TOPP,
die Wette – Wie es begann...3
CHRIS –
ERINNERUNGEN
Sie stand in Gedanken versunken vor der Tanzfläche. Sie war hübsch, und sie sah interessant genug aus, um unbestimmte Erwartungen in ihm zu wecken. Irrationale Erwartungen natürlich. Er und die Frauen… Immerhin hatte er es einmal mit einer längeren Beziehung versucht, aber es ging nicht, obwohl Karen sehr schön und intelligent war und er mit ihrem Sohn blendend klarkam. Etwas fehlte in ihrer Beziehung, aber er hatte keine Ahnung, was es war.
Er ging schon lange nicht mehr nur nach Schönheit, denn die schönen Weiber erwiesen sich meistens als total langweilig. Doch auch die interessant Aussehenden hatten so ihre Macken, oder schlimmer noch, sie verliebten sich sofort in ihn, lästig, überaus lästig. Und irgendwann hatte er resigniert. Es war immer das gleiche: Ein mehr oder weniger guter Fick, danach versuchte er, sich mit seiner Gespielin zu unterhalten, aber es war nie das, was er erwartete, obwohl er gar nicht wusste, was er erwartete. Bis er dann die Flucht ergriff.
Aber sie war tatsächlich interessant. Er fühlte sich wohl mit ihr, er konnte gut mit ihr reden, sie gab den banalsten Sachen einen neuen Sinn, und sie tat es mit einer Selbstverständlichkeit, die ihn erstaunte.
Er gierte förmlich danach, sie im Bett zu erleben. Und danach würde man sehen...
All das zerschlug sich, als sie vor ihrer Wohnung ankamen, denn auf ihrem Türschild standen ganz deutlich zwei Namen, ein männlicher und ein weiblicher. Chris war geschockt. Er fühlte sich getäuscht. Aber warum? Er wollte doch keine Jungfrau, doch er hatte sich bei ihr etwas anderes vorgestellt. Sie verkörperte eine gewisse Unschuld, sie verhielt sich wie ein unerfahrenes Kind bei ihren Liebkosungen, die so süß und intensiv waren. Aber das konnte gespielt sein, sie lebte womöglich mit einem Mann zusammen, und das wurmte ihn fürchterlich. Seltsam, normalerweise bevorzugte er Frauen, die schon einen Partner hatten, denn diese Frauen würden ihm nicht so schnell auf die Pelle rücken. Wie auch immer...
Von da an wollte er nichts anderes, als sie ins Bett zu kriegen, und er wurde beleidigend und fordernd. Sie ließ es sich nicht gefallen, sondern tat ihm ein paar ziemlich unverschämte Sprüche hinein, aber davon ließ er sich natürlich nicht beirren. Sie gehörte ihm, er würde sie kriegen, und danach würde er sie fallen lassen.
Doch Tatsache war: Sie warf ihn hinaus. Sie warf IHN tatsächlich hinaus! Unfassbar! Es war das erste Mal, dass er von einer Frau hinausgeworfen wurde, und das konnte er nicht auf sich sitzen lassen.
Wie konnte er unauffällig an sie herankommen? Sie hatte ihm erzählt, dass sie Stammgast in einem gewissen E-body war. Der Name kam ihm bekannt vor, und dann fiel ihm ein, dass ein Kumpel von ihm, ein Kerl namens Siggy auch Stammgast dort war. Siggy kannte sie flüchtig, und er wusste zu berichten, dass sie wahrscheinlich zu der Party kommen würde, die der Wirt des E-body alljährlich gab.
Sie war tatsächlich dort, und sie verhielt sich, als wäre sie über seine Anwesenheit etwas verwirrt. Sie hatte ihn also nicht vergessen. Wie auch... Chris kannte seine Wirkung auf Frauen nur allzu gut, und obwohl er eigentlich sehr maßvoll in Bezug auf Eroberungen war, wollte er diesmal diese Wirkung gnadenlos ausnutzen. Er würde mit ihr schlafen und nebenbei alles widerlegen, was sie vor Wochen behauptet hatte. Dass sie frigide war – und vor allem, dass jeder Mann, der mit ihr schlief, sich in sie verliebte. Das war absolut lächerlich!
Aber trotz seines bevorstehenden Triumphes blieb er vorsichtig und checkte erst einmal ab, ob da ein männlicher Konkurrent war. Der gute Freund Ralf spielte keine Rolle, natürlich war er in sie verknallt, aber sie schien es gar nicht zu wissen. Mit dem massigen Kerl hatte sie nichts im Sinn, und der Typ auf ihrem Türschild ließ sich auch nicht blicken. Das war gut, sehr gut. Alles lief bestens.
Dummerweise hatte Siggy die rothaarige Kuh mitgebracht, die ihm schon seit Wochen hinterher lief. Die war so scharf auf ihn, dass sie sich tatsächlich mit Siggy eingelassen hatte, nur um ihm, Chris, näher zu sein. Abartig! Und sie hatte sich mit dieser Olivia zusammengetan, deren unschuldige Anmache ja ganz nett war, aber darauf fielen doch nur Idioten herein. Leider hatte Siggy wohl ausgeplappert, weswegen er da war – nämlich wegen IHR – und die beiden Weiber hassten sie daraufhin und versuchten sie zu beleidigen, wo immer sie konnten. Sie tat ihm fast leid, aber er war nicht da, um Mitleid mit ihr zu haben.
Diese Nacht war überaus spannend, sie glich einem Spiel, in dem keiner der Spieler einen Fehler machen sollte. Und er fühlte sich zwar im Vorteil, aber das Spiel war trotzdem spannend.
Und irgendwie fühlte er sich auch lebendig, verdammt lebendig, wie eigentlich noch nie zuvor.
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IBIZA
Chris stand am Strand und sah dem Sonnenuntergang zu. Es war wie immer ein überwältigender Anblick, aber er konnte ihn nicht so richtig genießen, weil ihm einiges durch den Kopf ging.
