Das Licht am Ende der Fahnenstange

 

KAPITEL VIII Teil 1

 

Max war nicht gekommen! Andy fühlte sich zutiefst unglücklich. Anscheinend bedeutete sie ihm absolut nichts, wenn er an solch einem Tag nicht bei ihr war. Sie war ihm egal.

Und dabei sah sie so gut aus! Wenn er sie nur sehen könnte! Wahrscheinlich hatte sie nie in ihrem Leben besser ausgesehen. Zirza hatte ihr aus einer ihrer Boutiquen ein Kleid mitgebracht, das wie Zirza meinte, hundertprozentig zu Andromeda passte. Und Zirza hatte recht. Das Kleid war ärmellos und hatte ein schwarzes eng anliegendes Oberteil, das herzförmig in einen leichten kniebedeckten Rock aus zartem weißen Stoff überging, der sich wie eine Tulpenblüte an Andys vollkommenen Körper schmiegte. Der weiße Stoff hatte einen Überwurf aus dunkelvioletter Spitze.

Das war das Kleid, und es war vollkommen! Andys nicht sehr dunkle Bräune wurde seltsamerweise durch das Schwarz des Oberteils und durch das weiß-violett des Rockes hervorgehoben, so dass ihre Haut dunkler erschien als sie in Wirklichkeit war. Sie trug keine Ballschuhe, sondern bis zum Knie hochgeschnürte Ledersandalen, in denen sie wie Artemis, die Göttin der Jagd aussah. Genauso jungfräulich und unberührt wie Artemis.

Blöd war nur, Max war nicht da, um sie zu sehen.

Auch um ihr Haar hatte sich Zirza gekümmert. Zirza hatte es hergerichtet wie das Haar der Kaiserin von Österreich, der unglücklichen Elisabeth. Andys Haar hatte große Ähnlichkeit mit dem der Kaiserin. Die Kaiserin hatte es geflochten in einem Kranz getragen, der ihr bis tief in den Nacken hing, die Kaiserin hatte genauso üppiges goldbraunes gelocktes Haar wie Andromeda gehabt, und sie hatte als die beste Reiterin ihrer Zeit und als die schönste Frau des neunzehnten Jahrhunderts gegolten. Andromeda besaß ein Bild von ihr. Und nun trug sie die gleiche Frisur wie die Kaiserin, sie war genauso hoch gewachsen wie die Kaiserin, und sie konnte mindestens genauso gut reiten. Natürlich war sie nicht so schön wie Elisabeth, aber was machte das? Max war nicht gekommen, um sie zu sehen.

Sie schaute auf die Uhr, die im Ballsaal hing. Der Ballsaal war heute zu seiner vollen Größe erweitert worden, und man konnte endlich den riesigen Kristalllüster bewundern, der an der stuckverzierten Decke hing. In der am weitesten entferntesten Ecke war ein Podest aufgebaut, auf dem sich eine Combo versammelt hatte, um den Abend musikmäßig zu untermalen. Ein Geiger war auch dabei. Oh Gott, was würden die spielen? Irgendwelchen altmodisch Kram wahrscheinlich. Aber das machte nichts. Sie hatte sowieso keine Lust zum Tanzen, weil Max nicht da war.

Andy schaute sich um und behielt vor allem die Eingangstür im Auge. Sie hatte noch Hoffnung. Vielleicht kam er ja doch noch.

Schließlich stibitzte sie sich ein Glas Sekt, und trank es in einem Zug leer. Er würde nicht kommen, und sie wollte sich amüsieren. Sie erblickte Benny, einen Schulkameraden von ihr, er war der Sohn des Metzgermeister Dennis, er war in sie verliebt, und heute konnte sie diese Verliebtheit gut gebrauchen. Sie ging zu dem armen Jungen hin und begrüßte ihn mit einem zarten Kuss auf seine Wange. Er war schwer verwirrt und erfreut.

Wenigstens einer war verwirrt und erfreut. Leider war Max immer noch nicht gekommen und hatte sie auch nicht mit Benny gesehen.

Machte gar nichts. Sie wollte sich schließlich amüsieren.

Diese Combo war gar nicht so übel. Die Typen spielten natürlich nichts richtig Fetziges, aber die Sachen, die sie spielten waren gut, gehaltvoll und romantisch. Schade, dass Max nicht da war.

Andromeda tanzte hingegeben mit ihrem Schulkameraden Benny. Nur blöd, dass es keiner sah. Vor allem Max nicht sah.

Alle anderen schienen sich prächtig zu amüsieren, wie es Andromeda schien. Außer Spike vielleicht. Der schien sich zu langweilen. Im Gegensatz zu Buffy, die sich nicht zu langweilen schien. Buffy sah hinreißend aus in ihrem enganliegenden japanischen Kleid, das so hoch geschlitzt war, dass man fast ihre Taille sehen konnte. Und sie hatte eine Frisur wie Seven of Nine. Sehr damenhaft, aber sie absolut nicht älter machend, und die Männer schienen diese damenhafte Frisur zu lieben. Oder doch mehr das Kleid?

 

Auch Spike konnte sich kaum von Buffys Anblick losreißen oder vielmehr von ihrem Kleid und den Einblicken, die das Kleid in Buffy gewährte. Die langen Ferien hatten ihr gut getan, jedenfalls rein körperlich. Sie war braungebrannt wie eine Haselnuss, ihr Haar mit dieser seltenen Hochsteckfrisur hatte ausgebleichte Strähnchen, und das war nur auf die Sonneneinwirkung zurückzuführen, wie Spike wusste und nicht das Produkt einer Frisörsitzung, ihr Gesicht war rund und kindlich wie in früheren Jahren, und ihre Figur – zumindest das was man davon sah, und das war fast alles – war straff. Und geil eben.

„Kommt vom Reiten“, dachte Spike. „Und vom Essen.“ Ihm war ein wenig langweilig zumute. Er vermisste Max. Wo steckte der Kerl nur? Andromeda sah auch nicht besonders glücklich aus. Sie machte wohl gerade den Sohn von diesem Metzgermeister an, diesem Verehrer von Buffy... Wo steckte Buffy gerade? Spike ließ seine Blicke schweifen. Er entdeckte sie vor dem Podest, auf dem die Combo gerade nicht spielte. Sie hatte ein Sektglas in der Hand, und sie hatte diesen flirtenden betörenden Ausdruck im Gesicht, den er so an ihr hasste. Wem galt denn nun dieser Gesichtsausdruck? Archie oder Dennis? Dann erblickte Spike noch einen dritten Mann, nämlich den Dorfpapagalli Herbert Fruits, kurz Onkel Herbie genannt, aha, auch der scharwenzelte um Buffy herum. Was trug sie da übrigens für eine Halskette? Die kannte er nicht.

Spike ließ sich ein weiteres Glas Bier servieren. Heute gab es sogar richtige Kellner, so richtige Pinguine im Frack. Fred Wiggam hatte seinen Job als Barkeeper verloren und stand auch sonst ziemlich verloren im Saal herum, während seine Frau sich gerade Onkel Herbie geschnappt und an die Bar gezerrt hatte.

Meine Güte, musste Buffy immer so hemmungslos flirten?

Spike sah Zirza auf sich zukommen. Auch sie sah nicht übel aus. Sie trug ein korallenrotes Kleid aus solch einem dünnen anschmiegsamen Stoff, dass es mehr enthüllte als es verbarg. Und der Körper, der durch dieses Kleid enthüllt wurde, tja, der war wirklich sensationell. Irgendwie erinnerte Zirzas Körper ihn an Drusillas Körper. Denn der war auch sensationell gewesen.

„Sie amüsiert sich gut“, sagte Zirza. Es klang irgendwie säuerlich. Spike wusste natürlich sofort, wen sie meinte. Hatte Zirza etwa Probleme mit Archie? Der kümmerte sich wirklich aufopfernd um Buffy, wie Spike fand.

„Archie hat ihr ein Collier von Kassiopeia ausgeliehen... Oder geschenkt.“

„Er hat was?“ Spike war nun wirklich fassungslos. Was Archie sich da leistete, war ja wirklich... Ein Collier als Geschenk für Buffy, das war ein Hammer!

„Siehst du es? Es ist wunderschön und kostbar. Mir hat er es damals verweigert. Aber es hat vielleicht gar nichts zu bedeuten.“ Zirza blies ihm leicht den Rauch ihrer Zigarette ins Gesicht, und Spike wandte sich automatisch ab, weil er den Rauch nicht einatmen wollte.

„Hmmm“, Spike überlegte angestrengt, ob es wirklich nichts zu bedeuten hatte. Buffy könnte in der Tat so naiv sein und solch ein Geschenk – Spike hoffte allerdings, es wäre eine Leihgabe – ohne weiteres annehmen, ohne seinen Wert zu kennen. Sie waren wertvoll, die Klunker, sie sahen sogar von weitem auffallend wertvoll aus.

In Wirklichkeit waren die Klunker nicht so wertvoll, wie sie aussahen, das Halsband war nur eine perfekte Imitation, aber eine solch perfekte Imitation, dass nur ein Juwelier mit einer Lupe es als Fälschung entlarvt hätte. Aber das wusste Spike natürlich nicht.

Was Spike auch nicht wusste, war, dass Zirza Buffy dieses Schmuckstück selber geschenkt hatte und dass Archie damit überhaupt nichts zu tun hatte. Spike sollte nur ein wenig zermürbt werden durch diese kleine Lüge, denn Zirza hatte in dieser Nacht noch einiges vor.

„Hast du Lust zu tanzen? Oh, sie spielen ja gar nicht. Vielleicht später?“ fragte Zirza ihn.

Und da roch er wieder diesen Geruch an ihr. Und alles, was er eventuell begehrenswert an ihr gefunden hatte, verflüchtigte sich sofort. Sie mochte noch so sehr Drusilla ähnlich sehen, der Geruch zerstörte alle Illusionen, Drusilla war ein abscheulicher Vampir – und außerdem fielen ihm automatisch Max’ Worte ein: Halt dich fern von ihr.

„Ja, vielleicht später“, sagte er vage, vermied es, näher in Berührung mit ihr zu kommen und rückte ein Stück von ihr weg.

Zirza war nicht blöde. Sie verstand und verschwand. Dieser Mann war einfach nicht zu packen, aber sie würde sich schon an ihm rächen. Im Verlauf dieser Nacht. Und an dieser Buffy-Schnepfe, die gerade Archie, Dennis und Onkel Herbie bezauberte, ja, auch an der würde sie sich rächen. Nein, rächen war vielleicht der falsche Ausdruck. Sie würde ihr ganz schön was zu knacken geben. Und vielleicht sollte sie sich mal bei der Firma erkundigen, ob sie damals von Spike eine Spermaprobe genommen hatten. Vielleicht würde sie ja auf Umwegen an ihn herankommen und... Zirza erschauderte vor Vergnügen. Eine Vaterschaftsklage wäre ziemlich amüsant, wenn der ‚Vater’ niemals Sex mit der ‚Mutter’ gehabt hatte. Vielleicht war es ja möglich. Sie hatte längst noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft.

Wo war eigentlich Max? Sie hatte sich solch eine Mühe gegeben, Andromeda für ihn herzurichten, in diesem Gewand, in dem Andromeda aussah wie Schneewittchen – Zirza lächelte in sich hinein – in dem Andromeda so begehrenswert aussah wie noch nie zuvor, in diesem Gewand, das Max deutlich klarmachen musste, dass er sie nie besitzen würde. Obwohl, Zirza dachte es ärgerlich, Max war unberechenbar, sie konnte ihn nicht einschätzen. Sie hatten sich gegenseitig in Ruhe gelassen seit vielen Jahren, aber sie traute ihm nicht. Er hatte vielleicht einen Verdacht, aber er konnte ihr nichts beweisen. Egal. Außerdem ärgerte sie sich, weil Spike ihren Zigarettenqualm nicht eingeatmet hatte, dieser Mann war nicht zu packen – es hätte die Sache vereinfacht, aber es würde auch so gehen.

Zirza lächelte wieder. Es war ein gemeines und heimtückisches Lächeln.

