KAPITEL VII Teil 1
Es
geschah nicht oft, dass Daddy Archibald seine Tochter Andromeda schockte, aber
diesmal hatte er es geschafft. Erstens war Archibald sauer auf seine Tochter
wegen der Schadensersatzklage, die ihm der Anwalt eines von seiner Tochter
verprügelten kleinen Idioten hatte zukommen lassen
Er hatte
die Klage zwar verhindert durch Zahlung einer großzügigen Summe an die Familie
des kleinen Idioten, aber Andromeda wurde allmählich zu teuer, sogar für ihren
wirklich begüterten Vater. Ihr Gerechtigkeitssinn in allen Ehren, aber musste
sie den Jungs immer gleich die Nase einschlagen? Das Kind schien unbefriedigt
zu sein.
Archibald
war kein Heuchler wie andere Väter, die ihre fast erwachsenen Söhne in einen
Puff schickten, damit sie die ‚Liebe’ kennen lernten, und die andererseits
ihren fast erwachsenen Töchtern einen Keuschheitsgürtel anlegen wollten, nein,
so einer war Archibald nicht. Er meinte allen Ernstes, wenn Andy mal so richtig
guten Sex hätte, dann wären ihre Gelüste auf eingeschlagene Nasen vielleicht
nicht mehr ganz so groß. Und diese seine Meinung teilte er seiner Tochter auch
ganz unverblümt mit.
„Das hat
doch gar nichts miteinander zu tun“, sagte Andromeda empört. „Also wirklich
Daddy, du mit deinem zwanghaften Denken an Sex. Du bist nicht ganz normal!“
„Und du
bist auch nicht ganz normal!“ konterte ihr Daddy.
„Ich
höre mir das nicht mehr länger an“, Andromeda war wirklich wütend. „Ich gehe
jetzt zu Max, der würde er mir nie so einen Quatsch erzählen.“
„Geh’
ruhig zu Max.“ Archie erhob seine Stimme ein wenig. In diesem Augenblick war er
im Gegensatz zu sonst ein kleines bisschen eifersüchtig auf Max und sein gutes
Verhältnis zu Andy und musste seiner Tochter unbedingt einen reinwürgen.
„Meinst du, dein Max bleibt ewig hier? Neeiiin!!! Bestimmt nicht! Irgendwann
wird er heiraten und Kinder kriegen, und dann wird er woanders seinen eigenen
Betrieb aufmachen.“
Andromeda
war geschockt. Max gehörte so zu ihrem Leben, dass alleine die Vorstellung, er
könnte eines Tages nicht mehr da sein, vollkommen absurd war. Vollkommen
unvorstellbar war.
„Quatsch!“,
giftete sie. „Max und heiraten! Er ist doch gar nicht der Typ dazu!“
„Andromeda,
ich bitte dich! Ist er schwul?“ Archie machte eine effektvolle Pause, bevor er
weitersprach: „Oder ist er impotent?“
Andromeda
erinnerte sich an einen gewissen Abend vor ein paar Jahren und musste sich
selber zähneknirschend beide Fragen verneinen. Automatisch schob sich dieses
Bild vor ihre Augen, als er mit dieser Frau in seinem Schlafzimmer... Aus ihr
unbekannten Gründen hatte sich dieses Bild in ihr Gehirn eingeätzt.
Sie
schüttelte den Kopf, teils, um die Frage ihres Vater nach Max’... oh Gott...
Potenz zu verneinen und teils, um das Bild zu verscheuchen.
„Aber
was soll er woanders?“ fragte sie schließlich, kleinlaut geworden.
„Du bist
wirklich naiv, mein Kind. Meinst du, Campodia ist der Nabel der Welt?“ Die
Stimme ihres Vater klang nun ein wenig sarkastisch.
„Max
wird nie von hier weggehen“, sagte Andromeda verzweifelt.
Ihr
Vater hatte etwas aufgeweckt, was sie gar nicht wissen wollte. Natürlich war
das Verwalterhäuschen viel zu klein für eine Familie. Familie? Nein! Das war
unvorstellbar. Max mit einer Frau, die immer um ihn herum wäre und eventuell
mit Kindern? Er hätte dann bestimmt keine Zeit und kein Interesse mehr, sich um
Andromeda zu kümmern.
Er
könnte allerdings auch weggehen von Campodia. Das wäre vielleicht noch
schlimmer.
Andy ist
verunsichert. Sie hat sich noch nie die Frage gestellt, ob Max eines Tages
heiraten wird, ob er Kinder haben wird und ob er hier auf dem Gut bleiben wird.
Alles
war für sie selbstverständlich: Dass Max nicht heiraten wird, ja vielleicht hat
er irgendwo Kinder, er hat mit verdammt vielen Frauen rumgemacht, so kam es ihr
jedenfalls vor, aber andererseits ist er sehr vorsichtig – wieder erscheint das
Bild von damals vor ihren Augen, und wieder schüttelt sie den Kopf, um es zu
vertreiben.
Ihr
Vater schaut sie an, als wäre sie nicht ganz gescheit.
Die
Frauen, die waren nie sehr lange da, war alles nichts Ernstes, oder wird er
doch irgendwann einmal....? Aber er wird auf jeden Fall hier in Campodia
bleiben. Alles andere ist für Andromeda nicht vorstellbar.
Alles
andere ist absolut erschreckend. Das fühlt sie auf einmal so deutlich, dass sie
nach Luft ringen muss. Sie muss mit ihm sprechen, ihn fragen, was er vorhat.
Und sie
schämt sich, weil sie noch nie daran gedacht hat, dass er vielleicht irgendwann
heiraten und Kinder haben will. Sie schämt sich, und außer der Scham ist da
noch ein anderes Gefühl, sie kann es nicht benennen, denn der Gedanke an eine
zukünftige Frau Lakosta verstört sie und tut gleichzeitig auf seltsame
unbekannte Art weh..
„Ich
muss noch mal weg“, sie verabschiedet sich nicht von ihrem Vater, der ihr
verwundert nachschaut, stürmt die Treppe hinunter und läuft über den Hof zu
Max' Haus.
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Die
Lakostas waren Nachfahren ungarischer, böhmischer und deutscher Einwanderer.
Sie lebten in den eher bescheidenen kleinen Häusern des Unteren Dorfes.
Max war
der uneheliche Sohn eines Frühsaisonarbeiters, der wie Max' Mutter berichtete,
ein italienischstämmiger gutaussehender Schurke auf dem Campeschen Gutshof war
und der sich am Ende der Saison im wahrsten Sinne des Wortes vom Acker gemacht
und nie erfahren hatte, dass ein Sohn von ihm in Campodia lebte.
Der
kleine Max wuchs also vaterlos auf, erzogen wurde er von seinen größeren
Vettern.
Der
kleine Max war ein richtiger Rotzlöffel, prügelte sich laufend mit den größeren
Jungens aus dem Dorf herum, ließ sich absolut nichts gefallen und war aufgrund
seiner körperlichen Stärke auch für die größeren Jungens ein gefährlicher
Gegner. Er war ein richtiger Tunichtgut, ging selten zur Schule, trieb sich mit
seinen Vettern herum, bis er dann mit ungefähr fünfzehn Jahren den Dreh kriegte
und sich selber aus dem Sumpf herauszog. Er fing an, regelmäßig in die Schule
zu gehen, wo er viel aufzuholen hatte, und er fing an, neben der Schule Jobs zu
haben, um mit dem Geld seine Mutter zu unterstützen.
Archibald
von Campe, der sich immer einen Sohn gewünscht hatte, fand Gefallen an dem
mittlerweile schon größeren Rotzlöffel und ließ ihn auf dem Gut in den Ställen
arbeiten, wo er sich verantwortungsvoll und gewissenhaft zeigte. Archibald
ermutigte ihn auch, in Boise Ökonomie zu studieren, denn Max liebte das Land
und wollte nie in die Stadt ziehen, im Gegensatz zu fast all seinen
Altersgenossen in Campodia, die es magisch in die großen Städte wie San
Francisco oder gar Los Angeles zog. Max studierte also Ökonomie mit Schwerpunkt
Ökologie in Boise, der Hauptstadt von Idaho. Max wusste, dass in der
amerikanischen Landwirtschaft nur nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten
gehandelt wurde. Die meisten amerikanischen Anbauflächen waren mittlerweile so
ausgelaugt, so bar jeder natürlichen Nährstoffe und Mikroorganismen und
deswegen so stark überdüngt und außerdem übersättigt mit Pesti-, Fungi- und
Herbiziden, dass die landwirtschaftlichen Produkte schon hart an der Grenze zur
Gesundheitsschädlichkeit angelangt waren. Toten Boden wieder zum Leben zu
erwecken, alternative Landbestellung, das wurde Max' Traum.
Er
musste natürlich nebenbei arbeiteten, um das Studium zu finanzieren. Ab und zu
spielte er in der Basketballmannschaft des Colleges mit, aber unregelmäßig,
genauso wie er in der Wintersaison unregelmäßig Eishockey spielte (Wer das
Schlittschuhfahren auf dem rauen Eis des Unteren Teiches in Campodia erlernt
hat, der ist darin unschlagbar). Natürlich hätte er das Leben einer sportlichen
Drohne führen können, wie es an vielen Universitäten von vielen sportlichen
jungen Männern, die ihr Studium damit quasi finanzierten, praktiziert wurde,
aber Max hatte sich entschlossen, den härteren Weg zu gehen und in seiner
Freizeit zu arbeiten, sei es als Pizza-Auslieferer oder als Barkeeper.