Er befand sich jetzt schon sieben Tage auf Ibiza, aber irgendwie war er gar nicht richtig dort. Alles Mögliche spukte durch seinen Kopf und ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Er versuchte, die lästigen Gedanken zu verdrängen, aber es war zwecklos.
Während dieser sieben Tage hatte er die Insel zu Fuß erforscht, oder war mit dem Bus durch die Gegend gefahren. Er verspürte keinerlei Lust, den ganzen Tag am Strand zu liegen und sich wie die anderen Urlauber bräunen zu lassen. Außer am frühen Morgen und am Abend hatte er das Meer nur von weitem gesehen. Morgens schwamm er weit hinaus, von einer Bucht aus, in der zu dieser Zeit kaum Leute waren. Und abends betrachtete er fasziniert den Sonnenuntergang, denn es war immer wieder überwältigend, wie die blutrote Scheibe der Sonne scheinbar im Meer versank. Er trieb sich oft im Hafen von San Antonio herum, denn Schiffe hatten ihn immer schon fasziniert, und ab und zu unternahm er einen Ausflug in einem der Glasbodenboote, um sich als Biologe die Unterwasserwelt der Küste genauer anzuschauen.
Aber trotz all dieser Unternehmungen war er nicht richtig dort.
Irma geisterte durch seinen Kopf. Er musste immer noch an die Nacht denken, als er sie... Oh Gott, er hatte sie nicht einmal gefragt, ob sie es wollte, sondern es einfach getan. Gut, sie hatte sich nicht gewehrt, und ihre Reaktion war heftig gewesen. Sie musste es gewollt haben, aber trotzdem plagte ihn ein schlechtes Gewissen.
Seltsam, eigentlich sollte die Sache für ihn erledigt sein, denn er hatte sie ins Bett gekriegt. Aber trotzdem wurde er ihr Bild nicht los, er sah sie immer noch, aufgelöst und hilflos in ihrer Lust. Und auch mit seiner eigenen Reaktion hatte er nicht gerechnet. Nicht schlecht, wirklich nicht schlecht! Und dabei hatte er an diesem Abend einiges getrunken.
Er schüttelte unwillig den Kopf und dachte zornig: Bleib’ mir ja aus meinen Gedanken, du unverschämtes Weib!
Er stand
immer noch am Strand, als die Sonne schon nicht mehr zu sehen war und das Meer
sich schillernd grau färbte.
Er
raffte sich zusammen, ging in ein Strandcafe und bestellte eine Karaffe
Rotwein. Er überlegte, ob er etwas essen sollte, es gab hier hervorragenden
Fisch, aber er hatte ja schon im Hotel gegessen, und er sollte ein bisschen auf
seine Figur achten. Obwohl Irma ja stattliche Männer mochte...
Himmelherrgottsakra,
schon wieder Irma! Er wurde sie einfach nicht los, und er musste an die
Unterhaltung denken, die sie am Morgen danach geführt hatten. Sie hatten sich
umlauert wie Katzen, die sich an die Wäsche wollten, und Irma schien im Vorteil
zu sein. Aber dann hatte er sie hereingelegt. Und es ging ihm runter wie Öl
oder besser gesagt wie Gleitcreme, als sie die Bettdecke hochhob, um zu sehen,
ob er wirklich so dick war, wie er behauptet hatte. Anscheinend gefiel ihr, was
sie sah, und natürlich war sie scharf auf ihn. Er grinste befriedigt vor sich
hin.
Aber
wieso musste er dauernd daran denken, das war doch nicht normal! Wieder
schüttelte er unwillig den Kopf.
Und
plötzlich spürte er, dass ihn jemand anstarrte. Er schaute unauffällig zur
Seite und sah, dass es zwei junge Frauen waren. Sie saßen am Nebentisch und
kicherten. Wahrscheinlich lachten sie sich über ihn kaputt, über sein
Kopfschütteln und über sein dämliches Grinsen. Er benahm sich ja, als würde er
idiotische Selbstgespräche führen. Tatsache war, sie hatten Recht, er führte
wirklich idiotische Selbstgespräche...
Er
schaute intensiver hin. Sie sahen nicht schlecht aus, und sie verkörperten
pikanterweise recht unterschiedliche Schönheitsideale. Sie kamen ihm vage
bekannt vor, und dann fiel ihm ein, dass er sie im Hotel schon gesehen hatte.
Sie
lächelten ihn an, und er lächelte zurück. Bis jetzt hatte er sich nicht groß um
die anderen Urlauber gekümmert, er wollte einfach nur allein sein. Er wusste
nicht warum, aber er konnte sich zur Zeit nicht auf andere Menschen
konzentrieren. Und das nur, weil ihm diese Irma im Kopf herumspukte.
Aber
damit war jetzt Schluss! Endgültig! Die Mädels machten nämlich einen viel
versprechenden Eindruck. Vielleicht mal einen flotten Dreier versuchen? Sie
sahen zwar nicht interessant aus – das war ihm im Moment sowieso egal – aber
sie waren wirklich hübsch, die beiden. Die eine blond und vollbusig und die
andere schlank, dunkelhaarig und nicht so vollbusig wie ihre blonde Freundin.
Irgendwie hatte die Dunkelhaarige ein bisschen Ähnlichkeit mit Irma.
Oh nein,
NICHT DIE SCHON WIEDER! Es reichte!
Chris
riss sich zusammen. Sein Lächeln wurde automatisch eine Spur freundlicher, er
beugte sich zum Nachbartisch herüber und sagte in dem gewinnenden Tonfall, den
er perfekt beherrschte: „Na Mädels, habt ihr Lust, gleich was mit mir zu
unternehmen?“
Die
Mädels gackerten ein bisschen und zierten sich nach Weiberart, aber natürlich
waren sie einverstanden. Wäre ja noch schöner, wenn seine Masche nicht mehr
ziehen würde. Bis jetzt hatte er noch jede Frau gekriegt, die er haben wollte, wenn
auch auf Umwegen wie bei der verdammten Irma.