Nachdem Zirza weg war, beobachtete Spike nun Andromeda. Das Mädchen sah wirklich bezaubernd aus . Dieses Kleid erinnerte ihn an Schneewittchen, besser gesagt an die Disney-Variante des Schneewittchen-Themas. Dieses schwarze herzförmige Oberteil und dieser tulpenförmige Rock. Und dazu, ziemlich untypisch, zumindest für Schneewittchen, trug sie diese Frisur, dieses geflochtene Haar, das Spike sofort an jemanden erinnerte.

Er war damals ein Frischling von einem Vampir gewesen, gerade mal ein Jahr alt. Angelus hatte es sich in den Kopf gesetzt, nach Irland überzusetzen – er wollte feststellen, ob es noch Verwandte von ihm gab und sie gegebenenfalls um die Ecke bringen – und dort hatte Spike die Kaiserin gesehen. 1881 in Irland. Sie war die beste Reiterin der Welt und die schönste Frau der Welt. Sie ritt so göttlich, dass sie ihrem Vorreiter, wie das damals genannt wurde, einem gewissen Bay Middleton (oh ja, Spike hatte sich gut informiert!), davon ritt über die höchsten Hindernisse, ohne zu stürzen. Und das im Damensattel! Ohne direkten Kontakt zu den Schenkeln des Pferdes, Ohne die Möglichkeit, sich an dem Pferd festzuklammern, nur aus reinem Gefühl zum Rhythmus des Pferdes.

Spike bewunderte sie. Sie war damals schon über vierzig Jahre alt gewesen, für diese Epoche eine Matrone und Großmutter, aber sie war schön. Und Spike hätte sie liebend gerne gebissen. Aber Angelus hatte es natürlich verhindert. Angelus, der immer auf Nummer sicher ging, Angelus, der Feigling, der Sadist, der Feigling... mehr fiel Spike dazu nicht ein. Jedenfalls hatte Angelus ihn daran gehindert, die Kaiserin zu töten, nein mehr als nur zu töten, er hätte sie zum Vampir gemacht, zu seinem ersten Childe... Blöderweise hatte auch Drusilla ihn daran gehindert, die Kaiserin zu beißen. Wäre zu gefährlich, die vielen Geheimpolizisten... blahblahblah und so weiter... Drusilla, die ihn nie so geliebt hatte wie Angelus, die ihn aber auch keiner anderen Frau/Vampirin gönnen wollte. Und vor allem nicht der Kaiserin. Sie waren eben alle Feiglinge, Angelus, Darla und sogar seine Exprinzessin Drusilla, im nachhinein gesehen.

Und jetzt starrte er auf Andromeda, die nicht nur Lilah ähnlich sah, sondern auch der legendären Kaiserin von Österreich/Ungarn, und diese Andromeda vergnügte sich gerade mit einem Schuljungen.

Wo zum Teufel war Max?

Die Combo fing wieder an zu spielen. Und Spike bemerkte überrascht, dass sie einen Geiger dabei hatten. Einen Stéphane Grappelli, der vielleicht Django Reinhardt kannte, jedenfalls war er ein Geiger, und wenn er, Spike, besoffen genug wäre, vielleicht im Laufe dieses elenden Balles, würde er den Geiger einfach mal fragen, ob er Django Reinhardt kannte.

Aus den Augenwinkeln bemerkte Spike, wie Andromeda mit ihrem Schulkameraden Benny die große Treppe empor ging, nicht ohne dass sie noch einen letzten Blick auf die Eingangstür geworfen hatte. Einen verzweifelten Blick sozusagen.

Ach Andy, was machst du, dachte Spike und klammerte sich an seinem Bierglas fest.

Er entschloss sich, nach den Kindern zu sehen. Sie hatten zwar das Babyphon, und die Tanten wollten auch öfter mal nach ihnen sehen, aber sicher war sicher.

Er stieg langsam die Treppe hoch, er hatte keine Eile, wieder zurück zum Ball zu gehen.

In der Wohnung war alles klar. Sie schliefen beide, und sie waren so... nein süß würde er nicht sagen, das war reiner Frauenquatsch, sie waren bezaubernd, nein, auch das war reiner Frauenquatsch, sie waren ... eben seine Welt.

Und Gwydion würde Lilahs dunkles Haar bekommen. Er würde blendend aussehen mit seiner Größe, seinen blauen Augen und seinem dunklen Haar. Spike wusste es.

„Schlafen sie?“ Buffy war kurz nach ihm in die Wohnung gekommen.

„Warum bist du hier?“ Spike schaute sie fragend an. „Ist es nicht amüsant genug für dich unten?“

„Nicht wirklich“, sagte Buffy und saugte sich an dem Blick aus seinen Augen fest.

Und Spikes Blick saugte sich an ihrem runden Gesicht fest.

Spike?“

„Was ist denn?“

„Wirst du heute mit mir tanzen?“

„Ich kann nicht besonders gut tanzen. Du solltest dich an Archie halten... Oder an Dennis. Die sind bestimmt besser in Übung.“ Spike starrte fasziniert auf den großen grünen Stein in der Mitte ihres Halsbandes, der mit Sicherheit ein Smaragd war. „Du hast da ein schönes Halsband.“

„Es ist ein Geschenk.“ Es ist ein besonderes Geschenk, dachte Buffy, es wird mir helfen, deine Liebe zurückzugewinnen. Es ist ein magisches Halsband. Es war natürlich nicht echt. Sie hielt es für nicht ganz billigen, aber wirklich geschmackvollen Modeschmuck. Und sie hatte Zirza versprochen, nicht zu erzählen, von wem dieser magische Schmuck kam.

„Schön für dich“, sagte Spike lakonisch.

„Die Kinder sind sicher, Spike“, sagte Buffy. Und als Spike keinerlei Anstalten machte, sie eventuell in den Arm zu nehmen oder sie sogar eventuell zu küssen, warf sie ihm eine Kusshand zu und ging wieder aus der Wohnung heraus. Spike sah ihr einen Augenblick nachdenklich hinterher. Sie war wirklich geil, er verstand total, warum Archie, Dennis und sogar dieser Idiot von Onkel Herbie hinter ihr her waren.

Wenn er sich nur sicher wäre, dass... Aber das mit dem Collier, also wirklich, was dachte sie sich dabei?

Spike verscheuchte diesen Gedanken und ging auch wieder hinunter in den Ballsaal, wo er als erstes Max sah, der sich suchend umschaute.

„Bisschen spät, alter Junge“, meinte Spike spöttisch zu ihm

„Wieso?“ Max schien beunruhigt zu sein.

„Dein Mädchen war stinksauer und hat sich mit so ’nem Bübchen nach oben hin verzogen.“ Spike bereute sofort, das gesagt zu haben, denn Max’ Gesicht wurde daraufhin merklich blasser.

„Mist!“ zischte Max. „Würdest du mich entschuldigen?“ Das war wohl keine Frage, denn er wartete Spikes Antwort nicht ab, sondern ging schnurstracks die gewundene Treppe hoch, um, wie Spike dachte, Andromeda den Hintern zu versohlen. Ein sehr netter und ein sehr faszinierender Gedanke...

Dann wandten sich seine Gedanken wieder Buffy zu. Sie waren getrennt zum Ball hinuntergegangen, Spike hatte auf sie gewartet, aber dann die Geduld verloren. Sie steckte natürlich bei Zirza und ließ sich von der zurechtmachen und herrichten. Das Ergebnis war allerdings überwältigend. Dieses weiche Seidenkleid mit den zarten schwarzen Ornamenten darauf stand ihr wirklich hervorragend. Spike fühlte einen gewissen Stolz darauf, dass er derjenige gewesen war, der dieses Kleid für sie ausgesucht hatte. Um sie auszustaffieren für diese drei geilen Spechte Archibald, Dennis und Onkel Herbie. Spike musste unwillkürlich lächeln, als ihm bewusst wurde, dass er eifersüchtig war. Er wandte bewusst seinen Blick von Buffy ab und schaute sich stattdessen das Landvolk an, das gekommen war, um den Ausklang des Sommers zu feiern. Es waren vielleicht siebzig Leute da, die an den aufgestellten Tischen aßen und tranken, die auf der Terrasse und im Park lustwandelten und die zu den Klängen der angeheuerten Combo tanzten. Archie hatte ihm schon diverse entfernte Verwandte vorgestellt. Aber keiner sah interessant genug aus, um Spikes Aufmerksamkeit in irgendeiner Art und Weise zu wecken.

 

~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*

 

Andromeda hatte es sich mit Benny gemütlich gemacht. Sie lagen beide bäuchlings und eng nebeneinander auf ihrem breiten Bett, und sie zeigte ihm ein Photoalbum. Ihre Hüften berührten sich, weil Andromeda es so wollte, obwohl ihr ziemlich mies dabei zumute war.

Vielleicht mochte Max nur erfahrene Frauen und fühlte sich von Jungfrauen, die vielleicht viel zu kompliziert waren, abgestoßen. Das war überhaupt kein Problem. sie konnte sich schon die Erfahrung besorgen, und sie konnte Max klarmachen, dass andere Männer, ...äääh Jungen sie sehr begehrenswert fanden und nicht solche Hemmungen wie er hatten, mit ihr zu schlafen.

Max stand im Zimmer ohne vorher angeklopft zu haben, und seine grauen Augen, die normalerweise so ruhig aussahen wie ein Bergsee in den Rocky Mountains, veränderten sich urplötzlich.

Andromeda hatte diesen Ausdruck bis jetzt nur ein einziges Mal gesehen und zwar, als er einen Stallburschen hinausgeworfen hatte, der ein Pferd misshandelt hatte. Damals hatten seine grauen Augen auf einmal so stürmisch ausgesehen wie ein aufgewühlter Ozean unter einem sonnenlosen Himmel.

Seltsam, Max so zu sehen. Max war eigentlich immer beherrscht, er schien das Gegenteil von der temperamentvollen Andy zu sein, ihr Gegenpol, aber niemand wusste, dass auch in Max Leidenschaften schwelten, die er aber im Zaum hielt, Zumindest im Zaum hielt, seit er fünfzehn war.

Benny sah diesen grauen aufgewühlten Blick und machte sich unauffällig davon.

„Auch schon da?“ sagte Andromeda gelassen. Obwohl sie spürte, das Max ziemlich in Rage war, hatte sie keine Angst vor ihm. Es war Max, und er würde ihr nie etwas antun.

„Was zum Teufel treibst du da eigentlich?!“ Max Stimme klang erregt. Und er hasste sich dafür. Warum verriet er seine Gefühle? Blöde Frage. Sie brachte ihn durcheinander. Sie hatte ihn total im Griff.

Das schien auch Andromeda zu spüren, und sie umarmte ihn und sah ihm ins Gesicht. In diese grauen Augen, die sie so liebte und die jetzt so stürmisch wie der graue Atlantik aussahen.

„Ich war nur sauer auch dich.“

„Musst du immer gleich, wenn du sauer auf mich bist, mit einem anderen ins Bett gehen?“

„Nicht ins Bett. Nur aufs Bett. Und es ist nichts passiert.“ Andromedas Stimme klang beschwichtigend, sie wusste nur nicht, ob sie es schaffen würde, ihn zu beschwichtigen. Sie hatte ihn noch nie so erlebt, so aufgebracht und so zornig und alles nur wegen ihr.

Er musste sie lieben. Natürlich. Das war es!

„Ich könnte es nicht ertragen“, sagte Max leise und bereute im gleichen Augenblick diese Worte. Das war ein Eingeständnis seiner Liebe zu ihr, sie könnte sich aufgrund dieser Worte ein Zusammenleben mit ihm vorstellen, und das war nach seinem Drei-Tage-Trip nach Seattle wahrscheinlich unmöglich. Er hatte Sachen erfahren, die alles in Campodia auf den Kopf stellen würden, und es lag nur an ihm, sie aufzudecken. Und dann würde er selber mit untergehen.

„Ich könnte es nicht ertragen, obwohl ich kein Recht auf dich habe“, fügte er bitter hinzu.

„Du hast alles Recht der Welt auf mich“, sagte Andy mit leiser Stimme.

Er schaute sie an, sah ihr Kleid und plötzlich durch fuhr es ihn: Schneewittchen. Wie sinnig, wie hinterhältig. Wahrscheinlich hatte Zirza ihr das Kleid aus San Francisco mitgebracht, dieses hinterhältige Monstrum von Zirza.

Andy sah wunderschön aus in diesem Kleid, und diese Kaiserinnenfrisur machte sie zwei Jahre älter. Max fiel ein, dass sie in drei Wochen sechzehn wurde. Vielleicht war er dann schon nicht mehr in Campodia. Vielleicht...

