Holidays in Kampodia

 

Kapitel II – Teil 1 FRÜHSTÜCK

 

Außer Andromeda, die gerade an einer Tasse Tee nippte, befand sich niemand im Frühstücksraum.

„Hallo“, Daniel nickte Andromeda zu.

Sie lächelte ihn verlegen an und sagte auch „Hallo.“

Daniel nahm sich einen Teller und ging zum Frühstücksbüffet. Zu seiner Überraschung fand er auch ein englisches Frühstück vor, mit Rührei, gebackenem Schinken und gebratenen kleinen Würsten. Alles befand sich auf elektrischen Warmhalteplatten mit großen silbernen Deckeln. Natürlich gab es auch gekochte Eier, verschiedene Brotsorten, Brötchen, Toast, mindestens fünf – wie Daniel nach einem kurzen Blick feststellte – Sorten Käse, ferner Marmelade, Honig, Nusscreme, rohen und gekochten Schinken, diverse Wurstsorten und Mettwurst, teils geschnitten, teils am Stück. Ein großes Messer lag einladend daneben.

Andromeda tauchte neben ihm auf. „Ganz schön englisch, nicht wahr?“ Sie deutete auf den gebackenen Schinken und die gebratenen Würstchen.

„Das ist wohl wahr“, Daniel grinste. „Und wie kommt ihr dazu?“

„Es ist so eine Ahnensache“, erklärte Andromeda. „Hast du das Bild von ihr gesehen? Es ist auf dem Treppenaufgang.“

„Ach das! Stimmt, ich habe es gesehen, und irgendwie kam es mir bekannt vor.“

„Sie war Engländerin und hat ein paar Bräuche von der Insel mitgebracht. Manche behaupten, sie wäre eine Hexe gewesen. Aber das ist natürlich Quatsch!“

Natürlich...“, Daniel beobachtete fasziniert, wie sie eine dicke Scheibe von der Mettwurst abschnitt.

„Bei uns schneidet man sich die Mettwurst selber ab“, erzählte Andromeda, „und man isst sie immer abwechselnd mit Brot.“

„Das hört sich aber sehr mächtig an“, Daniel musste lachen. „Ach ja, ich vergaß, man nimmt hier ja nicht zu...“

„Nein, man nimmt hier eher ab...“ Während Andy auch lachte, dachte sie: Er hat eine wahnsinnig schöne Stimme, so rau und trotzdem wohlklingend...

„Was zu beweisen wäre“, Daniel, nahm sich ein wenig Rührei, ein bisschen von dem in Würfel geschnitten rohen Schinken, eine Scheibe Brot, ein wenig Butter und schnitt sich ein Stück von der Mettwurst ab. „Setzt du dich zu mir?“

„Klar doch“, Andromeda versuchte, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben. „Ich hab’ aber nicht viel Zeit, muss gleich zur Schule, der Schulbus kommt in einer viertel Stunde. Aber heute ist der letzte Schultag, und dann hab’ ich endlich Ferien!“ Sie seufzte erleichtert auf.

„Freut mich für dich. Wo ist denn die Schule?“

„In Brunswick. Das ist ungefähr fünf Kilometer von hier.“

„Die Wurst schmeckt interessant, erinnert an Mailänder Salami“, Daniel kannte sich in der Gastronomie ein wenig aus, er hatte schließlich selber jahrelang eine Kneipe namens Eye-Q geführt – in seinen wilden Zeiten – bis er die Nase voll davon hatte.

„Nein, du kriegst nichts! Gar nichts kriegst du!“ Andromeda blickte über ihre Schulter zurück.

„Was meinst du?“ Daniel schaute sie verständnislos an.

„Alfonso kriegt nichts! Der ist ja soooo verfressen...“

„Der Tiger hier?“ Daniel beugte sich herunter zu dem strammen Katerchen und klopfte ihm anerkennend auf den Rücken. Alfonso drückte seine Hinterbeine fest durch und presste den hinteren Teil seines Rückens fest gegen Daniels Hand. Aber dann erschrak er über seine eigene Kühnheit und zog sich unauffällig zurück.

„Er hat die gleichen Augen wie du“, meinte Daniel verwundert. Und das stimmte. Andromeda und Alfonso, beide hatten große mandelförmige graugrüne Augen.

Alfonso stolzierte durch die Terrassentür nach draußen, sprang auf einen Deck-Chair, der schon ein bisschen Sonne abbekam und räkelte wollüstig seinen weißen pelzigen Bauch den wärmenden Sonnenstrahlen entgegen.

„Der will nix mit mir zu tun haben“, sagte Daniel.

„Immerhin hat er dich nicht angefaucht, normalerweise ist er nicht so nett zu Fremden.“

„Ich hatte auch mal einen Kater. Aber er ist weggelaufen, Wahrscheinlich mochte er...“ Seine Stimme stockte, und nach ein paar Sekunden fuhr er nachdenklich fort: „Du siehst Rebekka sehr ähnlich...“

„Findest du?“ Andromeda überlegte angestrengt, bevor sie antwortete: „Es ist vielleicht unser Haar...“

„Kann sein“, Daniels Stimme klang vage.

„Ihr kennt euch also?“ fragte Andromeda begierig, obwohl sie schon wusste, dass Rebekka Daniel kannte.

„Wir hatten schon miteinander zu tun...“ Daniel blickte auf das Brot mit dem gewürfelten Schinken.

„Daniel?“

„Ja, Kitten?“

„Kitten?“ Andromeda war erstaunt über diesen Kosenamen.

„Du siehst aus wie ein Kätzchen mit diesen grünen Augen“, Daniel lächelte sie an, was Andromeda reichlich verwirrte.

„Kitten...“, sie ließ das Wort auf der Zunge zergehen, dann raffte sie all ihren Mut zusammen: „Sag’ mal Daniel, kannst du reiten?“

„Nicht besonders, ich hab’ in einer Art Scheune reiten gelernt, aber das ist schon länger her.“

„Hast du Lust, einen Ausflug mit mir zu machen? Irgendwann?“

Er lächelte. „Aber ich werde nur ein paar Tage bleiben.“

„Ach Quatsch, alle bleiben länger, wenn’s geht!“

„Ach ja? Gut, dann machen wir mal einen Ausflug zusammen“, sagte Daniel friedfertig – und dachte gleichzeitig darüber nach, ob er wirklich länger bleiben würde. Falls ja, dann natürlich nur wegen ihr...

 

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Ein vorwitziger Sonnenstrahl, der durch den Spalt zwischen den Vorhängen drang, kitzelte Rebekkas Nase.

Sie war sofort wach, und als sie hinaus auf den Balkon ging, sah sie zwar noch ein paar Wölkchen über den Horizont wandern, aber die verschwanden nach ein paar Minuten, und der blaue Himmel sah nun aus wie leergefegt und frisch gewaschen. Archie hatte Recht gehabt, der Sommer war wiedergekommen...

Sie suchte sich ein paar Sachen zum Anziehen zusammen und ging ins Badezimmer, um zu duschen. Dort fand sie ihre Tochter Morgaine vor, die sich gerade die Zähne putzte. Die Zähne putzte? Das war wirklich erstaunlich, das tat sie normalerweise doch nur unter Zwangseinwirkung.

„Was ist denn los mit dir?“ fragte Rebekka entgeistert.

