürlich auch Frauen wollten einen solch hilflos und süß wirkenden Kopf und die dazugehörende kindliche Stirn instinktiv schützen. Das wusste Buffy von Dawn, die sich dazu entschlossen hatte, Psychologie zu studieren, denn Psychologie passte so gut zu Zauberei.

Zirza trug zu ihrer kindlichen Frisur ein naturfarbenes Kostüm aus weicher Rohseide. Es sah schweinisch teuer aus und schmiegte sich mit Perfektion an ihre schlanken Glieder. Sie trug hochhackige Schuhe und sah aus wie einem Hollywoodfilm entstiegen, so wie Doris Day, aber viel hübscher und mit schwarzen Haaren. Ihre Augen waren tiefschwarz – Buffy hatte solche Augen noch nie gesehen – und ihr Mund, der üppig aber nicht zu üppig war, war korallenrot geschminkt.

Buffy bekam auf der Stelle Minderwertigkeitskomplexe, nicht nur wegen ihrer augenblicklichen desolaten Erscheinung, nein sogar in ihrem normalen Outfit hätte sie Minderwertigkeitskomplexe bekommen.

Zirza war auch sehr nett zu Buffy.

„Und Sie müssen Buffy sein“, sagte sie freundlich und fügte bedauernd hinzu: „Sie waren bestimmt auf diesen grauenhaften Erbsenfeldern.“

„Oh ja! Es war schrecklich.“ Buffy überlegte angestrengt eine kleine Weile und sagte dann unentschlossen: „Nein eigentlich war es schön. Ach ich weiß nicht...“ Sie verstummte und schaute Spike an, der sie angrinste und mit dem Zeigefinger erst auf seine und dann auf ihre Nase deutete. Oh Gott! Sie verstand. Sie hatte wirklich einen Sonnenbrand auf ihrer Nase.

Buffy schaute auch Morgan an, die gelangweilt in die Luft guckte, dann auf Zirza schaute, ein wenig dumm guckte und dann wieder in die Luft schaute. Morgan empfing nämlich gar nichts von dieser Frau, als ob diese Frau überhaupt nicht denken würde. Oder ihre Gedanken waren völlig schwarz und somit undurchschaubar, und das war... langweilig.

Buffy trat an Spike heran, nahm ihm Gwydion stillschweigend ab und näherte sich mit Gwydion der Dame des Hauses. Irgendwie wollte sie Zirza beeindrucken, und Gwydion schien das geeignete Objekt dafür zu sein. Verzeih mir, little Buddha, dachte sie, aber ich wette, so etwas wie dich hat sie nicht.

Aus den Augenwinkeln sah Buffy, wie Tante Bernadette und Tante Mansell miteinander tuschelten und Zirza von der Seite her verstohlen anschauten. Die beiden waren wohl nicht gerade begeistert über die Ankunft der Herrin des Hauses. Konnte man verstehen, dachte Buffy, denn bisher waren die beiden Tanten die Chefs im Herrenhaus gewesen, und das würde sich jetzt wohl ändern.

Seltsamerweise trat Zirza einen kleinen Schritt zurück, als Buffy ihr mit Gwydion auf dem Arm näher kam. Normalerweise gingen die Leute auf Gwydion zu.

„Das ist ein netter kleiner Bursche“, meinte Zirza schließlich zögernd.

Buffy bemerkte eine gewisse Verwirrung auf Zirzas Gesicht und wunderte sich darüber. Verwirrung war vielleicht nicht das richtige Wort. Vielleicht war es Fassungslosigkeit. Oder Ungläubigkeit. Ja, Gwydion hatte schon eine seltsame Wirkung auf Leute.

„Ich hatte auch einmal ein Kind. Vor langer Zeit. Es ist gestorben“, sagte Zirza leise und wie um Entschuldigung bittend zu Buffy.

„Oh Gott, das wollte ich nicht“, sagte Buffy. Wie hatte sie das nur tun können, eine Frau, die ihr Kind verloren hatte, mit ihrem eigenen beeindrucken zu wollen.

„Es ist schon gut“, sagte Zirza. „Sie wussten ja nichts davon.“ Sie bekam wieder ihr beherrschtes schönes Gesicht und lächelte Buffy an.

„Ich muss jetzt unbedingt duschen“, sagte Buffy schließlich verlegen.

„Wir sehen uns dann später“, meinte Zirza freundlich.

„Gern“, sagte Buffy aufatmend. Man hatte ihr also diese peinliche Sache nicht übelgenommen.

„Ich komm gleich nach“, sagte Spike, der nur die letzten Sätze von diesem Gespräch mitbekommen hatte, nahm Buffy Gwydion ab, nahm Morgan an die Hand und ging über den Hof in Richtung Verwalterhäuschen.

Er hatte sich doch wirklich mit Max angefreundet, denn Max hatte endlich mitbekommen – oder Andromeda hatte es ihm erzählt – dass Spike nicht der Lüstling war, der die unschuldige Andy aufs Kreuz legen würde, sondern dass Spike erstens mit Buffy verheiratet war, zwar nur proforma, aber verheiratet, zweitens dass Spike ein Exvampir war, was immer das heißen mochte, und dass drittens Andromedas Leidenschaft für Spike stark im Abklingen war.

