KAPITEL VI Teil 1
Am
nächsten Morgen – am nächsten ziemlich frühen Morgen – bereute Buffy schon,
dass sie sich auf die Sache mit dem Erbsenpflücken eingelassen hatte. Man
weckte sie nämlich um halb fünf! Heiliger Strohsack.
Im
Frühstücksraum gab es nur Kaffee, Tee und Milch, das übliche Frühstücksbüffet
war noch nicht aufgebaut, stattdessen gab es fertige handliche Pakete mit, wie
Buffy vermutete, Nahrungsmitteln drin und mehrere Thermoskannen zum Mitnehmen.
Buffy hatte trotz der frühen Morgenstunde schon so einen Hunger, dass sie am
liebsten ihr Päckchen aufgemacht und ein wenig genascht hätte, aber sie bezwang
dieses Verlangen frauhaft.
Außer
ihr kamen noch zwei andere genauso verschlafen aussehende Frauen zum Erbsenpflücken
mit, eine hagere Blondine, die mit dem freiwilligen Barkeeper und
Stallausmister verheiratet und recht nett war, und eine pummelige
Dunkelhaarige, die erst seit drei Tagen mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern
da war und die Buffy noch nicht so gut kannte.
Man
nickte sich verschlafen zu.
„Hi
Ladies!“ Ein munter aussehender Max betrat den Frühstücksraum, im Schlepptau
hatte er Andromeda, die wohl auch aus dem Bett gefallen war.
„Du
kommst mit?!“ sagte Buffy erleichtert zu der jungen Jägerin. Sie stellte es
sich nett vor, neben Andromeda zu arbeiten.
„Klar
komme ich mit.“ Andromeda musste lachen. „Max hat gesagt, ich hätte es mal
wieder nötig.“
Die
hagere Blondine fing an, giggelig zu lachen, und Andromeda verstand nicht,
warum dieses dürre Weib so dämlich lachte.
„Wann
habt ihr denn das letzte Mal richtig körperlich gearbeitet, Ladies?“ Max
ignorierte das anzügliche giggelige Lachen – er schien wirklich eine
ausgezeichnete Laune zu haben, zumindest im Vergleich zu den letzten Wochen,
und Buffy fragte sich, was wohl diese ausgezeichnete Laune bewirkt hatte.
Verlegenes
Schweigen breitete sich aus.
„Wusste
ich’s doch! Also, habt ihr die Decken? Gut. Sonnenschutz? Gut. Essensrationen?
Hüte? Kopftücher?“
Alle
nickten.
„Dann
können wir ja los.“ Max wandte sich zur Tür. „Wir machen es heute richtig
ökologisch, das heißt, keine Motoren, kein Benzin, keine sonstigen Maschinen.
Nur reine geballte menschliche, genauer gesagt weibliche Arbeitskraft.“
Worauf
habe ich mich da eingelassen, fragte sich Buffy, die ihre ältesten mittlerweile
zu Shorts umgewandelten Jeans trug, ein ausgeleiertes T-Shirt, das sie fast
schon weggeschmissen hätte und ein... Kopftuch! Und sie hatte im Augenblick
absolut keine Lust, auf die Felder zu gehen.
„Sag
mal, sieht es nicht nach schlechtem Wetter aus?“ wandte sie sich hilfeheischend
an Andromeda.
„Nee,
Buffy.“ Andromeda musste lachen, denn Buffy suchte wohl einen Grund, um sich
vor den Erbsenfelder zu drücken. „Gestern war der Himmel am Horizont graurosa,
und das ist ein sicheres Zeichen für eine langfristige Schönwetterperiode. Alte
Farmerweisheit. Außerdem müssen die Erbsen gepflückt werden, egal ob es regnet
oder stürmt.“
Dann
gibt es also kein Entrinnen, dachte Buffy und fügte sich in ihr Schicksal.
Vor dem
Herrenhaus stand ein Leiterwagen, und vor ihn waren zwei gewaltig breite
Ackergäule gespannt. So dicke Hintern hatte Buffy selten gesehen. Außer
vielleicht bei der Wirtin Maryann in Campodias einziger Kneipe.
Unter
großen Gejohle kletterten die Frauen mehr oder weniger umständlich auf das
hölzerne Gefährt, steckten ihre Beine durch die Holzstangen an der Seite des
Leiterwagens und ließen sie hinunterbaumeln.
„Ich
muss schon einen Sonnenstich haben, dass ich das mitmache, dachte Buffy. Gott
sei Dank lag die Wohnung nach hinten raus, und Spike konnte sie nicht sehen.
Unter
weiterem Gekicher ging die Fahrt dann los. Andromeda saß vorne neben Max auf
dem Wagen. Sie trug eine weite bequeme Hose, aber kein Kopftuch, sondern hatte
einen Strohhut aufgesetzt, der ihr ausgezeichnet stand.
Die kann
tragen, was immer sie will, es sieht fantastisch aus, dachte Buffy neidisch.
Max
schien das auch zu finden, denn er hatte wieder diesen Blick, den er nur bekam,
wenn Andromeda in der Nähe war.
Nach
einer halbstündigen vergnügten Fahrt hatten sie die sagenumwobenen Erbsenfelder
erreicht.
Sie
kamen Buffy verdammt groß vor.
Am Abend
vorher hatten die Männer mit Macheten die Erbsenpflanzen zur Strecke gebracht,
und sie hatten sich anscheinend ganz schön ausgetobt. Spike hatte nicht dabei
mitgemacht, sondern eine Partie Billard mit Archie gespielt.
Das
riesige Erbsenfeld war durch niedrige und nicht ganz so niedrige Hecken in
unregelmäßige Quadrate unterteilt.
„Das hat
Max angeordnet. Max sagt, man braucht Vögel, die irgendwo nisten können. Und
Max sagt, er braucht Vögel, um das Ungeziefer in Schach zu halten. Denn es gibt
natürlich Ungeziefer, wenn man die Felder nicht mit Herbiziden und Pestiziden
besprüht. Außerdem befestigen die Hecken den Boden, und er wird nicht durch
Wind und Regen weggespült.“
„Das
leuchtet mir ein.“ Buffy musste in sich hineinlächeln über Andromedas Eifer,
ihr Max‘ Ansichten zu erklären. Die Kleine schien sich wirklich für seine
ökologischen Maßnahmen zu interessieren.
Mehrere
ältere, aber auch einige jüngere Frauen aus dem Dorf knieten schon auf dicken
Decken in einer Reihe und pflückten die Erbsenschoten von den abgeschnittenen
Erbsenpflanzen ab, die wie ein Teppich über das Feld verstreut lagen. Jede von
ihnen hatte einen Jutesack neben sich, von denen einige schon halb voll waren.
Wann
sind die denn aufgestanden, fragte sich Buffy verwundert.
„Okay,
nehmt eure Plätze ein.“ Max war immer noch gutgelaunt. „Ich werde dann mal
zurückfahren. Ich komme mittags vorbei, um die ersten wieder mitzunehmen.“
„Du
bleibst nicht hier?“ fragte Buffy enttäuscht.
Auch die
anderen Frauen machten lange Gesichter. Mit Max wäre das Erbsenpflücken um
einiges erotischer gewesen, denn jede von ihnen hatte schon einmal davon
geträumt, wie es wohl mit ihm wäre...
„Bin ich
verrückt?“ grinste Max. „Ich leg mich jetzt erst mal wieder ins Bett. Es ist
nämlich noch verdammt früh.“ Er bestieg wieder den Leiterwagen und dirigierte
die riesigen Ackergäule in einem Kreis wieder zurück, winkte den Frauen noch
einmal zu und verschwand dann langsam hinter der nächsten Biegung des Feldwegs.
„Der
Bastard!“ sagte Andromeda. „Kann sich noch mal ins Bett legen.“
Nach
zehn Minuten eifrigen Pflückens taten Buffy die Knie und sonst noch einiges
weh.
„Ignoriere
den Schmerz“, wurde sie von Andromeda ermahnt.
„Du hast
gut reden. Ich glaube, meine Kniescheibe ist bald durch“, maulte Buffy und
versuchte, ein wenig hin und herzurutschen, um den Druck zu vermindern.
„Das
geht schon vorbei“, sagte Andromeda tröstend. Das Mädel hatte anscheinend schon
Erfahrung in dieser Beziehung.
Ein paar
Minuten arbeiteten sie schweigend nebeneinander.