„Ich muss das jetzt putzen!“ Morgaine lachte, und das war so bezaubernd, dass Rebekka nicht weiter nachfragte, sondern selber zu ihrer Zahnbürste griff.

„Und warum bist du so früh wach? Normalerweise schläfst du doch wie ein Murmeltier“, gurgelte sie zähneputzend vor sich hin.

„Mammi, bei dir läuft was aus dem Mund raus“, lenkte Morgaine ab, und das bedeutete, dass sie nicht drüber sprechen wollte.

„Ist ja kein Wunder, wenn man spricht und sich gleichzeitig die Zähne putzt...“ Manchmal dachte Rebekka, ihre Tochter wüsste mehr als sie, und das machte sie etwas nervös. Woher hatte Morgy das? Bestimmt nicht von ihrem biologischen Vater, der war nämlich total bescheuert gewesen...

 

>>> Nach der Sache mit Daniel ist sie nicht besonders gut drauf. Natürlich denkt sie nicht mehr an ihn, es hat ja keinen Sinn, aber sie scheint auf Männer zu stehen, die ihm ähnlich sehen. Denn ein paar Tage später schellt jemand an, er sucht eine Freundin von ihr, er hat ähnliche Haare wie Daniel und fast die gleiche Figur, er bleibt über Nacht da, und sie hat noch nie jemanden so laut beim Orgasmus schreien hören und so oft. Außer natürlich... Aber der ist unzuverlässig, untreu! Jetzt hat sie jemanden, der sie wirklich liebt. Allerdings nervt er auf Dauer, aber sie ist wohl empfänglich für... Für ihn? Nein. Für die Liebe? Nein. Wofür dann? Sie hat keine Ahnung.

Ein paar Wochen später wird ihr morgens übel. Okay, das ist nichts besonderes, manchmal ist ihr morgens vom Saufen übel oder wenn sie ihn neben sich im Bett sieht. Doch diesmal ist es etwas anderes, etwas Biologisches. Aber er als Vater? Dieser servile, debile, geschwätzige Idiot? Nein, NIEMALS!

Sie wirft ihn hinaus aus ihrem Leben, sie zieht um, ändert ihre Telefonnummer, er wird die Wahrheit nie erfahren... <<<

 

Rebekka musste lachen, während sie in den Spiegel guckte, sie konnte nicht anders. Sie hatte alles so gut organisiert, Morgy war alleine IHR Kind, und es gab keinen störenden Vater. Wozu auch? Was hatte der Vater schon groß dazu getan?

Sie fühlte, dass Morgaine sie skeptisch ansah. Und dann sagte ihre Tochter in dem beschwörenden Singsang, den sie so perfekt beherrschte: „Komm’ Mammi, wir gehen jetzt runter!“

„Du kannst ja schon mal vorgehen, Morgy. Aber fall’ mir ja nicht die Treppe runter!“

„Bin doch kein Baby“, Morgaine schmollte ein wenig, aber sie trippelte schnell aus dem Badezimmer.

Die hat’s aber eilig, dachte Rebekka erstaunt.

 

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Daniel sah sie sofort, als sie auf dem obersten Absatz der Treppe erschien. Sie stand dort ruhig und gelassen, doch dann tänzelte sie die Stufen hinunter, warf der gerahmten Engländerin eine Kusshand zu und hielt dann inne, um sich die anderen Bilder anzuschauen. Das kam ihm so rührend ernsthaft vor, und er fühlte sich auf einmal ganz seltsam.

Es war ein hübsches Kind, und es hatte nicht viel Ähnlichkeit mit seiner Mutter, außer gewissen Gesten. Natürlich war Rebekka auch hübsch, auf eine andere Art und Weise, aber das wollte sie wohl nicht wahrhaben. Warum nicht, dachte Daniel, was ist los mit ihr? Natürlich wusste er keine Antworten auf seine Fragen, obwohl er sich schon seit Jahren mit dem Rätsel Rebekka beschäftigte. Er hatte sie einfach nicht vergessen können, trotz oder wegen mancher Vergnügungen, die er sich nach ihr geleistet hatte. Sie war der Ursprung dieser Vergnügungen, aber er hatte nie wieder das Gefühl von damals empfunden, diese Leidenschaft und Zärtlichkeit... Ach verdammt!

Und da war nun ihre Tochter. Sie erweckte seltsame Instinkte in ihm, aber er wusste nicht wieso. Er wusste nur, dass es eine Verbindung zwischen ihm und Morgaine gab.

Morgaine hievte sich mit Leichtigkeit auf den Stuhl neben Andy. Sie schaute Daniel von der Seite her an, und er schaute zurück.

„Ich will die Katze, wo ist die Katze“, sagte sie dann plötzlich.

„Hey, woher weißt du von Alfonso?“ Andromeda schaute das kleine Mädchen fragend an.

„Ich weiß schon, wo die Katze ist“, Morgaine lächelte Daniel und Andy zu, sie rutschte von ihrem Stuhl herunter, machte sich auf den Weg nach draußen –

  – und sah dort den wunderbarsten kleinen getigerten Kater der Welt. Er lag auf einem Deck-Chair und streckte seinen plüschigen weißen Bauch der Morgensonne entgegen. Natürlich hatte sie schon vorher gewusst, dass er der Schönste der Welt war, aber in Wirklichkeit sah er noch viel schöner aus.

Doch er hat Angst, er denkt, sie will ihn kneifen und ihm wehtun. Andere kleine Tiere haben ihm schon wehgetan. Ach, er meint Kinder. Er denkt auch an große Kinder, die ihn getreten haben, damit meint er bestimmt Erwachsene.

Automatisch entstand in ihrem Kopf ein Bild, in dem sie Alfonso zeigte, dass sie ihn nur ein bisschen ganz zart streicheln wollte. Alfonso war wie manche Katzen leicht telepatisch veranlagt, er verstand sie, er lief nicht weg – sondern ließ sich von dem Tier, das möglicherweise doch kein Tier war, zart über den Kopf streicheln, obwohl er dabei ein wenig zitterte, aber er zitterte nicht lange.

 

Sie hatte das Bild von dem Kater in seinem Kopf gesehen! Unglaublich! Daniel war ziemlich durcheinander, denn diese Sache betraf sowohl Rebekka als auch Morgaine. Konnte es sein, dass Morgaine die gleichen Fähigkeiten hatte wie er? Fähigkeiten war vielleicht untertrieben, vielleicht sollte er es Fluch nennen, denn diese Visionen und Träume überkamen ihn sogar am Tage urplötzlich, und das war manchmal schlecht, vor allem beim Autofahren. Aber wenn es da Ähnlichkeiten gäbe, wenn die Kleine möglicherweise gleich empfinden würde, dann musste er sich um sie kümmern. Rebekkas Töchterchen sollte das nicht durch machen, ohne Hilfe zu haben.

 

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Kapitel II – Teil 2 KONFRONTATIONEN und KAMPODIA

 

Rebekka sah die beiden sofort, als sie die große gewundene Treppe herunterging. Unwillkürlich stockten ihre Schritte, denn sie machten so einen vertrauten Eindruck.

Nach einer Sekunde beruhigte sich aber ihr etwas schneller gewordener Puls. Sie würde schon aufpassen, Andy sollte nicht auf ihn hereinfallen. Gelassen steuerte sie auf den Tisch zu, an dem die beiden saßen.