Er ließ sich
nicht von Archibald unterstützen, er bat ihn nur darum, ab und zu an den
Wochenenden, wenn er seine Mutter besuchte – die übrigens mit 38 Jahren einen
Witwer aus dem Oberen Dorf geheiratet hatte und mit ihm sehr glücklich war –
auf dem Gut arbeiten zu dürfen. Was ihm Archie natürlich nicht verwehrte. Als
Max einen ausgezeichneten Abschluss am College machte, bekam er mehrere
Arbeitsangebote aus mehreren Staaten. Nachdem er zwei Jahre durch die Staaten
gereist war und sich alles mögliche an Landbestellung angeschaut hatte,
entschied er sich dafür, für Archie zu arbeiten, und der überließ ihm die volle
Verantwortung für das Gut. Archie hat es niemals bereut. Max verwandelte das
Gut in einen Reiterhof, züchtete Pferde, verkaufte sie mit Gewinn, verwandelte
totes Land in lebendigen Boden, ließ die Gäste arbeiten – sie arbeiteten mit
dem gleichen Eifer, mit dem Tom Saywers Freunde einen Zaun anstrichen, den Tom
eigentlich selbst hatte anstreichen sollen – und durch gutes Marketing
verkaufte Max die ökologisch angebauten pflanzlichen Produkte mit enormen
Gewinn, denn die sogenannte ‚Grüne Sache’ fand auch in den Staaten immer mehr
Anhänger.
Natürlich
war auch Andromeda ein Grund für Max, im Alter von vierundzwanzig Jahren nach
Campodia zurückzukehren, denn er fühlte sich für sie verantwortlich.
Irgendwie...
Seine
erste sexuelle Erfahrung machte der damals vierzehnjährige Max übrigens auf dem
Heuboden in den Ställen des Campeschen Gutshofes, bevor ein Reiterstübchen
daraus wurde, und zwar mit einem sechzehnjährigen Küchenmädchen. Das war ein
Jahr, bevor seine schöne sechs Jahre ältere Kusine Zirza auf ihn aufmerksam
wurde....Damals war sie frisch mit Archie verheiratet.
Was
nicht in der Familienchronik der Lakostas stand, falls denn überhaupt eine
existierte, war, dass irgendwann vor hundert Jahren ein Vampir eine Frau aus
Campodia erst gebissen, dann geschändet hatte und danach zu einem Vampir machen
wollte. Aber die Frau wurde nicht zum Vampir, sondern hatte außer einem
gehörigen Schock auch noch eine unerwartete Schwangerschaft am Hals. Und das
Kind, ein Mädchen übrigens, lebte! Es war zwar ein wenig bleich und konnte
nicht gut direktes Sonnenlicht vertragen, aber es lebte, fand einen Liebhaber
und späteren Ehemann, und es wurden weitere Kinder gezeugt.
Die
nächsten Generationen, die geboren wurden, waren seltsam hellhäutig und
lichtempfindlich aber ansonsten vollkommen normal. Es gab immer noch einige
ältere seltsam blasse Frauen von dieser Sorte in Campodia, und alle verspürten
eine unbewusste Angst vor einsamen Waldwegen und Unwettern, denn dort war es
passiert: Der Vampir, während er das Mädchen schändete, wurde vom Blitz
getroffen wurde, erwachte kurzfristig wie Frankensteins Monster zum Leben und
konnte ein Kind zeugen. Die Natur duldet nämlich eher ein Paradoxon als ein
Vakuum... Gut – irgendwann hatte das mutierte Vampir-Gen dann seine Kraft
verloren, jedenfalls war Max als indirekter Nachkömmling eines Vampirs ein
vollkommen normaler Mensch, wenn man einmal von seinen überdurchschnittlichen
Körperkräften absah, und Zirza, ein anderer indirekter Nachkömmling eines
Vampirs, war auch ein vollkommen normaler Mensch, wenn man einmal absah von
ihrer ungeheuren Boshaftigkeit.
Übrigens
gab es in Campodia ein geflügeltes Wort, von dem niemand mehr wusste, woher es
überhaupt kam.
Der
Spruch hieß: Möge dich der Blitz beim Beißen treffen...
Max ist
nicht da. Aber er kommt gerade aus dem Stall und führt sein Pferd, den riesigen
Mustang Zagato am Halfter. Es ist nicht gesattelt, es trägt nur eine Kandare.
Max behauptet immer, die Trense wäre nicht gut für die Pferde, weil gerade
unerfahrene Reiter zu hart damit umgehen, und außerdem wäre das Western-Reiten
viel bequemer.
Sie geht
langsam zu ihm hin. Er trägt eine blaue Latzhose, ein graues T-Shirt und derbe
Arbeitsstiefel und sieht aus wie ein ganz normaler Farmer, allerdings wie ein
besonders gut aussehender großer schwarzhaariger muskulöser Farmer...
„Ich
schicke ihn in den Urlaub. Er hat ihn sich verdient, der alte Knabe“, sagt Max,
als sie bei ihm angekommen ist. Max meint die Pferdeweide mitten im Wald, wo
sie im Sommer nach und nach die Pferde hinbringen, damit sie sich dort austoben
können, mitten in der Natur auf einer riesigen Weide, die so groß ist, dass man
die Umzäunung gar nicht bemerkt. Es gibt dort eine Art offenen Stall, damit die
Tiere bei Unwettern Unterschlupf finden können, und ab und zu bringt jemand vom
Gutshof den Tieren Heu und Stroh. Für Wasser ist gesorgt. Ein kleiner Bachlauf
befindet sich am Rand der Weide, es ist derselbe Bachlauf, der die Strulle im
Dorf speist, also hat er hervorragendes Wasser. Zagato trägt keinen Sattel,
weil Max den Sattel sonst den ganzen Weg zurückschleppen müsste.
„Ich
muss mit dir sprechen“, sagt Andromeda und spürt einige Schweißperlen auf ihrer
Stirn. Ist es heute wirklich so heiß oder schwitzt sie nur, weil sie sich so
aufgewühlt fühlt?
Alles an
ihr fühlt sich feucht an, ihr nackter Bauch zwischen dem Top und ihren
Bermudas, ihr Nacken, obwohl sie ihr üppiges Haar zu einem Pferdschwanz
hochgebunden hat, und sogar ihre nackten Knie scheinen feucht zu sein.
„Dann
komm mit. Wir laufen hin.“ Max lässt den Mustang los, der wie ein Hund hinter
ihm hertrottet.
Schweigend
schlagen sie den Weg an der Kirche ein, der in den Wald führt und sonst
nirgendwohin, denn hinter dem Wald bauen sich die Berge auf. Dreitausender
schon, obwohl sie gar nicht so hoch aussehen. Das kommt daher, weil das
Columbia Plateau, auf dem Idaho sich hauptsächlich befindet, schon auf einem
sehr hohen Niveau liegt. Deshalb wirken die Berge vielleicht höchstens wie
Zweitausender. Trotzdem ist das Panorama irre eindrucksvoll, der Wald, den man
voll überblicken kann, weil er zu den Bergen hin langsam aufsteigt und die
Gipfel der fünf Berge, die oben kahles Gestein zeigen und von denen der eine
auf seiner rechten Seite so aussieht wie das Profil des Expräsidenten Richard
Nixon.
„Wieso
heißt der nicht Nixon, wenn er schon so aussieht?“ sagt Max endlich, um das
Schweigen zu brechen. „Nein, stattdessen heißt er Everstone, ein wirklich
nichtssagender Name für einen Berg...“
„Jaaa...
Obwohl Everstone auch recht hübsch ist...“, Andy ist nicht ganz bei der Sache.
Sie weiß nicht, wie sie anfangen soll und denkt dann, ach was soll’s, ich frag
ihn einfach.
„Max,
sag mal, willst du eigentlich Kinder haben?“
„Also
wirklich, Andy“, Max muss lachen. „Darüber habe ich mir noch keine Gedanken
gemacht.“
„Ehrlich
nicht? Und willst du irgendwann einmal heiraten, vielleicht?“ Andromeda spürt,
wie ihr der Schweiß ausbricht, es ist wirklich verdammt heiß heute, es geht
kein Windhauch, aber das liegt wahrscheinlich an dem dichten Fichtenwald, durch
den sie gerade gehen. Sie gehen über einen schmalen ausgewaschener Waldweg, und
die hohen Bäume reichen bis an ihn heran. Der dichte Nadelteppich im Wald
dämpft alle Geräusche, und man hört auch keinen einzigen Vogel singen. Klar,
denkt Andy, im Fichtenwald gibt es keine Vögel. Und hoffentlich auch keine
Wildschweine.
„Was ist
los mit dir? Also, übers Heiraten habe ich mir auch noch keine Gedanken
gemacht.“ Max lacht wieder. „Und du weißt doch, wem mein Herz gehört.“ Das ist
ein uralter Scherz zwischen ihnen. Andy hat einmal als Kind gesagt, sie wollte
ihn heiraten, wenn sie einmal groß wäre, und Max hat daraufhin gesagt, dass er
zu dieser Zeit ganz bestimmt schon ein alter Sack wäre, aber dass er sie
trotzdem lieb hätte.
Hat er
sie immer noch lieb, oder hat er das mit dem Liebhaben nur gesagt, um die
damals achtjährige Andy ruhig zu stellen? Andromeda fühlt sich unbehaglich, sie
fängt an, auf dem holprigen Waldweg zu stolpern und meint, ein fernes Knurren
gehört zu haben. Sie hofft, es wäre ihr Magen gewesen.
„Was ist
denn?“ Max greift nach ihr, um sie am Fallen zu hindern.
Andromeda
hält sich an seiner Hand fest. Sie meint, eine Veränderung im Wetter
festzustellen. Und sie hat recht, sie fühlt sich unbehaglich, weil der
Luftdruck innerhalb kürzester Zeit rapide gefallen ist, was meistens der
Vorbote eines heftigen Gewitters ist.