Eine
halbe Stunde später verließ Chris mit seinen Eroberungen das Strandcafé. Eine
wirklich tolle Nacht stand ihm bevor. Er lächelte siegesbewusst und ein
bisschen hämisch in sich hinein und dachte: Das hast du jetzt davon, Irma, du
blödes sprödes Weib! Ich werde mich heute mal richtig amüsieren, und dann bist
du Legende!
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DER DREIER...
Er wachte auf mit dickem Kopf und einem pelzigen Geschmack im Mund. Vermutlich lag es am vielen Rotwein.
Was war
sonst noch passiert? Mühsam versuchte er sich zu erinnern, aber sein Kopf tat
zu weh. Und als sich schließlich die Nebel seiner Erinnerung etwas lichteten,
stöhnte er gequält auf. Es gab keinerlei Erinnerungen, die irgendwas mit Sex zu
tun hatten. War vielleicht gar nichts passiert?
Mit
schmerzendem Kopf bemühte er sich weiter, der vergangenen Nacht ihre
Geheimnisse zu entringen.
Und nach
einer geraumen Weile setzte er sich fassungslos im Bett auf – nicht ohne sich
vorher an den schmerzenden Kopf gefasst zu haben – und er fühlte sich
furchtbar. Aber nicht wegen des Katers.
Sondern,
oh Gott... Er hatte doch tatsächlich keinen hochgekriegt!
Entsetzen
machte sich in ihm breit. Wie konnte das passieren? So alt war er doch noch gar
nicht. Bis jetzt hatte er noch nie versagt, und mit einunddreißig durfte so was
nicht geschehen. Was war los? Was war mit ihm passiert, beziehungsweise nicht
passiert?
Er ließ
sich stöhnend ins Bett zurücksinken und versuchte, den gestrigen Abend zu
rekonstruieren:
Zuerst lief
alles gut. Er hatte mit den beiden Mädels eine nette Bar aufgesucht, irgendwas
dämmerig intimes mit rotem Licht. Dann hatte man Rotwein getrunken, und die
erste Runde hatte er ausgegeben als Zeichen seines guten Willens. Danach
durften sie für sich selber bezahlen, so bescheuert war er nicht, dass er
fremde Frauen den ganzen Abend über freihielt, denn in dieser Beziehung war er
halt ein wenig pragmatisch und vor allem sparsam veranlagt.
Es war
ganz nett mit ihnen. Die Blonde erzählte gute dreckige Witze, und die
Dunkelhaarige kam ihm recht nahe.
Aber
nach einer Weile stellte er fest: Es juckte ihn überhaupt nicht, dass sie sich
an ihm zu schaffen machte. Er fühlte zwar ihre Hand in seiner Hose, aber sonst
fühlte er gar nichts.
Es ließ
ihn so was von kalt, dass er an seiner Potenz zweifelte, oder besser gesagt
verzweifelte.
Himmel,
was war los mit ihm? Eine wildfremde Frau fummelte in seiner Hose herum, das
würde die meisten Männer doch total anmachen. Aber er empfand kaum etwas. Es
war fast so, als würde sie mit einem empfindungslosen Stück Gummi herum
spielen. Aber er gab die Hoffnung nicht auf, vielleicht würde es ja besser
werden...
Aber es
wurde nicht besser. Er versuchte, ihnen zuzuhören, aber die beiden Tussis waren
auf Dauer so langweilig, dass seine Ohren sich nach einer gewissen Zeit tot
stellten, das Gequatsche war zu seicht und dämlich. Gewisse Teile seines
Körpers schienen ja sowieso tot zu sein, und er widmete sich daraufhin nur noch
dem Rotwein.
Was war
dann passiert? Ach ja, irgendwann hatten die beiden ihn in ihr Zimmer gelotst,
und dann wurde es richtig peinlich.
Chris
verzog schmerzlich das Gesicht. Er hatte keinen hochgekriegt, okay, vielleicht
ein bisschen, aber im entscheidenden Augenblick war er dann absolut
abgeschlafft, und zwar genau in dem Augenblick, als er sich ein Kondom greifen
wollte.
Ihm war
nämlich eingefallen, dass er bei der Sache mit Irma kein Kondom benutzt hatte.
Und ab da war die Sache gelaufen – oder eben nicht gelaufen. Schließlich hatte
er sich mit einem verlegenen „Tut mir leid, Ladies“, von den Mädels
verabschiedet. Zumindest in seiner verschwommenen Erinnerung.
Das war
wirklich kein Glanzabend gewesen.
Chris
setzte sich stöhnend auf die Bettkante und hielt sich den Kopf. Wenn er jetzt
auch noch kotzen musste, dann würde er sich ins Klo stürzen. Aber beides blieb
ihm erspart, obwohl gewisse Erkenntnisse auch nicht gerade angenehm waren.
Er hatte
kein Kondom benutzt. Warum nicht, zum Teufel? Warum hatte er, der doch sonst
immer so wahnsinnig überlegt handelte, alle Vorsichtsmaßnahmen vergessen? Er
hatte sich wie ein Idiot aufgeführt – und das alles nur, um diese Frau ins Bett
zu kriegen. Um sie zu spüren und um sie zu besitzen.
Das
Blöde war, er hatte sie zwar gespürt, heftig gespürt sogar, aber er hatte sie nicht
besessen. Das wurde ihm auf einmal klar. Sie hatte nicht das geringste Gefühl
für ihn gezeigt. Nur Gleichgültigkeit und Spott. Dass sie Lust empfunden hatte,
war natürlich sonnenklar, aber das reichte ihm nicht. Und angenommen, sie war
schwanger... Wieder musste er aufstöhnen.