Es wäre besser, wenn sie ihn hassen würde. Aber er konnte ihr einfach nicht widerstehen.

Sie küssten sich lange, bevor sie Hand in Hand die Treppe hinuntergingen und sich dort ohne zu überlegen auf die Tanzfläche begaben, um dort eng umschlungen zu tanzen.

 

Archibald von Campe sah seine Tochter und Max zusammen tanzen. Und er lächelte erfreut.

Na endlich! Die beiden passten so gut zusammen. Nun denn, Andy war noch sehr jung, aber Max schien der Richtige für sie zu sein. Er war der einzige, von dem seine ungestüme Tochter sich etwas sagen ließ und vor dem sie Respekt hatte. Max würde ihr Temperament in die richtigen Bahnen lenken.

Archibalds Träume gingen bald noch weiter, und er sah Campodia mit liebreizenden Enkeln bevölkert. Max als sein Schwiegersohn könnte das Gut übernehmen und weiterführen. Wer von den jungen Leuten, die Andy sonst noch kannte, wollte heutzutage noch auf dem Lande leben... Archibald hatte früher schon daran gedacht, Max zu adoptieren, damit Max mit dem Namen ‚von Campe‘ das Gut in der Zukunft führen konnte – er hatte sogar schon mit Max darüber gesprochen, aber der hatte ihn ausgelacht und es strikt abgelehnt, sich von Archie adoptieren zu lassen. Max war eben so stur wie ein Maulesel...

Aber so wäre es fast noch besser, denn Max könnte Andromedas Namen annehmen, wenn sie heirateten... Archibald wunderte sich immer noch darüber, dass er in all den Jahren kein Kind mehr gezeugt hatte, obwohl er doch häufig mit Frauen geschlafen hatte, aber seit Zirzas katastrophaler Fehlgeburt war in dieser Beziehung nichts mehr gelaufen. Was Archibald nicht wusste, war, dass Zirza immer dafür gesorgt hatte, dass er unfruchtbar blieb, denn wenn sie schon kein Kind von ihm empfangen konnte, dann sollte es auch keine andere Frau.

Allerdings sah Max nicht gerade glücklich aus, wie Archibald fand. Er musste sich den Jungen – Archie nannte Max immer noch den Jungen – mal zur Brust nehmen.

 

Spike saß wieder an der Theke und ließ seine Blicke schweifen. Buffy war gerade auf die Terrasse hinausgegangen. Und zwar mit diesem Metzgermeister Dennis. Spike überlegte, ob er ihnen nachgehen und dem Metzgermeister mal so richtig was aufs Maul hauen sollte. Aber der arme Kerl konnte schließlich nichts dafür, dass er in Buffy verliebt war. Und Buffy konnte er schlecht was aufs Maul hauen. Vielleicht sollte er sie über seine Schulter werfen, mit ihr die Treppe hoch in sein Zimmer gehen, sie aufs Bett werfen und sie dann von diesem japanischen Kleid befreien, obwohl, das brauchte er ihr gar nicht ausziehen, man kam auch so gut an alles ran, bis auf die Brüste.

Spike schüttelte den Kopf. Was für Gedanken!

 

Auch Archibald sah diese wunderschöne kleine Frau Buffy mit seinem Freund Dennis auf der Terrasse stehen, Archie vergaß seine Tochter und seinen Ziehsohn Max, ging hinaus zu Buffy, forderte sie zum Tanz auf und entführte sie seinem Freund.

 

Spike sah Zirza wieder auf sich zukommen. Die Frau hatte wohl Langeweile. Ach ja, sie fühlte sich wohl vernachlässigt von Archie, der gerade, wie Spike aus den Augenwinkeln mitbekommen hatte, mit Buffy tanzte. Wo hatte Buffy eigentlich gelernt, so zu tanzen? Im Bronze vielleicht? Spontan fiel ihm sein erstes Zusammentreffen mit der Jägerin ein, als sie im Bronze getanzt hatte. Es hatte ziemlich unbeholfen ausgesehen, und dennoch war er fasziniert von ihr gewesen...

Wieder hatte Zirza eine Zigarette in den Mundwinkeln. „Er hat es ihr gut beigebracht, nicht wahr?“

„Was meinst du?“ fragte Spike unwillig.

„Das Tanzen natürlich. Sie haben in der Bibliothek geübt“, sagte Zirza melancholisch lächelnd. „Sie hatten ja viel Zeit dazu...“ Ein unausgesprochener Vorwurf schien in ihren Worten mitzuschwingen, und zwar der Vorwurf: Warum hast DU dich nicht mehr um sie gekümmert!

Spike fühlte sich automatisch angegriffen – obwohl, woher zum Teufel sollte sie wissen, dass er und Buffy verheiratet waren?

„Ja, ich finde, sie tanzt sehr gut“, sagte er mit ruhiger Stimme, obwohl er innerlich mit den Zähnen knirschte, aber das braucht Zirza schließlich nicht zu wissen.

Zirza durchschaute ihn, war höchst befriedigt und hielt es für angebracht, das Thema zu wechseln, um ihn noch ein bisschen mehr zu verwirren. Es war ja so einfach!

„Sag mal Bill, was hältst du denn so von deiner Vergangenheit?“

„Von meiner... äääh was?“ Spike war verblüfft. Wie zum Henker konnte sie von seiner Vergangenheit als Vampir wissen?

„Buffy hat uns ja einiges davon erzählt“, sagte Zirza vielsagend und blies ihm wieder leicht den Zigarettenqualm um die Ohren.

„Könntest du etwas präziser werden?“ Was zum Geier sollte das? Spike war nun tatsächlich ziemlich verwirrt und auch beunruhigt.

„Nun, ich meine deine römische Zeit. Als du noch ein römischer Feldherr warst.“

„Ach dieser Mist! Oh Gott! „ Spike atmete erleichtert auf, denn Zirza meinte nicht seine Vergangenheit als Vampir, sondern diesen Reinkarnationsquatsch.

„Sie war deine Frau“, erzählte Zirza weiter.

„Ja, ich weiß. Nein, Quatsch, ich weiß gar nichts! Ich glaube nämlich nicht an die Wiedergeburt. Ist doch alles Blödsinn.“

„Jedenfalls hat Buffy ein paar nette Details ausgeplaudert, als sie unter Hypnose stand.“ Wieder blies Zirza ihm den Qualm ins Gesicht.

„Was denn zum Beispiel?“ Spike versuchte, nicht allzu neugierig zu erscheinen und gleichzeitig die Luft anzuhalten, um Zirzas Qualm nicht einatmen zu müssen.

„Dass du immer auf den Kaiser eifersüchtig warst“, sagte Zirza verträumt und mächtig stolz auf sich und ihren Erfindungsreichtum.

„Das ist doch alles Unsinn!“

„Sie kannte sogar deinen wahren Namen. Willst du ihn nicht wissen?“ Zirza machte ein Gesicht wie eine Katze, die ein gebackenes Hähnchen vor sich sieht.

„Dann sag ihn mir doch, meinen wahren Namen“, sagte Spike höhnisch und mit Betonung auf ‚wahren Namen’ und führte sich dabei unwillkürlich auf wie Rumpelstilzchen.

„Dein wahrer Name? Er klang so ähnlich wie Mikus oder Ficus...“, Zirza machte eine kunstvolle inhaltsschwere Pause, denn Spikes Gesicht sah so erwartungsvoll aus, dass sie die Spannung ein wenig verlängern wollte.

„Nein, das stimmt ja gar nicht. Es war... Spikus.“

„Häääh?!“ sagte Spike verblüfft.

„Treffer?“ fragte Zirza triumphierend.

„Spikus! Wer zum Teufel heißt denn Spikus?“ sagte Spike verächtlich und war gleichzeitig schwer verblüfft, was er aber dieser Zirza-Schnalle auf keinen Fall zeigen würde.

„Oh, es geht noch weiter“, Zirzas Stimme war weich wie Seide. „Dein voller Name war Spikus Britannicus Pendragus. Ein sehr schöner Name, wie ich finde.“

Eine kleine Weile herrschte Schweigen zwischen ihnen.

„Ich finde ihn ziemlich Scheiße“, sagte Spike dann verbittert und zermarterte sich das Gehirn, woher seine Schwägerin seinen ursprünglichen Namen, nun ja, diese lateinisch abgewandelte Form seines ursprünglichen Namens wohl kannte. Und woher Buffy ihn wohl kannte. Denn seines Wissens hatte er nie den Namen Pendrag vor ihr erwähnt. Was zur Hölle ging hier vor? Es konnte einfach nicht sein! Es sei denn, diese Sache mit der Reinkarnation hatte einen Kern von Wahrheit. Er glaubte eigentlich schon halb daran, und das war bei einen Skeptiker wie Spike doch ziemlich überraschend.

„Ich finde den Namen interessant“, sagte Zirza, sie lächelte aufreizend und blies ihm wieder etwas Zigarettenqualm ins Gesicht.

Dann entfernte sie sich langsam, und Spike sah ihr ärgerlich hinterher.

Spike wusste natürlich nicht, dass die chemische Substanz, die Zirza ihm eben inklusive Nikotin und Teer ins Gesicht geblasen hatte, ihn dazu brachte, alles zu glauben, was man ihm so erzählte. Er hatte das mit dem Collier geschluckt, das Archie angeblich Buffy geschenkt hatte, er hatte das mit dem Tanzunterricht geschluckt (das war dummerweise wirklich wahr), und er hatte das mit der Reinkarnation geschluckt, weil es die einzig logische Erklärung war.

Denn woher sonst sollte Buffy seinen wahren Namen kennen?

 

Zirza selbst hatte natürlich vor dem Ball ein Gegenmittel geschluckt, denn sonst hätte die Substanz, die sie Spike ins Gesicht geblasen hatte, auch auf sie selber eingewirkt, und sie hätte dann jeden Blödsinn geglaubt, den man ihr eventuell erzählt hätte.

Und außerdem wusste sie mit Sicherheit, dass Spike Buffy nicht auf das Halsband ansprechen würde, dafür war das Verhältnis dieser ‚Eheleute’ viel zu kompliziert, und Spike würde auch Archie nicht darauf ansprechen, denn dann müsste er mit der Wahrheit über sein angebliches Kindermädchen herausrücken. Der gute Spike hatte sich selber in eine ziemlich beschissene Situation hineinmanövriert. Zirza lächelte heimtückisch.

Und was sie bei Spike mit ihren Manipulationen erreicht hatte, genügte Zirza fürs erste. Zirza hatte nämlich Zugriff auf sämtliche Daten von W&H, unter anderem auch auf die Protokolle der Beeinflussungen, die man nach seiner Wiedererweckung auf Spikes Gehirn genommen hatte.

Was war damals in Sunnydale mit Spike passiert? Er hatte Buffy so geliebt, dass er sich ihr und ihren Bedürfnissen total untergeordnet hatte, bis hin zum Weltretten, indem er sich selber opferte. Tatsächlich! Nun ja, sie hatten ihm die Liebe zur Jägerin durch Flüsterpropaganda ausgetrieben, während er in der Krankenstation von W&H lag. Er hatte dort drei Monate zugebracht, eine lange Zeit war das, um ihm während seiner Bewusstlosigkeit alles mögliche seelisch einzutrichtern. Sie hatten drei Monate Zeit, um Spike zu konditionieren, sie hatten ihm Bänder vorgespielt, Tag und Nacht, in denen die Jägerin nicht gut wegkam. Die Bänder flüsterten von Demütigungen, Beschimpfungen und Prügeln, die er von ihr einstecken musste und denen er aufgrund seiner Liebe zu ihr hilflos ausgesetzt war. Und den Rest, denn die Spione konnten damals in Sunnydale nicht alle schmutzigen Details in Erfahrung bringen, hatte Spike sich selber eingeflüstert. Deswegen war er so verbittert und leugnete strikt irgendwelche Gefühle für die Jägerin und Gefühle der Jägerin für ihn.

Nein, leugnen war das falsche Wort. Er glaubte es!

Und er hatte – das war Zirzas Überzeugung – recht damit. Dieser Mann war viel zu schade für dieses dämliche Luder von Jägerin.

