START / HOME

 

Ich und so...

 

Garten und so...

 

meine Katzen...

 

leisteShortstoriesLongstoriesGedichteGaestebuchLinksLinklistenInfoGAGSFotostories

 

bEST of bLOG

eXtra-Blaetter


Aktualisiert am 24. Juli 2015. Am besten läuft es unter dem Internet Explorer, mit anderen Browsern kann es Fehler in der Darstellung geben. Natürlich kann es auch von mir selbst produzierte Fehler geben. Falls also jemand etwas zu meckern hat, bitte melden...

Angaben

homepage erstellenXStat.de  

 

BERLIN IST DIE EINZIGE STADT DER WELT,

IN DER IN ALLEN HIMMELSRICHTUNGEN OSTEN IST... (dieser Spruch stammt von meinem Freund W. aus dem Osten der Republik, und der muss es ja wissen).                Berlin11

Letztens fiel mir mein uraltes Notizbuch in die Hand. Ein interessantes kleines Büchlein, wenn auch ein wenig verwirrend, zum Beispiel der mit Kugelschreiber hingeschmierte Eintrag: Fahren gleich nach drüben...
Der nächste Eintrag war seltsamerweise mit Lippenstift geschrieben und deswegen sehr groß geraten: TEESTUBE GUT K. KENNENGEL...
Das kam mir irgendwie bekannt vor, und nach langem Grübeln gelangte ich zu dem Schluss, dass diese Einträge aus den Jahren 1967 oder 1968 stammen mussten. Denn just zu dieser Zeit war ich zweimal in Berlin – Tschuldigung, damals hieß es noch Westberlin – nämlich einmal im Winter zum Demonstrieren und einmal im Herbst mit einer Freundin.

Ich versuchte als erstes, die Demonstrationssache aufleben zu lassen.

Okay, zu jener Zeit war ich siebzehn Jahre alt und Mitglied in einem recht linksorientierten Club, na ja hauptsächlich wegen der Jungs...
Es galt als offene Tatsache, dass fast alle im Club Mitglieder der DKP waren und regen Kontakt zu Genossen in der Ostzone pflegten. Genau, Ostzone! Niemand nannte die DDR DDR, man nannte sie im besten Fall „sogenannte DDR“. Gemeinhin wurde dieses fremde Land als SBZ bezeichnet, das hieß Sowjetisch Besetzte Zone. Und die war so weit entfernt und so unerreichbar, als läge sie in einer anderen Galaxis. Aber Westberlin, die kapitalistische Enklave inmitten der sozialistischen „SBZ“, konnte man als Westdeutscher gut erreichen.

Wir fuhren in einem Reisebus nach Westberlin, und wir dachten, die ostdeutschen Vopos würden sich über unser Kommen freuen. Wir waren ja schließlich auch Sozialisten und links und überhaupt. Das stellte sich leider als Irrtum heraus, drei Stunden dauerten die Formalitäten, ich kann mich noch genau an die ungeheizte stinkende Baracke erinnern, in der man uns verhörte. Warum, weshalb und wieso wollen Sie nach Westberlin? Verdammt, die wussten doch genau, warum wir dort hinwollten. Wegen der Demonstration!

Aber schließlich ging es doch weiter. Es war Winter, und es gab nichts Langweiligeres als diese Autobahn, die Transitstrecke nach Westberlin. Ich fühlte mich sehr einsam. Weit und breit war kaum ein anderes Auto zu sehen, ab und zu ein einsamer Trabbi, öfter ein Luxusgefährt aus der BRD (Bundesrepublik Deutschland), dessen Fahrer sich penibel an die Geschwindigkeitsbegrenzung hielt, denn zu schnelles westdeutsches Fahren wurde sofort mit schwerem Devisenentzug bestraft.
Doch ich fand sie auch schön, diese verlassene Autobahn, die Wintersonne schien, es war lausig kalt draußen, das spürte man, denn die Kälte drang durch jede Ritze des Busses herein und machte kalte Füße, draußen zogen Birkenwälder mit raureifbedeckten Ästen an uns vorbei, und der Himmel strahlte in einem blassen Blau. Doch, es war schön, eintönig zwar und einsam, aber schön.
Auf dem letzten Stück vor Westberlin war die Autobahn durch Panzer gesichert, die QUER an ihrem erhöhten Rand standen, sie sahen furchtbar bedrohlich aus, sie hätten bloß losrollen müssen, dann hätten sie die Fahrbahn total blockiert und vielleicht auch jedes Fahrzeug zerquetscht.