Spike mochte den schweigsamen Verwalter. Spike mochte eigentlich alle Leute, die ein dunkles Geheimnis hatte, denn dass Max irgendein ein dunkles Geheimnis hatte, das war Spike sonnenklar. Dem Himmel sei Dank war Max absolut nicht neugierig darauf, etwas über Spikes dunkle Geheimnisse zu erfahren.

Sie hatten einiges gemeinsam, sie mochten die gleiche Musik. Und Max spielte auch Gitarre, nicht besonders gut, wie er sagte, aber er verstand Spikes Neigung zu Django Reinhardt. „Spielst du zufällig Geige?“ hatte Spike ihn als erstes gefragt, und Max hatte das lachend verneint. Er wusste sofort, dass Spike einen wie Stéphane Grappelli suchte, den Jazzgeiger, der in Django Reinhardts Band mitgespielt hatte.

„Oder Kontrabass vielleicht?“ hatte Spike weitergefragt.

„Siehst du hier einen rumstehen? Nein, was? Aber zur Not spiele ich Rhythmusgitarre, allerdings nicht besonders gut.“

Mit dieser Antwort gab sich Spike zufrieden, denn Django hatte in seiner Band zwei Rhythmusgitarristen gehabt, die quasi das Schlagzeug ersetzten. War schon eine seltsame Kombination. Konzertgitarre, zwei Rhythmusgitarren, ein Bass und eine Geige.

Und nicht nur musikmäßig teilten sie den gleichen Geschmack, sondern auch bei Autos. Wenn auch nur bei Sportwagen. Max fand es nämlich nicht so gut, dass Spike diesen spritschluckenden Van fuhr, und Spike entschuldigte sich damit, dass der Sprit in den Staaten so sagenhaft billig war, hatte aber dennoch ein schlechtes Gewissen und versprach Max, sich demnächst ein etwas sparsameres Modell zuzulegen.

Und Max hatte Spike endlich den legendären Lister-Jaguar gezeigt, an dem er manchmal an den Wochenenden herumschraubte, und die beiden, Max und Spike hatten ihre gemeinsame Leidenschaft für die mittlerweile schon antiken Rennwagen aus den 60er Jahren entdeckt. Wobei der Lister-Jaguar in seiner geilen Erscheinung eines von Spikes Lieblingsautos war. Spike konnte nun endlich zugeben, dass er auf der Rennstrecke in Silverstone an einem regnerischen Tage (in Silverstone gab es fast nur regnerische Tage, jedenfalls vor vierzig Jahren) einen Lister-Jaguar ein Rennen hatte fahren sehen. Dass er ein paar Stunden später den Besitzer des Jaguars getötet hatte, um in den Besitz dieser geilen Maschine zu kommen, erwähnte er vorsorglich nicht vor Max. Max schien zwar sehr verständnisvoll in Bezug auf die Missetaten anderer zu sein, aber Spike wollte ihn nicht gleich mit schockierenden Details entsetzten und möglicherweise vergraulen.

Bei Buffy war das was anderes. Buffy schockierte er gern mit schockierenden Details. Buffy war schließlich mit einem Exvampir verheiratet und musste das aushalten können...

Morgan liebte Max. Von ihm gingen zwar traurige Bilder aus, die manchmal mit einem Baby im Wald zu tun hatten, und des öfteren tauchte auch ein furchtbar aussehendes Ding in seinen Gedanken auf, aber Max war nicht böse, das fühlte Morgan, und sie hatte ihn fast so lieb wie ihren Daddy.

Natürlich ahnte Max nichts von Morgans seltsamen telepathischen Fähigkeiten, die sich allerdings nur auf bildliche Gedanken erstreckten, denn Andy hatte ihm nichts darüber erzählt, weil auch sie nichts genaues über die Fähigkeiten der Kinder wusste. Spike hatte ihr die Einzelheiten über die Fähigkeiten der Kinder verschwiegen.

„Zirza ist seltsam“, meinte Spike zu Max.

Max verschloss sich sofort, und Spike erkannte, dass das Thema Zirza ein TABU-Thema war, das er besser nicht anfassen sollte.

„Lass dich nicht mit ihr ein“, sagte Max schließlich. „Sie ist wie die Medusa, wenn du sie anschaust, dann vernichtet sie dich.“

„Gut zu wissen“, sagte Spike verwundert. Normalerweise warnte Morgan ihn immer vor wirklich ‚bösen’ Leuten, aber Morgan schien keine ‚bösen’ Bilder in Zirza gespürt zu haben. Dennoch entschloss sich Spike, Max’ Warnung ernst zu nehmen.

„Archie hat gesagt, entweder man verabscheut sie oder man verfällt ihr“, sagte er. „Gut, sie ist attraktiv und hat wahrscheinlich einen Hang zu irgendwelchen perversen Sachen, früher als Vampir wäre ich wohl voll auf sie abgefahren... Aber ich weiß nicht... Jetzt bewirkt sie bei mir gar nichts mehr, eigentlich ist sie mir scheißegal.“

„Und das ist gut so. Außerdem ist sie lange nicht mehr so attraktiv wie früher. Du hättest sie mal mit zwanzig sehen sollen.“

„Diese Augen sind ja auch faszinierend“, gab Spike zu und bezog sich auf Zirzas tiefschwarze Alienaugen, die so wunderbar mit ihrem korallenrotgeschminkten Mund harmonierten.