Aber warum hatte er dann dieser undankbaren Schnepfe wieder geholfen, als sie im Knast saß, dachte sie und schüttelte ärgerlich den Kopf. Kaum hatte er davon erfahren, da war er auch schon unterwegs, um sie zu retten. Seltsam, seltsam.

Kurzform: Sie hatten an seinen Verstand und seine Vernunft appelliert und seine Gefühle in den Hintergrund treten lassen. Sie waren vermutlich noch da, seine Gefühle für die Jägerin, tief vergraben im Unterbewusstsein. Wie konnten diese Gefühle wieder hervorkommen aus dem hintersten Winkel seines Bewusst- oder Unbewusstseins?

Möglicherweise, wenn er länger mit der Jägerin zusammen war.

 

Und gerade das musste Zirza verhindern. Das war ihre Aufgabe.

Und sie hatte alle Mittel dazu. W&H hatten ihr ein gerade erst entwickeltes Spiel zur Verfügung gestellt, ein Spiel der Simulation und Manipulation, und sie sollte es an Spike und an Buffy ausprobieren. Und später konnte sie es selber benutzen, um Spielhallen damit auszurüsten. Um willigen Kunden ein anderes besseres (oder schlechteres – was immer sie wollten) Leben vorzugaukeln. Zirza war so geldgierig, dass sie alles nehmen würde, sie hatte von Archie Geld genommen, um in San Francisco eine Boutique eröffnen zu können, und sie hatte Erfolg damit gehabt. Und genauso würde sie jetzt das Spiel von W&H nehmen, um weiteren Erfolg zu haben. Und sie hatte nicht nur das Spiel, sondern auch einige interessante chemische Substanzen, die vor allem an Buffy zum Einsatz kommen sollten.

Zirza freute sich schon sehr auf die Inszenierung, die in dieser Nacht stattfinden sollte. Sie war in Gefühlsdingen eine Künstlerin, sie war zwar nicht sehr menschlich, aber sie durchschaute alle menschlichen Regungen und Wünsche.... und spielte mit ihnen.

Sie hatte sich Zeit genug gelassen, um ein eventuelles Misstrauen des Paares einzuschläfern. Sie hatte sich aus der Ferne nach ihnen erkundigt und festgestellt, sie waren so an diesen Ort gefesselt, dass sie ihn so schnell nicht wieder verlassen würden. Sie waren dem Zauber von Campodia verfallen, obwohl Zirza nicht genau wusste, woraus dieser Zauber bestand, denn sie war gegen den Charme dieses Ortes unempfindlich aufgrund ihrer wahren Natur.

Und heute Nacht würde sie spielen. Oh jaaa!

Und wenn sie Bill Castaway, alias William Gwydion Pendrag und seine Gattin entzweit hatte, dann konnte sie sich endlich ihrer Stieftochter zuwenden und auch diese erledigen.

Bei diesem zähen Luder musste man mit härteren Bandagen arbeiten als normalerweise.

Die Attacke im Winter, als Zirza das mit einem netten Mittelchen aufgeputschte Pferd aus seiner Box entkommen ließ, hatte Andromeda ohne weiteres überstanden. Eine Jägerin war sie also, eine Jägerin wie Buffy, das hatte sie von der Firma erfahren. Endlich hatte sich die Installation der Abhöranlage ausgezahlt, die damals bei der Renovierung des Herrenhauses vorgenommen wurde. Zirza selber hatte beim Umbau zum Hotel Regie geführt. Das Luder war also eine Jägerin, und deswegen war sie so zäh und absolut nicht kaputtzukriegen. Mit der Zeit kam eben alles heraus.

 

Zirza hinterließ einen ziemlich verwirrten Spike.

Einen Spike, der seine Frau mit einem Collier sah, das ein anderer Mann ihr geschenkt hatte, einen Spike, der seine Frau mit diesem Mann tanzen sah, der ihr auch das Tanzen beigebracht hatte... Jedenfalls fühlte Spike sich reichlich verwirrt und sauer. Gerade hatte er Vertrauen zu ihr gefasst, und dann kam das. Es war ein harter Rückschlag, und er fragte sich ärgerlich, was er sich eigentlich so gedacht hatte.

Es war immer noch das gleiche wie früher!

Und er beschloss, sich nicht erst zu besaufen, sie war es nicht wert, dass er seine Leber kaputt soff, sondern ein bisschen Spaß zu haben, und er verließ die Bar und näherte sich dem Podest, auf dem die Kapelle spielte. Nein sie spielte gerade nicht, sondern machte eine Pause, und Spike unterhielt sich ein bisschen mit dem Geiger, einem zigeunerartig aussehenden Mann im Alter von vielleicht fünfunddreißig Jahren.

Unterhielt sich so intensiv mit dem Geiger, denn einen Geiger findet man sehr selten im Leben, dass er nach diesem langen Gespräch mit dem Geiger Max suchte, ihn auf der Terrasse mit Andromeda knutschend vorfand, auf ihn einredete, was Andromeda schwer verärgerte, denn es war gerade so romantisch mit Max, es war schon dunkel, und es war ein magischer Augenblick für eine Liebeserklärung, und dann kam Spike, um alles zu vermasseln und um Max zu entführen. Wohin zu entführen?

Was heckten die beiden aus?

 

~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*

 

Die Klänge ließen alle aufhorchen, zumindest alle, deren Gehirn noch nicht total vom Bier und vom Champagner abgestumpft war.

Es waren Klänge, die sich spröde anhörten, es war ein Rhythmus, der ungewöhnlich war. Es waren Instrumente, die in dieser Zusammenstellung total ungewöhnlich waren.

Und es klang wie Musik aus einer vergangenen Zeit.

Es klang aber auch total neu.

Und vor allem klang es total unamerikanisch.

Buffy hörte es als erste. Sie kannte diese versetzten kleinen seltsamen Stücke, die sich anhörten, als wären sie aus dem ursprünglichen Zusammenhang herausgerissen. Das waren die Stücke, die Spike immer geübt hatte, die er bis zum Erbrechen geübt hatte.

Und die sie heute Nacht zum erstenmal im Zusammenhang hörte.

Und es war wundervoll.

Sie bahnte sich den Weg zu dem Podest, auf dem Spike mit den anderen spielte und hörte nur noch diese Musik, die teilweise süß war – denn eine Geige, egal wie schräg sie gespielt wird, hört sich immer süß an – die aber auch hart und bitter war, denn Spikes Gitarre bildete den perfekten Gegenpol zu der süßlichen Geige. Manchmal hörte sich die Gitarre an wie eine Zither, das war seltsam... und wunderbar. Buffy hörte seine Musik heute zum erstenmal im Ganzen, und es hörte sich an wie ... nein sie konnte es nicht ausdrücken. Es war traurig und optimistisch zugleich, es war sentimental und auch trotzig. Es war unverständlich aber wunderschön.

Sie wusste nur, dass Spike in dieser Musik sein Wesen offenbarte. Sein Wesen als Vampir, und als Mensch offenbarte, denn Spike war eine Einheit aus beiden.

Sie sah ihn als Spike, den Liebhaber, der einfach göttlich war und mit nichts zu vergleichen war auf dieser Welt. Und sie sah ihn als Spike, den Liebenden, der so zaghaft war, dass er ihr nie nahegetreten war in diesem letzten Jahr in Sunnydale. Sie sah ihn als Vater, er war ein großartiger Vater. Sie sah ihn als Künstler. Und sie sah ihn als Ehemann, nein falsch, sie sah ihn als den Ehemann, der er vielleicht sein könnte, wenn..... Er hatte so viele Eigenschaften. Er war ein so großartiger Mann, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen. Was war passiert? Warum liebte er sie nicht mehr. Oder liebte er sie doch noch oder vielleicht wieder? Sie musste es herausfinden.

Spike spielte ein kleines Duett mit dem Geiger, seine Gitarre hörte sich auf einmal fast genau so süßlich an wie die Geige, und alle waren verzaubert von der Musik – und dann plötzlich, schrammte er über die Saiten, ließ ein paar sehr harte Töne hören, und alle, die vorher von den süßlichen Klängen bezaubert waren, horchten auf und waren nun von den härteren Tönen gefangen.

Es war wunderbar.

Sie hätte ihm zuhören müssen, Er war bestimmt sehr einsam. Und sie war die einzige, der er alles erzählen konnte. Aber nein, sie hatte ja immer alles abgeblockt. sie hatte diese Vampirsache abgeblockt, weil sie es nicht wahrhaben wollte, einen Exvampir zu lieben, es war ja auch viel bequemer gewesen, nur den Menschen Spike zu lieben...

Die Gitarrenklänge tropften vom seinem Instrument hinunter wie klobige Rohdiamanten. Welch ein Wechselspiel von Geige und Gitarre, von süßlichem Kitsch und harter Realität.

Und außerdem sah ihr Ehemann fantastisch gut aus in seinem weißen Hemd. Spike saß lässig auf einem Stuhl, er hatte seine Jacke ausgezogen, seinen Schlips weggeworfen, den Kragen des Hemds gelockert, er saß vollkommen entspannt auf diesem Stuhl und spielte Gitarre. Alles andere interessierte ihn im Moment herzlich wenig.

Sein Haar war nicht ganz so kurz und auch nicht ganz so blond wie früher, er ließ es anscheinend nicht mehr aufhellen, es war im Nacken ausrasiert und vorne ein bisschen länger, so dass es ein wenig hoch stand. Ein paar Locken konnte man erkennen, und Buffy wünschte sich, mit den Fingern durch diese weichen Locken zu fahren, dann seinen Kopf in ihre Hände zu nehmen und ihn auf seine wundervollen Lippen zu küssen. Lange zu küssen, in diesem Kuss zu versinken. Vielleicht seinen Körper ganz nahe zu spüren, seinen wundervollen muskulösen Körper, der so perfekt zu dem ihren passte... Sie würde ihn so lange küssen, bis sie es vor Erregung nicht mehr aushalten könnte und ihm dann sein Hemd ausziehen. Und auch er würde sie ausziehen. Er würde sie mit seinen blauen Augen so verlangend anschauen, dass ihre Beine schwach werden würden und sie sich an ihm festhalten müsste.

Er würde lachen und sie zum Bett tragen...

 

Auch Andromeda fühlte sich magisch angezogen von der Plattform, denn Max saß dort und spielte Gitarre. Die Musik sagte ihr zwar nicht viel, aber sie war interessant und hatte viel Pep, obwohl da nur zwei Gitarristen vor sich hin schrammelten und den Rhythmus machten – ja, schrammelten war das richtige Wort – ferner war da ein riesiger Kontrabass, die Konzertgitarre von Spike und eine Geige. Das Schlagzeug benutzten sie gar nicht. War schon eine seltsame Kombination. Aber der Rhythmus, der war einfach irre. Vor allem, wie Max einfach so mitspielte. Andromeda hatte nie gewusst, dass Max Gitarre spielen konnte. Er hatte in den letzten Jahren auch nicht mehr gespielt, weil er einfach keine Zeit dafür hatte, aber anscheinend hatte er von seinen Vorfahren, die wie Andromeda wusste, auch ungarischen Ursprungs waren, jede Menge Pfeffer im Blut geerbt.

Wenn er dieses Pfeffer nur einmal an ihr mal austoben würde! Andromeda fühlte sich vergehen in der Vorstellung, dass er mit ihr.... Heiliger Strohsack! Manchmal bekam sie beim Küssen schon fast einen Orgasmus, aber das wollte sie ihm nicht zeigen, denn wenn er sich beherrschen konnte, dann konnte sie das schließlich auch. Sie musste an ihre eigentlich harmlosen Intimitäten denken, die meistens im Verwalterhäuschen auf Max‘ Sofa stattfanden. Manchmal las Andromeda in einem Buch, wenn Max noch am Computer mit irgendwelchen Abrechnungen zu tun hatte, und wenn er damit fertig war und sich zu ihr setzte, dann legte sie sich manchmal über ihn, so dass sie mit dem Bauch über seinem Schoß lag, sie tat so, als ob sie weiter in dem Buch lesen würde, ohne viel von dem Geschriebenen mitzubekommen und wartete darauf, was er tun würde. Meistens saß er eine Zeitlang ganz still da, bis er dann anfing, ihren Rücken zu streicheln, so lieb und zart, dass sie es nicht länger aushalten konnte, und sich dann umdrehte und ihre Arme um seinen Hals schlang. Er fühlte sich so vertraut an und auch so fremd, und das Fremde war so beruhigend, und das Vertraute so erregend. Sie wälzten sich auf dem Sofa herum wie zwei liebestolle Teenager. Was sie ja auch waren, zumindest im Falle Andromeda. Andromeda hatte den Verdacht, auch Max würde sich verhalten wie ein liebestoller Teenager, und es wäre vollkommen neu für ihn. Hatte er noch nie so gefühlt? Hatte Max etwa noch nie eine Frau so richtig geliebt?