„Wieso
hat diese Frau Wiggam eigentlich eben so dämlich gekichert?“ fragte Andromeda
nach einer Weile. Nach einer Weile, in der es Buffy klar geworden war, dass
Andromedas Jutesack jetzt schon gefüllter aussah als ihrer, Buffys Jutesack.
„Diese
Frau denkt immer an schlechte Sachen“, sagte sie schließlich zu Andromeda.
„Auch wenn gar nichts Schlechtes gesagt wurde.“
„Überhaupt,
was für ein Name! Lola!“ Andromeda biss sich am Thema ‚Wiggam’ fest.
„Die
macht jedem schöne Augen“, berichtete Buffy. „Zu Spike kommt sie auch immer mit
so fadenscheinigen Sachen, nur um ihn anzumachen. Hach, mein Kühlschrank lässt
sich nicht öffnen, oder: Hach, ich krieg das Fenster nicht zu. Hach, mein
Wellensittich muss entwurmt werden. Warum fragt sie nicht ihren eigenen Mann?“
Bei
Spikes Erwähnung schaute Andromeda ein wenig traurig, aber dann fing sie an zu
lachen. „Was für eine Schlampe! Außerdem finde ich sie“, Andromeda blickte über
die Schulter hinüber zu den beiden anderen Frauen, aber die waren Gottseidank
außer Hörweite, „nicht gerade hübsch. Dieses abgezehrte Gesicht und diese dürre
Figur!“
Sie
kommt drüber hinweg, dachte Buffy. Nein, sie ist schon fast drüber hinweg.
„Männer
haben manchmal einen komischen Geschmack.“ sagte sie.
„Ich
glaube, mit meinem Vater hat sie auch irgendwas“, deutete Andromeda an.
„Wirklich?“
Buffy war erstaunt. Archie tat so etwas? Das konnte sie sich überhaupt nicht
vorstellen. Ihr gegenüber verhielt er sich immer wie der perfekte Gentleman. Er
war väterlich und fürsorglich und einfühlsam.
Wieder
arbeiteten sie eine Weile schweigend vor sich hin.
„Andy,
sag mal, bist du eigentlich noch ääääh... Jungfrau?“ Buffy hätte sich die Zunge
abbeißen können wegen dieser vorwitzigen Frage, aber sie war wirklich neugierig,
und Andromeda schien ihr diese Frage nicht übel zu nehmen.
„Ich bin
zwar noch Jungfrau“, erzählte Andromeda ziemlich locker, „aber nicht so
richtig, wenn du weißt, was ich meine...“
Buffy
nickte, sie hatte eine ungefähre Vorstellung von dem, was Andromeda meinte.
„Jedenfalls
habe ich schon mit Jungs rumgefummelt, aber wirklich passiert ist es nicht...“
„Muss ja
auch nicht sein“ ,meinte Buffy nachdenklich.
„Aber
manchmal denke ich, ich bin nicht richtig normal.“
„So’n
Quatsch“, sagte Buffy entrüstet, überlegte eine Weile und sagte dann:
„Vielleicht wartest du auf den Richtigen. Aber auch, wenn der Richtige oder was
man für den Richtigen hält, kommt, kann es in die Hose gehen.“ Buffy schwieg
einen Augenblick. „Bei mir war es eine Katastrophe.“
„Die Sache?“
fragte Andromeda neugierig.
„Nein,
nicht die Sache selbst, das war wunderbar, aber danach...“ Buffy seufzte auf.
„Was war
denn danach?“
„Danach
hat er sich verwandelt. Alles was vorher gut in ihm war, wurde böse...“
„Spike
hat’s mir erzählt.“
„Ich denke,
wir waren von Anfang an verflucht.“ Wieder seufzte Buffy, aber es hörte sich
diesmal nicht mehr so traurig an. „Spike hat mich irgendwann, das war Jahre
später, diese Sache überwinden lassen. Seltsam... Wir waren immer Todfeinde.
Früher jedenfalls.“
„Ich
weiß nicht, ob ich auf den Richtigen warte“, sagte Andromeda nach einer
längeren Pause. „Ich weiß nur, dass ich ein bestimmtes Bild im Kopf habe, dass
ich am Anfang wirklich geil bin und dass ich dann auf einmal, wenn es ernst
wird, nicht mehr geil bin, weil das Bild nicht mehr stimmt, und dann kann ich
es nicht mehr ertragen, nicht mehr weitergehen... Ist schon seltsam!“ Andromeda
machte ein ratloses Gesicht. „Jedenfalls halten die Jungs mich bestimmt für
eine verklemmte Zicke.“
„Mach
dir nichts draus, was die Jungs von dir halten“, sagte Buffy und fügte
aufmunternd hinzu: „Irgendwann wird das Bild schon stimmen.“
Als sie
um neun Uhr endlich die große Frühstückpause machten, meinte Buffy, noch nie so
einen Hunger verspürt zu haben wie in diesem Augenblick. Die mitgebrachten
Brote waren fantastisch, sie waren mit der dorftypischen hausgemachten
Dosenwurst belegt, es gab Äpfel und Pflaumen dazu, Kaffee und Tee aus den
Thermoskannen und sogar Malzkaffee war dabei. Sie saßen auf ihren Decken und
aßen, als ob sie tagelang nichts zu essen bekommen hatten. Und dabei war es
doch gerade mal neun Uhr.
Als es
dann mit der Arbeit weiterging, war Buffy leicht sauer, weil jede der Frauen
inklusive des reichen Töchterleins Andromeda‚ Erbin eines wahrscheinlich riesigen
Vermögens, mehr Erbsen in ihren Sack gepflückt hatte als sie, Buffy die
Jägerin.
Sie sah,
dass eine der Frauen aus dem Dorf ihren vollen Sack zu dem gerade
eingetroffenen Leiterwagen brachte, ihn wiegen ließ und eine Quittung erhielt –
und überlegte doch allen Ernstes, ob sie vielleicht ein paar kleinere oder
größere Steine in ihren eigenen Sack packen sollte, um das Gewicht zu erhöhen.
Schäm
dich, Buffy, ermahnte sie sich selbst. Du solltest an so etwas nicht mal
denken! Und sie legte natürlich keine Steine in ihren Sack. Sie war die
schlechteste Pflückerin in diesem Erbsenfeld. Dafür hatte sie andere
Qualitäten. Aber was für welche?
Also
begann sie, Andromeda von ihren Heldentaten zu erzählen, die sie als Jägerin
vollbracht hatte, und das junge Mädchen schaute sie bewundernd an.
„Ich
glaube, hier gibt es keine Dämonen, jedenfalls habe ich noch nie einen hier
gesehen“, sagte Andromeda schließlich resignierend.
„Dämonen
sind überall.“ meinte Buffy aufmunternd.
Damit
hatte Buffy, wenn auch unbewusst recht. Es gab in Campodia zeitweise einen
nicht zu unterschätzenden Dämon, den allerdings noch keiner als Dämon entlarvt
hatte.
Um die
Mittagszeit – Max erschien übrigens nicht – hatte Buffy die Nase voll. Sie
hatte tatsächlich mit Ach und Krach zwei Säcke mit Erbsen vollgepflückt und
hievte sie an den Leiterwagen, wo sie von einem grinsenden Helfer in Empfang
genommen wurden. Die Säcke wurden gewogen, und Buffy erhielt zwei Zettel, auf
denen jeweils die Gewichte der Säcke standen.
„Können
wir mitfahren?“ fragte sie den Helfer. Sie drehte sich zu Andromeda um. „Was
meinst du, Andy? Oder willst du etwa noch weitermachen?“
Andy
schüttelte den Kopf. Sie kletterten auf den Leiterwagen, und Buffy fühlte sich
so angenehm erschöpft wie noch nie. Alle Knochen taten ihr weh, aber das
leichte Rumpeln des Leiterwagens passte irgendwie zu ihren Schmerzen. Ihr
Gesicht, vor allem ihre Nase hatte ein bisschen viel Sonne abbekommen, aber
auch das war ein angenehmes Gefühl.
„Weißt
du eigentlich, dass du in einem Paradies lebst?“ fragte Buffy schließlich. „Und
ich möchte eigentlich gar nicht weg von hier.“
„Paradies?