„Hallo!“ sagte sie freundlich, ohne den Blick auf jemand bestimmtes zu richten. „Wo ist Morgaine?“

„Sie ist draußen bei Alfi“, berichtete Andromeda und deutete auf die Terrassentür.

„Alfi? Wer ist Alfi?“ Rebekka stellte sich unter Alfi automatisch einen morbiden englischen Liebhaber vor, dessen Charme ihr Töchterchen gerade verfallen war.

„Alfons ist ein Kater.“

„Stimmt, du hast mir ja gestern von ihm erzählt.“ Rebekka atmete erleichtert aus, Morgaine war ein so undurchschaubares, ein so unverständliches Kind, okay ein Kind eben, und manchmal hatte sie seltsame Vorlieben, zum Beispiel den Obdachlosen aus dem Park, oder die alte Frau mit dem vielen Müll... „Dann ist’s ja gut.“ Sie setzte sich neben Andy. „Musst du etwa zur Schule? Du bist ja ziemlich früh wach... Und du sowieso!“ Das lächelte sie in Richtung Daniel. Es tat gut, ihm zuzulächeln. Es signalisierte: Du bist ein Nichts für mich, und ich werde nicht zulassen, dass du deinen Charme an Andy auslässt!

„Oh nein, ich glaub’, ich hab’ den Bus verpasst!“ Andromeda stand hastig auf, winkte Rebekka, Daniel und auch Morgaine und dem Tiger auf der Terrasse zu und verschwand eilig aus dem Frühstücksraum. Eine Minute später war sie wieder da, nahm sich zwei Scheiben Brot und ein Stück Wurst, packte das ganze in eine der Frühstückstüten, die auf dem Tisch lagen, winkte verlegen zu Daniel und Rebekka hin und sagte: „Ich frag’ Max, ob er mich zur Schule fährt“, bevor sie endgültig verschwand.

 

„Das sieht gut aus“, Rebekka deutete auf Daniels Teller.

„Es schmeckt auch gut“, sagte Daniel. „Und man wird nicht dick davon...“

„Ich hol’ mir auch was.“ Sie ging nicht auf die Kaloriensache ein.

„Rebekka?“

„Ja was denn?“

„Geht es dir gut?“

„Mir geht’s blendend! Und dir?“ Rebekkas Tonfall ließ vermuten, dass es sie einen Dreck interessierte, wie es ihm ging.

„Geht so...“, sagte Daniel zaghaft. Himmeldonnerwetter, sie war ja so mies drauf. Warum eigentlich? Er hatte ihr doch nichts getan, er hatte sich nur in sie verliebt damals...

„Das ist ja echt toll! Wen hast du denn diesmal auserkoren? Ich hoffe, es ist nicht Andy. Lass’ sie ja in Ruhe!“

„Bist du irre?“ Allmählich wurde Daniel sauer. Was sollte das Gequatsche?

„Du warst doch immer schon bekannt dafür, dich in jede Tussi zu verlieben. Wer hat’s mir noch erzählt?“ Rebekka tat so, als würde sie überlegen. „Ach ja, es war Marissa persönlich, du bist Hand in Hand mit der größten Schlampe vom Eye-Q an ihr vorbeispaziert.“

„Bitte, Rebekka!“

„Und danach hast du Marissa angemacht, nachdem mit Susanne endgültig Schluss war!“, Rebekka konnte sich gut an die zarte und außergewöhnlich hübsche Exfreundin von Daniel erinnern. Marissa wiederum war die Freundin von Susanne und hing immer bei den beiden herum, wahrscheinlich weil sie wieder mal keinen Macker hatte...

„Oh Gott! Ja! Habe ich gemacht. Ich fand Marissa so anders, nicht so hysterisch wie Susanne.“

„Marissa ist nicht hysterisch, das stimmt. Marissa ist ja soooo beherrscht, sie leidet nur mit den Händen.“ Rebekka machte eine händeringende Bewegung und fügte aus tiefstem Herzen hinzu: „Marissa ist nur eine blöde Nuss!“

Daniel musste lachen, hörte aber sofort damit auf, als er ihren bösen Blick sah.

 

>>> Das Telefon bleibt stumm. Keiner will etwas mit ihr zu tun haben. Der Idiot, mit dem sie drei Jahre zusammen war, ist natürlich viel interessanter als sie. Hat sie eigentlich noch Freunde? Zwei bis drei vielleicht, die anderen sind alle bei ihrem Ex geblieben.

Nach ein paar Tagen der absoluten Telefonstille ruft sie Marissa an, mit der sie ab und zu was unternommen hat. Nicht oft, denn Marissas Gejammer ging ihr auf den Keks. Dieses Getue von wegen, warum betrügen sie mich alle? Und dann sang sie immer ihr Lieblingslied: Der Junge auf dem weißen Pferd, der kommt nicht mehr...

Jetzt hat sie ihn anscheinend doch noch gekriegt, den Jungen auf dem weißen Pferd. Aber muss es ausgerechnet Daniel sein? Rebekka hat zwar nie gewagt, von ihm zu träumen, aber sie hat ihn immer bewundert. Und dann geht er hin und verliebt sich in Marissa, in die blöde, ewig verlassende, an ihrer Misere absolut schuldlose Marissa? Kaum zu glauben...

Sie ruft also Marissa an und fragt, ob sie für den Abend schon was vorhätten. Auf die Schnelle fällt Marissa wohl nichts ein, und Rebekka kündigt blitzschnell ihren Besuch an. Marissa ist nicht begeistert, und Rebekka weiß auch warum, denn mittlerweile gilt sie wohl als Unperson, sie hat sich zu schnell getröstet nach dem endgültigen Scheitern ihrer Beziehung, sie hat nicht geweint, sondern einen Tag später mit einem neuen Mann geschlafen. Das ist unanständig, vor allem weil sie mit dem Neuen schon ein paar Wochen später Schluss gemacht hat. Aber keiner ahnt, wie beschissen und einsam sie sich fühlt. Oder ahnen sie es doch und ignorieren es?

Pünktlich um acht steht sie bei ihnen vor der Haustür. Marissa lächelt verkrampft bei der Begrüßungszeremonie. Daniel lächelt nicht ganz so verkrampft, was ihr egal sein kann, denn er hat nur Augen für seine Marissa.

Man zeigt ihr das Schlafzimmer. Seltsamerweise ist ihr das unangenehm. Dann geht es ins Wohnzimmer, das recht sparsam möbliert ist, vielleicht weil sie noch auf einen Sperrmülltermin warten? Marissa ist ja begeisterte Sammlerin von Sachen, die umsonst sind… Daniel hat einen Hund und eine Katze, beide sollen sich prächtig verstehen, erzählt man ihr. Aber leider ist die Katze gar nicht da, und der Hund ist sehr groß…

Daniel und Marissa sitzen ihr gegenüber auf dem Sofa. Daniel hält Marissa im Arm, hat er Angst, sie könne ihm weglaufen? Seltsamerweise macht sie das wütend, er kann bestimmt was Besseres kriegen als die. Und die wird er auch nicht so schnell wieder los. Aber was soll’s? Kann ihr egal sein. Trotzdem tut es weh, die beiden zusammen zu sehen. Warum tut es weh? Sie weiß es nicht

Es ist ein langer Abend. Die beiden reden und reden und interessieren sich einen Dreck für sie. Sie reden über selbstgebackenes Brot und über Verwandte, sie reden über alles Mögliche, nur nicht über sie. Keine mitfühlende Frage wegen ihres Befindens. Seltsam, als sie noch mit Michael zusammen war, geizte man nicht mit Ratschlägen für die Trennung. Und jetzt hat sie sich getrennt, und es ist auch nicht recht, Marissa beäugt sie so misstrauisch, als wäre sie eine Bedrohung für die Institution des Zusammenlebens von Mann und Frau. Denn immerhin lebt sie schon seit Monaten alleine, und das ohne zu jammern...