Und er sah so wahnsinnig gut aus. Er hatte wohl nicht genug Zeit gehabt, sich zu rasieren, denn er hatte so einen bläulichen Schimmer im Gesicht, einen Eintagebart, der ihn sagenhaft männlich und härter aussehend machte, als Andromeda ihn kannte, so dass sie schier überwältigt war. Und diese Hose... Er sah mit dieser Hose und diesen Satinstreifen an den Seiten aus wie einer von der Kavallerie der Konföderierten Armee, fast wie Kevin Costner in diesem Wolfstanzfilm, oder war das ein ganz anderer Film? Natürlich sah Max besser aus als Kevin oder sonst wer. Viel besser. Sein Kinn war ausgeprägter, und er war athletischer als Kevin oder sonst wer, und diese Hosen... meine Güte, er hatte so verdammt lange Beine, auch das weiße Hemd stand ihm sooo guut, wieso hatte sie früher nicht bemerkt, wie verdammt gut er aussah. Und er quatschte nicht so viel wie manche andere Männer, ein quatschender, plappernder Mann war wirklich unausstehlich, fand Andromeda. Kurz gesagt, er war der Idealtyp. Für Andromeda. Und wahrscheinlich auch für viele andere Frauen. Sie musste aufpassen...

Wo zum Teufel war er die letzten drei Tage gewesen? Eine andere Frau? Nein, das glaubte sie eigentlich nicht, aber warum wollte er nicht darüber sprechen, er hatte das Gespräch abgelenkt, als sie ihn zwischen zwei Küssen danach fragte, und sie hatte es aufgegeben, es herauszufinden. Wenn Max etwas nicht sagen wollte, dann konnte nichts auf der Welt ihn dazu bringen, es zu sagen. Ob er den ganzen Abend spielen wollte? Sie versuchte, ihm mit den Augen zu sagen, dass er seinen Hintern herunterbewegen sollte, um mit seiner Geliebten herumzuknutschen. Er schien es zu bemerken, denn er lächelte ihr wie um Entschuldigung bittend zu. Aber wenn er Gitarre spielen wollte, dann sollte er spielen, ihn nur anzuschauen, war wunderbar genug.

Mittlerweile hatten sich fast alle Besucher des Balles vor der kleinen Bühne versammelt und lauschten gebannt dieser vollkommen unamerikanischen Musik. Die Stücke waren recht lang, länger als die Originalvorlagen, denn die Jungs fingen an zu improvisieren, und es hörte sich phantastisch an. Sie spielten das ‚Night and day’ von Cole Porter, und Spike verwandelte das uralte Stück in etwas neues, bizarres und wundervolles... Sie spielten den ‚Limehouse Blues, ein Stück namens Swing 39 und das fantastische Blue Dra...

Maid Maryann, ja auch sie war eingeladen, griff sich Onkel Herbie, den Dorfpapagalli und fing an mit ihm Swing zu tanzen. Maid Maryann wirkte beim Tanzen wie ein unheimlich schwerer aber dafür recht flinker Neutronenstern, von dessen Gravitationsfeld Onkel Herbie eingefangen war, und er schien unfähig, sich aus seiner Umlaufbahn zu befreien. Aber der gute Onkel genoss es anscheinend. Maid Maryann und Herbert Fruits waren nämlich seit kurzem ein Paar, denn der gute Onkel hatte die Maid wie kein anderer im Bett befriedigt, und heute zeigten sie sich zum erstenmal in der Öffentlichkeit. Vorher hatte Onkel Herbie natürlich noch gewohnheitsmäßig mit anderen Frauen geflirtet. Das steckte so in ihm drin.

 

Buffy stand immer vor der Bühne, lauschte immer noch gebannt der Musik, und sie fühlte ihre Beine schon schwach werden in Erwartung der Nacht. Heute Nacht würde sie mit Hilfe des Halsbands... ja was würde sie tun?

Lass dich von dem Halsband leiten, hatte Zirza gesagt.

 

Auch Zirza stand da – ein wenig im Hintergrund – beobachtete alles und lauschte. Die Musik war gut, gefiel ihr, sie hatte etwas Treibendes, sie fühlte sich durch diese Musik beschwingt, und sie genoss es, an ihren Plan zu denken.

Es würde nicht einfach werden, aber es war alles perfekt arrangiert, denn auch Zirza war eine Künstlerin, erstens im Durchschauen und Manipulieren von Menschen und zweitens an der neuen Spielekonsole.

Sie würde Spike zwei wunderliche Träume schicken. Die neue Konsole, die W&H ihr zur Verfügung gestellt hatten, war so ein wunderbares bahnbrechendes Gerät. Man brauchte dafür keine Verkabelung mehr, keine Drähte, die an die Nervenbahnen im Gehirn angeschlossen waren, nein ein einfacher Scan reichte, um die Gehirnströme des Users zu messen und zu analysieren. Dann wurde die Trägerwelle erstellt, und sie funktionierte in diesen glorreichen Zeiten natürlich kabellos. Wireless Lan, das Zauberwort. Und die moderne DVD-Technik kam dazu. Man brauchte nur einen Computer – den hatte Zirza in ihrem Zimmer – ein paar geeignete Filme als Vorgabe für den Träumenden, ein paar ihm bekannte Gesichter, mit denen er die Rollen besetzten konnte, falls er das wollte, und alles andere lief dann vollautomatisch ab.

Man konnte zum Beispiel jemanden in den Wilden Westen schicken, und er würde dort General Custer sein – ein schlechtes Beispiel, es sei denn jemand wünschte sich, in der Schlacht von Little Big Horn zu sterben – nein, er könnte ein Revolverheld sein und jede Menge Leute töten.

Oder der Krieg... Manche Männer liebten es, sich im Krieg zu beweisen, was nach Zirzas Ansicht reinster Schwachsinn war, es sei denn, man stünde auf der Seite der Gewinner. Oder die Liebe. Wenn jemand eine bestimmte Person in seinem Bett haben wollte, eine Person, die er im wirklichen Leben nicht bekommen konnte, dann war es überhaupt kein Problem, im Traum diese Person dann doch ins Bett zu kriegen.

Oh jaa, eine fantastische Technik! Das Gute an der Sache war, dass die meisten Träume, die unbewusst von Träumer gesteuert wurden, nicht originalgetreu mit der Vorlage ablaufen mussten, sondern ein Eigenleben gewinnen konnten. Oh Wunder der Technik! Die Konsole vervollständigte diese selbst geschaffenen Realitäten automatisch, der Computer berechnete alle Einzelheiten dauernd aufs neue, und alles erschien herrlich echt und in Technicolor. Fast noch besser als im wirklichen Leben.

Und um das ganze perfekt zu machen, kam noch eine wichtige Sache dazu. Während des Traumes konnte nämlich die, wie Zirza sich nannte, Administratorin eingreifen und Einfluss auf den Traum gewinnen, wenn der Traum nicht erschreckend genug ablief, um den Träumenden so zu verstören wie gewünscht. Man konnte zum Beispiel Einfluss auf die Stimmbänder des Träumenden nehmen und ihn Dinge sagen lassen, die die Handlung natürlich bestimmten und weiterführten, wenn auch nicht so, wie der Träumende es sich vorgestellt hatte...

Kurzum, die Konsole war eine geniale neue Erfindung, ein Knaller, und Zirza hielt sich für genau die richtige Person, um sie zu bedienen.

Zirza hatte vor über zwei Jahren zum erstenmal Kontakt mit W&H aufgenommen, und zwar als Lila sich nicht mehr in Campodia gemeldet hatte. Natürlich war Zirza aufgefallen, dass die Arbeit bei dieser Firma, von der sie aber wenig erzählte (wir wissen warum) Lilah verändert hatte. Aus dem früher recht fröhlichen ehrgeizigen Mädchen, wie Zirza sie von früher kannte, war im Laufe der Jahre eine verschlossene, irgendwie verbitterte Frau geworden, und Zirza wollte den Grund dafür wissen. Das Schlechte hatte sie immer schon automatisch angezogen wie ein Magnet. Also war sie eines Tages bei W&H vorstellig geworden und hatte sich nach Lilahs Verbleiben erkundigt. Normalerweise hätte man sie höflich hinauskomplimentiert, aber man erkannte dort sofort ihr enormes bösartiges Potential und heuerte sie an, nebenbei ein bisschen für die Firma zu arbeiten, hauptsächlich um Männer, auf die man Einfluss nehmen wollte, mit Schweinereien zu erpressen, bis sie willig genug waren, der Firma zu dienen.

Und Zirza war auch in dieser Beziehung nicht zimperlich, sie arbeitete mit sämtlichen Tricks, und wenn ihre natürliche Schönheit nicht ausreichte, um jemanden zu verführen, dann benutzte sie eben Lockstoffe, die sogenannten Pheromone.

Sie war sehr erfolgreich.

Spike hatte Glück gehabt, er konnte sie im wahrsten Sinne des Wortes nicht riechen, weil sie große Mengen von diesem unsagbaren Parfüm trug, und außerdem war Spike vorsichtig genug, ihr nicht zu nahe zu kommen, weil er Max’ Warnung ernstgenommen hatte.

Wenn er auf sie hereingefallen wäre, hätte das die Sache natürlich sehr erleichtert, und Zirza wäre ohne große Umwege ans Ziel gekommen.

Also hatte sie sich etwas komplizierteres ausdenken müssen.

Auch für Buffy hatte sie etwas vorbereitet. Das Collier, das sie ihr überlassen hatte, war natürlich nicht verzaubert, es enthielt unter anderem einen starken Sender, mit dessen Hilfe Zirza Buffy einen posthypnotischen Befehl geben konnte. Sie hatte Buffy ja schon einmal hypnotisiert während dieser albernen Seance, und hatte ihr im Laufe der Hypnose einen Satz eingetrichtert, dem, falls Buffy ihn hören würde, sie unbedingt Folge leisten würde. Auch eine mikroskopisch kleine Spritze befand sich an dem Halsband, mit der Zirza zum richtigen Zeitpunkt eine ebenfalls mikroskopisch kleine Menge von GS17 in Buffys Blutbahn spritzen konnte. Zirza überlegte, ob sie ihr vielleicht vorher noch eine kleine Dosis Schmusol spendieren sollte, um ganz sicher zugehen, aber die Kleine war vernarrt genug in Spike und würde sehr zärtlich zu ihm sein – auch ohne das Schmusol. Und natürlich hatte sie auch Buffy mit dem neuen fantastischen Gerät gescant, um ihr im geeigneten Augenblick eine nette ‚Botschaft’ zu schicken...

Ach, es war zu köstlich!

Noch viel einfacher – wenn auch langweiliger – wäre es, beide zu vergiften, dachte Zirza bedauernd. Aber leider hatte die Firma das untersagt. Die Restfiliale in Chicago wollte kein Aufsehen erregen, vor allem kein Aufsehen im Zusammenhang mit Bill Castaway und seinen Kindern. Der Skandal letztes Jahr in Los Angeles war noch nicht vergessen, und man wollte vorsichtig agieren, unbemerkt agieren, im Hintergrund agieren.

Das Leben war wunderbar, dachte Zirza in Vorfreude. Und das Vergiften sollte sie besser nicht zu oft betreiben, hinterher konnte noch jemand entdecken, wie ihre eigene Mutter ums Leben gekommen war. Diese sabbernde quatschende Moralistin, die wohl die Wahrheit über ihre Tochter geahnt hatte, war Zirza dermaßen auf den Geist gegangen, dass sie eliminiert werden musste. Offiziell war sie an einem Herzinfarkt gestorben...

 

Spike tanzte in dieser Nacht nicht mit Buffy. Er hielt sich nur noch bei der Band auf, unterhielt sich mit dem Geiger, machte den Jungs den Vorschlag, eine CD aufzunehmen, denn Spike hatte noch gute Beziehungen zur Musikbranche, war gut gelaunt, und manchmal spielte er auch bei anderen Stücken der Band mit, singen tat er allerdings nicht, und irgendwann war er einfach nicht mehr da, wie Buffy enttäuscht feststellte.