... Nein das ist es nicht“, sagte Andromeda nach einer Weile nachdenklich. „Du
musst bedenken, dass das Gut ein richtiges Hotel ist. Es zeigt nicht das
normale Leben auf dem Land. Wir betreiben nur Landwirtschaft und außer der
Pferdezucht machen wir kaum was mit Tieren. Okay, die Schweine, die sind für
den Eigenbedarf, aber die haben ein ganz gutes Leben, solange sie leben
jedenfalls...“ Wieder machte Andromeda eine Pause. „Massenviehzucht machen die
anderen, und das ist die Wirklichkeit. Lass dich nicht täuschen. Das Gut ist
eine Illusion und dürfte es in dieser Form gar nicht geben. Aber Dad liebt es
nun mal und will es so erhalten.“
„Schade,
dass es nicht überall auf dem Lande so ist.“ meinte Buffy enttäuscht.
„Es gibt
viel Elend hier, wovon die Touristen auf den ersten Blick nichts sehen. Wenn
ich nur an die Katzen denke...“
„Was ist
denn mit den Katzen?“
„Es gibt
zu viele davon. Sie werden nicht rechtzeitig sterilisiert und vermehren sich
dann unkontrolliert. Man findet die Kleinen nach zwei Monaten irgendwo auf dem
Heuboden, und dann geht einer hin, steckt sie in einen Sack und ersäuft sie im
Teich. Das ist schrecklich, nicht wahr?“
„Das ist
grausam.“ Buffy war entsetzt und fühlte sich urplötzlich aus ihrem Traum vom
Landleben gerissen. „Gibt es denn keine anderen Möglichkeiten?“
„Ich
versuche, sie in den Ställen der Farmer aufzustöbern und sie zum Tierarzt zu
bringen, bevor sie wieder trächtig sind, aber es fast immer zu spät. Dafür
arbeite ich, weißt du, ich pflege die Pferde, ich reite sie und so weiter, aber
fast alles, was ich damit verdiene, geht für den Tierarzt drauf.“
„Das
wusste ich gar nicht.“ Buffy war erstaunt über Andromedas Bereitschaft, sich so
hingebungsvoll für die Landkatzen einzusetzen. Das Mädchen hatte es wirklich
drauf, gut zu sein. Und gegen Dämonen zu kämpfen war ja ganz nett, aber es
hatte Buffy andererseits auch großen Spaß gemacht, und sie bezweifelte, dass es
Andromeda Spaß machte, sich mit diesem Katzenelend auseinander zu setzen.
„Onkel
Herbie, der nebenbei auch auf die Jagd geht, hat schon mal ein paar kleine
Kätzchen erschossen. Statt sie zu ersäufen. Kannst du dir das vorstellen? Aber
er hat gesagt, so ein Gemetzel würde er nicht noch einmal veranstalten.“
„Oh
Gott!“
„Jetzt
bringen Max und Dad die Kleinen zum Tierarzt in New Brunswick und lassen sie da
einschläfern. Es ist traurig, aber es ist die einzige Möglichkeit. Wenn wir sie
hier lassen, würden es immer mehr werden, die sich mit Krankheiten wie
Katzenschnupfen gegenseitig anstecken. Und sie sehen so mickrig aus und haben
Geschwüre an den Augen, und sie vermehren sich trotzdem. Ach es ist schlimm“,
schloss Andromeda verzweifelt.
Buffy
schwieg den Rest des Weges betroffen. Also doch kein Paradies.
Als sie
mit dem Leiterwagen langsam in den Gutshof einfuhren, spürte Buffy instinktiv
eine Veränderung am und im Hof.
Ein LKW
mit Kühlvorrichtung stand mitten auf dem Hof. Er sollte wohl die Erbsen in
irgendeine Fabrik bringen.
Aber das
war nicht der Grund für die Veränderung, die Buffy spürte.
Ein
rotes Mercedes-Cabriolet stand auf dem Parkplatz vor dem Haus, und eine elegant
gekleidete Frau mit kurzgeschnittenem schwarzen Haar schritt gerade aus dem
Haus. Hinter ihr standen Archie und ferner Spike mit Gwydion auf dem Arm und
Morgan, die sich an Spikes Beine klammerte.
Zirza,
die Herrin des Hauses, die fast nie anwesende Herrin des Hauses, hatte sich die
Ehre gegeben und war aus dem 450 Meilen entfernten San Francisco angereist.
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KAPITEL VI Teil 2
Buffy
kam sich total bescheuert vor mit ihrer schmutzigen abgeschnittenen Jeans,
ihrem dämlichen Kopftuch, das sie blöderweise noch auf dem Kopf hatte und mit
ihrer wahrscheinlich geröteten Nase, sie wusste zwar nicht, ob die Nase
wirklich gerötet war, aber sie brannte etwas, und das war kein gutes Zeichen.
„Hallo
Zirza“, sagte Andromeda recht kühl. Das Verhältnis zwischen ihr und ihrer
Stiefmutter war genauso unterkühlt wie ihre Stimme. Sie hatten sich noch nie
sehr nahe gestanden. Zirza war nie der mütterliche Typ gewesen, der knuffige
Kleinkinder, egal wie entzückend süß und niedlich sie aussahen, geherzt und
verhätschelt hatte...
Mit der
fast erwachsenen Andromeda schien Zirza allerdings ganz gut klarzukommen...
„Ich habe
dir ein paar Sachen mitgebracht“, sagte sie lächelnd zu ihrer Stieftochter.
„Ich glaube, sie werden dir ganz fantastisch stehen.
Andromeda
nickte geschmeichelt. In Campodia konnte man überhaupt keine Klamotten kaufen,
und in New Brunswick war die Auswahl auch recht bescheiden, deswegen war sie
froh, wenn Zirza ihr ab und zu ein paar Sachen aus einer ihrer Boutiquen
mitbrachte. Mit diesen Sachen war sie dann wirklich die Königin von Campodia,
und die Jungen, die Andromeda normalerweise nicht beachteten, weil sie eine von
ihnen war, konnten sich einreden, sie wäre eine Touristin aus San Francisco...
Eine Touristin aus der Fremde, wo die Mädels viel reizvoller waren als hier.
Und man konnte über Zirza sagen was man wollte, aber die Frau hatte einen verdammt
guten Geschmack....
Zirza
war mittelgroß, sehr schlank, und sie trug ihr schwarzes Haar so kurz
geschnitten, dass ihr kindlicher Kopf förmlich zum Darüberstreicheln einlud.
Diese
Frisur war wirklich raffiniert, dachte Buffy. Automatisch fiel ihr dazu ‚Kindchenschema’
ein. War das Wort richtig? Buffy neigte dazu, ihrer Schwester nie richtig
zuzuhören. Männer und natürlich auch Frauen wollten einen solch hilflos und süß
wirkenden Kopf und die dazugehörende kindliche Stirn instinktiv schützen. Das
wusste Buffy von Dawn, die sich dazu entschlossen hatte, Psychologie zu
studieren, denn Psychologie passte so gut zu Zauberei.
Zirza
trug zu ihrer kindlichen Frisur ein naturfarbenes Kostüm aus weicher Rohseide.
Es sah schweinisch teuer aus und schmiegte sich mit Perfektion an ihre
schlanken Glieder. Sie trug hochhackige Schuhe und sah aus wie einem
Hollywoodfilm entstiegen, so wie Doris Day, aber viel hübscher und mit
schwarzen Haaren. Ihre Augen waren tiefschwarz – Buffy hatte solche Augen noch
nie gesehen – und ihr Mund, der üppig aber nicht zu üppig war, war korallenrot
geschminkt.
Buffy
bekam auf der Stelle Minderwertigkeitskomplexe, nicht nur wegen ihrer
augenblicklichen desolaten Erscheinung, nein sogar in ihrem normalen Outfit
hätte sie Minderwertigkeitskomplexe bekommen.
Zirza
war auch sehr nett zu Buffy.
„Und Sie
müssen Buffy sein“, sagte sie freundlich und fügte bedauernd hinzu: „Sie waren
bestimmt auf diesen grauenhaften Erbsenfeldern.“
„Oh ja!
Es war schrecklich.“ Buffy überlegte angestrengt eine kleine Weile und sagte
dann unentschlossen: „Nein eigentlich war es schön. Ach ich weiß nicht...“ Sie
verstummte und schaute Spike an, der sie angrinste und mit dem Zeigefinger erst
auf seine und dann auf ihre Nase deutete. Oh Gott! Sie verstand. Sie hatte wirklich
einen Sonnenbrand auf ihrer Nase.