Er war
verrückt! Was wollte er von dieser Tussi, die sicher noch mit ihrem Macker
zusammen war. Er erinnerte sich an den Ausspruch ihrer Freundin, er hatte ihn
zufällig mitbekommen auf der Party: „Ich glaube, du und Oliver, ihr gehört
zusammen.“ Irma hatte daraufhin geschwiegen, sie hatte es nicht abgestritten.
Also gab es da noch was zwischen den beiden. Alles deutete darauf hin: Das
Türschild, die große und wahrscheinlich teure Wohnung. Ließ sie sich etwa von
ihm aushalten? Chris stieg das Blut in die Wangen. Und bei so was hatte er kein
Kondom benutzt! Er sollte sie vergessen, und normalerweise wäre die Sache schon
erledigt, aber sie ließ ihn einfach nicht los.
Er würde
sie anrufen, wenn er zurück war. Er würde sie fragen, ob sie schwanger war. Und
wenn sie es war, würde er sie hohnlachend... na ja verlachen und sich nie
wieder bei ihr melden. Andererseits wäre sie im Falle einer Schwangerschaft
dann von ihm abhängig, und dieser Gedanke hatte etwas unbestreitbar Geiles an
sich. Aber er war auch erschreckend.
Was
dachte er da überhaupt? War er jetzt vollkommen verrückt geworden? Er als
Vater? Das war vollkommen absurd, und dann auch noch mit dieser Tussi, die ihn
so aufbrachte... Wieder verspürte Chris dieses seltsame unbekannte Gefühl, es
war eine Mischung aus Zorn und aus Bedauern. Er hasste das Gefühl, es war ihm
fremd, er fand es lästig, und er wollte es loswerden. Es machte ihn grüblerisch
und dazu auch noch impotent.
Und zu
allem Überfluss tauchte auf einmal in seinem Kopf ein Bild auf: Er sah sich
selber neben Irma gehen, und tatsächlich trug er ein Kind auf dem Arm. Ein
hübsches Kind, und Irma sah auch sehr hübsch aus. Sie lächelte ihn an, aber
dann griff sie sich plötzlich an ihr Herz. Sie schaute ihn schreckerfüllt an, keuchte
– und sank leblos zu Boden, während er hilflos zusah... Und er hörte wieder
diese Stimme: Wenn er nicht gewesen wäre, dann würde sie noch leben. Wenn er
nicht gewesen wäre, dann würde sie noch leben. Wenn er nicht gewesen wäre, dann
würde sie noch leben...
Chris
schüttelte heftig den Kopf und zuckte automatisch zusammen, denn das
Kopfschütteln tat weh. Ach du lieber Himmel, jetzt fing er wirklich an,
durchzudrehen. Er träumte diesen Traum schon seit langer Zeit in allen
möglichen Variationen, und jetzt hatte er dem Traum einen neuen Ablauf gegeben
und auch ein neues Gesicht, nämlich Irmas Gesicht. Bisher war es das Gesicht
seiner Mutter gewesen, die er nie kennen gelernt hatte und von der nur uralte
Fotos existierten. Er verstand ihn nicht, diesen Traum, und was hatte Irma
damit zu tun? Das war doch vollkommen irrational! Er musste sie aus seinem Kopf
bekommen. Er musste sich davon überzeugen, dass sie genauso wie alle anderen
Frauen war und dass sie beim zweiten Treffen nicht das halten konnte, was sie
beim ersten versprach. Chris dachte kurz nach und korrigierte sich: Moment mal,
das zweite Treffen war ja schon gelaufen... Na und wenn schon!
Jedenfalls
würde er Irma anrufen, wenn er zurück war. Er würde eine Woche verstreichen
lassen, denn wenn er sofort anrief, könnte sie sich noch was drauf einbilden,
dieses unverschämte kleine Gör! Obwohl, so klein war sie gar nicht, sie war
höchstens einen Kopf kleiner als er.
Nachdem Chris diesen Entschluss gefasst hatte, fühlte er sich auf einmal wie befreit. Und tatsächlich fing er an, den Rest seines Urlaubs auf Ibiza zu genießen, wobei er vorsichtshalber einen großen Bogen um Frauen machte. So eine Pleite wie mit den beiden Mädels wollte er nämlich nicht noch mal erleben.
Er
versuchte ernsthaft, Irma aus seinen Gedanken zu verdrängen, er spielte Squash,
er schwamm viel, er nahm sogar Reitunterricht, und er schaffte es wirklich –
zumindest während dieser Aktivitäten – nicht an sie zu denken. Aber wenn er
abends in einer Taverne an der Bar saß, dann tauchte sie plötzlich auf, und er
fing wieder an zu grübeln.
Er
erinnerte sich an ihre Hingabe und Lust, er fühlte ihre schönen Brüste in
seinen Händen, sie passten so perfekt hinein, als ob sie dorthin gehörten – und
bei diesem Gedanken fühlte er sich absolut nicht impotent, ganz im Gegenteil.
Fast schon peinlich war ihm das.
Er
dachte an seinen Finger zwischen ihren Beinen und was er fühlte, als sie kam...
Es glich einem gewaltigen Sog, der ihn mitriss und ihn förmlich in ihr
explodieren ließ. Und danach blieb er in ihr, und sie schien das
selbstverständlich zu finden. Chris stöhnte auf, und er wusste nicht, ob es aus
Wollust oder aus Verzweiflung war. Er grübelte und grübelte, kam aber zu keinem
Ergebnis. In dieser Beziehung war er sich selber ein riesengroßes Rätsel.
Aber
Rätsel konnten gelöst werden oder lösten sich von selber.
Und der Urlaub hatte letztendlich seinen Zweck erfüllt – denn so etwas nannte man wohl Erholung, wenn man sich auf die Rückkehr freute. Und er brauchte diese Erholung dringend, denn kurz nach seiner Rückkehr würde er als Referendar im Goethe-Gymnasium anfangen.