Ein
Gewitter ist das Allerletzte, was sie jetzt will. Beim letzten Gewitter, das
sie im Freien erlebt hat, ist sie dermaßen in Panik geraten, dass sie die
Kontrolle über sich selbst verloren hat und hinterher nur noch ein winselndes
Bündel voller Angst und Schrecken war. Aber das ist schon lange her. Sie war
damals bei ihren Großeltern.
„Es ist
nicht mehr weit bis zur Weide, wir können uns da unterstellen.“ sagt Max ruhig,
denn er will Andromeda nicht noch mehr beunruhigen. Mittlerweile ist es ihm
klar, dass da ein Unwetter im Anzug ist, und zwar keins von schlechten Eltern.
Sie haben die Blitze hinter sich nicht gesehen, das Wetter kam von hinten,
jetzt sitzt es vor den hohen Bergen fest, und mittlerweile zuckt und blitzt es
am ganzen Himmel, dass es eine wahre Freude ist.
Sie
hören Zagato, der davon galoppiert in Richtung Gutshof. Max lässt ihn laufen,
zum einem, weil er nichts machen kann, zum anderen, weil Zagato den Weg nach
Hause von alleine finden wird.
Ein
erster kräftiger Donner ertönt. Ein sehr lauter Donner ist das. Und er ist nur
die Vorhut von weiteren .....
Und sie
kann sich an das Laute erinnern, das fürchterlich laut und bedrohlich ist und
an die gleißenden Lichter, die nach dem Lauten kommen. Immer abwechselnd ist
das, ein gleißendes Licht, so dass sie vor Angst die Augen zukneift und kurz
darauf ein ohrenbetäubendes Krachen, gegen das sie nichts machen kann, denn sie
ist nicht fähig, sich ihre Ohren zuzuhalten. Sie ist ja noch ein Baby, das zwar
ein bisschen laufen oder vielmehr stolpern kann, aber dass man sich die Ohren
zuhalten kann – was sind Ohren – davon weiß sie nichts...
Andromeda
versucht, nach links in den Wald zu laufen, um Schutz vor den Blitzen zu
finden. Und Schutz vor dem Donner.
„Verdammt
noch mal, Andy. Wo willst du hin?“ Max läuft ihr hinterher und hält sie fest.
Es fängt
urplötzlich an, zu regnen, als ob der Himmel alle Schleusen geöffnet hätte. Es
ist ein fürchterliches Chaos von Blitzen, von Donnerschlägen... Und ein
sintflutartiger Niederschlag rauscht vom Himmel herunter, dass es nur so
prasselt.
Dann
kommt das Nasse und saugt sich in ihren Kleidern fest, und dann kommt das
Kalte, das sie zum Zittern bringt. Sie findet schließlich in einem Haufen Laub
Zuflucht, das Laub erinnert sie wohl an die Decke, die sie zu Hause in ihrem
Bettchen hat, und sie deckt sich damit zu...
Andromeda
versucht, sich in den dichten Nadelteppich einzugraben.
Es
dauert Ewigkeiten, das Kalte, das Nasse, die Schmerzen, bis sie schließlich nur
noch leise vor sich hinwimmert. Und auf irgendwas oder irgendjemanden wartet,
der sie von diesen Sachen erlösen würde.
Aber es
kommt niemand.
Dann auf
einmal gibt es eine Änderung.
Jemand
berührt sie, und wieder hat sie Angst, es wäre das große Tier, das ihr schon
einmal Schmerzen zugefügt hat.
Aber es
ist nicht das große Tier.
Es ist
Max, und er ist warm und sicher, und sie schlingt ihre Arme um ihn, weil er so
warm und sicher ist.
Schlagartig
hört sie den Donner nur noch gedämpft, und auch die Blitze haben ihren
gleißenden Schrecken verloren.
Sie legt
ihren Kopf an Max’ Brust, und Max hält sie in seinen Armen, und sie ist
getröstet. Der strömende Regen verwandelt sich automatisch in eine erfrischende
Dusche nach einem heißen Tag.
Und
alles ist warm und gut.
Das
Gefühl der Beruhigung hält allerdings nicht lange vor und macht auf einmal
einem anderen völlig unerwarteten Gefühl Platz.
Einem
erregenden Gefühl, einem aufwühlenden Gefühl.
Sie legt
ihre Arme um Max Hals und fängt an, Max zu küssen.
Max ist
zuerst verwirrt, dann jedoch kann er ihr nicht widerstehen, er liebt sie
schließlich, und das Gefühl, sie so eng in seinen Armen zu halten, überwältigt
ihn, obwohl er weiß, dass daraus nicht Gutes entstehen kann.
Sie
küssen sich hungrig wie Besessene, und das sind sie wohl auch, sie erforschen
sich mit ihren Zungen, mit ihren Händen, liebkosen sich.....wie von Sinnen.
S i e l i e g e
n e i n e E w i g k e i t e n g u m
s c h l u n g e n a u f d e m N a d e l t e p p i c h. K ü s s e n s i c h
u n d s p ü r e n d e n K ö r p e r d e s a n d e r e n . . .
. .
Das
Gewitter hat sich mittlerweile entfernt, und der Regen ist wirklich nur noch
eine erfrischende Dusche nach einem heißen Tag.
Max ist
nach diesen ewigen Minuten derjenige, der sich als erster zurückzieht...
„Max?“
Andromeda verspürt einen schmerzlichen Verlust. Warum zieht er sich zurück?
Warum gerade jetzt? Sie kann es kaum ertragen, ihn nicht mehr zu spüren. Gerade
ist sie dabei gewesen, sich ihm hinzugeben, ohne nach irgend etwas zu fragen
und dann... Was zum Teufel ist los mit ihm? Warum steht er auf und lässt sie
allein?
„Ich
hätte das nicht tun dürfen“, sagt Max nach einer Weile verlegen.
„Warum
nicht?“ Auch Andromeda erhebt sich langsam..
„Es ist
nicht gut für dich. Du bist noch zu jung.“ Max’ Antwort auf ihre Frage klingt
schal und beschissen wie die Antwort mancher Erwachsener auf die Fragen von
Kindern.
„Warum
nicht?“ Andromeda lässt nicht locker. Sie hat etwas in ihm gespürt, das er mit
seinen dämlichen Erwachsenenphrasen nicht verleugnen kann. Also, warum zum
Teufel will er alles verleugnen, was gerade passiert ist?
„Andy,
du weißt doch, du bist mein Mädchen. Aber du bist noch viel zu jung dafür. Also
lass uns das vergessen.“
„Dein
Mädchen bin ich also? Warum erzählst du dann so einen Mist?“ Sie ergreift seine
Hand und streichelte sie.
„Wir
sollten jetzt nach Hause gehen“, sagt er streng, lässt aber zu, dass sie weiter
seine Hand streichelt und dann wie früher, als sie noch ein kleines Mädchen
war, ihre Handfläche unter seine schiebt. Als Zeichen des Vertrauens, und
instinktiv weiß sie, dass ihm das gefallen wird.
Er spürt
ihre Handfläche unter seiner Hand, und ihre Berührung fühlt sich so ... ja so
ergeben an, dass ihm die Augen feucht werden.
Oh Gott,
er liebt sie. Es darf nicht sein, aber was soll er dagegen machen. Dieser
endlos scheinende Kuss hat Wünsche in ihm aufgeweckt, die er bisher verleugnet
hat, sie ist das süßeste Geschöpf auf dieser Erde, und wenn sie auch nur ahnen
würde, was sie ihm bedeutet, könnte sie wahrscheinlich alles mit ihm anstellen.
Die
Blitze und der Donner hatten sich entfernt, und der Regen fiel nur noch als
sanfter Niederschlag, als Andromeda und Max den Waldweg in Richtung Gut
zurückgingen. Sie hatten sich bei den Händen gefasst, sie sahen beide aus, als
hätten sie sich zuerst im Dreck und dann im Schlamm gewälzt, sie sahen beide
aus, als hätten sie eine hitzige Liebesnacht miteinander verbracht, aber sie
hatten sich doch nur geküsst, und für Andromeda hatte sich auch nur ihr Leben
verändert.
Max, er
war es! Nur Max konnte ihre Ängste besänftigen, nur Max war es, der ihre
Erregung anfeuern konnte, nur Max war es. Nur er...
Als sie
nach einer Viertelstunde die Kirche und kurz darauf den Gutshof erreichten,
hielten sie sich immer noch an den Händen.
„Ich
komm nachher bei dir vorbei“, sagte Andromeda zu Max, löste ihre Hand aus
seiner und ging beschwingt in Richtung Herrenhaus.
Max sah
ihr sehnsüchtig nach und dachte: Jetzt ist es passiert, der Anfang vom Ende,
aber es ist schön, es ist so verdammt schön. Sie ist so schön, so gut... Was
zum Teufel soll ich nur machen?
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KAPITEL VII Teil 2
„
...nicht mit rechten Dingen zu, aber falls wirklich...“
Mehr
hörte Max nicht, als er an der Küche vorbeiging, wo sich Tante Bernadette und
Tante Mansell gerade leise unterhielten und sofort verstummten, als sie
jemanden an der Tür vorbeigehen sahen. Eigentlich wollte Max ein wenig
schwimmen gehen, sich sozusagen leicht bis schwer abkühlen, denn das
Zusammensein mit Andy war so erregend, dass sein Körper in Flammen stand. Das
Schlimmste daran war, dass sie nicht spüren durfte, wie sehr es ihn nach ihr
verlangte, er musste immer der ältere, der vernünftigere von ihnen sein, und
seine Beherrschtheit brachte sie ziemlich in Rage.