Wollte er ihr vielleicht aus dem Weg gehen?

Das war egal, er würde ihr nicht entkommen. Nicht in dieser Nacht.

 

~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*

 

KAPITEL VIII Teil 2

 

„Ihr sollt sofort in den Palast kommen!“

Das war keine gute Nachricht, denn der Kaiser hatte immer üble Überraschungen für seine Untertanen bereit. Wenn man Glück hatte, erleichterte er einen nur um sein Geld und seine Güter, wenn man Pech hatte, dann erleichterte er einen auch um sein Leben...

Und für eine normale Audienz war es eine zu ungewöhnliche Zeit, es war früher Morgen. Seltsam, aber was bei ihm war nicht seltsam?

Man führte mich in den Palast, wo ich zwei weitere Konsuln antraf, auch sie hatte man praktisch aus dem Bett geholt, und sie machten beide einen bestürzten Eindruck.

Man geleitete uns in eine Art Theaterraum mit ein paar Holzbänken und einer Bühne, die aber noch von einem Vorhang verborgen war.

Wir setzten uns und warteten auf das, was kommen sollte. Eigentlich hatte ich mit meinem Leben abgeschlossen. Aber warum sollte er mich töten lassen? Ich galt nicht gerade als begütert. Offiziell als nicht begütert. In Wirklichkeit hatte ich einiges aus den Eroberungsfeldzügen zur Seite geschafft, und ein mir treu ergebener Sklave verwaltete meine heimlichen Reichtümer. Wegen Geldgier konnte er mich also nicht umbringen. Aber es gab so viele andere Gründe. Wir waren zwar verwandt, und das war gefährlich, aber nicht so nah verwandt, dass ich in der Thronfolge ein ernstzunehmender Anwärter gewesen wäre. Die ernstzunehmenden Anwärter hatte er alle schon beseitigen lassen.

Vielleicht hatte er einfach nur Lust, jemanden umzubringen und vorher ein wenig zu quälen. Ja, das war es wahrscheinlich.

Plötzlich hörten wir lustige Musik von Oboen und dazu das Schlagen eines Tamburins. Sklaven, von denen jeder zwei Lampen trug, traten in zwei Reihen ein, dann hörte man einen Eunuchen mit zarter Stimme ein Lied singen: „Lang, lang nach Mitternacht...“

Die Sklaven stellten die Lampen vor der Bühne nieder und zogen sich unauffällig zurück.

Man hörte ein schlürfendes Geräusch, und herein tanzte ein hohe Gestalt in einem rosafarbenes Kleid und einem Kranz echter Rosen auf dem Kopf.

Es war der Kaiser. Beim Zeus!

Als der singende Eunuch zu der Stelle kam: „Die Morgenröte schelmisch blinkt“, öffnete der Kaiser den Vorhang, und man sah in ein Gemach mit einem Bett darin, auf dem ein junger Mann und ein junges Mädchen lagen, die beide vollkommen nackt waren.

Der Kaiser, der wie ich jetzt erkannte, die Göttin der Morgenröte darstellte (wenn die Situation nicht so gefährlich gewesen wäre, wäre ich in brüllendes Lachen ausgebrochen, denn er sah aus wie eine sehr maskuline stark geschminkte Hure) bedeutete dem Paar pantomimisch, dass es Zeit wäre, auseinander zugehen.

Der junge Mann und das junge Mädchen erhoben sich daraufhin langsam und anmutig und verschwanden beide in verschiedene Richtungen.

Das Mädchen war zwar sehr klein von Gestalt, aber ihre Proportionen schienen perfekt, und ihr Gesicht war von auffallender Schönheit.

Auch die ‚Göttin der Morgenröte‘ tanzte hinaus...

Kurz darauf wurden wir aufgefordert, mit ihr oder ihm zu frühstücken.

Die beiden Konsuln und ich konnten uns nicht genugtun, seinen Tanz zu loben und als höchste und erlesenste Offenbarung zu preisen, und wir bedauerten, dass nicht mehr Zuschauer diesem erlesenen Genuss hatten beiwohnen dürfen.

Er schien sehr geschmeichelt zu sein. Dieser sadistische Idiot.

„Hübsches Mädchen, nicht wahr, du alter Hurenbock“, sagte er plötzlich mit einem listigen Gesichtsausdruck. Er meinte mich mit diesen Worten.

Ich schreckte zusammen.

„Wirklich sehr hübsch!“ Das war nicht gelogen, ich hatte selten eine schönere Frau gesehen, wenn man einmal absieht von der unglücklichen Schwester des Kaisers, der armen Drusilla, mit der er angeblich Blutschande getrieben hatte und die er bald danach umgebracht hatte. Man munkelte, er hätte das mit seinen eigenen Händen getan. Ich wusste auch darüber Bescheid, denn ich hatte die arme, wahnsinnige gewordene Drusilla eine lange Zeit geliebt, aber des Kaisers Schatten hatte immer zwischen ihr und mir gestanden. Es war wirklich Liamus gewesen, der sie wahnsinnig gemacht hatte. Und trotzdem hatte Drusilla ihren Bruder geliebt. Ich wusste, dass beide Gerüchte, die in der Öffentlichkeit kursierten, die Wahrheit beschrieben. Das Gerücht der Blutschande und das Gerücht des Mordes an seiner Schwester. Er war zu allem fähig.

„Und außerdem ist sie Jungfrau, soviel ich weiß. Willst du sie heiraten? Du kannst sie haben. Kennst du sie übrigens?“

„Nein, denn ich habe nur auf dich geblickt“, log ich. Sein Vorschlag, nein es war ein Befehl, machte mich zum erstenmal an diesem Tag vollkommen verwirrt.

„Es ist deine Kusine Buffia, die Tochter des Summerius. Der alte Kuppler hat nicht mit der Wimper gezuckt, als ich sie herbestellte. Wie feige die Leute sind, was?“

„Ja, du mein Herr und Gott.“ Ich bin genauso feige, dachte ich, nur um mein bisschen Leben zu retten. Allerdings tat ich es auch für meinen Sohn.

„Also gut, dann werdet ihr morgen heiraten. Und ich gehe jetzt zu Bett.“

„Ich danke dir aus demütigstem Herzen“, log ich weiter. Du Dreckskerl!

Einen Tag später heiratete ich die Buffia, und wir wurden aufgefordert, im Palast zu wohnen, was mir zwar nicht sonderlich gefiel, aber es ließ sich nicht ändern.

So hatte ich Buffia kennen gelernt.

Und ich fing an, sie zu lieben. Nach dem Tode meiner ägyptischen Frau Lilah, die bei der Geburt unseres Sohnes Gwydius gestorben war, hatte ich solche Gefühle nicht mehr erlebt, nein falsch, eigentlich hatte ich noch nie solche Gefühle erlebt. Buffia schenkte mir nach fast neun Monden eine kleine Tochter. Zum erstenmal im Leben war ich wirklich glücklich, denn auch Buffia schien mich zu lieben.

Mit Betonung auf ‚schien’, denn mittlerweile waren mir ernste Zweifel an ihrer Liebe gekommen. Sie war zwar immer sehr freundlich zu mir, aber sie schien mit ihren Gedanken weit weg zu sein. Wo, beim Zeus, waren ihre Gedanken?

 

Spikus Britannicus Pendragus saß in seiner Loge im Circus Maximus und beobachtete verstohlen den Kaiser, der in der kaiserlichen Loge ein paar Meter weiter saß. Neben dem Kaiser saß Spikus’ Frau Buffia und himmelte den Kaiser an. Sie schien hoch in der Gunst des Kaisers zu stehen, was kein gutes Zeichen war....

 

In frühern Tagen soff ich Wein

heut schmeckt er nicht mehr gut

heut lab ich mich an edlerm Trank

und saufe Menschenblut.

 

Jemand in der Menge sang das neue Spottlied, und ein paar andere nahmen den Refrain auf und grölten mit.

Der Kaiser, in der Tat war er eine Horrorgestalt! Liamus Angelus Maximus, auch bekannt unter dem Namen Vampyrus – dieser Beiname traf verdammt gut zu auf ihn zu, denn er war wie eine dieser blutrünstigen Fledermäuse aus Tessalonien – er war es, über den dieses nach Spikus’ Urteil gutgelungene Verslein kursierte. Angelus hatte schon als kleiner Junge viele Gräueltaten begangen, unter anderem hatte er seinen Vater ermordet. Ein allerliebstes Herzchen, wie Spikus höhnisch dachte. Auch seinen anfänglichen Mitregenten, den kleinen Gmellinus hatte er beiseite schaffen lassen, und das war noch lange nicht alles.

Es war nur der Anfang von seinen systematischen Tötungen.

Es hieß auch, dass Liamus Angelus seinen Vorgänger mit eigener Hand ermordet hatte, um den Thron besteigen zu können. Spikus wusste es besser. Ein Angelus treu ergebener Hauptmann hatte es für Angelus getan – und zwar nachdem Liamus Angelus dachte, der alte Kaiser wäre schon tot und er ihm seinem riesigen Ring vom Finger gezogen und selbst angesteckt hatte.

Denn auf einmal wachte der tot geglaubte Kaiser auf und fing an herumzubrüllen: „Ich habe Durst! Ich habe Hunger! Bringt mir was zu saufen und zu fressen!“  Und nach einer Weile schrie der tot Geglaubte, der übrigens ein zäher alter Knacker war: „Schweine und Säue! Wer hat meinen Ring geklaut?“

Liamus Angelus geriet in Panik, woraufhin der ihm der treu ergebene Hauptmann kurzerhand ein Kissen nahm und den lästigen kaiserlichen Schreihals damit erstickte.

Spikus beobachtete weiterhin verstohlen den Kaiser in seiner Loge im Circus Maximus. Er hörte mit nur halber Aufmerksamkeit dem Marsch zu, den die Musiker gerade spielten. sie spielten ihn zu Ehren des Einzugs der Gladiatoren in die Arena. Irgendwie kam ihm die Melodie, die von Bläsern gespielt wurde, bekannt vor, obwohl er diese Melodie bis jetzt noch nie gehört hatte*.

*Spike hörte das Posaunen-Gladiatoren-Vorspiel vom Stück‚Faith Healer’, gespielt von seiner eigenen Band ‚The big bad Thing’.

 

Der Kaiser war massig geworden, dachte er höhnisch. Aber das schien die Buffia nicht davon abzuhalten, den Kaiser anzuhimmeln. Spikus fühlte sich betrogen. Liamus Angelus hatte ihm vor einem Jahr gesagt, dass sie Jungfrau wäre, was natürlich nicht stimmte, wie Spikus in der Hochzeitsnacht feststellen musste – nun, es war ihm egal, ob sie Jungfrau war oder nicht, aber er hegte mittlerweile den Verdacht, dass es der Kaiser war, der als erster mit ihr... Und vielleicht war sogar seine angebliche Tochter, die kleine Morganilla in Wirklichkeit Angelus’ Kind. Und er hegte außerdem den Verdacht, dass Buffia den Kaiser liebte und nicht ihren Ehemann Spikus.

Wie sie ihn ansah. Dieses betörende Antlitz ihm zugewandt, so lockend und so provozierend. Sagte man nicht auch, dass der erste Mann immer derjenige war, den eine Frau ihr Leben lang liebt?

Unsinn, dachte Spikus, aber in diesem Falle schien es zu stimmen. Aber wieso? Diesen verrückten Sadisten? Wieso?

Andererseits hatte sich Liamus Angelus in letzter Zeit verändert. Und manchmal tat er durchaus Gutes. Es hieß, dass er einer verbotenen Sekte zum Opfer gefallen war, den sogenannten Petrusianern mit ihrem seltsamen Fischsymbol. Diese Sekte predigte die sogenannte Nächstenliebe, sie predigte gegen die Sklaverei, was natürlich absurd war, ohne die Skaven würde Rom zusammenbrechen, und sie hatte, das war das absurdeste, nur einen einzigen Gott. Bisschen wenig für alles, was die Götter so lenken mussten, dachte Spikus verächtlich.