„Findest du?“

„Nicht wirklich“, Spike musste grinsen. „Ich denke, ich kümmere mich jetzt mal ein bisschen um Buffy. Ich glaube, das Erbsenpflücken ist ihr nicht gut bekommen.“

„Ich wette, morgen tun ihr Knochen weh, von denen sie keine Ahnung hat, dass sie sie überhaupt besitzt.“ Max lachte.

Spike lachte auch. „Dann muss ich das arme Buffylein wohl ein bisschen pflegen.“

Der Gedanke, das arme Buffylein ein wenig pflegen zu müssen, schien auf einmal ziemlich verlockend zu sein, und er verabschiedete sich von Max mit den Worten: „Spielen wir heute Abend eine Partie Billard?“

„Klar, warum nicht“, sagte Max. „Ich hoffe nur, Zirza ist nicht da.“ Die Abneigung in seiner Stimme war kaum zu überhören.

„Mass!“ flüsterte Morgan mit zärtlicher Stimme und schlang ihre Ärmchen um Max’ Knie.

„Ich glaube, sie will bei dir bleiben“, sagte Spike verwundert, denn es geschah nicht oft, dass Morgan ihre Liebe für jemanden entdeckte.

„Lass sie ruhig hier. Ich muss nur kurz beim Erbsen-LKW vorbeischauen und kontrollieren, ob sie alles aufgeladen haben. „Und danach gehen wir zu Kalybos und den Fohlen, ist das okay, Morgan?“ Max konnte anscheinend gut mit kleinen Kindern, denn Morgan führte wie eine winzig kleine Ballerina einen Freudentanz auf.

 

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Als Spike mit Gwydion in der kleinen Wohnung ankam, saß Buffy schon frisch geduscht mit nassen Haaren, ferner mit bequemen Klamotten versehen und das brennende Gesicht eingesalbt, auf dem Sofa.

Er legte Gwydion in seinen Sportwagen.

„Wo warst du?“ fragte Buffy und rieb ihre nackten Beine – sie trug nur Shorts – mit einer Aftersun-Lotion ein, denn außer ihrer Nase hatten auch ihre Beine etwas zuviel Sonne abbekommen, was sie aber erst nach dem Duschen festgestellt hatte.

„Bei Max“, sagte Spike und betrachtete sie fasziniert. Sie war wirklich sehr hübsch, und ihre Beine waren auch sehr hübsch. Ihre Nase war auch sehr hübsch, obwohl sie knallrot war. Trotz ihres Sonnenbrands oder vielleicht gerade deswegen strahlte sie eine Frische aus, die ihn verdammt anmachte.

„Mein Rücken tut mir immer noch weh“, klagte Buffy und rieb sich ihren Nacken.

Spike trat von hinten an sie heran, legte seine Hände auf ihren Hals und fing vorsichtig an, ganz zart ihre Nackenmuskulatur zu kneten, unmerklich zu kneten, so dass es Buffy gar nicht weh tat, sondern im Gegenteil...

Sie spürte seine kühlen Hände – Spike hatte eine permanente Untertemperatur von 34° Celsius – und ließ sich fallen in einen Strudel der Erwartung.

...Der natürlich nicht so endete, wie sie es erwartet hatte. Nach einer Weile des aufreizenden zarten Massierens hörte er plötzlich auf damit, setzte sich neben sie und fragte: „Was hältst du von ihr?“

„Sie ist nett“, sagte Buffy, die sofort wusste, wen er meinte, ohne zu zögern. Zirza hatte sie nicht bloßgestellt trotz ihres ziemlich lädierten Aussehens nach einem Morgen in den Erbsenfeldern, und das musste reichen, um sie nett zu finden. Außerdem war sie, Buffy, diejenige gewesen, die sich unmöglich benommen hatte. Sie konnte von Glück sagen, dass Zirza nicht weiter böse auf sie war.

„Ich finde, sie stinkt“, sagte Spike nach einer Weile.

„Waasss?“

„Sie stinkt nach einem Parfüm, das ich noch nie ausstehen konnte. Ich weiß nicht, wie Millionen von Männern es bei diesen Frauen geschafft haben, einen hochzukriegen bei diesem Gestank.“

Buffy fühlt sich irgendwie berührt bei dem Worten ‚hochzukriegen’. Oh ja, es brachte sie richtig in Stimmung, dieses Wort.

„Ich habe nichts gerochen.“

„Dieses Parfüm, es riecht wie frischer Fisch, nein nicht so stinkig wie Seefisch, es ist ein Süßwasserfisch, Vielleicht ist es eine Forelle oder ein Karpfen, aber es ist, verdammt noch mal ein stinkiger Fisch.“

„Ich habe wirklich nichts gerochen.“

„Ich schon. Ich bin allergisch auf diesen Geruch. Und ich verstehe nicht, wie manche Männer es ertragen können mit diesem Gestank. Oder die Frauen selber. Die können noch nicht mal weglaufen vor ihrem eigenen Gestank.“

„Du bist vielleicht zu empfindlich. Vielleicht hast du immer noch die gute Nase von früher. Ich meine, du weißt schon...“ Buffy ließ den Satz in der Luft hängen.