Kurz vor
der Tür zum Poolraum blieb Max stehen und dachte über die vielleicht vollkommen
unverdächtigen weil aus dem Zusammenhang gerissenen Worte nach.
Aber
möglicherweise war das eine Spur. Beide, Tante Bernadette sowie auch Tante
Mansell waren schon seit Jahren im Haus. Tante Bernadette noch länger als Tante
Mansell, die von Kassiopeia sozusagen als Brautgabe bei ihrer Hochzeit mit
Archie mitgebracht worden war. Mansell war Kassiopeias Lieblingstante und
Vertraute gewesen, sie war bei der unglücksvollen Geburt dabei gewesen, als
Kassiopeia unter den Händen des Arztes verblutete, und niemand, außer
vielleicht ihren Eltern, ihrer Schwester Lilah und vielleicht auch Archie,
trauerte mehr über Kassiopeias Tod als Mansell. Sie trug fast zwei Jahre lang
schwarze Trauerkleidung, und auch später wurde sie nie wieder die fröhliche
Person, die sie einmal gewesen war. Ihre Liebe zu Kassiopeia hatte sie auf
deren Tochter Andromeda übertragen, als ob sie etwas gutzumachen hätte. Was
natürlich Quatsch war, dachte Max, der immer noch vor der Tür zum Pool stand
und weiter nachdachte...
Auch
Tante Bernadette hatte zwei geliebte Menschen verloren, und zwar ihre eigene
Tochter und deren Kind, und das Schlimmste daran war, dass man sie verdächtigte
hatte, den Tod ihrer Tochter durch Fahrlässigkeit verschuldet zu haben. Nun ja,
Bernadette war ein bisschen kurzsichtig geworden, aber trotzdem konnte sie
immer noch einen Wiesenchampignon von einem Knollenblätterpilz unterscheiden.
Und dennoch waren wohl mehrere hochgiftige Pilze in das Pilzgericht gelangt,
das sie selber ihrer Tochter gebracht hatte, als diese ihr eigenes Kind und die
kleine Andromeda gestillt hatte. Die Tochter und ihr Kind starben, Andromeda blieb
am Leben, und Tante Bernadette erlitt einen Nervenzusammenbruch, der sie drei
Monate ans Bett fesselte. Die Anklage wegen fahrlässiger Tötung wurde
fallengelassen, es gab keine Beweise gegen Bernadette. Aber allein der
Verdacht, der auf ihr gelegen hatte, veränderte die Tante, ihr Wesen wurde
düster, und ihr Leben war trostlos seit dem Tod ihrer Tochter, zumal sie sich
die Schuld daran gab.
Während
er schwamm, dachte Max weiter nach. Die Abneigung der Tanten gegen Zirza war
kaum zu übersehen. Vielleicht nahm Tante Mansell es ihr übel, dass sie so
schnell die Nachfolgerin ihrer geliebten Nichte Kassiopeia geworden war. Das
konnte man verstehen. Aber was konnte Tante Bernadette Zirza übel nehmen? Max
fiel dazu absolut nichts ein, außerdem wurden seine Gedanken immer wieder durch
Andromeda abgelenkt, sozusagen umgelenkt, und er konnte sich zeitweilig nicht
mehr auf die... ach ja, die Tanten konzentrieren. Sie war so süß, ihre Küsse,
ihre Berührungen, sie war eben Andy, sein Mädchen. Und sie musste geschützt
werden. Das hatte Vorrang vor allen anderen Dingen, und Max spürte mehr hinter
den Worten, die er gerade gehört hatte.
Und wenn
dieses verdammte Weib irgend etwas damit zu tun hatte, dann würde er sie zur
Strecke bringen, und wenn er selber dabei draufging. Das war er Andy schuldig.
Wieder schweiften seine Gedanken ab zu ihr. Beim Schwimmen konnte man so
herrlich träumen.
Also,
die Tanten – Max riss sich von Andys süßer Gestalt los und auch von dem
Gedanken, dass ihre Brüste so perfekt in seine Hände passten – welche sollte er
sich zuerst vorknöpfen? Nein, Max, nicht die Brüste, verdammt noch mal, sondern
die Tanten! Wie konnte dieses Kind ihn nur so durcheinanderbringen? Das hatte
bisher keine andere Frau geschafft. Bis jetzt war Max immer der beherrschte und
der beherrschende Typ gewesen, der alles unter Kontrolle hatte, vor allem seine
Gefühle, was eigentlich nicht schwer war, denn Gefühle für Frauen hatte er
nicht viele gehabt.
Im
Gegensatz zu jetzt.
Also die
Tanten: Andererseits, wenn er sie sich alleine vorknöpfte, könnte dann die
erste die andere vorwarnen. Vielleicht wäre es besser, sie beide zusammen
auszuquetschen.
Eine
halbe Stunde energischen Schwimmens hatte nicht gereicht, um sein Verlangen
wirklich abzukühlen. Wahrscheinlich würde auch eine Eisdusche nicht imstande
dazu sein.
Ein paar
Minuten später öffnete Max die Tür zu Küche. Sie waren noch da, und das war gut
so. Max hatte sich entschlossen, auf volles Risiko zu gehen und so zu tun, als
wüsste er so einiges, um die Tanten damit sofort in die Defensive zu treiben.
„Dann
erzählt mir jetzt doch mal, was damals wirklich passiert ist“, sagte er zu den
Tanten, die vor ihm standen wie hypnotisierte Kaninchen
Was sie
ihm dann allerdings erzählten, ließ sein widerspenstiges, noch leicht nasses
Haar noch mehr in die Höhe stehen als es das normalerweise schon tat.
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Buffy
geriet allmählich unter Zeitdruck. Es war mittlerweile die letzte Augustwoche,
und sie hatte soviel Zeit mit Reiten und Lesen verbracht, dass sie vom Kochen
immer noch nicht viel Ahnung hatte. Die drei Nachmittage, die sie bei Tante
Bernadette in der Küche verbracht hatte, waren ausgefüllt mit dem Erlernen von
Grundkenntnissen, von denen Tante Bernadette behauptete, dass sie Buffy in der
Zukunft nützlich wäre und zwar, um alles mögliche kochen zu können.
Aber
Buffy glaubte das eigentlich nicht. Gut, sie hatte der Köchin zugeschaut, als
sie einen Braten zubereitete. Buffy hatte gelernt, dass man am besten alles,
egal ob Fleisch, Gemüse oder sogar Reis und Tomatenmark anbraten sollte, damit
sich die lecker riechenden Röststoffe entfalten konnten, rein gekochte Sachen
rochen dagegen nicht halb so gut. Sie hatte gelernt, Gemüse zu schneiden und
eine Soße Bechamel und eine Soße Hollandaise zuzubereiten, was sehr haarig
gewesen war mit dem Eigelb, das zum Schluss in die Hollandaise hinein musste.
Aber diese Soßen war wichtig, hatte die Tante gesagt, denn man konnte sie zu
allen möglichen anderen Soßen abwandeln, zum Beispiel zu einer Knoblauchsoße.
Aber Knoblauch? Sie wusste nicht, ob Spike Knoblauch essen würde, vielleicht
hatte er Angst, davon innere Blutungen zu kriegen... Ferner hatte Buffy
gelernt, dass Fleisch nicht gleich Fleisch war, dass man einen Rinderbraten
anders, nämlich heftiger anbraten musste als zum Beispiel ein Putengulasch. Und
dass der Rinderbraten viel länger gegart werden musste als das Putengulasch,
das angedünstet mit Knoblauch (schon wieder Knoblauch – sie musste Spike mal
danach fragen) und Zwiebeln nur ein paar Minuten in Sahne köcheln muss, und
wenn die Sahne dann noch nicht genug reduziert worden war (reduziert, was für
ein Wort, es hörte sich so professionell an) dann konnte man mit einem Hauch
Tomatenmark eine etwas dickere, aber relativ geschmacksneutrale Soße
hinbekommen. Eigentlich war das alles sehr einfach. Aber nie das Putengulasch
zu lange kochen, weil es dann aussieht und wahrscheinlich auch schmeckt wie...
ja wie Katzenfutter, dieses flitschige mit den kleinen Fleischstücken. Arrrggh!
Jetzt
also wollte Tante Bernadette ihr den Gemüsegarten des Gutes zeigen. Tante
Bernadette sah nicht gut aus, sie hatte verweinte Augen und dachte anscheinend
an ganz etwas anderes als an Gemüse und Gärten.
Auch
Buffy war nicht ganz bei der Sache. Der Urlaub war fast vorbei. Am Anfang hatte
es so ausgesehen, als hätten sie ewig Zeit gehabt. Aber jetzt, wo nur noch ein
paar Tage übrig waren, da konnte man leicht unter Zugzwang kommen. Buffy wollte
eigentlich gar nicht weg von Campodia. Warum nicht hier bleiben? Für die Kinder
wäre es fantastisch und für sie selber auch. Spike konnte auch von hier aus
sein Fernstudium durchziehen, und sie konnte in der Bibliothek alles in Ruhe zu
Ende lesen. Und vielleicht irgendwann einmal selber studieren. Ihr schwebte da
vage irgendwas mit Literatur vor. Und es waren so viele Leute da, die die
Kinder liebten und ab und zu auf sie aufpassen würden. Und ob sie jetzt in
Woodcape für das Haus Miete bezahlten oder hier, das war doch wohl egal.
Ja
wirklich, Buffy träumte vom Landleben. Campodia war wie ein Traum aus einer
vergangenen Zeit. Gut, es war ein raues Leben – auf den ersten Blick idyllisch,
auf den
zweiten Blick grausam –zum Beispiel wenn ein Schwein geschlachtet wurde, aber
das Schwein hatte ein relativ gutes Leben gehabt im Vergleich zu den anderen
armen Viechern in den Massenställen, die hinterher durchs halbe Land zu den
Schlachthöfen gefahren wurden. Jeder Städter verdrängt instinktiv dieses
Wissen. Der Städter kriegt schon Krämpfe, wenn er eine tote Taube sieht, denn
der Tod hat in der Stadt nichts zu suchen...