Rebekka sitzt wie gelähmt auf ihrem Sessel. Die mit ihrem selbstgebackenen Brot und ihrem verliebten Getue! Von denen kann sie nichts erwarten.

Der Abschied findet schnell statt, nach dem Austauschen von lauwarmen Lügen und vagen Verabredungen irrt Rebekka durch ihre viel zu große und zu teure Wohnung, sie denkt flüchtig an ihren Exfreund, der ihr diese Wohnung hinterlassen hat. Das Thema ist mittlerweile gegessen, er ist ihr total egal, sie wundert sich vielmehr darüber, dass sie es so lange mit ihm ausgehalten hat. Trotzdem fühlt sie sich elend, aber sie will sich nicht elend fühlen, deswegen beschließt sie, sich ins Vergnügen zu stürzen, koste es was es wolle... <<<

 

„Marissa ist wirklich eine blöde Nuss! Und du bist auch nicht besser!“ Rebekka schaute Daniel dabei voll in die Augen. Es war die Wahrheit. Der mit seinen Weibern, hatte immer schon so einen auserlesenen Geschmack! Vor allem bei Marissa, das war die größte Schlampe von allen. Ließ sich dauernd den Arsch nachtragen, ließ sich von den unmöglichsten Gestalten zum Essen einladen, die geizige Kuh! Tatsächlich war – die Erkenntnis kam ihr plötzlich – der Geiz die hervorstechendste Eigenschaft Marissas, außer natürlich einer ungemeinen Selbstgefälligkeit.

Daniel schwieg und schaute gequält vor sich hin, während Rebekka vergnügt zum Frühstücksbüffet schlenderte und sich dort in lässiger Langsamkeit jede Menge leckeres Zeug auf ihren Teller lud. Dann ging sie nach draußen, um Morgaine und dem Kater Gesellschaft zu leisten. Dem hatte sie es gegeben, der mit seinen Frauengeschichten! Obwohl er ihr jetzt schon fast wieder leid tat. Die Kneipenschlampe war vielleicht das Beste gewesen, was ihm passieren konnte, denn das mit Marissa funktionierte zwar relativ lange, ungefähr ein Jahr, aber dann ging es in die Brüche. Rebekka hörte davon durch Bekannte und fragte sich manchmal, ob sie dafür die Verantwortung trug. Nein, sicherlich nicht, es wäre so oder so in die Hose gegangen, und so wichtig war sie nicht...

 

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„Was hat er gesagt?“

„Ach sei doch nicht so neugierig! Was kann er schon groß gesagt haben?“ Man merkte es Rebekka an, dass sie nicht über Daniel sprechen wollte.

„Irgendwas muss er doch gesagt haben.“

„Ich glaube, ich habe ihm keine Gelegenheit dazu gegeben“, Rebekka fühlte sich fast ein wenig elend deswegen.

Sabine schüttelte wissend den Kopf. Rebekka war ja so eine sture Person...

„Wen juckt’s, was er gesagt hat“, sagte Rebekka schließlich unwillig. „Und außerdem hat er nichts gesagt! Komm’, wir gehen jetzt spazieren. Morgaine ist noch irgendwo da unten, aber die finden wir schon.“

 

Natürlich fanden sie Morgaine, aber sie kam Rebekka ein wenig bockig vor, ihr Töchterchen verlies nur ungern den Stall inklusive Kater, und Daniel übte anscheinend auch große Faszination auf sie aus, aber Daniel war nicht mehr da, und das war gut so.

Sie gingen den Weg am Herrenhaus entlang, Rebekka hatte ihn bei ihrer Ankunft erspäht. Rechts vom Weg erstreckte sich eine hohe Backsteinmauer, es musste die Mauer sein, die man von der Terrasse des Herrenhauses aus sah. Wilder Wein rankte über die Mauer herunter. Kurz darauf führte der Weg leicht nach links, und ein paar ältliche Häuser tauchten auf. Sie wirkten idyllisch trotz mancher Bausünden, denn alles war wunderbar grün ummantelt, und die Blumen in den Gemüsegärten leuchteten sommerlich bunt. Manche der Blumen kannte sie gar nicht, obwohl sie doch auf dem Land aufgewachsen war.

„Die gibt es nicht im Blumengeschäft“, Sabine blieb stehen, um sich die langstieligen steifen Gladiolen näher anzuschauen.

„Oh nein, Morgy, fass’ das nicht an!“ Rebekka lief schnell zu ihrer Tochter und hielt ihr die Hände fest, damit sie den knackig runden Pferdeapfel nicht aufheben konnte.

„Haben! Will es haben!“ Morgaine guckte ihre Mutter fordernd an. Mist, sie hatte gerade eine ihrer Babyphasen, was Rebekka ziemlich ärgerte, Morgaine war wirklich zu groß dafür, aber es schien ihr Spaß zu machen.

„Nein Morgy, das ist nicht gut. Das ist Babba!“ Sie musste lachen, weil sie als Reaktion auf Morgaines Babyphase die beknackte Erwachsenen-Babysprache anwandte, um Morgaine etwas klarzumachen. „Na ja, eigentlich ist es Scheiße“, fuhr sie fort, „und es ist... ungesund.“

„Scheiße?“ fragte Morgaine, während ihr Gesicht gelinde Zweifel an dieser Aussage erkennen ließ.

„Ja, Scheiße“, sagte Rebekka

Morgaine gab den Versuch auf, sich den Pferdeapfel anzueignen und tanzte stattdessen um ihn herum, während sie vor sich hinplapperte: „Sseiße Sseiße Sseiße Sseiße Sseiße Sseiße...“

„Und schon wieder ein Wort gelernt“, sagte Sabine lächelnd.

„Wie hätte ich es denn ausdrücken sollen. Als Pferdeapfel? Hinterher hätte sie noch versucht, ihn zu essen, den Apfel...“

„Darf Bine Sseiße?“ Morgaine hatte mit dem Tanz rund um den Pferdeapfel aufgehört und deutete mit der Hand auf Sabine.

„Nein Morgy, Sabine darf auch keine Sseiße, äääh... Scheiße“, Rebekka kriegte allmählich die Krise.

„Mammi?“

„Nein, verdammt noch mal! Mammi auch nicht!“

Morgaine hörte gar nicht mehr auf ihre Antwort, sie war nämlich fasziniert von einem großem, flitschig flachen Haufen, der sich, als Rebekka näher hinsah, als ein von Fliegen umschwärmter Kuhfladen entpuppte. Hilfe!!!

„Nicht anfassen! Scheiße!“ rief sie, als Morgaine sich zu dem Fladen hinunterbeugte und die Hand nach ihm ausstreckte.