„Das ist es nicht! Dieses Parfüm grenzt an Körperverletzung. Weißt du eigentlich, dass ich in den neunziger Jahren viele Frauen nicht getötet habe, weil sie dieses Parfüm aufgelegt hatten?“

„Nein, das weiß ich nicht, und ich will es auch nicht wissen!!!“

„Aber es ist wahr. Wer dieses Parfüm erfunden hat, könnte sich damit rühmen, viele Menschenleben gerettet zu haben. Vielleicht sollten sie damit werben. Vielleicht eine Aufschrift machen, so in der Art wie:Dieses Parfüm rettet Leben.“Spike lachte.

„Du spinnst.“ Buffy fand das überhaupt nicht lustig. Jetzt fing er schon wieder an, von seinem Vampirdasein zu erzählen. Hatte er irgendwie eine masochistische Ader oder was?

„Nein nein, da gab es noch ein anderes Parfüm, das war noch ein bisschen früher, es roch nach Verwesung, weißt du, nach... süßlich ekelhafter Verwesung, es roch, und das ist nicht übertrieben, verdammt noch mal wie eine tote Maus.“

„Spike ich bitte dich!“

„Tote-Maus-Parfüm! Manchmal glaube ich, die Menschen sind wirklich übergeschnappt. Wie kann man sich so einen Mist auflegen? Aber vielleicht können sie alle nicht mehr richtig riechen, diese Schnupfengeschädigten. Diese Glücklichen, die alle nicht mehr richtig riechen können. Aber ich kann noch richtig riechen. Ja leider. Also, wie gesagt, ich hätte eine Frau mit diesem Parfüm, sei es der Süßwasserfisch oder die tote Maus, nicht über die Zähne gebracht.“

„Du sollst aufhören, davon zu sprechen.“

„Warum sollte ich nicht davon sprechen? Ich war nun mal ein Vampir. Und ich stand auf Frischkost und nicht auf Aas oder gar auf Fisch, nicht auf diese widerlichen Gerüche, die die Parfümindustrie aus mir unbekannten Gründen bevorzugt.“ Spike schaute Buffy giftig an. „Warum kannst du nicht akzeptieren, dass ich ein Vampir war?“

„Ich kann es schon akzeptieren, aber du musst mir nicht immer irgendwelche Details erzählen. Das ist wirklich ekelhaft.“

Spike war sauer. „Gerade die Details, die machen es aus!“ Mit diesen Worten ging er in sein Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu.

Buffy guckte ihm verständnislos nach. Warum musste er sie immer wieder daran erinnern? Konnte er die Vergangenheit nicht endlich ruhen lassen? Es wäre soviel bequemer für sie beide, ganz neu anzufangen. Allerdings spürte Buffy bei diesen Gedanken, dass das ein wenig zu einfach wäre.

Wenig später hörte sie Gitarrengeklimper aus seinem Zimmer.

Spike übte viel auf seiner Gitarre, egal ob sie in ihrer Wohnung waren oder draußen im Garten.

Buffy sagte seine Musik nicht viel. Manchmal kamen ihr einige Sachen vage bekannt vor, dann aber wurde die Melodie von Spike verfälscht, glitt in etwas anderes hinüber, glitt in etwas schräges, etwas disharmonisches hinüber, und Buffy musste den Kopf schütteln. Sie konnte keinen Sinn in diesen Übungen sehen, abgesehen von den Fortschritten, die Spike anscheinend machte. Er spielte das, was er wohl spielen wollte, mühelos und leicht.

Nur konnte Buffy leider nicht viel damit anfangen. Warum spielte er nicht mal Sachen, die sie kannte, Sachen mit Melodien, aber nein, er musste ja diese versetzten kleinen seltsamen Stücke spielen, die sich anhörten, als wären sie aus dem ursprünglichen Zusammenhang herausgerissen.

Egal. Irgendwie freute sie sich auf den Abend.

Zirza war bestimmt eine interessante Frau, auch wenn Spike sie aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen nicht riechen konnte.

 

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KAPITEL VI Teil 3

 

Nachdem Buffy ins Haus gegangen war lächelte Zirza, sie nahm einen kleinen Gegenstand aus ihrer Handtasche und schaltete ihn aus.

Sie durfte die Batterien nicht vergeuden. Sie hatte zwar genug Ersatzbatterien dabei, aber wenn sie wider Erwarten aus irgendwelchen Gründen zur Neige gehen würden, hätte sie hier in diesem Kaff Campodia keine Möglichkeit, sich neue zu besorgen, und sie stünde schutzlos mit ihren Gedanken da.

Welch entsetzliche Vorstellung!

Dieses Kind durfte ihre Gedanken nicht lesen, denn Zirza ließ sich nicht gerne in ihre Gedanken schauen, und durch den GWU konnte sie das verhindern. Der GWU war ein fantastisches kleines Gerät, das ihre Gehirnwellen nach außen hin zerhackte und eventuellen neugierigen Telepathen keine Möglichkeit ließ, ihre Gedanken zu lesen oder die Bilder zu sehen, die Zirza in ihrem Kopf sah. Schlimme Bilder vielleicht. Verräterische Bilder... Bilder, in denen Leute tot in oder unter ihrem Blute lagen. Und so weiter...

Was sie allerdings ein wenig verwirrte, das war der Vater der beiden Kinder. Auf den Fotos war seine Ausstrahlung gar nicht richtig zur Geltung gekommen. Lilah hatte einen guten Geschmack gehabt. Hätte sie ihr gar nicht zugetraut. Zirza spürte in diesem Mann etwas Verwandtes, aber sie konnte sich nicht erklären, was es war. Vielleicht sollte sie mit ihm einen weiteren Versuch starten, der sich letztendlich doch wieder als Niete entpuppen würde. Sie hatte da schon ihre Erfahrungen gemacht.