Buffy
schaute auch Morgan an, die gelangweilt in die Luft guckte, dann auf Zirza
schaute, ein wenig dumm guckte und dann wieder in die Luft schaute. Morgan
empfing nämlich gar nichts von dieser Frau, als ob diese Frau überhaupt nicht
denken würde. Oder ihre Gedanken waren völlig schwarz und somit
undurchschaubar, und das war... langweilig.
Buffy
trat an Spike heran, nahm ihm Gwydion stillschweigend ab und näherte sich mit
Gwydion der Dame des Hauses. Irgendwie wollte sie Zirza beeindrucken, und
Gwydion schien das geeignete Objekt dafür zu sein. Verzeih mir, little Buddha,
dachte sie, aber ich wette, so etwas wie dich hat sie nicht.
Aus den
Augenwinkeln sah Buffy, wie Tante Bernadette und Tante Mansell miteinander
tuschelten und Zirza von der Seite her verstohlen anschauten. Die beiden waren
wohl nicht gerade begeistert über die Ankunft der Herrin des Hauses. Konnte man
verstehen, dachte Buffy, denn bisher waren die beiden Tanten die Chefs im
Herrenhaus gewesen, und das würde sich jetzt wohl ändern.
Seltsamerweise
trat Zirza einen kleinen Schritt zurück, als Buffy ihr mit Gwydion auf dem Arm
näher kam. Normalerweise gingen die Leute auf Gwydion zu.
„Das ist
ein netter kleiner Bursche“, meinte Zirza schließlich zögernd.
Buffy
bemerkte eine gewisse Verwirrung auf Zirzas Gesicht und wunderte sich darüber.
Verwirrung war vielleicht nicht das richtige Wort. Vielleicht war es
Fassungslosigkeit. Oder Ungläubigkeit. Ja, Gwydion hatte schon eine seltsame
Wirkung auf Leute.
„Ich
hatte auch einmal ein Kind. Vor langer Zeit. Es ist gestorben“, sagte Zirza
leise und wie um Entschuldigung bittend zu Buffy.
„Oh
Gott, das wollte ich nicht“, sagte Buffy. Wie hatte sie das nur tun können,
eine Frau, die ihr Kind verloren hatte, mit ihrem eigenen beeindrucken zu
wollen.
„Es ist
schon gut“, sagte Zirza. „Sie wussten ja nichts davon.“ Sie bekam wieder ihr
beherrschtes schönes Gesicht und lächelte Buffy an.
„Ich
muss jetzt unbedingt duschen“, sagte Buffy schließlich verlegen.
„Wir
sehen uns dann später“, meinte Zirza freundlich.
„Gern“,
sagte Buffy aufatmend. Man hatte ihr also diese peinliche Sache nicht
übelgenommen.
„Ich
komm gleich nach“, sagte Spike, der nur die letzten Sätze von diesem Gespräch
mitbekommen hatte, nahm Buffy Gwydion ab, nahm Morgan an die Hand und ging über
den Hof in Richtung Verwalterhäuschen.
Er hatte
sich doch wirklich mit Max angefreundet, denn Max hatte endlich mitbekommen –
oder Andromeda hatte es ihm erzählt – dass Spike nicht der Lüstling war, der
die unschuldige Andy aufs Kreuz legen würde, sondern dass Spike erstens mit
Buffy verheiratet war, zwar nur proforma, aber verheiratet, zweitens dass Spike
ein Exvampir war, was immer das heißen mochte, und dass drittens Andromedas
Leidenschaft für Spike stark im Abklingen war.
Spike
mochte den schweigsamen Verwalter. Spike mochte eigentlich alle Leute, die ein
dunkles Geheimnis hatte, denn dass Max irgendein ein dunkles Geheimnis hatte,
das war Spike sonnenklar. Dem Himmel sei Dank war Max absolut nicht neugierig
darauf, etwas über Spikes dunkle Geheimnisse zu erfahren.
Sie
hatten einiges gemeinsam, sie mochten die gleiche Musik. Und Max spielte auch
Gitarre, nicht besonders gut, wie er sagte, aber er verstand Spikes Neigung zu
Django Reinhardt. „Spielst du zufällig Geige?“ hatte Spike ihn als erstes
gefragt, und Max hatte das lachend verneint. Er wusste sofort, dass Spike einen
wie Stéphane Grappelli suchte, den Jazzgeiger, der in Django Reinhardts Band
mitgespielt hatte.
„Oder
Kontrabass vielleicht?“ hatte Spike weitergefragt.
„Siehst
du hier einen rumstehen? Nein, was? Aber zur Not spiele ich Rhythmusgitarre,
allerdings nicht besonders gut.“
Mit
dieser Antwort gab sich Spike zufrieden, denn Django hatte in seiner Band zwei
Rhythmusgitarristen gehabt, die quasi das Schlagzeug ersetzten. War schon eine
seltsame Kombination. Konzertgitarre, zwei Rhythmusgitarren, ein Bass und eine
Geige.
Und
nicht nur musikmäßig teilten sie den gleichen Geschmack, sondern auch bei
Autos. Wenn auch nur bei Sportwagen. Max fand es nämlich nicht so gut, dass
Spike diesen spritschluckenden Van fuhr, und Spike entschuldigte sich damit,
dass der Sprit in den Staaten so sagenhaft billig war, hatte aber dennoch ein
schlechtes Gewissen und versprach Max, sich demnächst ein etwas sparsameres
Modell zuzulegen.
Und Max
hatte Spike endlich den legendären Lister-Jaguar gezeigt, an dem er manchmal an
den Wochenenden herumschraubte, und die beiden, Max und Spike hatten ihre
gemeinsame Leidenschaft für die mittlerweile schon antiken Rennwagen aus den
60er Jahren entdeckt. Wobei der Lister-Jaguar in seiner geilen Erscheinung
eines von Spikes Lieblingsautos war. Spike konnte nun endlich zugeben, dass er
auf der Rennstrecke in Silverstone an einem regnerischen Tage (in Silverstone
gab es fast nur regnerische Tage, jedenfalls vor vierzig Jahren) einen
Lister-Jaguar ein Rennen hatte fahren sehen. Dass er ein paar Stunden später
den Besitzer des Jaguars getötet hatte, um in den Besitz dieser geilen Maschine
zu kommen, erwähnte er vorsorglich nicht vor Max. Max schien zwar sehr
verständnisvoll in Bezug auf die Missetaten anderer zu sein, aber Spike wollte
ihn nicht gleich mit schockierenden Details entsetzten und möglicherweise
vergraulen.
Bei
Buffy war das was anderes. Buffy schockierte er gern mit schockierenden Details.
Buffy war schließlich mit einem Exvampir verheiratet und musste das aushalten
können...
Morgan
liebte Max. Von ihm gingen zwar traurige Bilder aus, die manchmal mit einem
Baby im Wald zu tun hatten, und des öfteren tauchte auch ein furchtbar
aussehendes Ding in seinen Gedanken auf, aber Max war nicht böse, das fühlte
Morgan, und sie hatte ihn fast so lieb wie ihren Daddy.
Natürlich
ahnte Max nichts von Morgans seltsamen telepathischen Fähigkeiten, die sich
allerdings nur auf bildliche Gedanken erstreckten, denn Andy hatte ihm nichts
darüber erzählt, weil auch sie nichts genaues über die Fähigkeiten der Kinder
wusste. Spike hatte ihr die Einzelheiten über die Fähigkeiten der Kinder
verschwiegen.
„Zirza
ist seltsam“, meinte Spike zu Max.
Max
verschloss sich sofort, und Spike erkannte, dass das Thema Zirza ein TABU-Thema
war, das er besser nicht anfassen sollte.
„Lass
dich nicht mit ihr ein“, sagte Max schließlich. „Sie ist wie die Medusa, wenn
du sie anschaust, dann vernichtet sie dich.“
„Gut zu
wissen“, sagte Spike verwundert. Normalerweise warnte Morgan ihn immer vor
wirklich ‚bösen’ Leuten, aber Morgan schien keine ‚bösen’ Bilder in Zirza
gespürt zu haben. Dennoch entschloss sich Spike, Max’ Warnung ernst zu nehmen.
„Archie
hat gesagt, entweder man verabscheut sie oder man verfällt ihr“, sagte er.