Und
vielleicht würde Andromeda irgendwann selber Kinder bekommen, und die könnten
dann mit Morgan und Gwydion spielen. Denn wie es aussah, hatten sie und Max
endlich zueinander gefunden, obwohl Max, wie Buffy meinte, noch nicht so
richtig aus’m Quark kam. Nun denn, Andy war noch so jung...
Aber das
waren wohl alles Träume. Erst einmal kam als Abschluss der Ferien der große
Sommerball. Genauer gesagt war er in vier Tagen am Wochenende. Und da Buffys
Tanzkenntnisse sich aufs Bluestanzen oder aufs Alleinetanzen beschränkten – im
Bronze zelebrierte man keine Gesellschaftstänze – hatte sie heimlich
Tanzunterricht genommen.
Nein,
nicht bei Spike. Bei Archibald. Welch ein Glück, dass Archie so nett zu ihr
war. Sie übten heimlich in der Bibliothek zu den Klängen eines Radios, und
Buffy fühlte sich nach ein paar Übungsstunden schon so tanzfest, dass sie dem
Ball ohne Schrecken entgegensehen konnte... Und Spike würde mit ihr tanzen.
Nein, Spike musste mit ihr tanzen. Anscheinend war er ein bisschen sauer über ihren
Verehrer Dennis, der sich von Spikes Unfreundlichkeit einfach nicht abschrecken
ließ, sondern weiterhin abends vorbeikam und sich mit Buffy unterhalten oder
sie wohl eher anhimmeln wollte. Vielleicht sollte Spike ihrem Verehrer mal
erzählen, dass sie verheiratet waren. Aber nein...
„Also,
hier sind die Zwiebeln, Buffy.“ Tante Bernadettes Stimme riss Buffy aus ihren
Träumen.
„Wo
denn? Ich sehe keine....“
„Nun,
sie sind unter der Erde“, Tante Bernadette seufzte auf und wischte sich kurz
über die Augen, dann bückte sie sich und bewegte vorsichtig die langen Stengel,
die aussahen wie Porree, hin und her, lockerte dadurch die Erde und zog
schließlich eine wunderbar geformte Zwiebel aus dem Beet heraus.
„Whow!“
sagte Buffy ehrfürchtig. Bei näherem Hinsehen konnte man die Zwiebeln im Boden
sehen, sie waren also nicht tief unter der Erde.
„Und bei
den Karotten ist es genauso“, fuhr Tante Bernadette mit jetzt leicht zitternder
Stimme fort und deutete auf ein wunderbar zartgrünes Blattgespinst, an dem sich
wohl unter der Erde die Karotte befand.
„Darf
ich mal eine rausziehen?“ Ohne die Antwort abzuwarten, rappelte Buffy an dem
zarten Grün herum... hatte es abgerissen, und die Karotte steckte immer noch im
Boden.
„Oh oh!“
„Hier
nimm diese kleine Schüppe und lockere den Boden erst einmal auf. Sie gehen
nicht so leicht heraus wie die Zwiebeln.“
Als
Buffy endlich mit Erfolg eine Karotte aus dem Boden geprockelt hatte, ging es
weiter zu den Salatbeeten. Das war nicht allzu schwer, der Kopfsalat und noch
ein paar andere Sorten, die Buffy aber nicht kannte, wuchsen freundlicherweise
über der Erde und mussten nur abgeschnitten werden.
„Endiviensalat“,
murmelte Tante Bernadette, „und Eichblattsalat. Und hier stehen die Gewürze.“
Sie deutete auf ein hoch gelegenes Beet, von dem man ohne sich zu bücken ernten
konnte und in dem so Sachen wie Petersilie, Schnittlauch, Liebstöckel und noch
viele andere Gewürze wuchsen, die Buffy aber auch nicht kannte. „Alles muss gut
gewaschen werden... Ich muss dir unbedingt noch zeigen, wie man Salatsoßen
macht.“ Wieder wischte sich Tante Bernadette über die Augen. „Aber heute nicht
mehr... Buffy, würdest du mich entschuldigen, ich muss noch etwas wichtiges
erledigen.“
„Natürlich“,
sagte Buffy mitfühlend. „Geht es dir nicht gut?“
„Es ist
nichts.“ Tante Bernadette machte eine abwehrende Handbewegung. „Es ist gar
nichts.“ Und ging mit langsamen müden Schritten zurück zum Herrenhaus.
Buffy
sah ihr verwundert nach, wurde aber dann abgelenkt von den
Johannisbeersträuchern, die mit prallen roten Fruchtbüscheln behängt waren, die
wahnsinnig verlockend aussahen. Buffy probierte ein paar, aber sie waren noch
verdammt sauer. Man musste sie in Zucker einlegen. Oh ja, Buffy hatte schon
viel gelernt. Ihr Blick wanderte zu den Erdbeeren. Die Erdbeerzeit war leider
schon lange vorbei, aber es wuchsen immer noch ein paar dicke Nachzügler an den
Erdbeerpflanzen. Buffy probiert auch davon eine, und die war... einfach
fantastisch. Nicht zu vergleichen mit denen, die man im Laden kaufen konnte.
Buffy suchte die Reihen der Pflanzen peinlich genau nach weiteren Nachzüglern
ab und wurde noch weitere Male fündig.
„Hey
Buffy. Hast du Max gesehen?“ Andy war neben ihr aufgetaucht.
„Hhmmm“,
Buffy hatte sich gerade ein besonders großes Erdbeerexemplar in den Mund
gesteckt. „Isch glaube, er ischt mit Schpike in die Kneipe gegangen.“
„Was??!!
Was zum Geier wollen die in der Kneipe? Warum können die ihr Bier nicht hier
trinken?“ Andromeda schien ein wenig sauer zu sein.
„Habt
ihr Stress oder was?“ fragte Buffy ein wenig neugierig.
„Nein“
Das Nein klang irgendwie zweifelnd, als ob Andromeda selber nicht wüsste, ob
sie nun Stress mit Max hatte oder nicht.
„Was ist
denn los?“
„Ach ich
weiß nicht“, Andy köpfte mit einem Holzstock, den sie mitgebracht hatte, zornig
eine der knackigen Dahlien, die die Reihen der Gemüsebeete auflockerten.
„Lass
die unschuldigen Blumen in Ruhe. Die können doch nichts dafür“, gab Buffy zu
bedenken. Es war wirklich ein sehr schöner Garten zwar ein Nutzgarten, aber
auch viele Blumen befanden sich dort, Dahlien, Gladiolen, duftender weißer
Phlox und andere, die Buffy noch nie gesehen hatte.
„Ich
glaube, er liebt mich nicht“, sagte Andromeda mit leiser leidender Stimme.
„Zumindest nicht so, wie ich ihn liebe.“
„So’n
Quatsch“, sagte Buffy. „Natürlich liebt er dich. Dieser Blick, wenn er dich
anschaut, den habe ich schon früher bei ihm gesehen, und ich habe früher schon
gedacht, der empfindet was für die Kleine...“
„Die
Kleine!“ Andromedas Stimme klang jetzt bitter. „Genau das bin ich für ihn. Ein
Kind!“
„Er
guckt dich nicht an wie ein Kind, Andy.“
„Aber er
behandelt mich wie ein Kind. Warum schläft er nicht mit mir? Weil ich ihn nicht
geil genug mache! Immer macht er einen Rückzieher, wenn...“ Andromeda köpfte
wütend eine weitere Dahlie.
„Ist es
nicht ein bisschen früh dafür?“
„Nein,
ich finde, es ist genau der richtig Zeitpunkt dafür, aber er will mich ja
nicht. Er will wahrscheinlich jede andere Schlampe mehr als mich!“
„Quatsch,
er liebt dich, das ist nicht zu übersehen.“
„Ach ja?
Tut er das? Er hat es mir nämlich noch nie gesagt. Also, woran bin ich mit
ihm?“
„Es gibt
Menschen, die sagen eben nicht gerne diese Worte“, meinte Buffy nachdenklich.
„Ich selber habe... diese Worte auch erst zweimal in meinem Leben gesagt.“
„Ist
nicht wahr!“ Andromeda war für einen Moment abgelenkt. „Erzähl doch mal.“
„Also“,
Buffy räusperte sich, bevor sie weitersprach. „Beim erstenmal war es bei Angel.
Aber er hat mich praktisch dazu gezwungen.“
„Wieso
gezwungen?“
„Er
brauchte meine Liebe, damit ich ihm seine Untaten verzeihen konnte. Ich habe
ihn nämlich gebeten, mir alles über die liebe Drusilla zu erzählen.“ Buffys
Stimme klang nun spröde und unsicher. „Er sollte mir alles erzählen, was er ihr
angetan hat, bevor er sie zum Vampir machte...“
„Ach du
lieber Himmel“, sagte Andromeda hilflos.
„Jaa,
war schon alles seltsam“, murmelte Buffy.
„Max
würde mich nie unter Druck setzen. Das kann ich mir gar nicht vorstellen.
Angenommen, Max hätte etwas Schreckliches getan, was ich mir aber auch nicht
vorstellen kann, und dann würde er mich fragen, ob ich ihn liebe, und wenn ich
dann ja, ich liebe dich sagen würde, dann würde er denken, alles wäre damit
verziehen? Das ist doch albern. Nein, Max würde so etwas nie tun“, sprudelte es
aus Andromeda heraus.
„Ja. Max
würde so etwas nie tun“, sagte Buffy mit versteinertem Gesicht.