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UNENDLICHE WEITEN
Irma lag auf ihrer Decke und sonnte sich, denn der Sommer hatte endlich beschlossen, mit sich selber anzufangen. Logo, ihr Urlaub war ja vorbei...
Aber egal, sie genoss es, in der Sonne zu liegen, und sie genoss es, nach drei heißen Tagen endlich ins Wasser gehen zu können.
Das Freibad am See besaß nämlich keine beheizten Becken, sie erwärmten sich nur ganz ganz langsam von einem heißen Tag zum anderen, und nur die Härtesten unter der Sonne hielten es darin aus. Das Wasser war nämlich gerade mal sechzehn Grad ‚warm’, und wenn man sich nach einer halbstündigen Vorbereitungszeit, die aus zaghaftem Herumgeplätschere bestand, endlich todesmutig in die eiskalten Fluten stürzte, dann war es ratsam, sofort loszuschwimmen und zu hoffen, dass man keinen Herzinfarkt kriegte.
Aber es war die Sache wert. Einmal wegen der Selbstüberwindung und dann wegen der bewundernden Blicke der weniger Mutigen, die gerade mal ihre Zehen ins Wasser getunkt hatten und mehr nicht...
Am ersten Tag im Eiswasser paddelte tatsächlich eine Entenfamilie neben ihr her, die Süßen hatten sich bestimmt aus dem nahen Stausee hierhin verirrt. Die Mutterente und ihre Entlein quakten leise vor sich hin, und Irma versuchte, so unauffällig wie möglich zu schwimmen, um die gefiederte Familie nicht zu stören.
Die
würden Chris gefallen, dachte sie, während ihre Zähne vor Kälte klapperten. Er
war ja Biologe. Aber wieso dachte sie überhaupt an Chris? Die Sache hatte sich
doch erledigt.
Als sie
wieder auf ihrer Decke lag, fühlte sie sich von der Kälte des Wassers total
ausgelaugt. Sie spürte die heißen Sonnenstrahlen kaum auf ihrem tiefgekühlten
Körper, und es würde bestimmt Stunden dauern, bis sie wieder aufgetaut war.
Sie
schloss erschöpft die Augen. Aber urplötzlich überkam sie ein seltsames Gefühl.
Sie konnte tatsächlich spüren, wie der Planet Erde sich um seine Achse drehte,
mit einer winzigen Irma, die auf ihm lag. Sie griff mit beiden Händen in das
Gras neben sich und hielt sich daran fest. Sie hatte Angst, hinausgeschleudert
zu werden in den Weltraum. In die unendlichen Weiten...
Das
seltsame Gefühl verflüchtigte sich langsam, und Irma fing an zu grübeln. Die
Erde selber bewegte sich ja auch noch um die Sonne. Wie schnell war sie wohl?
Irgendwas mit dreißig Kilometern pro Sekunde, das wusste sie aus ihrem alten
Astronomiebuch. Das Buch, in dem Chris geblättert hatte, danach hatte er sie
abgehört wie ein Lehrer, kein Wunder, er war ja bald Lehrer, aber sie hatte
alles gewusst, und er war bestimmt enttäuscht drüber gewesen.
Irma,
Irma, Himmeldonnerwetter, denk’ nicht mehr an ihn!
Also
dreißig Kilometer pro Sekunde. Das war schnell! Irma wurde es bei diesem
rasanten Tempo etwas schwindelig zumute, und sie richtete sich taumelnd auf.
Sie kramte in ihrer Tasche herum, fand schließlich ein Stück Papier und einen
Stift und fing an, das nachzurechnen. Es hatte was mit der Entfernung der Sonne
von der Erde und der Dauer eines Jahres zu tun. Nach einigem Basteln kam sie
tatsächlich auf 14,98 Kilometer pro Sekunde. Einwandfrei falsch, aber wieso?
Oh, die Entfernung war doch nur der Radius des Kreises. Also musste heißen: 2r
mal Pi! Alles klar, jetzt stimmte es, dreißig Kilometer, sie hatte es bewiesen!
Schade, dass Chris das nicht sehen konnte. Was trieb der wohl auf Ibiza?
Bestimmt Frauen anbaggern, das konnte er ja unheimlich gut, der Blödmann.
Außerdem würde der sich sowieso nie wieder melden, und das war auch besser so!
Sie prustete verächtlich in sich hinein, und zwei Stunden später, als ihr Körper sich wieder halbwegs warm anfühlte, packte sie ihre Sachen zusammen und machte sich langsam auf den Heimweg. Als sie in ihr uraltes kleines Cabrio stieg, sah sie auf der anderen Straßenseite Bernie, den Typen, mit dem es nicht geklappt hatte. Eine ziemlich unscheinbare Frau ging neben ihm her, und die beiden unterhielten sich angeregt.
Vor ein
paar Wochen hätte sie das noch wahnsinnig gekränkt, und jetzt interessiert es
sie überhaupt nicht mehr. Komisch...
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ERST AUFWÄRTS – DANN FREIER
FALL...
Das
Wetter war wundervoll und die Hitze so angenehm, dass Irma es nicht zu Hause
aushielt. Sie wollte raus, sie wollte unter Menschen sein, sie verspürte die
unbezwingbare Lust, an diesem Abend etwas zu unternehmen.
Schade,
Freundin Jessi war nicht da, und Ralf hatte beruflich in Frankfurt zu tun. Sie
überlegte, wer sonst noch in Frage käme. Madame Medusa vielleicht? Die würde
zwar mit Wonne mitgehen, aber da konnte man sich genauso gut erschießen. Madame
war nämlich unerträglich, denn wenn sie einen erstmal in den Klauen hatte, dann
saß man stundenlang an einem Ort mit ihr fest. Also besser alleine...