„Gut, sie ist attraktiv und hat wahrscheinlich einen Hang zu irgendwelchen
perversen Sachen, früher als Vampir wäre ich wohl voll auf sie abgefahren...
Aber ich weiß nicht... Jetzt bewirkt sie bei mir gar nichts mehr, eigentlich
ist sie mir scheißegal.“
„Und das
ist gut so. Außerdem ist sie lange nicht mehr so attraktiv wie früher. Du
hättest sie mal mit zwanzig sehen sollen.“
„Diese
Augen sind ja auch faszinierend“, gab Spike zu und bezog sich auf Zirzas tiefschwarze
Alienaugen, die so wunderbar mit ihrem korallenrotgeschminkten Mund
harmonierten.
„Findest
du?“
„Nicht
wirklich“, Spike musste grinsen. „Ich denke, ich kümmere mich jetzt mal ein
bisschen um Buffy. Ich glaube, das Erbsenpflücken ist ihr nicht gut bekommen.“
„Ich
wette, morgen tun ihr Knochen weh, von denen sie keine Ahnung hat, dass sie sie
überhaupt besitzt.“ Max lachte.
Spike
lachte auch. „Dann muss ich das arme Buffylein wohl ein bisschen pflegen.“
Der
Gedanke, das arme Buffylein ein wenig pflegen zu müssen, schien auf einmal
ziemlich verlockend zu sein, und er verabschiedete sich von Max mit den Worten:
„Spielen wir heute Abend eine Partie Billard?“
„Klar,
warum nicht“, sagte Max. „Ich hoffe nur, Zirza ist nicht da.“ Die Abneigung in
seiner Stimme war kaum zu überhören.
„Mass!“
flüsterte Morgan mit zärtlicher Stimme und schlang ihre Ärmchen um Max’ Knie.
„Ich
glaube, sie will bei dir bleiben“, sagte Spike verwundert, denn es geschah
nicht oft, dass Morgan ihre Liebe für jemanden entdeckte.
„Lass sie
ruhig hier. Ich muss nur kurz beim Erbsen-LKW vorbeischauen und kontrollieren,
ob sie alles aufgeladen haben. „Und danach gehen wir zu Kalybos und den Fohlen,
ist das okay, Morgan?“ Max konnte anscheinend gut mit kleinen Kindern, denn
Morgan führte wie eine winzig kleine Ballerina einen Freudentanz auf.
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Als
Spike mit Gwydion in der kleinen Wohnung ankam, saß Buffy schon frisch geduscht
mit nassen Haaren, ferner mit bequemen Klamotten versehen und das brennende
Gesicht eingesalbt, auf dem Sofa.
Er legte
Gwydion in seinen Sportwagen.
„Wo
warst du?“ fragte Buffy und rieb ihre nackten Beine – sie trug nur Shorts – mit
einer Aftersun-Lotion ein, denn außer ihrer Nase hatten auch ihre Beine etwas
zuviel Sonne abbekommen, was sie aber erst nach dem Duschen festgestellt hatte.
„Bei
Max“, sagte Spike und betrachtete sie fasziniert. Sie war wirklich sehr hübsch,
und ihre Beine waren auch sehr hübsch. Ihre Nase war auch sehr hübsch, obwohl
sie knallrot war. Trotz ihres Sonnenbrands oder vielleicht gerade deswegen
strahlte sie eine Frische aus, die ihn verdammt anmachte.
„Mein
Rücken tut mir immer noch weh“, klagte Buffy und rieb sich ihren Nacken.
Spike
trat von hinten an sie heran, legte seine Hände auf ihren Hals und fing
vorsichtig an, ganz zart ihre Nackenmuskulatur zu kneten, unmerklich zu kneten,
so dass es Buffy gar nicht weh tat, sondern im Gegenteil...
Sie
spürte seine kühlen Hände – Spike hatte eine permanente Untertemperatur von 34°
Celsius – und ließ sich fallen in einen Strudel der Erwartung.
...Der
natürlich nicht so endete, wie sie es erwartet hatte. Nach einer Weile des
aufreizenden zarten Massierens hörte er plötzlich auf damit, setzte sich neben
sie und fragte: „Was hältst du von ihr?“
„Sie ist
nett“, sagte Buffy, die sofort wusste, wen er meinte, ohne zu zögern. Zirza
hatte sie nicht bloßgestellt trotz ihres ziemlich lädierten Aussehens nach
einem Morgen in den Erbsenfeldern, und das musste reichen, um sie nett zu
finden. Außerdem war sie, Buffy, diejenige gewesen, die sich unmöglich benommen
hatte. Sie konnte von Glück sagen, dass Zirza nicht weiter böse auf sie war.
„Ich
finde, sie stinkt“, sagte Spike nach einer Weile.
„Waasss?“
„Sie
stinkt nach einem Parfüm, das ich noch nie ausstehen konnte. Ich weiß nicht,
wie Millionen von Männern es bei diesen Frauen geschafft haben, einen
hochzukriegen bei diesem Gestank.“
Buffy
fühlt sich irgendwie berührt bei dem Worten ‚hochzukriegen’. Oh ja, es brachte
sie richtig in Stimmung, dieses Wort.
„Ich
habe nichts gerochen.“
„Dieses
Parfüm, es riecht wie frischer Fisch, nein nicht so stinkig wie Seefisch, es
ist ein Süßwasserfisch, Vielleicht ist es eine Forelle oder ein Karpfen, aber
es ist, verdammt noch mal ein stinkiger Fisch.“
„Ich
habe wirklich nichts gerochen.“
„Ich
schon. Ich bin allergisch auf diesen Geruch. Und ich verstehe nicht, wie manche
Männer es ertragen können mit diesem Gestank. Oder die Frauen selber. Die
können noch nicht mal weglaufen vor ihrem eigenen Gestank.“
„Du bist
vielleicht zu empfindlich. Vielleicht hast du immer noch die gute Nase von
früher. Ich meine, du weißt schon...“ Buffy ließ den Satz in der Luft hängen.
„Das ist
es nicht! Dieses Parfüm grenzt an Körperverletzung. Weißt du eigentlich, dass
ich in den neunziger Jahren viele Frauen nicht getötet habe, weil sie dieses
Parfüm aufgelegt hatten?“
„Nein,
das weiß ich nicht, und ich will es auch nicht wissen!!!“
„Aber es
ist wahr. Wer dieses Parfüm erfunden hat, könnte sich damit rühmen, viele
Menschenleben gerettet zu haben. Vielleicht sollten sie damit werben.
Vielleicht eine Aufschrift machen, so in der Art wie:Dieses Parfüm rettet
Leben.“Spike lachte.
„Du
spinnst.“ Buffy fand das überhaupt nicht lustig. Jetzt fing er schon wieder an,
von seinem Vampirdasein zu erzählen. Hatte er irgendwie eine masochistische
Ader oder was?
„Nein
nein, da gab es noch ein anderes Parfüm, das war noch ein bisschen früher, es
roch nach Verwesung, weißt du, nach... süßlich ekelhafter Verwesung, es roch,
und das ist nicht übertrieben, verdammt noch mal wie eine tote Maus.“
„Spike
ich bitte dich!“
„Tote-Maus-Parfüm!
Manchmal glaube ich, die Menschen sind wirklich übergeschnappt. Wie kann man
sich so einen Mist auflegen? Aber vielleicht können sie alle nicht mehr richtig
riechen, diese Schnupfengeschädigten. Diese Glücklichen, die alle nicht mehr
richtig riechen können. Aber ich kann noch richtig riechen. Ja leider. Also,
wie gesagt, ich hätte eine Frau mit diesem Parfüm, sei es der Süßwasserfisch
oder die tote Maus, nicht über die Zähne gebracht.“
„Du
sollst aufhören, davon zu sprechen.“
„Warum
sollte ich nicht davon sprechen? Ich war nun mal ein Vampir. Und ich stand auf
Frischkost und nicht auf Aas oder gar auf Fisch, nicht auf diese widerlichen
Gerüche, die die Parfümindustrie aus mir unbekannten Gründen bevorzugt.“ Spike
schaute Buffy giftig an. „Warum kannst du nicht akzeptieren, dass ich ein
Vampir war?“
„Ich
kann es schon akzeptieren, aber du musst mir nicht immer irgendwelche Details
erzählen. Das ist wirklich ekelhaft.“
Spike
war sauer. „Gerade die Details, die machen es aus!“ Mit diesen Worten ging er
in sein Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu.