Der kleine Gwydion allerdings konnte ihr bei weitem gefährlicher werden als seine Schwester. In seiner Nähe verspürte Zirza auf einmal die ganze Wahrheit ihrer Natur, sie verspürte ihren Hass, ihre Boshaftigkeit, ihre Gnadenlosigkeit und ihre Andersartigkeit, die sie von jedem Menschen unterschied, den sie bisher kennen gelernt hatte. Sogar die von der Firma, die wirklich bösartig waren, waren nicht so bösartig wie Zirza.

Nicht, dass es Zirza etwas ausgemacht hätte, in einen Spiegel zu schauen und ihr wahres Wesen zu erkennen, nein sie kannte ihr wahres Wesen. Sie war nicht wirklich böse, nein wirklich nicht, sie war nur absolut bar jeder Moral... UND SIE WAR ALLEIN! Kein Mensch war ihr jemals gefühlsmäßig nahe gekommen und hatte sie geliebt. Niemand war ihr nahe genug gekommen, weil sie alle im letzten entscheidenden Augenblick vor ihr zurückgeschreckt waren, zurückgeschreckt vor ihrer Abscheulichkeit und Fremdartigkeit, denn Zirza stand der Spinne und der Gottesanbeterin wesensmäßig näher als den Menschen. Und natürlich hätte Zirza diesen Menschen verachtet, falls er es geschafft hätte, ihr nahe zukommen. Menschen waren für sie eine geistig zurückgebliebene sentimentale Spezies mit total uninteressanten moralische Begriffen, die wirklich zum Piepen waren.

Mit diesen moralischen menschlichen Begriffen hatte Zirza nichts am Hut. Ihre Ehe mit Archibald funktionierte nur deshalb so gut, weil sich das Paar nur alle paar Wochen sah. Sie konnte ihn leicht täuschen und von ihrem wahren Wesen ablenken. Im Bett hatte sie Sachen drauf, die ihn das andersartige Wesen seiner Frau vergessen ließen. Sie duldete ihn und mochte ihn seltsamerweise. Aber natürlich würde sie ihn beiseite räumen, wenn es erforderlich wäre. Vermutlich würde dieses schon bald der Fall sein.

Aber sie war allein. Und ihr eigenes ‚Kind’ war tot. Es war so grässlich entstellt, dass Zirza es vor Enttäuschung fast selber getötet hätte, aber es war von alleine gestorben. Diese entsetzliche Missgeburt!

Dabei hätte ihr Kind sie vielleicht lieben können. Nein falsch, Liebe brauchte sie nicht, sie brauchte nur jemanden, der so war wie sie. Das Kind wäre von ihrer Art gewesen, wäre eine neue Spezies gewesen. Sie hätte sich später mit ihm paaren können, es war ein männliches Wesen, und Zirza hatte nun mal keinerlei Bedenken moralischer Art. Sie hätte eine neue Art erschaffen können mit Wesen wie sie selber. Mit Wesen, die nicht so gefühlsduselig waren wie Menschen. Aber es gab kein Kind. Es gab nie mehr ein Kind, das überlebte, mit wem sie es auch versuchte, und das waren nicht wenige. Einmal kam – immerhin einmal – wieder ein entstelltes hässliches, nicht lebensfähiges Ding dabei heraus, und sie musste es mit eigenen Händen töten, weil es so entsetzlich lang an seinem erbärmlichen Leben hing und einfach nicht von alleine krepieren wollte.

Archie hatte nie etwas von dieser Schwangerschaft bemerkt, denn Zirza war in den verräterischen Monaten auf Geschäftsreisen unterwegs und hielt sich somit von Campodia fern. Irgendwann hatte sie die Hoffnung aufgegeben, sich selber Nachwuchs verschaffen zu können. Zirza wartete nun auf andere Angehörige der neuen Spezies. Sie konnte doch nicht die einzige sein. Sie hatte sich in der Genetik kundig gemacht und wusste natürlich, dass große Sprünge im Erbgut ganz plötzlich auftreten, aber was nützen einem die größten Sprünge, wenn das Ergebnisse nicht sofort lebensfähig ist. Aber irgendwo, irgendwann musste und würde doch einer am Leben bleiben....

Jedenfalls wartete Zirza auf jemanden, der ihr ähnlich war. Und der einfach nicht kommen wollte. Und mittlerweile dachte sie sogar daran, sich klonen zu lassen, falls das irgendwie möglich war. Die Firma würde ihr bestimmt dabei behilflich sein.

Was Zirza nicht wusste, war, dass sie nur ein zufälliges Produkt war, eine kurzfristig auftauchende und danach nie wieder erscheinende Abart der Natur – und dass die Wesen, die sie als neue Rasse erwartete, eigentlich schon lange da waren. Man nannte sie Vampire, und es waren zwar Wesen, aber keine Lebewesen. Zirza hatte von ihnen die Boshaftigkeit und das Fehlen jeglicher Moral geerbt. Sonst hatte sie eigentlich nichts von ihnen geerbt. Aber sie war ihnen schon sehr ähnlich... Wenn sie jemals einen Vampir ‚kennen gelernt‘ hätte, dann wäre ihr wohl einiges klargeworden und sie hätte sich willig verwandeln lassen. Aber trotz ihrer Nähe zur Firma hatte sie nie einen leibhaftigen Vampir getroffen.