„Ääääh?“ Morgaine schenkte ihr einen ungläubigen Blick, denn das konnte doch nicht sein, dass das auch Sseiße war, das sah ja ganz anders aus...

„Es ist andere Scheiße“, versuchte Rebekka zu erklären, aber Töchterchen sah sie an, als ob sie bescheuert wäre. Und Rebekka kam sich tatsächlich auch ein wenig bescheuert vor.

„Darf Bine denn…“

„Nein, nein, nein! Und Mammi auch nicht! Und jetzt lauf’ und rede nicht so ein dummes Zeug!“

Morgaine warf ihr einen verschmitzten Blick zu, lief nun munter vor ihnen her und suchte nach weiterer Sseiße, fand aber nur noch diverse Pferdeäpfel und einen winzigen Kuhfladen. Also nichts Aufregendes.

„Was für Gespräche!“ Sabine musste lachen. „Könnt ihr euch eigentlich nur über Scheiße unterhalten?“

„Sieht so aus“, brummelte Rebekka. „Es Kuhfladen zu nennen, das wäre schlecht, da denkt man automatisch an Fladenbrot, also an etwas Essbares...“

„Das ist ja echt ein Dilemma!“ Sabine kam gut mit Morgaine klar, aber sie hatte noch nie drüber nachgedacht, ob sie eventuell mal ein eigenes Kind... Und wenn, von wem?

 

Ein paar malerisch mit Grünzeug zugewachsene Häuser weiter standen sie auf der Hauptstraße vor einem Hinweisschild auf den nächsten Ort. Er hieß ‚Schießheim’ und war drei Kilometer von Kampodia entfernt.

„Och, das war’s schon?“, meinte Sabine bedauernd.

„Schießheim... Da drängt sich einem doch glatt ein anderer Name auf.“ Jetzt war Rebekka an der Reihe zu lachen.

„Also wirklich, Rebekka...“ Sabine konnte nicht anders, als hemmungslos los mitzulachen.

 

„Es muss hier noch einen Teich geben“, sagte Rebekka schließlich. Sie gingen auf der Dorfstraße zurück, kamen an eine Brücke und schauten auf den Mittleren Teich, den Rebekka schon vom Park des Herrenhauses aus gesehen hatte. Schwäne schwammen dort zwischen dem grünen Zeug, das Archie Entengrütze genannt hatte. Und unter der Brücke murmelte etwas, es war der Bach namens Strulle, der alle Teiche speiste, und jetzt trieb er sogar auf der anderen Seite der Straße ein Mühlrad an.

Ein Mühlrad an einer richtigen MÜHLE!.

„Oh, mein Gott“, sagte Sabine ehrfürchtig.

„Hier ist die Zeit wohl stehen geblieben“, Rebekka schüttelte verwundert den Kopf, obwohl die Mühle eigentlich nur ein kleines Steinhäuschen mit einem großen Mühlrad an der Seite war.

Sie folgten dem Bachlauf so gut es ging, denn er wurde immer wieder durch ältere ärmliche Häuschen versperrt, die aber wegen ihrer abenteuerlichen bizarren Anbauten nett und originell aussahen.

Irgendwann gab es dann kaum noch Häuser, und sie sahen ihn endlich, den Unteren Teich. Weiden standen an seinen Ufern, er war lang gezogen, nicht sehr breit, und ein paar Enten schwammen auf ihm herum. Aber durch die Abwesenheit von Häusern war er wohl der schönste Teich in Kampodia. Rebekka stellte sich automatisch die nahezu lautlose Stille und Einsamkeit vor, die abends an diesem Teich herrschen musste. Vielleicht hörte man ein paar Vogelstimmen oder andere undefinierbare Geräusche, bevor die Dunkelheit vollends hereinbrach. Es war bestimmt überwältigend, vielleicht tröstlich, aber vielleicht auch schwer zu ertragen, wenn man sich ganz alleine hier befand.

„Da hinten geht der Bach weiter“, Sabine deutete auf die lange Reihe von Bäumen, und tatsächlich konnte man den Lauf des Baches an den feuchtigkeitssuchenden Weiden erkennen.

„Es ist wunderschön“. Rebekka stand ganz still da, um die Enten nicht zu stören, die sich gerade anschickten, ans Ufer zu klettern. Sie machten dabei seltsame leise Quak-Geräusche, und Morgaine schaute ihnen verzückt zu.

 

„Dann sollten wir jetzt das Obere Dorf erkunden.“ Sabine brach den Zauber, und Rebekka stimmte ihr wortlos zu. Sie gingen zurück, und diesmal nahmen sie nicht den Weg entlang des Gutshofs, sondern folgten einfach der Dorfstraße, Rebekka hielt Morgaine an der Hand, denn ab und zu kam ihnen ein Auto entgegen – und tatsächlich erreichten sie nach fünf Minuten die Stelle, wo Rebekka zum ersten Mal den Oberen Teich und das Herrenhaus gesehen hatte, dort wo es nur nach rechts oder nach links gegangen war.

„Allmählich blicke ich durch“, sagte sie zufrieden.

Alte Frauen saßen auf Bänken vor ihren Häusern und grüßten freundlich, als sie vorbeigingen. Sie grüßten zurück.

Dieses Jeden-und-alles-grüßen war gewöhnungsbedürftig, aber eigentlich nicht übel. In Rebekkas Stadt waren die Nachbarn froh, wenn man sie nicht mit Grüßen, geschweige denn mit Gesprächen belästigte. Normalerweise fand Rebekka das auch gut, aber manchmal verspürte sie das Bedürfnis nach ein wenig mehr Freundlichkeit.

„Hier kennt jeder jeden“, sagte sie zu Sabine. „Und ich schätze mal, die wissen alle ganz genau, wer wir sind. Bis ins Detail...“

„Alles wissen sie natürlich nicht“, sagte Sabine vielsagend. „Das wäre ja noch schöner...“

„Genau!“

 

Das Obere Dorf war bei weitem nicht so romantisch wie das Untere, aber dafür war es sehr viel größer. Von der Hauptstraße gingen zwei neuere Straßen ab, doch entlang dieser Straßen wurden die Häuser immer moderner und nichtssagender. Sie kehrten nach kurzen enttäuschenden Ausflügen schnell auf die alte Hauptstraße zurück, an der fette Gehöfte lagen, die mit Schiefer behangen waren oder altes Fachwerk hatten. Sie kamen vorbei an einem winzigen Supermarkt mit Postabteilung, einem Elektroladen, einer Art Boutique und einer Metzgerei.

Schließlich erreichten sie die kleine unauffällige Bäckerei, die quasi am anderen Ende des Dorfes lag, nämlich dort, wo es zum nächsten Ort „Landsende“ ging.

Sabine blickte Rebekka fragend an. „Sollen wir mal reingehen?“

„Klar, warum nicht.“

Als sie die Tür öffneten, erklang ein leises altmelodisches RING–RING–RING.

Es roch so, wie es nur einer uralten Bäckerei riechen konnte, eine in der seit mindestens hundert Jahren gebacken wurde.

Aus der Backstube kam eine mollige ältere Frau heraus und nickte ihnen freundlich zu.

„Einen schönen guten Morgen! Sie sind zu Besuch auf dem Gut, nicht wahr?“ Sie schaute Rebekka kurz an und setzte hinzu: „Sind Sie vielleicht mit Claudia verwandt? Sie sehen ein bisschen aus wie sie.“

„Nein, ich bin nicht mit ihr verwandt“, Rebekka schüttelte den Kopf.