„Und
beim zweitenmal? Hast du es Spike gesagt? Hat er dich auch dazu gezwungen?“
„Ja, es
war Spike“, gab Buffy zu. „Aber er hat mich nicht dazu gezwungen, er wollte
mich nie zu irgendwas zwingen, wenn man einmal absieht von....“ Hier verstummte
Buffy.
„Und war
es die Wahrheit? Stimmte es?“ fragte Andromeda gnadenlos.
„Ich
habe es wohl die ganze Zeit verdrängt gehabt“, Buffys Stimme zitterte, „aber
als er da in der Höhle vor mir... Ach Mist, es war schrecklich.“
„Aber du
hast es ihm gesagt?“
„Ja. Und
es war nicht aus Dankbarkeit für sein Opfer. Weißt du, Spike ist nicht blöd,
und das letzte was ich wollte, war seine Intelligenz zu beleidigen mit einer
erlogenen Liebeserklärung.“
„Wie hat
er denn reagiert?“ fragte Andy neugierig.
„Er hat
es verdammt noch mal nicht geglaubt. Er hat mir dafür gedankt, als wollte ich
ihm einen Gefallen tun, aber er hat es mir nicht geglaubt.“
„Das
ist...“ Andromeda fehlten die Worte, und sie vergaß für einen Augenblick ihr
eigenes sogenanntes Elend.
„Und es
war ihm anscheinend egal, ob ich ihn wiederliebe.“ Buffys Augen wurden feucht.
„Seine Liebe zu mir war total uneigennützig. Scheiße!“
„Wieso
Scheiße?“
„Er hat
mit meine eigenen Unzulänglichkeiten vorgeführt. Meinen Egoismus, meine
Wehleidigkeit, mein Gejammer. Und vor allem meine Unfähigkeit, jemanden so zu
lieben wie er es getan hat.“
„Hhmmm...“
„Und ich
habe mittlerweile verdrängt, dass er einmal ein Vampir war“, Buffy stöhnte
leise auf. „Das war vielleicht falsch. Es wäre zu einfach für mich. Der Mensch,
der er jetzt ist, ist viel einfacher zu akzeptieren. Dabei ist er eine Einheit
aus beiden. Als Vampir war er nicht so mies wie Angel in seinen schlechtesten
Zeiten, und als Mensch ist er auch nicht gerade ein Erzengel. Ich muss ihn so
akzeptieren wie er ist.“
„Das
solltest du.“
„Aber
vielleicht ist es schon zu spät...“
„Quatsch,
es nie zu spät für eine Veränderung“, sagte Andromeda für ihr Alter sehr weise.
„Also, was ist? Sollen wir mal in die Kneipe gehen und die Jungs besuchen?“
„Okay.
Ich hol schnell Morgan, Tante Mansell passt nämlich auf die Kinder auf. Ich
schätze mal, Gwydion schläft noch, aber den lass ich ihr da, denn sie liebt ihn
heiß und innig. Auch wenn er wach ist...“
Als sie
sich kurz darauf auf den Weg machten, lief ihnen Alfonso ein Stück hinterher.
Er wollte unbedingt mit in die Kneipe kommen.
An der
Strulle scheuchte Andromeda ihn mit beruhigenden Worten zurück, denn die
Hauptstraße war zu gefährlich für einen kleinen Kater.
Maulend
blieb Alfonso sitzen und schaute ihnen beleidigt nach.
„Fonso
mit?“ Morgan an der Hand von Andromeda blickte immer wieder bedauernd zurück zu
ihrem vierbeinigen bepelzten Freund.
„Nein,
Fonso darf nicht mit“, sagte Andy zu ihr. „Es ist zu gefährlich auf der Straße.
Er könnte überfahren werden.“
Morgan
schaute auf einmal so, als ob sie etwas Schlimmes gesehen hätte, sie schüttelte
den Kopf, als wollte sie ein bestimmtes Bild vertreiben, fing an, mit ihren
kleinen Armen zu gestikulieren und sagte mit lauter Stimme: „Fonso weg!“
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KAPITEL VII Teil 3
Die
Dorfkneipe war fast leer. Majestätisch und kein bisschen mit
Minderwertigkeitskomplexen belastet stand die Wirtin Maryann hinter der Theke.
Maid
Maryann, wie ihr Spitzname war – fast jeder im Dorf hatte einen Spitznahmen –
war genau das Gegenteil, was man sich unter der zarten Geliebten von Robin Hood
so vorstellte. Sie war recht umfangreich, was soviel hieß, sie hatte eine Figur
wie ein Fass, trug eine schlecht gemachte Dauerwelle (eine wahrhaftig krause
Krause!) und hatte obendrein noch eine ausgesucht hässliche Brille auf der
Nase, die ihr Spitzmausgesicht noch spitzmausiger machte, und ihre Augen stark
vergrößerte, was nicht sehr vorteilhaft war, denn ihre Augen sahen aus wie die
eines Raubvogels... Aber abgesehen von ihrem Äußeren war sie eine sehr nette
Person.
„Pass
auf dich auf“, hatte Max Spike gewarnt, bevor sie hineingegangen waren. „Die
gute Maryann ist scharf auf alles, was Hosen anhat. Ansonsten ist sie okay.“
„Ich
werd schon aufpassen“, hatte Spike gegrinst. „Aber was willst du überhaupt
hier? Ich denke mal, Maryann den Hof machen ist es wohl nicht.“
„Ich
brauche eine Auskunft von ihr.“ Mehr wollte Max nicht verraten.
Sie
setzten sich an die Theke, und Maid Maryann war schwer angetan von den beiden
gut aussehenden Jungs, vor allem von dem blonden, der bis jetzt noch nie in
ihrer Kneipe gewesen war. Und der eine Berühmtheit war, denn Maid Maryann hatte
in einer Zeitschrift gelesen, dass er die Hauptrolle in diesem Valentinofilm
spielte, der demnächst in die Kinos kommen sollte. Und er sah wirklich
sagenhaft gut aus. Nicht dass Max nicht auch gut aussah, aber Max war ein
harter Brocken, der sich nicht so ohne weiteres mit Maryann einlassen würde.
Sie hatte es schon versucht, ohne Erfolg natürlich...
„Die
Premiere ist wahrscheinlich Anfang Dezember in New York“, beantwortete Spike
gewissenhaft Maid Maryanns Frage nach seinem Film.
„Ich
muss ihn mir unbedingt anschauen“, meinte die Maid begeistert und lehnte ihren
üppigen Oberkörper (ihre Taille und ihre Hüften hatten den gleichen Umfang wie
ihr Busen) über den Tresen und rückte Spike so ein wenig näher.
Plötzlich
wurde es Spike etwas seltsam zumute. Nein, nicht weil die Maid ihm nähergerückt
war, na gut vielleicht ein bisschen wegen der Maid, nein, er sah sich auf
einmal selber an der Theke sitzen, und zwar von der Seite, und er sah sich noch
zusätzlich im Spiegel hinter dem Schanktisch, und sein Mund bewegte sich. Es
machte ihn ein wenig schwindelig, denn es war wie eine Doppelbelichtung auf
einem Foto... Dann begriff er. Morgan musste in der Nähe sein, aber wo konnte
sie stecken? Und wenn Morgan hier war, dann konnte auch Buffy nicht weit sein.
Unauffällig
blickte er sich in der Kneipe um. Außer ihm und Max waren nur noch zwei Männer
da, die an einem Tisch saßen. Aber Maid Maryann war gerade durch die Tür
hinterm Tresen herausgegangen und hatte irgendwelchen Leuten Limonade gebracht.
Es gab anscheinend noch einen anderen Raum, den man von draußen betreten
konnte, ohne durch die Wirtsstube zu gehen. Dann fiel Spike die Falttür auf,
die sich links neben ihnen befand, die wohl in diesen Raum führte, die jetzt
aber geschlossen war.
„Ich
glaube, wir werden beobachtet“, sagte er leise zu Max.
„Was?
Wie?“ Max war verwundert, er schien sehr in Gedanken versunken zu sein, er war
ja immer schweigsam, aber in den letzten beiden Tagen hatte er kaum ein Wort
herausgebracht. Irgendetwas musste ihn schwer beschäftigen.
„Ich
glaube, die Mädels sind im Nebenraum“, sagte Spike und hielt dabei sein
Bierglas vor den Mund, damit nicht jemand neugieriges ihm die Worte von den
Lippen ablesen konnte. Möglicherweise war es ja Buffy, die ihn beobachtete, und
Morgan spionierte in Buffys Kopf herum und sandte ihm die Bilder, die sie dort
fand. Das war aber auch eine verzwackte Sache.
Oh,
jetzt wurde es etwas einfacher, er sah nur noch Buffy, wie sie sich an eine Tür
drückte, um durch eine Ritze zu spähen, um dort vielleicht ein wenig zu
lauschen. Und dann sah er Andromeda, die sich eng an Buffy drängte...
„Ich
glaube, die veräppeln wir mal ein bisschen“, sagte Spike grinsend und dachte
sich in aller Ruhe etwas nettes und passendes aus.
Max
stimmte ihm zu.
Im
Gesellschaftraum nebenan spähte Buffy durch eine Ritze der Falttür, die diesen
Raum von der Wirtsstube trennte. Sie konnte Spike und Max ausgezeichnet sehen.
Nicht direkt natürlich, sie sah sie halb von hinten, aber sie spiegelten sich
großartig im Spiegel hinter der Theke. Und sie konnte tatsächlich auch einiges
von dem hören, worüber sie sprachen, denn sie saßen gerade mal zwei Meter von
der Falttür entfernt auf ihren Barhockern.