Und in Spike spürte sie wahrscheinlich die Reste seines Vampirseins, und das verwirrte sie ein wenig. Nicht viel, aber es verwirrte sie.

 

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KAPITEL VI Teil 4

 

Buffy, Zirza und die blonde hagere Lola Wiggam machten sich spätabends zurecht, dieses geschah natürlich an einem Samstag, weil am Samstag der Laden proppevoll war, zumindest viel voller als an den Werktagen.

Sie hatten vor, in die berühmteste Kleindisco von New Brunswick zu gehen. Berühmt war die Disco deswegen, weil es die einzige Disco in N.B. war.

Vor zehn Uhr sollte man allerdings dort nicht erscheinen, wie Ortskundige berichteten. Vor zehn Uhr war dort nur tote Hose angesagt.

Buffy wunderte sich nicht, dass die hagere blonde Lola Wiggam mitging, denn diese Dame schien ziemlich scharf zu sein, Buffy hatte sie schon mal aus den Ställen kommen sehen mit ein wenig Heu in den Haaren. Was nicht weiter schlimm gewesen wäre, aber ein paar Minuten später war auch Archie aus den Ställen gekommen, und sein Gesichtsausdruck sah so nach befriedigtem Kater aus.

Seltsam, dass diese hageren blonden Frauen so einen Erfolg bei Männern hatten. Eigentlich traute man ihnen das nicht zu, aber sie überraschten einen immer wieder. Oder waren es die Männer, die einen immer wieder überraschten durch ihren (absonderlichen) Geschmack?

Die Disco war nicht besonders groß. Es gab eine quadratisch gebaute Theke mit drei Seiten zum Sitzen, an allen drei Seiten schon recht umlagert, und Zirza ordnet an: „Wir setzen uns auf keinen Fall an einen Tisch, sondern an die Theke!“

Buffy ist das recht, denn sie haben an der Bar im Gutshof schon ein paar Likörchen genommen, die ihnen ironischerweise Lola Wiggams Mann serviert hat, dem es anscheinend egal ist, dass seine Frau ohne ihn ausgeht, und die Welt ist heute Abend schön weich schattiert und sehr freundlich.

„Hallo Dennis“, hört sie neben sich Zirza jemanden begrüßen.

„Hallo Zirza, wie geht’s dir“, sagt der Angesprochene und redet weiter: „Sag mal Zirza, wer zum Teufel ist diese bezaubernde kleine Frau da neben dir.“

Zirza lacht und stellt ihm Buffy als liebe Freundin vor.

Buffy trinkt locker mit ihren beiden Kameradinnen mit.

Buffy lässt ihre Blicke schweifen und sieht sie einen ihr bekannten Mann an der Theke gegenüber auf einem Barhocker sitzen. Er schaut nachdenklich in sein Glas (Whiskeyglas?) und hat anscheinend keine Augen für seine Umwelt.

Sie geht zu ihm hinüber, sie stellt sich neben ihn, stupst ihn an und sagt so ganz nebenbei, und es ist ein Schuss ins Blaue: „Du denkst an sie, was?“

„Sieht man das so offenkundig?“ Max ist überrascht.

„Ich sehe es!“ sagt Buffy.

„Aber das ändert nichts daran, dass sie unerreichbar für mich ist.“ Max schaute sie an, mit einem Schmerz in seinen grauen Augen, den Buffy noch nie bei ihm gesehen hat.

„Aber warum denn? Gut, du bist viel älter, aber ihr seid so ein schönes Paar“, sagt Buffy.

„Es ist etwas aus meiner Vergangenheit...“ sagt Max leise.

„Lass mich mal überlegen“, Buffy hat da so einen Verdacht und legte den Kopf in den Nacken.

„Du hattest was mit Zirza!“ sagt sie schließlich triumphierend.

Max schweigt.

„Du schaust sie immer so hasserfüllt an. Das sieht man“, sagt Buffy.

„Sieht man das?“ Max scheint erschrocken zu sein.

„Ich sehe es.“

„Buffy, bitte nimm dich vor ihr in acht. Sie kann sehr... unangenehm werden. Nein das ist falsch, sie ist unangenehm.“

„Aber sie ist doch nett.“

„Nett? Oh Gott!“ Max schweigt eine Weile. „Wenn nett sein bedeutet, dass sie dich manipuliert und dich zu Taten treibt, die du normalerweise nicht im Traum begehen würdest, gut... dann kannst du sie nett nennen.“

„Ooooh?“ Buffy ist ein bisschen geschockt.

„Also pass auf deine Drinks auf und... ach was, du bist ja eine Jägerin so wie Andy“, Max lächelt, „und kannst selber auf dich aufpassen. Willst du vielleicht tanzen?“

Buffy überlegt. „Nein besser nicht“, sagt sie dann schließlich. „Du würdest ja doch nur an sie denken.“ Buffy ist in diesem Augenblick für ihre Verhältnisse unglaublich einfühlsam.

„Du hast recht,“ sagt Max. „Und du? Du würdest auch nur an ihn denken. Und deswegen gehe ich jetzt besser nach Hause.“

Max erhebt sich von seinem Barhocker, wirft einen Geldschein auf die Theke und macht Anstalten, die Disko zu verlassen.