„Ich dachte nur so... Also, was möchten Sie? Ich habe gerade frischen Butterkuchen gemacht, der ist wirklich gut.“

„Jaaaa“, hauchte Morgaine liebreizend und drückte ihre Nase an die gläserne Vitrine, in der nicht viel zu sehen war, außer ein paar Brötchen und paar Gläsern Marmelade.

Rebekka realisierte erst ein paar Augenblicke später, dass die Frau nicht Andy genannt hatte, sondern Claudia Mansell. Aber die sah doch total anders aus als sie, mit ihrem blonden Haar, und außerdem fiel ihr diese angebliche Ähnlichseherei allmählich auf den Keks. Demnächst sah sie noch Archie ähnlich...

Die Frau nahm Morgaines gehauchtes Jaaaa als Aufforderung, in der Backstube zu verschwinden. Nach kurzer Zeit kam sie wieder heraus mit einem Papptablett, das mit weißem Papier abgedeckt war.

Sie wollte kein Geld annehmen, sondern drückte Rebekka das Tablett in die Hand mit den Worten: „Dann guten Appetit!“

„Vielen Dank“, sagte Rebekka ganz perplex, „und einen schönen Tag noch.“

„Wie können die hier überhaupt was verdienen?“ meinte sie verwundert, als sie ein paar Meter vom Laden weg waren. „Sind die etwa alle miteinander verwandt?“

„Ich fand’s nett“, sagte Sabine leise, ihre Nase nahm den Duft des Butterkuchens wahr, der sich durch das Papier hindurch einen Weg nach draußen suchte. „Er riecht so gut... Ich brauche frischen Kaffee dazu!“

„Ich glaube, an der Bar stand eine Kaffeemaschine mit allem, was dazu gehört“, erinnerte sich Rebekka.

„Gut, dann also ab nach Hause, ach du lieber Himmel, jetzt sag’ ich schon ‚nach Hause’, das ist irre!“

„Dieser Ort hat seltsame Fähigkeiten“, Rebekka wunderte sich auch ein bisschen. „Aber die Vorstellung ist schön: Wir setzen uns nach draußen und essen Kuchen.“

„Erst Kaffee machen und dann nach draußen setzen!“

„Okay! Und was machen wir später?“ fragte Rebekka

„Ich werde mir den Garten anschauen, ich mag diese riesigen alten Bauerngärten.“ Sabine hatte einen verträumten Ausdruck im Gesicht.

„Und ich werde mir die Bibliothek anschauen, die ist bestimmt hochinteressant“, sagte Rebekka, die eine Zeitlang ihren Bedarf an Büchern in der öffentlichen Stadtbücherei gedeckt hatte. Leider hatte sie jetzt kaum noch Zeit zum Lesen. „Kommst du mit, Morgy?“

„Och, weiß nicht“, Morgaine druckste ein bisschen herum.

„Ach ja, es interessiert dich bestimmt nicht. Willst du denn mit Sabine gehen?“ Rebekka schaute sie aufmunternd an.

„Och, nein, ich will zu Tante Claudi!“

„Na gut, dann geh’ zu ihr.“ Morgaine wollte also bei dieser ihr wildfremden Frau bleiben. Aber Rebekka hatte festgestellt, dass Morgaine sich niemals in Menschen täuschte, sie hatte das absolute Händchen, beziehungsweise Köpfchen dafür, wem sie vertrauen konnte und wem nicht. Ich wünschte, ich hätte das auch, dachte sie.

„Ich könnte mich jetzt schon ärgern, dass ich am Freitag wieder nach Hause muss.“ Sabines Stimme klang bedauernd.

„Der Geburtstag von deiner Mutter?“

„Ja, aber das ist schon okay. Und du, du willst doch bestimmt hier bleiben?“ Es klang eher nach Feststellung als nach Frage, so wie Sabine das sagte.

„Ich denke ja, irgendwie fühle ich mich hier wohl...“ Rebekka hatte bis jetzt gar nicht gewusst, dass sie hier bleiben wollte. Aber es war so, dieser Ort hielt sie fest, aus was für Gründen auch immer. „Wir haben ja erst Montag“, versuchte sie Sabine zu trösten. „Aber wie kommst du nach Hause? Willst du das Auto haben?“

„Nicht nötig. Ich schaff’s schon irgendwie. Ich fahre vielleicht mit Georg und der.... äääh Schnorrergurke zurück.“

„Okay, hört sich gut an“, sagte Rebekka, aber dann fiel ihr ein: „Und wie kommt Daniel dann nach Hause?“ Seltsamerweise nahm Rebekka fest an, dass Daniel auch bleiben würde.

„Ist mir doch egal!“ Dann stutzte Sabine. „Er bleibt also hier? Hat er das gesagt?“

„Warum sollte er hier bleiben?“ fragte Rebekka nun unschuldig.

Sabine fing an zu lachen.

 

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KAPITEL II – Teil 3 STAUB und VERGANGENHEIT

 

Ab und zu hörte man ein leises Prusten, Wiehern und Rascheln. Der aufwirbelnde Staub war sonnendurchflutet, denn durch die kleinen Fenster drang immer noch genügend Licht herein, um den Stall bis in die letzten Winkel zu erhellen.

Ein Schmatzen erregte Daniels Aufmerksamkeit. Er ging die lange Reihe von Pferdeboxen dem Geräusch nach und wurde schnell fündig. Die hintere Ecke des Stalls war für Schweine reserviert. In einem großen Verschlag lag eine riesige fette Sau, an der ungefähr zehn winzige Schweinchen herumnuckelten. Über der schweinischen Familie befand sich eine so genannte Ferkellampe, die den kleinen Schweinchen zusätzliche Wärme spenden sollte. Die anderen Ställe waren leer. Ihre Insassen hatten Freigang und grunzten, wie Daniel sich erinnerte, auf einer eingezäunten Wiese hinter der kleinen Kirche herum.

Schinken und Mettwurst kommen also von euch, ihr armen Schweine, dachte Daniel mitleidig. Die kleinen Würmer würden schnell erwachsen werden und dann ihr Leben lassen müssen.

Er ging wieder zurück und schaute sich links und rechts die Pferde an. Obwohl er nicht viel Ahnung von Pferdedingen hatte, sah er doch, dass es sich um stattliche gepflegte Exemplare handelte.

Ein tiefschwarzer Rappe prustete unruhig, und in der Box daneben träumte ein braun-weiß-schwarz gescheckter Mustang vor sich hin. Hinter ihm sah Daniel etwas Weißes. Es schlief wohl, und es war mit Sicherheit kein Pferd und auch kein Pony.

Die meisten Pferde gehörten nicht zum Gutshof, man hatte sie quasi hier geparkt, sie wurden hier versorgt, gepflegt und auch geritten. Das hatte Andromeda ihm erzählt, als sie aus der Schule kam. Sie hatte dabei seltsam verlegen gewirkt.

Daniel erblickte eine Tür, die nur angelehnt war, er öffnete die Tür und befand sich in der Reithalle, das heißt in einem schmalen Gang für die Zuschauer, der durch eine brusthohe Holzbalustrade von der eigentlichen Reithalle abgetrennt war.

Zur Linken führte eine Holztreppe nach oben, und er entschloss sich nach kurzem Zögern, die Treppe hinaufzugehen.