„Was
reden sie?“ fragte Andromeda neugierig. Für sie selber war leider kein Platz
mehr an der Falttür, und deswegen hielt Andromeda sich dicht neben Buffy auf,
sie konnte leider überhaupt nichts von dem sehen und hören, was im Nebenraum
vor sich ging, sondern war auf Buffys Gehör angewiesen. Da wurmte sie ungemein.
„Über
einen Lotus Eleven. Wer ist das? Kennst du den?“
„Das ist
kein Typ, sondern irgendein Rennwagen.“ Andromeda hatte durch Max ziemlich viel
Ahnung von englischen Renn- und Sportwagen.
„Das
soll ein geiles Gerät sein.“
„Hhmmm.
Das ist er.“
„Und
jetzt sagt Spike irgendwas über einen Maserati 250 F“, übermittelte Buffy leise
an Andromeda. „Ist das auch ein Rennwagen?“
„Genau!
Auch so ein Rennwagen.“
„Jetzt
erwähnt er einen Porsche 550 RS“, flüsterte Buffy.
„Auto!“
sagte Andromeda lakonisch.
„Seven
of Nine?“
„Das
Auto kenne ich nicht“, meinte Andromeda nach einer Weile nachdenklich, und sie
zerbrach sich sichtlich ihr Köpfchen darüber, um was es sich wohl handeln könnte.
Vielleicht waren nur neun Stück von diesem Auto hergestellt worden und das war
eben das siebte Exemplar.... Ja, das könnte es sein.
„Max
sagt, dass diese stählernen Formen ja so was von geil wären, und Spike macht so
eine Geste, als ob dieses Auto eine Frau wäre“, flüsterte Buffy Andromeda zu.
„Verdammt!
Jetzt weiß ich’s! Die reden doch tatsächlich über Seven of Nine, diese Borg vom
Raumschiff Voyager. Die Schweine! Was sagen sie noch über die?“ Andy machte
eine zornige Handbewegung und versuchte sich doch noch neben Buffy zu
quetschen, was aber misslang.
„Spike
sagt, dass Seven of Nine so wunderbar abweisend und unnahbar aussieht und dass
ihr sogar diese strenge Frisur steht und diese üppigen Lippen, die er
normalerweise nicht so mag, stehen ihr wirklich gut zu Gesichte....“ flüsterte
Buffy, die allmählich auch etwas sauer wurde.
„Und
Max? Was sagt Max?“
„Er
sagt, Seven hätte eine Figur wie eine Barbiepuppe aus Stahl und dass ihn das
ziemlich anmachen würde, dass sie so streng ist.“
„Das
glaube ich nicht“, sagte Andromeda empört.
„Und
jetzt sagt er, dass Seven of Nine auch niemals jemanden heimlich belauschen
würde wie gewisse böse Mädchen hier...“ Buffy verstummte entgeistert, als sie
es kapierte.
„Ach du
lieber Himmel. Sie wissen es. Die Schweine!“
Zwei
Anstandsminuten später öffnete Max die Schiebetür und lächelte die drei Mädels
an, die sittsam an einem Tisch saßen und aussahen, als könnten sie kein
Wässerchen trüben. Er holte sein Bier von der Theke und setzte sich zu
Andromeda auf die Bank.
Morgan lief
in die Wirtsstube, nahm Spike bei der Hand und führte ihn in den
Gesellschaftsraum, wo die anderen saßen. Spike setzte sich neben Buffy und nahm
Morgan auf seinen Schoß. Sie grinste ihn an. Und Spike grinste sie an, und zum
ersten Mal sah Buffy, welche Ähnlichkeit Morgan mit Spike hatte. Fast genauso
viel Ähnlichkeit wie Gwydion mit Spike.
„Fee, du
bist ’ne alte Petze!“ sagte Spike zu seiner Tochter, woraufhin seine Tochter
noch mehr grinste, von seinem Schoß wollte und im Gesellschaftsraum alles untersuchte,
vor allem diesen erdnüssespendenden Automaten auf der Fensterbank.
„Daddy
Dollar!“ Morgan hatte schnell das Prinzip des Automaten durchschaut. Man ließ
sich von Daddy Geld geben, steckte es in den Automaten und vielleicht kam dann
irgendwas dabei heraus. War vollkommen egal was, Hauptsache raus damit.
Daddy
gab ihr aufseufzend einen Dollar, und Morgan rappelte an dem Ding herum und
fluchte doch tatsächlich vor sich hin, als es nicht auf Anhieb klappte mit dem
rauskommen: „Sseißße, verdammte!“
Spike grinste,
und Buffy schaute ein wenig missbilligend, musste dann aber auch lachen.
„Wie
hast du es eigentlich gemerkt? Das mit den Mädels?“ fragte Max ihn neugierig.
„Ach
weißt du, die Fee hat so einiges drauf, damit könnten wir im Fernsehen
auftreten.“ Spike wollte es Max nicht genau erklären, denn sonst wäre der Gute
wahrscheinlich in Panik verfallen. Jemand der in seinem Kopf lesen konnte!
Spike wusste mittlerweile ein wenig mehr über Max, Morgan hatte ihm ein paar
Bilder gezeigt, die seltsamerweise immer ein widerliches scheußliches Wesen
darstellten, und es schien auch so, als ob Max sich zutiefst unglücklich
fühlte, aber aus diesen Bildern konnte Spike sich nichts zusammenreimen, es
blieb alles unverständlich und im Dunkeln...
Max
schaute beunruhigt. „Ich muss noch mal mit Maryann reden.“ Er stand auf, ging
wieder zur Theke und redete so leise mit der Maid, dass sogar die neugierige
Andromeda mit ihren guten Ohren absolut nicht hören konnte, was er sagte. Die
Wirtin verließ kurz darauf die Wirtsstube, kam aber nach ein paar Minuten
wieder und gab Max einen Zettel, den er in seine Hosentasche steckte. Daraufhin
schien er sich freundlich bei der Maid zu bedanken, wobei die Maid aussah, als
wollte sie ihn auf der Stelle vernaschen. Andromeda schaute finsteren Blickes
zu. Schließlich kam er wieder in den Gesellschaftsraum zurück, schloss die
Schiebetür, setzte sich neben Andromeda und legte einen Arm um ihre Schultern.
Sofort
verflüchtigte sich der Ärger in Andromedas Gesicht, und sie schaute ihn an, sie
schaute ihn so liebevoll an, dass Buffy sofort neidisch wurde. Wann hatte
jemand sie so liebevoll angeschaut? War schon länger her, und es war natürlich
Spike gewesen. Warum schaute er sie jetzt nicht mehr so an? Oh Gott, sie
beneidete das Paar, das ihr gegenüber saß. Wann hatte sie jemals so etwas
Normales erlebt, wenn man so eine Verliebtheit als normal bezeichnen konnte,
aber bei ihr war ja nie etwas normal gewesen. Nicht das mit Angel, auch nicht
das mit Riley – und das mit Spike.... Oh Gott! Tränen stiegen ihr in die Augen.
Auch ihre sogenannte Ehe war nicht normal. Sie brauchte nur das Paar ihr
gegenüber anschauen, und schon musste sie erkennen, dass nichts in ihrem Leben
normal war oder jemals normal gewesen war. Und diese bedingungslose Liebe in
Andys Augen, ach, es war rührend.
Und es
traf Buffy wie ein Schlag.
Andy
ergriff mit ihren Händen Max’ Hand, die auf ihrer Schulter lag und legte sie an
ihre Stirn. Max lächelte hilflos zärtlich und versuchte seine Hand
zurückzuziehen. Aber Andy ließ es nicht zu. Dann fing sie an, seine
Fingerspitzen zu küssen, und Max wurde doch tatsächlich ein wenig rot. Ein Mann
von fast dreißig wurde ein wenig rot. Unglaublich.
Buffy
sah den beiden fasziniert zu. Sie hätte wirklich heulen können.
Auch
Spike war es etwas seltsam zumute. Die beiden verkörperten alles, was er mit
Buffy nie gehabt hatte. Eigentlich hatte die Jägerin noch nie in ihrem Leben
eine normale Liebesbeziehung geführt, vielleicht mit Riley, aber in den war sie
bei weitem nicht so verliebt gewesen wie Andy in Max. Nein, kein Vergleich. Und
vor und nach Riley waren die Vampire. Da war Angel gewesen, die wahre große
Liebe, aber leider eine Liebe mit einem Vampir, und da war er, Spike, da war
keine Liebe, nur Sex und leider auch nur mit einem Vampir, dazu noch mit einem
Vampir ohne Seele.
Unzweifelhaft
war das alles nicht normal.
Er
fühlte, wie ihn Mitleid mit Buffy überkam, und mit einer impulsiven Geste
strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht und streichelte kurz ihre Wange.
Instinktiv
wollte sie seine Hand festhalten, so wie Andy es mit Max’ Hand getan hatte,
aber sie fühlte, es war noch nicht richtig. Er war noch nicht soweit.
„Also,
am Wochenende ist der Ball“, sagte sie schließlich, um ihre Verlegenheit nicht
weiter zeigen zu müssen, und um vor allem dieses verliebte Paar nicht mehr
ansehen zu müssen und diesen Verlust zu empfinden.
„Ach ja,
der Ball“, erinnerte sich Spike.
„Zirza
wollte unbedingt zum Ball wieder da sein“, plauderte Buffy weiter. Sie hatte
sich an Zirza gewöhnt, die immer unglaublich nett zu ihr war, sie in Mode- und
Frisursachen beriet, und einmal hatte sie Buffy sogar in Trance versetzt, da
waren sie beide ganz allein gewesen, und Buffy hatte sich an ein früheres Leben
erinnert. Was Buffy nicht wusste, war, dass man in diesem Zustand nicht nur
Informationen preisgeben kann, sondern dass einem auch welche eingetrichtert
werden können. Und zwei Tage später hatte Zirza sogar extra für Buffy ein
Seance veranstaltet hatte, in deren Verlauf Buffy unter anderem mit Gewissheit
geglaubt hatte, ihre tote Mutter zu ihr sprechen zu hören.