Buffy
guckte ihm verständnislos nach. Warum musste er sie immer wieder daran
erinnern? Konnte er die Vergangenheit nicht endlich ruhen lassen? Es wäre
soviel bequemer für sie beide, ganz neu anzufangen. Allerdings spürte Buffy bei
diesen Gedanken, dass das ein wenig zu einfach wäre.
Wenig
später hörte sie Gitarrengeklimper aus seinem Zimmer.
Spike
übte viel auf seiner Gitarre, egal ob sie in ihrer Wohnung waren oder draußen im
Garten.
Buffy
sagte seine Musik nicht viel. Manchmal kamen ihr einige Sachen vage bekannt
vor, dann aber wurde die Melodie von Spike verfälscht, glitt in etwas anderes
hinüber, glitt in etwas schräges, etwas disharmonisches hinüber, und Buffy
musste den Kopf schütteln. Sie konnte keinen Sinn in diesen Übungen sehen,
abgesehen von den Fortschritten, die Spike anscheinend machte. Er spielte das,
was er wohl spielen wollte, mühelos und leicht.
Nur
konnte Buffy leider nicht viel damit anfangen. Warum spielte er nicht mal
Sachen, die sie kannte, Sachen mit Melodien, aber nein, er musste ja diese
versetzten kleinen seltsamen Stücke spielen, die sich anhörten, als wären sie
aus dem ursprünglichen Zusammenhang herausgerissen.
Egal.
Irgendwie freute sie sich auf den Abend.
Zirza
war bestimmt eine interessante Frau, auch wenn Spike sie aus irgendwelchen
unerfindlichen Gründen nicht riechen konnte.
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KAPITEL VI Teil 3
Nachdem
Buffy ins Haus gegangen war lächelte Zirza, sie nahm einen kleinen Gegenstand
aus ihrer Handtasche und schaltete ihn aus.
Sie
durfte die Batterien nicht vergeuden. Sie hatte zwar genug Ersatzbatterien
dabei, aber wenn sie wider Erwarten aus irgendwelchen Gründen zur Neige gehen
würden, hätte sie hier in diesem Kaff Campodia keine Möglichkeit, sich neue zu
besorgen, und sie stünde schutzlos mit ihren Gedanken da.
Welch
entsetzliche Vorstellung!
Dieses
Kind durfte ihre Gedanken nicht lesen, denn Zirza ließ sich nicht gerne in ihre
Gedanken schauen, und durch den GWU konnte sie das verhindern. Der GWU war ein
fantastisches kleines Gerät, das ihre Gehirnwellen nach außen hin zerhackte und
eventuellen neugierigen Telepathen keine Möglichkeit ließ, ihre Gedanken zu
lesen oder die Bilder zu sehen, die Zirza in ihrem Kopf sah. Schlimme Bilder
vielleicht. Verräterische Bilder... Bilder, in denen Leute tot in oder unter
ihrem Blute lagen. Und so weiter...
Was sie
allerdings ein wenig verwirrte, das war der Vater der beiden Kinder. Auf den
Fotos war seine Ausstrahlung gar nicht richtig zur Geltung gekommen. Lilah
hatte einen guten Geschmack gehabt. Hätte sie ihr gar nicht zugetraut. Zirza
spürte in diesem Mann etwas Verwandtes, aber sie konnte sich nicht erklären,
was es war. Vielleicht sollte sie mit ihm einen weiteren Versuch starten, der
sich letztendlich doch wieder als Niete entpuppen würde. Sie hatte da schon
ihre Erfahrungen gemacht.
Der
kleine Gwydion allerdings konnte ihr bei weitem gefährlicher werden als seine
Schwester. In seiner Nähe verspürte Zirza auf einmal die ganze Wahrheit ihrer
Natur, sie verspürte ihren Hass, ihre Boshaftigkeit, ihre Gnadenlosigkeit und
ihre Andersartigkeit, die sie von jedem Menschen unterschied, den sie bisher
kennen gelernt hatte. Sogar die von der Firma, die wirklich bösartig waren, waren
nicht so bösartig wie Zirza.
Nicht,
dass es Zirza etwas ausgemacht hätte, in einen Spiegel zu schauen und ihr
wahres Wesen zu erkennen, nein sie kannte ihr wahres Wesen. Sie war nicht
wirklich böse, nein wirklich nicht, sie war nur absolut bar jeder Moral... UND
SIE WAR ALLEIN! Kein Mensch war ihr jemals gefühlsmäßig nahe gekommen und hatte
sie geliebt. Niemand war ihr nahe genug gekommen, weil sie alle im letzten
entscheidenden Augenblick vor ihr zurückgeschreckt waren, zurückgeschreckt vor
ihrer Abscheulichkeit und Fremdartigkeit, denn Zirza stand der Spinne und der
Gottesanbeterin wesensmäßig näher als den Menschen. Und natürlich hätte Zirza
diesen Menschen verachtet, falls er es geschafft hätte, ihr nahe zukommen.
Menschen waren für sie eine geistig zurückgebliebene sentimentale Spezies mit
total uninteressanten moralische Begriffen, die wirklich zum Piepen waren.
Mit diesen moralischen menschlichen Begriffen hatte Zirza nichts am Hut. Ihre Ehe mit Archibald funktionierte nur deshalb so gut, weil sich das Paar nur alle paar Wochen sah. Sie konnte ihn leicht täuschen und von ihrem wahren Wesen ablenken. Im Bett hatte sie Sachen drauf, die ihn das andersartige Wesen seiner Frau vergessen ließen. Sie duldete ihn und mochte ihn seltsamerweise. Aber natürlich würde sie ihn beiseite räumen, wenn es erforderlich wäre. Vermutlich würde dieses schon bald der Fall sein.
Aber sie
war allein. Und ihr eigenes ‚Kind’ war tot. Es war so grässlich entstellt, dass
Zirza es vor Enttäuschung fast selber getötet hätte, aber es war von alleine
gestorben. Diese entsetzliche Missgeburt!
Dabei
hätte ihr Kind sie vielleicht lieben können. Nein falsch, Liebe brauchte sie
nicht, sie brauchte nur jemanden, der so war wie sie. Das Kind wäre von ihrer
Art gewesen, wäre eine neue Spezies gewesen. Sie hätte sich später mit ihm
paaren können, es war ein männliches Wesen, und Zirza hatte nun mal keinerlei
Bedenken moralischer Art. Sie hätte eine neue Art erschaffen können mit Wesen
wie sie selber. Mit Wesen, die nicht so gefühlsduselig waren wie Menschen. Aber
es gab kein Kind. Es gab nie mehr ein Kind, das überlebte, mit wem sie es auch
versuchte, und das waren nicht wenige. Einmal kam – immerhin einmal – wieder
ein entstelltes hässliches, nicht lebensfähiges Ding dabei heraus, und sie
musste es mit eigenen Händen töten, weil es so entsetzlich lang an seinem
erbärmlichen Leben hing und einfach nicht von alleine krepieren wollte.
Archie
hatte nie etwas von dieser Schwangerschaft bemerkt, denn Zirza war in den
verräterischen Monaten auf Geschäftsreisen unterwegs und hielt sich somit von
Campodia fern. Irgendwann hatte sie die Hoffnung aufgegeben, sich selber
Nachwuchs verschaffen zu können. Zirza wartete nun auf andere Angehörige der
neuen Spezies. Sie konnte doch nicht die einzige sein. Sie hatte sich in der
Genetik kundig gemacht und wusste natürlich, dass große Sprünge im Erbgut ganz
plötzlich auftreten, aber was nützen einem die größten Sprünge, wenn das
Ergebnisse nicht sofort lebensfähig ist. Aber irgendwo, irgendwann musste und
würde doch einer am Leben bleiben....
Jedenfalls
wartete Zirza auf jemanden, der ihr ähnlich war. Und der einfach nicht kommen
wollte. Und mittlerweile dachte sie sogar daran, sich klonen zu lassen, falls
das irgendwie möglich war. Die Firma würde ihr bestimmt dabei behilflich sein.
Was
Zirza nicht wusste, war, dass sie nur ein zufälliges Produkt war, eine
kurzfristig auftauchende und danach nie wieder erscheinende Abart der Natur –
und dass die Wesen, die sie als neue Rasse erwartete, eigentlich schon lange da
waren. Man nannte sie Vampire, und es waren zwar Wesen, aber keine Lebewesen.