Zu seinem Erstaunen endete die Treppe an einer Theke aus groben Balken mit genauso groben Barhockern davor. Man konnte hinunter in die Reithalle schauen, und auch hier sorgte eine Holzbalustrade dafür, dass man nicht hinein- oder besser gesagt herunterfallen konnte.

„Und Daniel, gefällt’s dir?“ Archibald von Kampe hatte kurz nach ihm das hölzerne Gemach betreten.

„Es ist wirklich allerliebst“, musste Daniel zugeben. „Gibt‘s hier auch was zu trinken? Könnte ja sein, dass ich mich vor meiner Reitstunde ein wenig locker machen muss...“

„Lockerheit kann nicht schaden.“ Archie begab sich hinter die Theke, holte zwei Flaschen Bier aus dem großen Kühlschrank und machte sie auf. „Hauptsache, du wirst nicht ZU locker...“ Er lachte und reichte Daniel eine Flasche. „Das ist übrigens unser hauseigenes Bier.“

„Es ist okay“, meinte Daniel, nachdem er einen kräftigen Schluck genommen hatte. Das war nicht gelogen, das Bier schmeckte richtig nach Bier, war aber nicht so herb, dass jeder andere Geschmack dadurch totgeschlagen wurde, und es hatte, so hoffte Daniel jedenfalls, genug Alkohol intus, um einen ein bisschen besoffen zu machen.

Beide tranken genüsslich ihre Flaschen leer.

„Was meinst du Daniel, hast du Lust, mal eine Bierprobe mitzumachen?“ Wie ein geschmeidiger Panter holte Archibald zwei neue Flaschen aus dem Kühlschrank.

„Eine Bierprobe?“ Daniel musste nicht lange überlegen. „Das würde mir gefallen. Das würde mir sogar sehr gefallen.“

„Wäre dir es morgen recht?“ fragte Archie.

„Klar, ich habe noch nichts vor. Ist bestimmt interessant.“

„Am Anfang ja, hinterher ist es einfach nur lustig...“ Archibald fing an zu lachen, wahrscheinlich hatte er gerade an etwas sehr Lustiges gedacht.

 

Leises Hufgetrappel war zu hören. Ein Pferd wurde gerade in die Reithalle geführt, und Daniel schaute interessiert hinunter. Wäre nicht schlecht, jemanden beim Reiten zuzusehen, er konnte dadurch nur lernen, denn seine Reitkünste waren wirklich nicht berauschend.

Bei der Person, die das Pferd in die Reithalle führte, handelte es sich um Andromeda. Wieder war Daniel verwundert über die Ähnlichkeit, die sie von weitem mit Rebekka hatte.

Andromeda saß mühelos auf, und das Pferd fiel in einen leichten Trab.

Daniels Augen folgten ihr fasziniert. „Sie hat eine tadellose Haltung“, meinte er anerkennend zu Archie.

„Das hat sie, das arme Kind.“

„Wieso armes Kind?“ fragte Daniel.

„Hat Max dir nicht erzählt, dass ihre Mutter bei der Geburt gestorben ist?“

„Ich weiß nicht...“ Hatte Max davon gesprochen? Falls ja, dann konnte Daniel sich nicht daran erinnern.

„Gut, dann erzähle ich es dir jetzt. Kurz nach Kassiopeias Tod“, Archibald räusperte sich und fuhr dann gelassen fort, „besorgten wir Andromeda eine Amme, es war Tante Bernadettes Tochter, die ihr Kind noch stillte. Tante Bernadette ist meine älteste Schwester, sie arbeitet jetzt hier als Köchin. Aber ihre Tochter ist dann ganz plötzlich an einer Pilzvergiftung gestorben, und ihr Baby kurz darauf auch! Es war furchtbar, Bernadette wurde sogar verdächtigt, am Tode ihrer Tochter und ihres Enkelkindes schuld zu sein. Es gab natürlich keinerlei Beweise, alles war vollkommen absurd...“ Man konnte Archie seine Empörung ansehen. „Jedenfalls mussten wir Andromeda mit der Flasche großziehen. Und sie hat es prächtig überstanden...“

„Das ist gut!“

„Aber dann, Herrgott noch mal, passierte wieder etwas, manchmal denke ich, das war wirklich zuviel Unglück auf einmal“, sagte Archibald nachdenklich. „Wie Murphys Gesetz – wenn etwas schief geht, dann geht wirklich alles schief.“

„Hört sich seltsam an“, meinte Daniel ein wenig geschockt, „aber Andromeda hat es doch überstanden?“

Archie schaute ihn ernst an. „Andy ist ein gesundes kräftiges Baby geworden, doch als sie etwa ein Jahr alt war, wurde sie entführt. Kein Mensch weiß, was damals passiert ist.“

„Scheiße!“

„Aber wir hatten Glück. Nach drei Tagen wurde sie im Wald entdeckt, zwar stark unterkühlt und mit Wunden, aber sie lebte, und sie hat sich unheimlich schnell wieder erholt. Es war übrigens Max Lakosta, der sie gefunden hat. Damals war der Junge erst fünfzehn, na ja, fast sechzehn.“

„Das grenzt ja an ein Wunder...“ Daniel fragte sich, wieso ihm Max nie etwas davon erzählt hatte.

„Ich hatte gerade wieder geheiratet. Ich wollte Andromeda eine neue Mutter verschaffen.“

„Ja und?“ Daniel blickte ihn neugierig an.

„Kassiopeia war natürlich die große Liebe meines Lebens. Ich war fünfunddreißig, als ich mich in sie verliebte, und sie war zwanzig.“ Archibald lächelte, aber in seinen Augen war Traurigkeit. „Wie auch immer, ich heiratete kurz nach ihrem Tod Zirza, sie war ein Mädchen aus dem Dorf – und auch eine begehrenswerte Frau. Aber leider musste ich feststellen, dass sie nicht der Typ war, Mutter zu sein. Zwei Jahre später verlor sie ihr eigenes Kind, unser Kind. Und danach hat sie es aufgegeben, sich um Andy zu kümmern.“

Daniel fand keine Worte. Wahre Abgründe wurden ihm hier enthüllt. Eine seltsame Familie war das, und ihr Nachwuchs schien extrem gefährdet zu sein.

„Das Kind meiner jüngeren Schwester Claudia kam 1970 tot zur Welt. Sie leidet noch heute darunter...“, Archie seufzte auf. „Jetzt ist Andromeda der einzige Erbe der von Kampes. Es gibt keine anderen Nachkommen mehr in unserer Familie.“

 

Daniel sah, dass sein Freund Max, der große schwarzhaarige Verwalter des Gutes in die Halle gekommen war, sich über die Balustrade gelehnt hatte und Andromeda beim Reiten zusah. Auf seinem Gesicht lag ein undefinierbarer Ausdruck, möglicherweise eine Mischung aus Verlangen, Zuneigung und Resignation. Jedenfalls kam es Daniel so vor.

„Max hat es abgelehnt, die Belohnung anzunehmen, die wir damals ausgesetzt hatten. Er ist sehr stolz und hat sein Studium selber finanziert. Wir waren froh, dass er sich entschlossen hat, für uns zu arbeiten, denn er hatte genug andere Angebote.“ Archibald war offensichtlich sehr von Max angetan.