„So ein
Mist“, hatte Spike höhnisch zu ihr gesagt, als sie ihm aufgewühlt davon
erzählte. Spike, dieser profane Typ, hatte natürlich nicht an der Seance
teilgenommen, sondern mit Max Billard gespielt und sich zulaufen lassen. Dieser
Mann hatte wirklich kein Interesse am Übernatürlichen. Archie hatte bei der
Seance mitgemacht, und ein paar andere Gäste auch, unter anderem Lola Wiggam.
Ob Zirza wohl wusste, dass Lola mit Archie rummachte? Zumindest wenn Zirza nicht
da war... Arme Zirza, sie tat Buffy leid. Buffy war schwer beeindruckt von
Zirza und deren Theorie der Reinkarnation. Zirza hatte zum Beispiel behauptet,
dass Spike die Aura eines römischen Feldherren besaß und in einem früheren
Leben einmal im alten Rom oder sonst wo gelebt haben musste.
„Klar!“
hatte Spike spöttisch gesagt, als Buffy ihm von seiner früheren Existenz
erzählte. „Wir waren alle Marc Aurel in unserem früheren Leben. Oder wenn’s
hoch kommt vielleicht sogar Caesar selber! Und die Frauen waren mindestens
Cleopatra. Wer warst du denn zum Beispiel? Hat deine Zirza dir nichts darüber
erzählt?“ Spikes Stimme hatte nur so vor Hohn getrieft.
„Ich war
eine römische Adelige, in die der Kaiser verliebt war, die er aber dann an
diesen Feldherren, also an dich, weitergegeben hat. Und wir waren verheiratet!“
„Upps...
Heiliger Strohsack.“ Spike hatte aufgestöhnt.
Und
Buffy hatte sich beleidigt gefühlt. War es so schlimm, mit ihr verheiratet zu
sein? Egal, ob in der Antike oder jetzt in der Neuzeit? Wirklich, sie war enorm
interessant gewesen, diese Seance. Zirza hatte sie hypnotisiert, obwohl Buffy
meinte, nicht wirklich unter Hypnose gestanden zu haben, aber die anderen
hatten ihr hinterher erzählt, dass sie sich an ihr früheres Leben als römische
Adelige erinnert hatte. Und sie hatte angeblich von Details berichtet, die nur
jemand kennen konnte, der wirklich in dieser Zeit gelebt hatte. Tja
tatsächlich, aber dieser ungläubige Thomas, oder vielmehr dieser ungläubige
Spike glaubte wirklich an gar nichts...
Kurz
darauf befand Buffy sich nach dieser gedanklichen Abschweifung geistig wieder
in der Kneipe.
„Ich
freue mich jedenfalls auf den Ball“, meinte sie trotzig. Sie hatte dabei ein
bestimmtes Kleid im Auge, das Kleid, das Spike ihr damals so lässig in der Boutique
zugeworfen hatte, ein irgendwie japanisches Kleid, vorne hochgeschlossen, aber
mit einem Ausschnitt bis tief zum Hintern und an den Seiten geschlitzt, so dass
man ihre Beine bis fast zur Taille sehen würde. Da war allerdings noch die
Slipfrage, der Slip durfte eigentlich nur aus ein paar Bändern bestehen. Buffy
wollte Spike mit diesem Kleid beeindrucken. Er sollte hin und weg sein, er war
ihr Ehemann, er sollte sich endlich wie ein Ehemann verhalten, sie wollte ihn,
sie wollte alles von ihm, vor allem, wenn sie sich dieses gegenübersitzende
Paar anschaute, dieses Paar, das kaum die Hände voneinander lassen konnte,
dieses Paar, dass trotz des Altersunterschiedes so großartig zusammenpasste.
Vielleicht, weil es sich liebte? Oder weil es sich lieb hatte? Gab es da einen
Unterschied zwischen lieben und lieb haben? Hatte Buffy jemals jemanden
liebgehabt? Sie glaubte, Spike wahrhaftig lieb zu haben, aber dieser Mann
schien keinen Wert darauf zu legen.
„Was
meinst du, Max? Wie läuft dieser Ball denn so ab“, Spike fragte Max in seiner
Eigenschaft als Eingeborener von Campodia.
„Der
Ball? Ist ganz nett. Nichts weltbewegendes“, sagte Max geistesabwesend. „Er
verkörpert das Ende der Saison, die Gäste reisen ab. Der Sommer ist vorbei.“
„Wir
werden auch abreisen“, erinnerte sich Spike und wandte sich an Buffy: „Das
Billardqueue für Archie ist angekommen und diese dämliche Kristallschale für
Zirza auch.“ Das waren die Geschenke für ihre Gastgeber. Es war ein
wunderschönes Queue für Archie, und Spike hätte es gerne selber behalten. Aber
diese Kristallschale, die Buffy im Internet für Zirza ausgesucht hatte, die war
nicht so sein Geschmack. Die Tanten übrigens bekamen weiche Kaschmirschals für
den Winter in Campodia, der, wie Spike sich hatte sagen lassen, schneereich und
frostig war.
„Man
braucht nur ein dunkles Jackett. Es gibt keinen Kostümzwang“, berichtete Max
weiter, und Andromeda lächelte und liebkoste weiterhin seine Hand. Andromeda
wusste, dass Max sich in Abendgarderobe nicht besonders wohl fühlte, obwohl er
darin eine lässige Eleganz besaß, die wohl von seinem italienischstämmigen
Vater herstammen mochte.
„Können
wir nicht einfach hier bleiben?“ Buffys Stimme klang ein wenig verzweifelt.
„Du hast
wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank, mein Kind“, meinte Spike, aber seine
Stimme klang viel zärtlicher als seine Worte.
„Ich
würde aber gerne hier leben.“ Als niemand darauf reagierte, weil Max und Andy
miteinander beschäftigt waren und Spike ihren Wunsch einfach ignorierte, als
wäre er taub, gab Buffy auf.
„Weiß
jemand, was es heute Abend zu essen gibt?“ fragte sie schließlich allgemein in
die Runde.
„Tante
Bernadette sagte irgendwas von Grillen“, ließ Max sich hören.
Das
gefiel Buffy. Es würde viele Salate geben, leckeres Brot, leckere Soßen,
Kräuterbutter und Knoblauch – sie musste Spike nach seiner Meinung über
Knoblauch fragen – viele Appetitanreger, untere anderem Pfefferschoten,
eingelegte Tomaten, würzigen Quark, rohes Gemüse und noch viele Sachen mehr.
Fleisch? Ja, Fleisch würde es auch geben, gegrillt auf dem Riesenflammenrost in
einer Ecke des Parks, aber nach dem Genuss der anderen guten Sachen hatte Buffy
erfahrungsgemäß überhaupt keinen Hunger mehr auf Fleisch.
„Du
hängst in den letzten Tagen ziemlich viel mit den Tanten rum“, sagte Andy
vorwurfsvoll zu Max, während sie wieder seine Hand an ihre Stirn hielt.
„Meinst
du?“ Max küsste sie zärtlich auf die Wange.
Und
wieder überkam Buffy der pure Neid und ein unglaubliches Gefühl des Mangels.
Des Mangels an Liebe, an Liebhaben, an Zärtlichkeit, an Vertrauen, an Nähe.
Vielleicht auch des Mangels an Sex. Sie hätte heulen können.
Als sie
eine Stunde später die Kneipe verließen, hielt Max Andromedas Hand, er schien
das Licht der Öffentlichkeit nicht mehr zu scheuen. Zumindest nicht in Bezug
auf seine Beziehung zu Andy.
Buffy
und Spike schlenderten hinter dem Paar her, sie hatten Morgan in die Mitte
genommen, und die Fee vergnügte sich damit, hoch in die Luft zu springen, und
Daddy und Mommy unterstürzten ihre Sprünge und ließen sie immer ein paar Meter
in der Luft schweben, bis Morgan vor Vergnügen kreischte.
Dann
bekamen sie urplötzlich zu spüren, wie sich auf einmal die Stimmung des Paares
vor ihnen änderte.
Andy
riss sich nämlich abrupt von Max los und starrte ihn an. „Du willst
wegfahren!?“ sagte sie empört zu Max.
„Es geht
nicht anders“, Max versuchte sie zu beschwichtigen. „Ich bin bestimmt zum Ball
wieder zurück.“
„Wenn du
nicht pünktlich zum Ball wieder da bist, dann kannst du mich vergessen“, Andy
war zornig. „Und warum musst du ausgerechnet jetzt wegfahren?“
„Es geht
nicht anders“, Max’ Stimme klang ausweichend und zögernd, und Andy, zutiefst
verunsichert – denn warum wollte er jetzt weg und vor allem, wohin wollte er
weg – riss sich endgültig von ihm los und lief alleine zurück zum Herrenhaus.
Max sah
ihr resignierend nach und schickte ihr einen gemurmelten Fluch hinterher, der
sich natürlich nicht auf Andy bezog, sondern auf das, was er vorhatte zu tun.
Er
folgte ihr nicht.
Andy
ließ das Abendessen ausfallen. Der Appetit war ihr vergangen, und sie wollte Max
an diesem Abend nicht mehr sehen.
Als sie
am nächsten Morgen reuevoll und von Sehnsucht getrieben im Verwalterhaus
Einlass begehrte, musste sie feststellen, dass er schon weg war und sein
Landrover auch.
© Ingrid
Grote 2004 Fortsetzung HIER
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