Zirza hatte von ihnen die Boshaftigkeit und das Fehlen jeglicher Moral geerbt.
Sonst hatte sie eigentlich nichts von ihnen geerbt. Aber sie war ihnen schon
sehr ähnlich... Wenn sie jemals einen Vampir ‚kennen gelernt‘ hätte, dann wäre
ihr wohl einiges klargeworden und sie hätte sich willig verwandeln lassen. Aber
trotz ihrer Nähe zur Firma hatte sie nie einen leibhaftigen Vampir getroffen.
Und in
Spike spürte sie wahrscheinlich die Reste seines Vampirseins, und das verwirrte
sie ein wenig. Nicht viel, aber es verwirrte sie.
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KAPITEL VI Teil 4
Buffy,
Zirza und die blonde hagere Lola Wiggam machten sich spätabends zurecht, dieses
geschah natürlich an einem Samstag, weil am Samstag der Laden proppevoll war,
zumindest viel voller als an den Werktagen.
Sie
hatten vor, in die berühmteste Kleindisco von New Brunswick zu gehen. Berühmt
war die Disco deswegen, weil es die einzige Disco in N.B. war.
Vor zehn
Uhr sollte man allerdings dort nicht erscheinen, wie Ortskundige berichteten.
Vor zehn Uhr war dort nur tote Hose angesagt.
Buffy
wunderte sich nicht, dass die hagere blonde Lola Wiggam mitging, denn diese
Dame schien ziemlich scharf zu sein, Buffy hatte sie schon mal aus den Ställen
kommen sehen mit ein wenig Heu in den Haaren. Was nicht weiter schlimm gewesen
wäre, aber ein paar Minuten später war auch Archie aus den Ställen gekommen,
und sein Gesichtsausdruck sah so nach befriedigtem Kater aus.
Seltsam,
dass diese hageren blonden Frauen so einen Erfolg bei Männern hatten.
Eigentlich traute man ihnen das nicht zu, aber sie überraschten einen immer
wieder. Oder waren es die Männer, die einen immer wieder überraschten durch
ihren (absonderlichen) Geschmack?
Die
Disco war nicht besonders groß. Es gab eine quadratisch gebaute Theke mit drei
Seiten zum Sitzen, an allen drei Seiten schon recht umlagert, und Zirza ordnet
an: „Wir setzen uns auf keinen Fall an einen Tisch, sondern an die Theke!“
Buffy
ist das recht, denn sie haben an der Bar im Gutshof schon ein paar Likörchen
genommen, die ihnen ironischerweise Lola Wiggams Mann serviert hat, dem es
anscheinend egal ist, dass seine Frau ohne ihn ausgeht, und die Welt ist heute
Abend schön weich schattiert und sehr freundlich.
„Hallo
Dennis“, hört sie neben sich Zirza jemanden begrüßen.
„Hallo
Zirza, wie geht’s dir“, sagt der Angesprochene und redet weiter: „Sag mal
Zirza, wer zum Teufel ist diese bezaubernde kleine Frau da neben dir.“
Zirza
lacht und stellt ihm Buffy als liebe Freundin vor.
Buffy
trinkt locker mit ihren beiden Kameradinnen mit.
Buffy
lässt ihre Blicke schweifen und sieht sie einen ihr bekannten Mann an der Theke
gegenüber auf einem Barhocker sitzen. Er schaut nachdenklich in sein Glas
(Whiskeyglas?) und hat anscheinend keine Augen für seine Umwelt.
Sie geht
zu ihm hinüber, sie stellt sich neben ihn, stupst ihn an und sagt so ganz
nebenbei, und es ist ein Schuss ins Blaue: „Du denkst an sie, was?“
„Sieht
man das so offenkundig?“ Max ist überrascht.
„Ich
sehe es!“ sagt Buffy.
„Aber
das ändert nichts daran, dass sie unerreichbar für mich ist.“ Max schaute sie
an, mit einem Schmerz in seinen grauen Augen, den Buffy noch nie bei ihm
gesehen hat.
„Aber
warum denn? Gut, du bist viel älter, aber ihr seid so ein schönes Paar“, sagt
Buffy.
„Es ist
etwas aus meiner Vergangenheit...“ sagt Max leise.
„Lass
mich mal überlegen“, Buffy hat da so einen Verdacht und legte den Kopf in den
Nacken.
„Du
hattest was mit Zirza!“ sagt sie schließlich triumphierend.
Max
schweigt.
„Du
schaust sie immer so hasserfüllt an. Das sieht man“, sagt Buffy.
„Sieht
man das?“ Max scheint erschrocken zu sein.
„Ich
sehe es.“
„Buffy,
bitte nimm dich vor ihr in acht. Sie kann sehr... unangenehm werden. Nein das
ist falsch, sie ist unangenehm.“
„Aber
sie ist doch nett.“
„Nett?
Oh Gott!“ Max schweigt eine Weile. „Wenn nett sein bedeutet, dass sie dich
manipuliert und dich zu Taten treibt, die du normalerweise nicht im Traum
begehen würdest, gut... dann kannst du sie nett nennen.“
„Ooooh?“
Buffy ist ein bisschen geschockt.
„Also
pass auf deine Drinks auf und... ach was, du bist ja eine Jägerin so wie Andy“,
Max lächelt, „und kannst selber auf dich aufpassen. Willst du vielleicht
tanzen?“
Buffy
überlegt. „Nein besser nicht“, sagt sie dann schließlich. „Du würdest ja doch
nur an sie denken.“ Buffy ist in diesem Augenblick für ihre Verhältnisse
unglaublich einfühlsam.
„Du hast
recht,“ sagt Max. „Und du? Du würdest auch nur an ihn denken. Und deswegen gehe
ich jetzt besser nach Hause.“
Max
erhebt sich von seinem Barhocker, wirft einen Geldschein auf die Theke und
macht Anstalten, die Disko zu verlassen.
„Trau
ihr nicht“, sagt er noch einmal eindringlich zu Buffy.
Buffy
starrt ihm nach, als er die Disco verlässt. Sie glaubt nicht wirklich, dass
Zirza gefährlich ist, nein, das kann nicht sein. Max muss sich irren.
Zirza
beobachtet Buffy und Max von der anderen Seite der Theke aus. Max könnte
unangenehm werden, aber sie kann nichts gegen ihn unternehmen, er ahnt oder
weiß vielleicht einiges über sie und könnte ihr gefährlich werden, der
Dreckskerl.
Buffy
hat jetzt das dringende Bedürfnis, noch mehr zu trinken.
Und sie
hat das Bedürfnis, sich zu amüsieren. Sich mit einem richtigen Mann zu
amüsieren, der sie zu schätzen weiß, denn ein durchgeknallter Ziegenbock ist
zwar ganz nett, aber nicht ganz das gleiche wie ein richtiger Mann...
Denn ihr
Ehemann scheint sie offensichtlich nicht so zu schätzen, wie eine Ehefrau
offensichtlich geschätzt werden will. ....
Also
stürzt Buffy sich in das Vergnügen. Sie trinkt einen seltsamen grünen Likör,
der ziemlich hochprozentig ist und dieses durch seine Süße verbirgt.
Man gibt
sich gegenseitig Likörchen aus. Die Frauen geben natürlich selten einen aus,
das ist auf dem Lande nicht üblich, auf dem Lande bezahlt immer noch der Mann
(Böse Zungen behaupten, dass schon diverse Männer pleite gegangen sind, weil
sie aus Versehen zwei bis drei ihnen bekannte Frauen in einer Kneipe getroffen
haben). Und der Bezahler, das ist in diesem Fall der Metzgermeister Dennis, der
ist von Buffy fasziniert, schaut sie bewundernd an und weicht nicht von ihrer
Seite.
Bis sie
auf die Tanzfläche geht. Ab da sind seine Blicke nicht mehr bewundernd, sondern
anbetend und verlangend.
Buffy
geht auf die Tanzfläche und tanzt. Sie tanzt für sich allein, aber in
Wirklichkeit tanzt sie für Spike, der aber nicht hier ist...
Also
tanzt sie für Dennis, sieht aber in ihrem zunehmend benommener werdenden
Zustand Spike an der Theke stehen. Spike, der ihr bei Tanzen zusieht. Eine
schöne Illusion!