Daniel wunderte das nicht, Max war sein Freund, auch wenn sie sich viele Jahre lang nicht gesehen hatten, und er verspürte das dringende Bedürfnis, mit ihm zu reden. Bis jetzt hatte das nicht geklappt, gestern beim Abendessen nicht, und tagsüber schien er sehr beschäftigt zu sein. Es kam Daniel fast so vor, als ginge Max ihm aus dem Weg.

„Und was ist mit deiner Frau? Wo steckt sie?“ meinte er Archie fragen zu müssen, obwohl es ihn nicht sonderlich interessierte.

„Zirza ist Geschäftsfrau.“ erklärte Archie ihm. „Sie hat mehrere Boutiquen in der Hauptstadt, und sie fühlt sich dort bestimmt wohler als hier in unserem Provinznest...“

Daniel dachte nach. Zirza, ein seltsamer Name, er kam ihm irgendwie bekannt vor, aber er wusste nicht wieso. Archie und seine zweite Frau schienen nicht gerade ein inniges Verhältnis zu haben. Aber das konnte er natürlich nicht beurteilen, vielleicht war es die glücklichste Ehe der Welt. Es hatte was für sich, so weit voneinander entfernt zu leben. Das hielt die Leidenschaft wach und wirkte der ehelichen Abstumpfung entgegen. Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Bei Marissa zum Beispiel hatte auch die größte Entfernung ihre Leidenschaft nicht entfachen können... Er musste grinsen.

„Zirza ist nicht jedermanns Sache“, Archibalds tiefe sonore Stimme holte ihn aus seinen Überlegungen. „Entweder man verfällt ihr – oder man verabscheut sie. Nein das ist nicht ganz richtig: Auch wenn man sie verabscheut, kann man ihr verfallen.“

„Da sie deine Frau ist, werde ich sie wohl nicht verabscheuen können…“ Daniel hatte trotz der kurzen Zeit, die er Archie kannte, ein recht vertrautes Verhältnis zu ihm, sie verstanden sich so gut, dass sie sich einiges sagen konnten.

„Man kann nie wissen“, sagte Archibald nachdenklich.

 

Daniel suchte Max mit seinen Augen und fand ihn nicht mehr. Max hatte seinen Posten an der Bande verlassen und war wohl gegangen.

„Rebekka ist eine sehr reizvolle Frau, nicht wahr?“ sagte Archie nach einer Weile und nahm einen großen Schluck aus der Bierflasche.

„Ja, das ist sie“, Daniel schaute Archie argwöhnisch an. Er hatte doch wohl nicht vor, Rebekka anzumachen?

„Und ihre Freundin natürlich auch“, Archie lächelte, „beide sind einfach wundervoll.“

Daniel fiel nun wirklich aus allen Wolken. Er hatte tatsächlich angenommen, Archie wäre ein treuer Ehemann, der nicht irgendwelchen fremden Frauen nachsteigen würde. Was für ein Irrtum! Andererseits hatte er selber ja auch... Hmmm, zumindest war er nicht verheiratet gewesen, doch das machte die Sache nicht besser.

„Sag’ mal Archie, tust du das öfter? Ich meine, anderen Frauen den Hof machen?“

„Eigentlich nicht.“ Archie sah verlegen aus. „Na gut, alle paar Jahre vielleicht mal, aber es kommt wirklich nicht oft vor.“

„Und deine Ehe?“ Daniels Stimme klang irgendwie anklagend.

„Wir führen keine normale Ehe. Wir führen jeder unser eigenes Leben, und ich habe oft genug über Scheidung nachgedacht.“ Archibald starrte vor sich hin, tief in Gedanken versunken.

„Dann solltest du das mal in Angriff nehmen“, sagte Daniel streitlustig. „Ich will nämlich nicht, dass Rebekka oder sonst wer verletzt wird!“ Irgendwie schien Rebekka immer auf die falschen Männer hereinzufallen, doch er war der Richtige für sie, das wusste er, aber ausgerechnet ihn lehnte sie ab, er konnte es ihr nicht verübeln. Was hatte er früher eigentlich für einen Mist gebaut, unglaublich! Wenn es vielleicht anders gelaufen wäre...

„Das würde ich nie tun“, Archibald wirkte überzeugend. „Ich befürchte nur, Zirza würde mich im Falle einer Scheidung ausnehmen wie eine Weihnachtsgans, ich müsste wahrscheinlich das Gut verkaufen. Aber Andy liebt es, und ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass sie anderswo leben könnte.“

„Sie hat dich in der Hand? Das ist wirklich eine tolle Ehe!“

„Da hast du verdammt noch mal recht!“ sagte Archie und trank seine Flasche in einem Zug aus.

Daniel hing seinen Gedanken nach. Andys Stiefmutter war ihm ziemlich egal, wirklich interessieren tat ihn im Augenblick nur eines: Was wollte Archie von Rebekka? Und wie würde Rebekka auf Archies Anmache reagieren? Stand sie auf ältere Männer? Wie alt war der Typ, den sie fast geheiratet hätte?

Er hatte durch gemeinsame Bekannte erfahren, was sie so trieb, und als er hörte, dass sie an Heirat dachte, war er ziemlich fertig gewesen. Es erschien ihm so endgültig, so vollkommen weg aus seinem Leben. Vage schwebte ihm vor, sie bei ihrer Hochzeit zu entführen, wie in einem Hollywoodfilm, aber er hatte Angst vor ihrer Reaktion. Dann erfuhr er, dass sie doch nicht geheiratet hatte – und regte schließlich Max an, ein paar Leute nach Kampodia einzuladen. Dort ergab sich vielleicht die Möglichkeit, ihr näher zu kommen. Wie alt war Morgaine wohl? Er schätzte sie auf vier Jahre, plötzlich schoss ihm das Blut in die Wangen, und ihm wurde mächtig heiß. Konnte es sein, dass sie von ihm war?

„Was ist mit dir?“, fragte Archie besorgt

„Muss an dem Bier liegen“, sagte Daniel zerstreut, und Archie hakte nicht weiter nach.

Was wäre, wenn das Morgaine wirklich sein Kind wäre? Diese Gabe, die Morgaine hatte, oder besser gesagt diesen Fluch, den hatte er auch, wenn auch in abgeschwächter Form. Konnte sich so etwas vererben oder passierte so etwas einfach? Andererseits war es schon seltsam, dass er sie seit ungefähr vier Jahren hatte, diese Träume, diese seltsamen Bilder in seinem Kopf. Hatte es mit Morgaines Geburt angefangen? Oder vielleicht schon vorher? Er erinnerte sich schwach an einen warmen schwarzen Raum, von weitem hörte er gedämpfte Geräusche. Wenn sie vier Jahre alt war, dann konnte es hinkommen. Und wahrscheinlich hatte er gar keine eigenen Visionen, sie stammten alle von Morgaine...

 

Er musste Rebekka fragen, er wollte es wissen. Aber würde sie es ihm sagen? Sie schien ja keinerlei Wert auf ihn zu legen. Er entschloss sich, erst einmal abzuwarten. So kompliziert wie sie war keine andere Frau, er musste versuchen, ihr näher zu kommen, ohne dass sie sich bedrängt fühlte. Gar nicht so einfach, das...

 

Ende KAPITEL II  Holidays in Kampodia   © Ingrid Grote 2008/2010

 

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