Westberlin, ein Mythos! Es sollte dort viel mehr Männer als Frauen geben, es sollte der Hammer sein. Und tatsächlich, was für ein Leben auf den Straßen, vor allem im Vergleich zu der tödlichen Einsamkeit der Transitstrecke. So viele Menschen, so viele Männer, so viele Autos, so viele Restaurants, Kneipen, Hotels, Pensionen - soviel Leben eben!
Wir übernachteten in einer Jugendherberge, marschierten am nächsten Tag bei der Demo mit, sahen Rudi Dutschke, waren richtig gut drauf und riefen Sprüche wie: Ho Ho Ho Chi Minh!
Eine französische Gruppe rief rhythmische Sprüche wie: US assassins, liberez le Vietnam! (Übersetzung von einer, die nicht viel vom Französischunterricht behalten hat: Ihr amerikanischen Mörder! Gebt Vietnam frei! Oder so ähnlich...)
War halt die übliche Prozession und dauerte die üblichen zwei Stunden. Aber ich war nicht „drüben“, und ich kann mich auch nicht dran erinnern, in dieser „Teestube“ gewesen zu sein. 

Also muss es bei der anderen Reise passiert sein:

Ich flog mit meiner Freundin Marlis nach Westberlin, meine Tante hatte uns eingeladen. Die Fluggesellschaft hieß „British Airways“. Die Lufthansa, damals die einzige deutsche Airline durfte Westberlin nicht anfliegen. Und Ostberlin sowieso nicht.
Wir wohnten also eine Woche in dem winzigen nicht weit vom Ku’damm entfernten Appartement meiner Tante Lore. Marlis und ich schliefen auf einer Doppelcouch, meine Tante sahen wir nur selten, die führte ihr eigenes Leben.

Es war eine grandiose Zeit, wir kauften uns in Boutiquen irre Klamotten, aßen die erste und auch leckerste Pizza unseres Lebens, wir fuhren hinaus zum Wannsee in seiner friedlich herbstlichen Ruhe, wir besuchten allerlei Künstlerkneipen in Kreuzberg, wir trieben uns bis in die Puppen in anderen Schuppen herum, denn in dieser schönen Stadt gab es erstens keine Sperrstunde – und zweitens großzügige Menschen, die netten Mädels aus dem Ruhrgebiet immer einen ausgaben.

Und wir fuhren mit der S-Bahn nach Ostberlin. Dieser Tripp war ein Muss und die einzige Gelegenheit, die sagenumwobene DDR mal in Natura kennenzulernen. Es ging recht zügig voran, denn auf Ostberliner Seite hielt die Bahn an den Stationen nicht, sie fuhr einfach durch, und das fand ich unheimlich. Geisterbahnhöfe, sagte einer unserer Mitreisenden.

Zum Glück war der Bahnhof Friedrichstraße nicht geisterhaft, wir stiegen aus, die Formalitäten waren kurz, wir mussten nur zwanzig D-Mark in zwanzig Ostmark umtauschen. Das war zwar, wie wir später feststellten, eine grandiose Summe, nur leider konnte man sich nicht viel dafür kaufen.
Am Ausgang vermisste ich das übliche Menschengewimmel, doch dann verstand ich es: Dieser Bahnhof war den Einheimischen verschlossen und hermetisch abgeriegelt.
Trotzdem trieben sich ein paar Ostdeutsche davor herum, ein junger Mann steuerte zielbewusst auf uns zu, ich weiß nicht mehr was er erzählte, aber er wollte Kugelschreiber von uns haben. Warum, wozu? Ich traute mich nicht, ihn zu fragen und schenkte ihm meine beiden.