„Trau ihr nicht“, sagt er noch einmal eindringlich zu Buffy.

Buffy starrt ihm nach, als er die Disco verlässt. Sie glaubt nicht wirklich, dass Zirza gefährlich ist, nein, das kann nicht sein. Max muss sich irren.

Zirza beobachtet Buffy und Max von der anderen Seite der Theke aus. Max könnte unangenehm werden, aber sie kann nichts gegen ihn unternehmen, er ahnt oder weiß vielleicht einiges über sie und könnte ihr gefährlich werden, der Dreckskerl.

Buffy hat jetzt das dringende Bedürfnis, noch mehr zu trinken.

Und sie hat das Bedürfnis, sich zu amüsieren. Sich mit einem richtigen Mann zu amüsieren, der sie zu schätzen weiß, denn ein durchgeknallter Ziegenbock ist zwar ganz nett, aber nicht ganz das gleiche wie ein richtiger Mann...

Denn ihr Ehemann scheint sie offensichtlich nicht so zu schätzen, wie eine Ehefrau offensichtlich geschätzt werden will. ....

Also stürzt Buffy sich in das Vergnügen. Sie trinkt einen seltsamen grünen Likör, der ziemlich hochprozentig ist und dieses durch seine Süße verbirgt.

Man gibt sich gegenseitig Likörchen aus. Die Frauen geben natürlich selten einen aus, das ist auf dem Lande nicht üblich, auf dem Lande bezahlt immer noch der Mann (Böse Zungen behaupten, dass schon diverse Männer pleite gegangen sind, weil sie aus Versehen zwei bis drei ihnen bekannte Frauen in einer Kneipe getroffen haben). Und der Bezahler, das ist in diesem Fall der Metzgermeister Dennis, der ist von Buffy fasziniert, schaut sie bewundernd an und weicht nicht von ihrer Seite.

Bis sie auf die Tanzfläche geht. Ab da sind seine Blicke nicht mehr bewundernd, sondern anbetend und verlangend.

Buffy geht auf die Tanzfläche und tanzt. Sie tanzt für sich allein, aber in Wirklichkeit tanzt sie für Spike, der aber nicht hier ist...

Also tanzt sie für Dennis, sieht aber in ihrem zunehmend benommener werdenden Zustand Spike an der Theke stehen. Spike, der ihr bei Tanzen zusieht. Eine schöne Illusion!

Buffy gerät immer mehr in einen wunderbaren Rauschzustand. Wenn sie aufs Klo geht, hört sie rhythmische Klänge und tanzt dazu, bis sie herausfindet, dass es sich um die Geräusche handelt, die die Lüftung macht,. Ist aber trotzdem ein irrer Sound, und er wiederholt sich immer wieder... Phantastisch.... Buffy muss kichern: Lüftung!

Dennis sieht nicht schlecht aus, tatsächlich sieht er im Laufe der Nacht immer besser aus, und seine Aufmerksamkeit gehört nur ihr allein, stellt Buffy fest.

Sie kann sagen, was sie will, Dennis ist von ihr fasziniert. Und sie kann tun, was sie will, auch davon ist er fasziniert.

Wenn sie sich von der Theke wegdreht, dann dreht er sich auch von der Theke weg.

Wenn sie ein paar Schritte von der Theke weggeht, dann geht er auch ein paar Schritte von der Theke weg. Er hängt wie eine Marionette an ihr. Das ist irre! Es ist ein wahnsinnig gutes Gefühl, jemanden so dirigieren zu können, und es gibt ihr ein Gefühl von Macht, das den Frust verdrängen muss, den sie mit Spike erlebt...

Zirza beobachtet Buffy und Dennis. Für Lola Wiggam, die im Laufe der Nacht, und zwar als der Laden offiziell schon geschlossen hat, eine schnelle Nummer mit dem gut aussehenden jungen Barkeeper auf einer Bank macht, interessiert Zirza sich nicht.

Sie interessiert sich nur für Buffy und für Dennis.

Denn Buffy ist so ein liebes Mädchen und so ein liebebedürftiges Mädchen, so vernachlässigt von ihrem Ehemann, den jeder als Bill kennt, der aber in Wirklichkeit William Gwydion Pendrag heißt, früher ein Vampir war und William the bloody oder Spike genannt wurde, dass Zirza diesem lieben einsamen Mädchen gerne ein wenig Abwechslung verschaffen will, ein bisschen Selbstachtung und Spaß.

Und auch Zirza empfindet Spaß bei dieser Sache.

 

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Buffy wachte am nächsten späten Morgen mit einem verquollenen Kopf auf, der wie sie meinte, eigentlich mehr zu Spike gehören sollte. Aber jetzt hatte sie ihn, und das Schlimmste war, dass sie sich an nichts mehr erinnern könnte. Höchstens an so ein ekelhaftes grünliches Getränk, von dem sie noch nie etwas gehört hatte und das es anscheinend nur in dieser Ecke des Universums gab. Jedenfalls ging es ihr mordsmäßig schlecht, und sie konnte nicht aufstehen.

Bis schließlich Spike um die Mittagszeit anklopfte und Einlass begehrte.