Jedenfalls hatte sich Liamus Angelus verändert – aber diese Veränderung war nie für längere Zeit, sondern geschah aus unbekannten Gründen mal so mal so, anscheinend verfiel er ab und zu in sein altes Verhalten, in seine finstere bösartige Grübelei, in das Töten und in seine grauenvolle sadistische Folterung von Menschen.

Und wenn er so an diese ‚Nächstenliebe’ glaubte, dachte Spikus höhnisch, warum ließ er dann nicht seine Sklaven frei? Soweit ging anscheinend sein Glaube nicht, diesen Schritt zu wagen, auch in seinen sogenannten ‚guten’ Zeiten nicht.

Spikus’ eigener Glaube war, dass der Kaiser eigentlich aus zwei Personen bestand, die immer abwechselnd zum Vorschein kamen... Die Griechen nannten das Schizophrenie.

 

Etwas stimmte nicht, Spike hätte schwören können, dass einer der Senatoren eine Armbanduhr getragen hatte, aber alles andere wirkte so echt, dass er davon überzeugt war, sich in einer Parallelwelt zu befinden, in einer Parallelwelt, in der es eben Armbanduhren gab.

Auch diese harten Borsten auf den Helmen der Centurios sahen nicht authentisch aus, sie wirkten wie sperrige drahtige Besen. Draht und Nylon war mit Sicherheit zu dieser Zeit noch nicht erfunden. Die Dinger sahen aus wie in einem Hollywood-Film, in einem schlecht recherchierten Film über das antike Rom, so wie man sich römische Soldaten im allgemeinen so vorstellte. Aber vielleicht gab es ja auch eine wirkliche Realität, in der alles so aussah wie in einem Hollywood-Film. War möglich.

 

 

Eine Sekunde später vergaß Spikus, dass es so etwas wie Armbanduhren, Parallelwelten, Nylon und Hollywood-Filme gab. Solche Namen und Dinge existierten nicht, höchstens vielleicht in einem verrückten Traum.

Spikus hatte einen Plan. Er wollte die beiden auf frischer Tat ertappen, und dann würde er beide töten und sich als Kaiser ausrufen lassen. Er hatte genug Gefolgsleute unter der kaiserlichen Garde und auch im Senat, der aus einer Bande von Schleimern und Scheißern bestand. Er war verwandt mit dem Kaiser, zwar nicht sehr eng, aber es würde ausreichen, um seinen Anspruch auf den Thron geltend zu machen, er hatte einen Sohn und damit einen Erben, und das war schon verdammt viel in dieser dekadenten Zeit. Außerdem hatte er gute Beziehungen zur germanischen Leibwache des Kaisers, diese Barbaren würden ihm zwar wegen ihrer sagenhaften Treue nie bei einem Attentat gegen den Kaiser helfen, aber falls der Kaiser tot wäre, würden sie schnell nach einem neuen verlangen, und Spikus war der Typ von Mann, den sie wollten. Einen kampferprobten Mann, einen Feldherrn, der in Britannien viel Stämme unterworfen hatte. Einen, der im Zweikampf noch nie verloren hatte. Eben einen, der nicht zimperlich war..

Das war Spikus‘ Plan.

 

~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*

 

Er hatte es nicht tun können, auch nachdem er die beiden zusammen im Bett erwischt hatte. Diese feige Ratte von Kaiser, und seine Frau, vielleicht die Mutter seiner Tochter, die ächzend und seufzend von der feigen Ratte besprungen wurde.

Er hatte es nicht tun können, weil seine Frau Buffia ihn angefleht hatte, das Leben des Kaisers zu schonen und stattdessen ihres zu nehmen.

Mochten sie beide im Orkus versinken!

Oh, musste Liebe schön sein! Liebe fragt nicht nach Herkunft, nicht nach begangenen Taten, nicht nach begangenem Unrecht. Liebe findet statt. Und kann nicht verdient werden.

Spikus verlor in diesem Augenblick alle Illusionen, die er jemals gehabt hatte. Er musste fast kotzen und wandte sich angeekelt von den beiden ab.

„Ihr habt euch verdient“, sagte er schließlich zu dem Pärchen.

„Lass mir meine Tochter!“ rief ihm die Buffia noch nach und rang ihre Hände theatralisch, denn sie hatte wohl an seinem Gesichtsausdruck gesehen, dass er im Begriff war, sie und Rom mit den Kindern zu verlassen, aber er schaute nur hart zurück.

„Die Liebe muss dir reichen“, sagte er, höhnisch über seine Schulter zurückblickend,

Er wandte sich endgültig von ihr ab und eilte hinaus, um seine Kinder zu holen und das Schiff zu erreichen, das er vorsichtshalber, denn Spikus war ein umsichtiger Mann, im Hafen von Ostia hatte bereitstellen lassen, um in Falle des Scheiterns seines Vorhabens nach Britannien zu segeln, wo er im Schutze des Königs Gweodrudcallum, der ein Freund von ihm war und gleichzeitig ein unbesiegter Stammesfürst der Britannier, sein zukünftiges Leben verbringen wollte. Gwydius und Morganilla sollten nicht unter einem Tyrannen und nicht mit einer Schlampe als Mutter aufwachsen.

Das war er ihnen schuldig.

Spikus hatte einmal in der Arena einen Gladiatoren gesehen, einen großen kräftigen rothaarigen Mann, dem von seinem Gegner der rechte Arm abgeschlagen worden war und der dies im Eifer des Kampfes zuerst gar nicht bemerkt hatte. Die Menge hatte gebrüllt vor Lachen über seinen verblüfften Gesichtsausdruck, als er es endlich doch bemerkte...

Genauso wie dieser Gladiator fühlte Spikus sich jetzt, er war noch betäubt, aber er wusste, der Schmerz würde später kommen, denn:

Seine Existenz in Rom war vorbei.

Das mit der Liebe war vorbei.

Und sein Leben, nebenbei gesagt, war auch vorbei.

 

~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*

 

Ist es ein Wunder, dass Spike fuchsteufelswild war, als er nach diesem seltsamen und beklemmenden ‚Traum’ in einem dämmrigen Wachzustand lag und die Wirklichkeit vom ‚Traum’ nicht mehr unterscheiden konnte?

Aber gibt es denn überhaupt einen Unterschied von der Wirklichkeit zum Traum? Kann es nicht sein, dass unser als echt empfundenes Leben auch nur ein Traum ist? Vielleicht träumt gerade jemand unser Leben, und wir müssen mitspielen, und denken dabei noch, wir hätten einen freien Willen.

Jedenfalls war Spike stinksauer. Das konnte kein Traum sein, denn so einen realistischen Traum gab es einfach nicht. Diese vielen Details... Und sah es nicht so aus, als wäre dieses frühere Leben eine Wiederholung seines jetzigen Lebens? Die unerfüllte Liebe, der Betrug, die Resignation. War man immer wieder dazu gezwungen, das gleiche zu erleben? Zu welchem Zweck sollte das sein, dachte Spike verzweifelt.

Jedenfalls war er stinksauer.

Sonderbarerweise schlief er nach einer Weile wieder ein, wahrscheinlich aus Erschöpfung und Frust. Die Droge, die Zirza ihm ins Gesicht geblasen hatte, wirkte immer noch voll, und er glaubte, dass sein Traum, nein, dass sein früheres Leben wirklich stattgefunden hatte und dass es auch damals in die Hose gegangen war, mit der Liebe und mit der Buffia. Genauso wie es jetzt wieder mit der Buffy, wie die Buffia heute hieß, schief gehen würde.

Es war immer das gleiche. Und es war frustrierend.

Spike glitt hinüber in einen neuen Traum, und er fühlte sich fast erleichtert, dass er nicht mehr an den alten denken musste.

Er sah eine Reihe von Türklingeln, die sich seltsamerweise an Buffys Haus in Sunnydale befanden, obwohl doch gar nicht so viele Leute dort wohnten. Auch dieses Bild erschien in seltsamer Klarheit und so gar nicht traumgemäß.

Die Türklingeln hatten Schilder mit glänzenden altmodisch verschnörkelten Aufschriften, auf denen genau in dieser Reihenfolge zu lesen war:

Die geile Prinzessin

Der flotte Vierer

Vampir und Vampirette

Buffys Hoppsala-Himmelbett

Von hinten ist’s gut

Der geile Bock und das Schaf

 

Die Klingeln hatten eine suggestive Wirkung auf Spike. Sie verlangten allesamt dasselbe, nämlich: Drück die Klingel, drück die Klingel, drück die Klingel...

Aber was für eine Klingel sollte er drücken?

Er entschied sich nach kurzem Zögern für die Klingel mit der Aufschrift:

Buffys Hoppsala-Himmelbett.

Warum entschied er sich für Buffys Hoppsala-Himmelbett?

Er war gerade so in Stimmung, die Schlampe in ihrem Bett zu sehen, und das Schild war so persönlich, alle anderen Schilder – mit Ausnahme vielleicht das ‚Vampir und Vampirette’ Schild, was ihn eventuell auch interessiert hätte – waren so unpersönlich. Nein besser gesagt uninteressant. Allein von dem Namen Buffy war er fasziniert. Oder war er davon besessen?

Jedenfalls drückte er auf die besagte Klingel.

Am Anfang spürte er gar nichts.

Er sah über sich die Decke seines Zimmers. Seltsamerweise befand sich ein Spiegel an der Decke über seinem Bett.

Na und wenn schon, das sah alles ziemlich normal aus, und er wollte schon richtig einschlafen, um den Gedanken zu entgehen, die sich immer noch mit seinem früheren Leben in Rom befassten und damit auch automatisch mit der damaligen Untreue seiner damaligen Ehefrau.

Er wollte sich auf die Seite drehen und stellte fest, dass es nicht ging.

Er konnte kein einziges Glied bewegen, bis auf seine Augen, und als er die verdrehte, um besser Einsicht auf die Lokalität zu nehmen, stellte er bestürzt fest, dass er ganz flach war, dass er keine Gliedmaßen hatte.

 

...Und dass er kurz gesagt, anscheinend selber Buffys Hoppsala-Himmelbett war.

Das war wirklich eine Überraschung! SURPRISE, SURPRISE...

Und nicht genug der Überraschung, vollkommen unbeweglich und flach zu sein, nein, Spike hörte, wie eine Tür sich öffnete und zwei Personen in das Zimmer kamen, zwei Personen verschiedenen Geschlechts, wie man an ihren Stimmen erkennen konnte. Und er kannte diese Stimmen sehr gut.

Und das einzige, was Spike in diesem Moment dachte, war:

NICHT SCHON WIEDER!!!

Spike wollte sich in irgend etwas kneifen, um diesen beschissenen Traum zu beenden, aber er konnte natürlich kein Glied rühren, um sich in irgendetwas zu kneifen, denn er war ja immer noch das Himmelbett. Das Himmelbett daselbst. Bewegungslos und so dastehend...

Das Himmelbett, auf das sich Buffy und Angel gerade sinken ließen.

Das Himmelbett, auf dem sie sich gegenseitig auszogen, mit quälender Langsamkeit, sich ausgiebig küssten und streichelten.... Spike sah alles im Spiegel an der Zimmerdecke.

Spike konnte auch seine Stimmbänder nicht bewegen. Und peinlicherweise hatte er das Gefühl, seine Sprungfedern würden quietschen. Warum leistete sich die Schlampe nicht ein bequemes Wasserbett bei ihrem regen Geschlechtsverkehr. Das wäre viel bequemer und vor allem nicht so geräuschvoll.

Das Himmelbett, auf dem Angel Buffys Brüste liebkoste, bis sie schließlich anfing zu wimmern und ihn bat, sie endlich zu ficken.

Das Himmelbett, auf dem er schließlich mit ansehen musste, wie sie sich liebten und schließlich stöhnend und erfreut zum Höhepunkt kamen (Erfreut???-seltsam! Buffys Höhepunkt kam ihm ein wenig gespielt vor... wie in einem Pornofilm, und Spike hatte recht, er sah in Wirklichkeit einen Pornofilm, aber mit den ihm bekannten und mittlerweile gehassten Gesichtern von Buffy und Angel, aber daraus ersieht man, dass Spike sehr wohl zwischen einem echten und einem gespielten Höhepunkt unterscheiden konnte....).

Du kannst sie nie so befriedigen wie ich, dachte er. Aber das war kein wirklicher Trost für ihn, denn sie liebte ihn nicht...

Würde ihn nie so lieben wie sie Angel liebte.