Buffy
gerät immer mehr in einen wunderbaren Rauschzustand. Wenn sie aufs Klo geht,
hört sie rhythmische Klänge und tanzt dazu, bis sie herausfindet, dass es sich
um die Geräusche handelt, die die Lüftung macht,. Ist aber trotzdem ein irrer
Sound, und er wiederholt sich immer wieder... Phantastisch.... Buffy muss
kichern: Lüftung!
Dennis
sieht nicht schlecht aus, tatsächlich sieht er im Laufe der Nacht immer besser
aus, und seine Aufmerksamkeit gehört nur ihr allein, stellt Buffy fest.
Sie kann
sagen, was sie will, Dennis ist von ihr fasziniert. Und sie kann tun, was sie
will, auch davon ist er fasziniert.
Wenn sie
sich von der Theke wegdreht, dann dreht er sich auch von der Theke weg.
Wenn sie
ein paar Schritte von der Theke weggeht, dann geht er auch ein paar Schritte
von der Theke weg. Er hängt wie eine Marionette an ihr. Das ist irre! Es ist
ein wahnsinnig gutes Gefühl, jemanden so dirigieren zu können, und es gibt ihr
ein Gefühl von Macht, das den Frust verdrängen muss, den sie mit Spike
erlebt...
Zirza
beobachtet Buffy und Dennis. Für Lola Wiggam, die im Laufe der Nacht, und zwar
als der Laden offiziell schon geschlossen hat, eine schnelle Nummer mit dem gut
aussehenden jungen Barkeeper auf einer Bank macht, interessiert Zirza sich
nicht.
Sie
interessiert sich nur für Buffy und für Dennis.
Denn
Buffy ist so ein liebes Mädchen und so ein liebebedürftiges Mädchen, so
vernachlässigt von ihrem Ehemann, den jeder als Bill kennt, der aber in
Wirklichkeit William Gwydion Pendrag heißt, früher ein Vampir war und William
the bloody oder Spike genannt wurde, dass Zirza diesem lieben einsamen Mädchen
gerne ein wenig Abwechslung verschaffen will, ein bisschen Selbstachtung und
Spaß.
Und auch
Zirza empfindet Spaß bei dieser Sache.
~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*
Buffy wachte am nächsten späten Morgen mit einem verquollenen Kopf auf, der wie sie meinte, eigentlich mehr zu Spike gehören sollte. Aber jetzt hatte sie ihn, und das Schlimmste war, dass sie sich an nichts mehr erinnern könnte. Höchstens an so ein ekelhaftes grünliches Getränk, von dem sie noch nie etwas gehört hatte und das es anscheinend nur in dieser Ecke des Universums gab. Jedenfalls ging es ihr mordsmäßig schlecht, und sie konnte nicht aufstehen.
Bis
schließlich Spike um die Mittagszeit anklopfte und Einlass begehrte.
„Oh!“ sagte
er mitleidig, denn Spike wusste, wie man sich nach einem zünftigen Besäufnis
fühlte. Allerdings war dieser Anblick bei Buffy eher ungewohnt.
„Da ist
ein Typ, der behauptet, du wolltest zu ihm frühstücken kommen.“ Spikes Stimme
klang spöttisch und irgendwie ungläubig.
„Keine
Ahnung“, murmelte Buffy. „Wimmel’ ihn ab. Ich kenn’ keinen, mit dem ich... oh!“
Sie griff sich an die Stirn.
„Hast du
’ne Amnesie oder was?“
„Nein,
ich weiß nur nicht, was passiert ist“, sagte Buffy aufstöhnend.
„War
wohl’n bisschen viel gestern Nacht... Die haben dich vor die Tür gelegt, du
warst ziemlich weggetreten, nein das stimmt nicht, du hast wie bescheuert
gelacht, und dann bist du einfach umgekippt.“
„Das
kann nicht sein.“ Buffy spürte, wie ihr irgendetwas hochkam, das sie unbedingt
loswerden musste. sie sprang eilig aus dem Bett, Gott sei Dank trug sie noch
alles, was sie gestern Nacht angehabt hatte und lief ins Badezimmer, um sich
über der Kloschüssel zu übergeben. Als nichts herauskam, steckte sie sich einen
Finger in den Hals und würgte solange, bis sie ein ekelhaftes Zeug ausgewürgt
hatte mit ein paar dicken Brocken drin. Das war wohl das Abendessen von
gestern. Und die Kloschüssel... obwohl sie sauber war, die Vorstellung, dass
sie mit ihrem Gesicht über einer Kloschüssel hing, war schon ekelerregend
genug, so dass sie wieder einen Schwall von Flüssigkeit in die Kloschüssel
erbrach, ohne dass sie sich vorher einen Finger in den Hals stecken musste.
Als
nichts mehr herauskam, setzte sie sich auf den Rand der Badewanne und stierte
vor sich hin. Es war entsetzlich....
Sie
hielt ihren Kopf über die Badewanne und brauste sich mit eiskaltem Wasser den
Kopf ab. Das tat ein wenig gut, hielt aber nicht sehr lange vor.
Was
hatte Spike da geschwätzt? Ein Frühstück mit einem Typen? Sie hatte keine
Ahnung, was er meinte. Ihr fehlten mehrere Stunden der gestrigen oder war’s die
heutige Nacht...
Zu
peinlich das.
Buffy
frottierte sich vorsichtig die Haare, denn ihr Kopf tat höllisch weh, verließ
das Badezimmer, öffnete den Kühlschrank und griff sich eine Flasche
Mineralwasser, setzte sie sich an den Mund und nahm einen endlosen Schluck
daraus. Dann legte sie sich wieder ins Bett.
„Und was
soll ich dem Mann jetzt sagen?“ Spikes Stimme dröhnte in ihrem Kopf. „Was ist
denn jetzt mit dem Frühstück?“
„Ich
kenne keinen. Ich kenne kein Frühstück. Lass mich doch in Ruhe!“
„Also
wirklich Buffy, du kannst den Typen doch nicht erst einheizen und dich dann
verpissen, also, ich muss schon sagen...“
„Ach
halt die Klappe und lass mich in Ruhe!“
Spike musste
lachen. Er war zwar ein bisschen sauer auf sie, aber es schien nichts passiert
zu sein, weswegen sie sich Sorgen machen musste. Oder weswegen er sich
vielleicht Sorgen machen musste.
Buffy
wusste nicht, dass sie Glück gehabt hatte. Zirza hatte eigentlich geplant, sie
mit dem Metzgermeister Dennis, Inhaber der einer von den zwei Metzgereien in
Campodia, frisch geschieden und scharf wie eine Rasierklinge, ins Bett gehen zu
lassen, aber diese Pfeife Buffy konnte überhaupt keinen Alkohol vertragen und hatte
schon voll besoffen den entscheidenden Drink umgekippt, in dem sich die Tropfen
befanden, die sie vollkommen hilflos und geil machen sollten. Um dem
Metzgermeister Dennis zu willen zu sein. Und Dennis, ein ehemaliger Schulfreund
von Zirza, wollte auch nicht so mitspielen, wie es Zirza vorschwebte, er hatte
sich doch tatsächlich in Buffy verliebt, der Idiot, und sie zum Frühstück in
sein Haus eingeladen. Und jetzt war er total fertig, weil die süße Buffy sich
an nichts mehr erinnern konnte.
Aber
auch wenn er wie ein liebeskranker Kater um das Gut herumschlich – ach was, er
war ein guter Freund von Archie, er konnte offiziell kommen – würde das den
guten Spike ein wenig von seiner Frau entfernen.
Denn die
kostbaren Kinder waren leichter zu kriegen, wenn man sie von jeweils einem
Elternteil isolierte. Das bedeutete Verlust an Schutz und so weiter... War zwar
ein guter Schachzug von diesem Spike gewesen, das mit Heirat, aber man konnte
es rückgängig machen. Denn das war Zirzas Aufgabe: Ein bisschen Sand ins Getriebe
streuen, die Eheleute voneinander zu trennen und die Scheidung in die Wege zu
leiten. Allerdings machten die beiden weder den Eindruck eines glücklichen
Ehepaares noch den Eindruck, als ob sie kurz vor der Scheidung stünden.
Eine
wirklich harte Nuss. Da musste sie schon andere Geschütze auffahren.
© Ingrid
Grote 2004 Fortsetzung HIER
Alle
Romane befinden sich auf: LONGSTORIES>>>
und der Rest dort: SHORTSTORIES>>> bEST of bLOG>>>