„Oh!“ sagte er mitleidig, denn Spike wusste, wie man sich nach einem zünftigen Besäufnis fühlte. Allerdings war dieser Anblick bei Buffy eher ungewohnt.

„Da ist ein Typ, der behauptet, du wolltest zu ihm frühstücken kommen.“ Spikes Stimme klang spöttisch und irgendwie ungläubig.

„Keine Ahnung“, murmelte Buffy. „Wimmel’ ihn ab. Ich kenn’ keinen, mit dem ich... oh!“ Sie griff sich an die Stirn.

„Hast du ’ne Amnesie oder was?“

„Nein, ich weiß nur nicht, was passiert ist“, sagte Buffy aufstöhnend.

„War wohl’n bisschen viel gestern Nacht... Die haben dich vor die Tür gelegt, du warst ziemlich weggetreten, nein das stimmt nicht, du hast wie bescheuert gelacht, und dann bist du einfach umgekippt.“

„Das kann nicht sein.“ Buffy spürte, wie ihr irgendetwas hochkam, das sie unbedingt loswerden musste. sie sprang eilig aus dem Bett, Gott sei Dank trug sie noch alles, was sie gestern Nacht angehabt hatte und lief ins Badezimmer, um sich über der Kloschüssel zu übergeben. Als nichts herauskam, steckte sie sich einen Finger in den Hals und würgte solange, bis sie ein ekelhaftes Zeug ausgewürgt hatte mit ein paar dicken Brocken drin. Das war wohl das Abendessen von gestern. Und die Kloschüssel... obwohl sie sauber war, die Vorstellung, dass sie mit ihrem Gesicht über einer Kloschüssel hing, war schon ekelerregend genug, so dass sie wieder einen Schwall von Flüssigkeit in die Kloschüssel erbrach, ohne dass sie sich vorher einen Finger in den Hals stecken musste.

Als nichts mehr herauskam, setzte sie sich auf den Rand der Badewanne und stierte vor sich hin. Es war entsetzlich....

Sie hielt ihren Kopf über die Badewanne und brauste sich mit eiskaltem Wasser den Kopf ab. Das tat ein wenig gut, hielt aber nicht sehr lange vor.

Was hatte Spike da geschwätzt? Ein Frühstück mit einem Typen? Sie hatte keine Ahnung, was er meinte. Ihr fehlten mehrere Stunden der gestrigen oder war’s die heutige Nacht...

Zu peinlich das.

Buffy frottierte sich vorsichtig die Haare, denn ihr Kopf tat höllisch weh, verließ das Badezimmer, öffnete den Kühlschrank und griff sich eine Flasche Mineralwasser, setzte sie sich an den Mund und nahm einen endlosen Schluck daraus. Dann legte sie sich wieder ins Bett.

„Und was soll ich dem Mann jetzt sagen?“ Spikes Stimme dröhnte in ihrem Kopf. „Was ist denn jetzt mit dem Frühstück?“

„Ich kenne keinen. Ich kenne kein Frühstück. Lass mich doch in Ruhe!“

„Also wirklich Buffy, du kannst den Typen doch nicht erst einheizen und dich dann verpissen, also, ich muss schon sagen...“

„Ach halt die Klappe und lass mich in Ruhe!“

Spike musste lachen. Er war zwar ein bisschen sauer auf sie, aber es schien nichts passiert zu sein, weswegen sie sich Sorgen machen musste. Oder weswegen er sich vielleicht Sorgen machen musste.

Buffy wusste nicht, dass sie Glück gehabt hatte. Zirza hatte eigentlich geplant, sie mit dem Metzgermeister Dennis, Inhaber der einer von den zwei Metzgereien in Campodia, frisch geschieden und scharf wie eine Rasierklinge, ins Bett gehen zu lassen, aber diese Pfeife Buffy konnte überhaupt keinen Alkohol vertragen und hatte schon voll besoffen den entscheidenden Drink umgekippt, in dem sich die Tropfen befanden, die sie vollkommen hilflos und geil machen sollten. Um dem Metzgermeister Dennis zu willen zu sein. Und Dennis, ein ehemaliger Schulfreund von Zirza, wollte auch nicht so mitspielen, wie es Zirza vorschwebte, er hatte sich doch tatsächlich in Buffy verliebt, der Idiot, und sie zum Frühstück in sein Haus eingeladen. Und jetzt war er total fertig, weil die süße Buffy sich an nichts mehr erinnern konnte.

Aber auch wenn er wie ein liebeskranker Kater um das Gut herumschlich – ach was, er war ein guter Freund von Archie, er konnte offiziell kommen – würde das den guten Spike ein wenig von seiner Frau entfernen.

Denn die kostbaren Kinder waren leichter zu kriegen, wenn man sie von jeweils einem Elternteil isolierte. Das bedeutete Verlust an Schutz und so weiter... War zwar ein guter Schachzug von diesem Spike gewesen, das mit Heirat, aber man konnte es rückgängig machen. Denn das war Zirzas Aufgabe: Ein bisschen Sand ins Getriebe streuen, die Eheleute voneinander zu trennen und die Scheidung in die Wege zu leiten. Allerdings machten die beiden weder den Eindruck eines glücklichen Ehepaares noch den Eindruck, als ob sie kurz vor der Scheidung stünden.

Eine wirklich harte Nuss. Da musste sie schon andere Geschütze auffahren.

 

© Ingrid Grote 2004   Fortsetzung HIER

 

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