 

~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*

 

Buffy richtete sich nach einem unruhigen Schlummer auf. Das Halsband hatte sie mit einem gezielten Stromstoß geweckt, den natürlich Zirza ausgesandt hatte,. Buffy hatte das Halsband auch im Bett anbehalten, weil Zirza ihr unbedingt dazu geraten hatte.

Richte dich nur nach dem Halsband, hatte ihre Freundin Zirza zu ihr gesagt. „Das Halsband wird dir schon sagen, was zu tun ist.“

Und Buffy vertraute Zirza blind, denn Zirza hatte ihr dieses blinde Vertrauen in der privaten Hypnosesitzung eingeflößt, die sie mit Buffy veranstaltet hatte.

Wenn das Halsband dich weckt, dann folge seinem Verlangen, hatte sie ihr zusätzlich noch eingeflößt.

Das Halsband flüsterte: Geh zu ihm und zeige ihm deine Liebe. Er wartet auf dich. Du wirst seine Gedanken sehen können und wie er dich liebt. Alles wird gut werden.

Und Buffy vertraute der Stimme, erhob sich wie hypnotisiert, streifte ihren leichten seidenen Morgenrock um, ging auf den Balkon, der auf der Rückseite des Herrenhauses alle Zimmer der Wohnung zugänglich machte, und von dort aus zu Spikes Zimmer, denn sie wusste, dass er immer bei offener Balkontür schlief.

Sie trat leise in sein Zimmer. Sie sah ihn nackt und regungslos auf dem Bett liegen, lächelte und ging langsam auf das Bett zu...

 

Nachdem das Pärchen vom Bett aufgestanden war – was Spike freudig begrüßt hatte, denn er hatte es kaum aushalten können, die beiden in dieser Intimität zu sehen – und das Zimmer verlassen hatte, hoffte er, endlich einschlafen zu können und diesen beschissenen Ort zu verlassen. Und er fühlte sich schrecklich steif.

Dann auf einmal hörte er wieder jemanden im Zimmer. War das saubere Pärchen noch mal zurückgekommen? Nicht das!!!

Es war Buffy, die alleine ins Zimmer gekommen war, sie trug einen leichten seidenen Morgenrock und hatte sich einen Stoffgürtel locker um ihre Hüften gebunden, aber der Morgenrock stand vorne so weit offen, dass man fast alles von ihr sehen konnte, fast alles von ihren Brüsten, ihre nackte Taille und ihre nackte Scham.

Spike konnte das in dem Spiegel an der Decke sehen.

Wo ist Angel, wunderte er sich.

Buffy fixierte mit ihren Augen das Himmelbett, und Spike hatte auf einmal das Gefühl, sie könnte ihn sehen. Was natürlich vollkommener Humbug war.

Er war das Himmelbett.

Sie schien ihn aber trotzdem sehen zu können.

So ein Quatsch. Er war das Himmelbett, er war unbeweglich, er war nur ein Ding.

Ein seelenloses Ding, wie Harris einmal so treffend gesagt hatte.

Buffy erklomm zielsicher das Himmelbett.

Er konnte wieder kein Glied rühren. Bis auf verdammt noch mal eines! Falsch, er konnte es nicht selber rühren, er spürte nur, wie sein verdammtes Glied sich selbstständig machte und sich erhob. So ein Mist!!

Aber vielleicht würde sie es nicht merken... Himmelbett...

Tat sie aber doch. Denn sie ließ sich bequem über ihm nieder, umfasste zärtlich sein Glied mit ihren kleinen Händen und fing an, es zart zu massieren, was ihn natürlich noch mehr erregte, bis sie es schließlich in ihren Mund nahm und anfing, daran zu saugen...

Auf eine zärtliche Art und auf eine hingebungsvolle Art, vor allem auf eine Art, auf die er voll abfuhr, was natürlich nicht zu übersehen war, wie er im Spiegel an der Decke mit ansehen musste (Spike sah eine gefilmte Szene von sich und Buffy, die eine kleine versteckte Kamera in der Deckenlampe gerade aufnahm und die Zirza ihm postwendend, quasi in Echtzeit und ohne Verzögerung ins Gehirn schickte, und deshalb musste er auch alles mit anschauen genauso wie eben die Szene mit Buffy und Angel, Augenschließen war zwecklos, er sah alles weiterhin, denn er sah durch die Nervenbahnen in seinem Gehirn).

Er fühlte, wie sein Körper dahinschmolz, wie ihn ihre Zärtlichkeiten in Stücke brachen, wie er aufhörte, im Innersten zu sein und wie er schließlich in ihrem Mund so heftig kam, dass er sich vor Lust aufgebäumt hätte, wenn er es gekonnt hätte. Er konnte es natürlich nicht – er war nur eine Matratze...

War es ein Wunder nach dieser langen Zeit der Enthaltsamkeit? Abgesehen natürlich von ein wenig Selbstbefriedigung. Hier und da...

Und sie schien es zu genießen. Sie hatte seinen Samen geschluckt, was auch nicht jede Frau so gerne tat und sie schmiegte sich der Länge nach an seinen Körper, nein er hatte ja keinen Körper, sondern er war nur eine Matratze, sie schmiegte und rieb sich mit ihren Brüsten an seinem Körper, seltsamerweise fühlte er seinen Körper jetzt ganz deutlich, obwohl er doch nur ein Ding aus Federkernen, Baumwolle und Zwirn war, sie rieb sich vor allem an seinem Glied, das wohl ein Eigenleben entwickelt hatte und wieder voll auf der Höhe stand, und auf einmal musste er daran denken, wie sie mit Angel den Koitus vollzogen hatte, so lächelnd und erfreut wirkend wie in einem Pornofilm. Und er dachte, du bist nur eine schlechte Nutte, aber ich kann es dir trotzdem besser geben, sogar als Matratze kann ich es dir besser geben als sonst einer.

Was sie sich anscheinend nicht zweimal sagen ließ. Sie setzte sich über ihn und führte mit quälender Langsamkeit sein Glied erst unter sich und dann ganz langsam in sich ein.

Im Spiegel sah er, dass sie immer noch dieses verdammte Halsband trug. Diese schamlose Person hatte keinerlei Moral, wirklich!

Sie bewegte sich nicht viel, sondern schien nur sein Glied in sich spüren zu wollen, sie ritt ihn ein wenig, überlegte es sich dann aber anders, sie wollte es wohl nicht auf die wilde Tour haben, sondern ließ ihren ganzen Körper sanft auf seinen Körper, nein, falsch auf die Matratze sinken.

Dann versuchte sie, ihn auf dem Mund zu küssen, was Spike zwar spürte, aber nicht erwidern konnte oder wollte, denn er war ja nur eine Matratze ohne menschliche Lippen, dann schmiegte sie sich wieder ganz flach in ihrer vollen Klänge – was natürlich nicht sehr lang war – an ihn, als ob sie jeden Zoll seines Körpers spüren wollte und sie so nah wie möglich bei ihm sein wollte. Und sie versuchte wieder, ihn zu küssen, was er wieder nicht erwidern konnte und auch nicht erwidern wollte... bis sie dann schließlich aufstöhnend innehielt, weil der Höhepunkt sie überwältigte und sie sich wieder ganz flach auf ihn fallen ließ, nein falsch, auf die Matratze fallen ließ...

„Spike...“, und sie ächzend und nach Luft ringend seinen Namen keuchte.

Spike kam kurz nach ihr zum Höhepunkt, aber er fühlte sich dabei irgendwie... vergewaltigt vielleicht? Ja, vielleicht... Natürlich stand er auf jede sexuelle Spielart, aber hätte es bei diesem ersten Mal nicht etwas anders sein müssen? Etwas netter vielleicht. Und vielleicht ohne dieses Gefühl, nur eine Matratze zu sein?

Jedenfalls fühlte er sich beschissen und gedemütigt, und sein Leben im alten Rom stand so deutlich vor ihm, dass er sich noch beschissener fühlte. Und auch die Szene mit Angel und ihr nagte noch an ihm, obwohl das mit Sicherheit ein böser Traum gewesen war, aber es tat weh... Und trotz der körperlichen Befriedigung – die natürlich grandios gewesen war wie immer mit Buffy, wie er grollend dachte – fühlte er sich in der Seele waidwund und verletzt. Obwohl er doch nur eine seelenlose Ansammlung aus Federkern, Baumwolle und Zwirn war, tat ihm alles innerlich weh. Mussten wohl die Federkerne sein, dachte er höhnisch.

Und er wollte ihr weh tun. Er wollte ihr so weh tun, wie es nur irgendwie ging.

 

Buffy lag mit ihrem leichten, jetzt vollkommen entspannten Körper immer noch auf ihm. Als ihr Herz wieder ruhiger schlug und sie wieder normal atmen konnte, umfasste sie zärtlich sein Gesicht und küsste ihn leicht auf dem Mund.

Er murmelte etwas, was sie aber nicht verstand.

„Was sagt du, Liebster?“ fragte sie leise, küsste ihn noch einmal und schmiegte sich mit ihren Brüsten an seinen Oberkörper.

„Mach’s mir noch einmal.... Zirza.“

Seine Stimmbänder funktionierten wieder. Dem Himmel sei Dank! Spike wusste zwar selber nicht, wie diese Worte seinen Mund verlassen konnten und wie er auf diese Idee mit Zirza gekommen war, aber er hatte es nun einmal gesagt, und er hoffte, es würde Buffy so richtig weh tun.

Buffy erstarrte auf seinem Körper. Was hatte er da gesagt?

Das konnte nicht sein. Es war ein Versehen.

Aber gleichzeitig verpasste ihr Zirza, die ein Stockwerk höher wie eine schwarze Spinne lauerte und agierte, ein genaues Bild, nämlich ein Bild von Spike und Zirza, wie sie sich nackt auf Zirzas Bett herumwälzten, wie sie lachten und wie Spike Zirza ansah, so voller Begehren. Es war ein Bild, so deutlich und klar und aussagekräftig, dass es jeden eventuell noch vorhandenen Zweifel an Spikes Untreue zerstörte. Das Bild war natürlich getürkt – es gibt heutzutage nichts, was man mit einem Computer nicht machen kann...

Plötzlich erschien noch ein anderes Bild, und zwar Spike, der alte Spike mit Gameface, beide Bilder wechselten sich ab, flackerten wie ein Stroboskop in einer Disco und brannten sich im Bruchteil einer Sekunde in ihre Gehirnwindungen ein, und sie würde die Bilder für lange Zeit in sich behalten, in aller grausamen Schärfe, und im schlimmsten Falle würde sie die Bilder für immer in sich behalten...

Denn dazu gab das Halsband noch eine ansehnliche Dosis GS17 ab, die sich unbemerkt von Buffy in ihren Hals bohrte, sofort in ihre Blutbahn geriet und schließlich ihr Kleinhirn erreichte und sich dort einnistete. Das GS17 würde alles Zweifel über das, was sie in diesen Minuten gehört und gesehen hatte, restlos zerstören. Alles was sie gehört und gesehen hatte, würde ihr als die Wahrheit erschienen, nein, falsch, es war die Wahrheit. Sie hatte die beiden wirklich in Zirzas Zimmer gesehen. Zumindest glaubte sie das nun.

Und hatte Zirza, diese Schlange, die mit ihrem Ehemann herummachte, ihr nicht gesagt, dieses grandiose Halsband könnte die Gefühle von anderen erkennen und lesen.

Oh Gott!!!!

Das war die Wahrheit?

Hoffentlich hatte er sie nicht erkannt. Hoffentlich dachte er, es wäre Zirza gewesen, mit der er gerade gefickt hatte. Sie hätte die Demütigung nicht ertragen, wenn er sie erkannt hätte.

Sie hatte sich ihm aufgedrängt, und er wollte sie gar nicht haben. Oh Gott!!!!

Er war ein widerliches Schwein. Er hatte sich überhaupt nicht geändert. Alle Männer waren Schweine. Aber er ganz besonders.

Buffy floh schnell und lautlos über den Balkon aus dem Zimmer.

Ihren Morgenrock hatte sie noch an.

 

© Ingrid Grote 2004   Fortsetzung HIER

 

Alle Romane befinden sich auf:   LONGSTORIES>>>

 

und der Rest dort:

 

HOMEPAGE>>>

 

SHORTSTORIES>>>

 

FOTOSTORIES>>>

 

bEST of bLOG>>>