Die neue
zarte Bräune stand ihr, sie zog ein rotes Top an, dazu ihren schwarzen Minirock
und schlenderte zu Fuß ins Café Klack. Das Klack war fremdes Terrain für sie,
dort war sie nicht Stammkunde wie im E-body, und außerdem trieb sich ihr Ex
immer dort herum. Aber heute hatte sie tatsächlich Lust, ihn zu treffen. In der
Dämmerung werfen selbst Zwerge einen langen Schatten, dachte sie spöttisch. Der
Zwerg war natürlich Exfreund Oliver, obwohl er ganz schön groß war, und die
Dämmerung war natürlich ihre augenblickliche Verfassung, denn irgendwie hatte
sie Hunger auf Gesellschaft und auf ein bisschen Zärtlichkeit.
Okay
Irma, gib es zu, auf einen Mann! Auf einen Mann, der dich zu schätzen weiß und
der dich nicht so behandelt wie ein gewisser Typ, dessen Namen wir jetzt nicht
nennen wollen...
Im Klack
selber ist es angenehm leer, denn die meisten Leute hocken draußen im
Biergarten.
Irma
setzt sich auf einen Barhocker an der Theke und bestellt Espresso und Sambucca.
Es ist ziemlich ungemütlich auf dem Barhocker, denn ihre nackten Beine fangen
nach kurzer Zeit an, auf dem Kunstleder zu schwitzen, und Irma rutscht
unbehaglich hin und her. Hätte sie doch eine Hose angezogen! Aber jetzt sitzt
sie schon mal hier, und außerdem ist es der beste Platz, denn von ihm aus kann
man fast den ganzen Laden einsehen.
Die
Hitze lässt den Sambucca gar nicht erst ihre Kehle erreichen, denn er
verwandelt sich vorher schon in alkoholischen Dunst, und sie musst darüber
lachen. Summer in the City... Sie erzählt das mit dem flüchtigen Sambucca dem
Wirt, der zwar nett aber leider auch schwul ist, und er gibt ihr daraufhin noch
einen aus.
Irma
schaut sich unauffällig um. An der Theke sitzt nur ein älteres Individuum, das
schon ziemlich besoffen vor sich hinstarrt. Und in dem großen Raum, der
aussieht wie eine weißgekachelte Metzgerei – also sehr ungemütlich – ist niemand,
den sie kennt. Auch ihren Ex kann sie nirgendwo erblicken. Schade, manchmal ist
es ganz nett mit ihm. Vor allem, wenn sonst keiner da ist... Sie kichert vor
sich hin, denn der flüchtige Sambucca knallt trotz seiner Flüchtigkeit ganz
schön rein.
Nach dem
dritten Sambucca fühlt Irma sich ein wenig betäubt und vor allem sehr
zufrieden. Sie hat im Moment keinerlei Bedürfnisse, und sie will auch niemanden
kennen lernen. Was für ein herrlicher Zustand! Sie braucht doch gar keinen
Kerl. Weder ihren Ex, noch seinen Freund Bernie – und vor allem nicht Chris.
Alles
blöde Typen!
Um halb
zehn fühlt sie sich mit sich selbst und der ganzen Welt im Reinen, also
zufrieden genug. Sie bezahlt und verlässt das Klack.
Aus den Augenwinkeln
bemerkt sie, dass ein Mann neben ihr her läuft, er ist dunkel, sehr dunkel, das
kann man deutlich erkennen, weil es draußen noch nicht sehr dunkel ist. Irma
verbeißt sich ein Kichern.
„Soll
ich dich nach Hause fahren?“
Aber
hallo, sie wird gerade angequatscht – und dunkel war noch untertrieben, der Typ
ist so schwarz wie Ebenholz und auch genauso schön. Sie überlegt zwei Sekunden
lang.
„Warum
eigentlich nicht...“
Er
lächelt erfreut, und sie schlendern gemeinsam zu seinem Auto. Es handelt sich
um ein altes französisches Auto, das aussieht wie eine flache Schildkröte, ein
Citroen, ja genau, aber es ist keine Ente. Enten paddeln nämlich in
Schwimmbecken... Wieder muss Irma fast kichern, während ihr Begleiter ihr
höflich die Beifahrertür öffnet und sie einsteigen lässt. Ist ungewohnt, diese
Höflichkeit. Gewisse andere Männer sind nicht so höflich...
‚Warum
tust du das, Irma? Bist du jetzt total übergeschnappt?’ Ihr Verstand meldet
sich gerade zu Worte, er scheint besorgt zu sein.
‚Quatsch’,
gibt Irma trotzig zur Antwort. ‚Mit mir ist alles in Ordnung. Und ich brauche
das jetzt!’
‚Aber
eben warst du doch noch so zufrieden...’
‚Na und? Ich habe noch eine Rechnung mit diesem unverschämten Kerl offen. Na du weißt schon...’
Ihr
Verstand seufzt auf, er kennt natürlich die Story, hält daraufhin
freundlicherweise die Klappe und schaltet sich erst einmal aus...
„Gibst
du mir noch einen Kaffee aus?“
Sie sind
vor Irmas Haus angekommen. Er spricht ein perfektes Deutsch, es ist vermutlich
ein besseres Deutsch als das der meisten Deutschen.
„Okay,
aber nur ganz kurz. Ich muss nämlich morgen ziemlich früh aufstehen.“ Das
stimmt natürlich, und es ist nebenbei auch ein gutes Argument, um jemanden
loszuwerden, der möglicherweise gar nicht gehen will.
Und
warum nimmt sie ihn überhaupt mit? Ist das wieder eine ihrer dämlichen
Aktionen, und wie wird diese Aktion enden? Die letzte mit Chris war ja
aufregend, aber auch ziemlich frustrierend.
Er setzt
sich ins Wohnzimmer, und Irma kommt bald darauf mit zwei großen Tassen Kaffee
aus der Küche. Sie schaltet den Fernseher ein, und sie sehen den Rest von
„Dallas“. Dieser alte Schinken – Irmas Mutter hat ihn heiß und innig geliebt –
wird tatsächlich mal wieder wiederholt.
Sie
trinken Kaffee, starren in den Fernseher und unterhalten sich über die
körperlichen Eigenschaften der Hauptdarstellerinnen. Es ist eine ziemlich
intime Unterhaltung, wenn man in Betracht zieht, dass sie sich gerade erst
kennen gelernt haben.
„Du hast
eine bessere Figur als Pamela“, sagt Felipe. Felipe hat selber eine tolle
Figur, und er sieht aus wie ein Inka-König mit seiner Nase, die adlerartig
gebogen ist. Oder ist es kondorartig? El
Condor pasa.... Jedenfalls stammt dieser schwarze Gott aus Südamerika und
studiert hier in der Stadt. Noch ein Gott! Ist ja kaum auszuhalten...
„Wirklich?“ Irma lächelt geschmeichelt. Was für ein
gebildeter Mann! Und wie nett, mal wieder ein Kompliment zu hören. Chris hat ja
keins von sich gegeben, bis auf das mit dem schönen Busen. Na immerhin.
„Pamela
hat zu wenig Hintern“, erzählt Felipe lässig selbstbewusst, „und in der
Relation dazu zuviel Busen. Ist zu topplastig.“
Wow, topplastig klingt echt gut! Irma muss lachen. Fürwahr, welch ein erfahrener Mann, der sich nicht von einem großen Busen blenden lässt und der sich auskennt mit den Proportionen der Frauen.
Sie
erhebt sich lässig, legt einen Sampler aus den 80er Jahren auf, und als erstes
kommt ‚True’ von Spandau Ballet. HAHAHA
HAAAA HA… Ein schönes Stück! Und dieses sanfte Saxophonspiel kommt
gerade richtig, um zu träumen. Fragt sich nur wovon...
Felipe
steht auf, er zieht sie hoch, nimmt sie in seine Arme, und sie bewegen sich
sehr langsam und auch sehr aufreizend eng zu den Klängen von True, fast wie in
Zeitlupe.
Er
streichelt ihren Rücken, und es erregt sie.
Er legt
die Hände auf ihren Hintern, und er flüstert ihr ins Ohr: „Du erinnerst mich an
eine Thailänderin, die ich mal hatte. Die war auch so unglaublich geil!“
Fast
will sie fragen: „So eine wie Ting Tong?“ Aber sie tut es nicht. Er würde es
bestimmt nicht verstehen, denn wahrscheinlich kennt er ‚Little Britain’
überhaupt nicht und weiß deswegen auch nicht, dass Ting Tong sich zwar als
Thai-Mädchen ausgibt, aber dass sie weder aus Thailand kommt, noch ein Mädchen
ist. Sie könnte fast losplatzen vor Lachen, Ting Tong ist nämlich auch ziemlich
dick und nicht besonders hübsch. Schade, Chris würde es verstehen, aber Chris
ist ja nicht da.
„Ich war
mal mit einer verheirateten Frau zusammen, die war auch unheimlich geil.“
Felipes Stimme klingt beschwörend. „Hinterher sind wir zu viert ins Bett
gegangen. Mit ihrem Mann und seiner Freundin.“
Bestimmt
schicken die ihm heute noch Dankesschreiben. Ob Chris auch solche
Dankesschreiben bekommt? Mit Sicherheit... Irgendwie stört der Name Chris ihre
Erregung, und sie verdrängt den Gedanken an diesen blöden Sack und reißt sich
zusammen, um Felipes harten fordernden Körper genießen zu können.
Es
klappt, und sie fühlt ihre Beine wieder etwas schwächer werden. Okay, das hört
sich geil und frei an. Und was es nicht alles gibt! Tatsächlich gerät ihr
Körper an gewissen Stellen in Hitze, und automatisch stellt sie sich vor, wie
es mit Felipe wohl wäre. Er hat natürlich jede Menge Erfahrung mit Frauen und
wird sie zu den geilsten Höhepunkten bringen.
Felipe erzählt weiter von irgendwelchen Schweinereien. Also, wenn Chris ihr so was erzählt hätte, dann wäre sie ihm mit dem nackten, nein, besser nicht mit dem nackten Hintern, sondern mit irgendeinem anderen Körperteil ins Gesicht gesprungen. Aber Felipes Gequatsche macht sie nicht zornig, ganz im Gegenteil, es macht sie eindeutig an, zwar auf eine primitive rein körperliche Art, aber es macht sie an. Und Irma verspürt das dringende Bedürfnis, sich fallen zu lassen und einfach nur zu bumsen, sinnlich und vor allem ohne jeden Verstand.
‚Außerdem’,
ihr Verstand meldet sich wieder, ‚wäre dieser schöne schwarze Gott ein
herrliches Werkzeug deiner Rache an Chris. Chris hat dich verarscht, und du
musst dich sauber waschen von ihm, am besten mit dem Sperma eines anderen
Mannes...’
‚Ich
dachte, du wolltest dich bedeckt halten’, denkt Irma erstaunt.
‚Ich
wollte das nur noch schnell loswerden... Und jetzt endgültig Tschüss!’
„Wenn du in die Disco kommst, und ich sitze mit einem anderen Mädchen dort, dann werde ich sie sofort verlassen und nur noch dich sehen“, flüstert Felipe ihr gerade leidenschaftlich ins Ohr.
Großzügig,
wirklich sehr großzügig! Wenn er ihr Freund wäre, dann hätte er nicht in der
Disco mit anderen Weibern herumzusitzen!
Trotz
ihrer körperlichen Erregung macht sich bei Irma ein gewisser Missmut breit.
Warum quatschen die Männer so viel. Sie sollten lieber das Maul halten wie ein
gewisser Typ. Nein, sie will jetzt nicht an den denken! Er wird ihr bestimmt
dieses tolle Erlebnis vermiesen, und das gönnt sie ihm nicht.
„Du
siehst unglaublich gut aus, dein Körper ist fantastisch, und ich weiß, dass du
geil bist“, er streichelt immer noch ihren Hintern, und sie fühlt sehr
deutlich, dass er riesig erregt ist. Und wenn er so weiter macht, dann kommt’s
ihr, bevor sie das Bett erreichen. Also sollten sie sich besser beeilen...
„Wir
werden in den Wald gehen, du wirst diesen Rock tragen, und wir werden geil
sein, unheimlich geil...“
Tatsache
ist: Sie IST geil!
Und sie
gehen zwar nicht in den Wald, sondern nur ins Schlafzimmer – aber sie ziehen
sich dort ganz schnell aus.
~~~~~~~~~~~
Über das, was dann folgt, wird Irma für immer schweigen, es ist nämlich absolut frustrierend. Manche Frauen hätten vielleicht gejubelt über das, was er sein eigen nennt. Aber für sie ist es beängstigend, und ihre Geilheit verflüchtigt sich schlagartig. Es ist, ob ein Luftballon plötzlich seine Luft ablässt. PENG!
So was
hat sie noch nie gesehen! Es ist furchteinflößend, und es ist sein ganzer
Stolz. Er präsentiert ihr das Teil, als ob es der Mittelpunkt der Erde wäre.
Ein Mittelpunkt, der mindestens dreißig Zentimeter lang und entsprechend dick
ist.
Und sie
muss insgeheim darüber kichern. Wahrscheinlich packt er es zu Hause immer in
Seidenpapier ein, worauf geschrieben steht: FELIPES GANZER STOLZ.
Nur nützt
ihm jetzt sein ganzer Stolz nicht viel, denn Irma kann nicht. Sie kriegt das
nicht gebacken, sie fühlt sich wie ausgetrocknet. Das ist ja wie ein Kind
kriegen – nur umgekehrt! Aber was ist mit den anderen Frauen, mit denen er...
Konnten die das? Anscheinend ja. Was stimmt nicht mit ihr?
„Du
bringst mich runter“, sagt er schließlich.
Na, wen
juckt’s, denkt sie gleichgültig. Komisch, rein körperlich merkt sie keinen
Unterschied bei ihm. Das ist unglaublich, wieder fühlt sie den fast
unbezwingbaren Drang, zu lachen, aber sie unterdrückt ihn gerade noch.
„Entspann
dich einfach!“ Er dreht sie um und versucht es von hinten.
Verdammte
Scheiße, es hat doch keinen Sinn, sie will nur noch, dass er aufhört. Dass er
sie in Ruhe lässt. Und dass er weggeht.
Nach ein
paar Sekunden gibt er frustriert auf, er zieht sich seine Hose an und
verschwindet in die Küche.
Sie
hört, wie er den Kühlschrank öffnet. Er kommt zurück mit einer großen Scheibe
Mettwurst, die er begierig in sich hineinfrisst. Oh nein, nicht schon wieder
die Mettwurst, die scheint ja unheimlich beliebt zu sein bei ihren Liebhabern.
Immerhin ist es nicht die selbe Mettwurst, von der Chris letztens genascht hat,
sondern eine neue. Daddy schickt ihr nämlich alle paar Wochen ein Carepaket, er
denkt wahrscheinlich, sie wäre zu dünn und würde in der Großstadt nix
Gescheites zu essen kriegen...
Irma hat
eine Art Vision: Immer wenn sie in der Zukunft eine dicke lange, schwarz
umhäutete Mettwurst sieht, wird sie an Felipe denken müssen. Grausige
Aussichten!
„Ich
weiß aber, dass du geil bist“, sagt der gerade verzweifelt. „Lass mich trotzdem
dein Freund sein. Du hast bestimmt große Probleme.“
Das
bringt Irma zum Kochen. Wieso meinen die Männer immer, man hätte große
Probleme, nur weil man nicht vor Lust schreit, wenn sie einen ‚beglücken’. Und
sie braucht keinen guten Freund, vor allem keinen so geilen guten Freund wie
Felipe. Nein, sie hat die Nase voll! Und sie braucht auch keinen wie Chris, der
den Arm um sie legt nach dem Beischlaf
und dem sie dann über ihre Probleme erzählt. Sie hat nämlich gar keine
Probleme. Doch, eins hat sie, ihr Problem sind Männer, die so einen Mist
erzählen!
„Ich
muss jetzt schlafen“, sie deutet vielsagend auf die Tür.
Felipe
verlässt sie, ohne zu murren – aber mit der Androhung, sie bald anzurufen. Als
guter Freund natürlich nur. Auch das noch!
El Condor NO pasa... Wie überaus sinnig!
Irma fühlt sich so daneben, dass sie heulen könnte. Natürlich heult sie nicht, aber sie hat den seltsamen Drang, sich zu säubern, und sie stellt sich trotz der späten Stunde noch unter die Dusche. Leider hat das so gut wie keine Wirkung, sie wird zwar äußerlich sauber, aber innerlich fühlt sie sich immer noch schmutzig. WARUM?
Am
meisten macht ihr zu schaffen, dass sie nach der Nacht mit Chris nicht sofort
gebadet hat. Nein, sie ist fast den ganzen Tag mit seinen... auweia Säften
herumgelaufen, und es hat ihr überhaupt nichts ausgemacht, ganz im Gegenteil.
‚Was war
denn los?’ Ihr Verstand meldet sich wieder.
‚Weiß ich auch nicht! Du hättest
mich ja warnen können. Aber nein, du musstest mir ja gute Ratschläge verpassen!
Am besten mit dem Sperma eines anderen Mannes... Wie kommst du auf so was? Das
ist doch total bekloppt!’
‚Tja, wenn der Körper zu blöd ist,
meine guten Ratschläge in die Tat umzusetzen, dann kann ich auch nix machen...’
‚Ach halt
bloß die Klappe! Wem von euch kann ich denn überhaupt noch vertrauen?’
© Ingrid Grote 2009 Fortsetzung HIER
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