Wir schlenderten die breiten Straßen entlang, sie wirkten leer, man sah kaum Leute. Wo steckten die alle, oder handelte es sich hier um eine riesige Kulisse? Und wenn schon, ich fand die alten Prachtbauten überwältigend, ich kam mir vor wie in einem riesigen Museum, in dem es kaum Autos gab. Nur ab und zu knatterte eins im Zweitakt an uns vorbei. Es gab auch keine Supermärkte, nur ganz kleine Läden mit winzigen Schaufenstern, ähnlich wie bei uns früher in den fünfziger Jahren.
Ich versuchte Zigaretten an einem Automaten zu ziehen, es klappte hervorragend, der Automat schluckte das leichte Ostmarkzeug, aber leider kamen filterlose Zigaretten heraus, und die schmeckten genauso eklig wie die bundesdeutschen Rothhändle, starker gesamtdeutscher Tobak halt...

Nachdem wir uns müde gestaunt und gelaufen hatten, lechzten wir nach Kaffee. Das neu eröffnete Café am Alexanderplatz war brechend voll, und wir hatten keine Lust, uns in die Warteschlange einzureihen. Ein paar Nebenstraßen weiter entdeckten wir ein anderes Café, es erinnerte an ein Wiener Kaffeehaus, und es waren kaum Gäste drin. Der Kaffee schmeckte ein wenig dünn, normal also, aber der Apfelkuchen war Klasse, wenngleich die Sahne dazu aus geschlagener Kondensmilch bestand. Meine Mutter hatte das vor nicht allzu langer Zeit auch öfter praktiziert. Ich staunte, als die Kellnerin uns die Rechnung brachte. So billig? Ich gab ihr mein restliches Ostgeld dazu. Leider sah sie nicht begeistert aus, und ich kapierte erst viel später, dass sie lieber D-Mark statt Ostmark genommen hätte.

Vor dem Bahnhof nervte uns dann wieder so ein Typ, der unbedingt Kugelschreiber haben wollte. Bei mir war nichts mehr zu holen, aber er quetschte noch einen aus Marlis heraus.

Wir fuhren also heim, zurück in unser Leben, schon von weitem winkten uns die freundlichen Lichter von Westberlin zu, und der Ku’damm drückte uns herzlich an seine breite Brust.

Wir landeten schließlich in einer Kneipe, die uns vorzüglich gefiel. Sie hieß „Teestube“, die Typen darin sahen verheißungsvoll aus, und auch wir kamen gut bei denen an, vor allem meine Freundin Marlis, diese Mischung aus einem großäugigem Rehlein und einem Vamp im Minirock mit überkniehohen Wildlederstiefeln. Neben ihr verblasste jede andere Frau, aber immerhin hatte ich schönere Beine als sie. (Marlis, lebst du noch irgendwo, wenn ja, dann melde dich bei mir!)

Im Laufe des Abends lernte ich einen interessanten Mann kennen, er sah zwar nicht klassisch schön aus, war aber dafür intelligent und witzig. Und groß. Er trat in der Teestube auf als Mitglied einer „Enzian Brothers“ genannten Zweiertruppe, die wohl bekannt für ihre Blödeleien war, denn das Publikum applaudierte und lachte sich kaputt. Ich natürlich auch.
Dennoch vertiefte ich die Bekanntschaft nicht, ich war damals viel zu jung für so was, ich fühlte mich nur wahnsinnig geschmeichelt, dass dieser Typ, dessen rechtes Auge total vermatscht aussah, sich an mich ranmachen wollte. Vermutlich lag es am Frauenmangel in Berlin.

Oh oh, allmählich kommt’s mir! Ich hatte keine Kugelschreiber mehr, weil alle in Ostberlin geblieben waren und schrieb deswegen meine Notizen mit Lippenstift in mein kleines Büchlein: TEESTUBE GUT K. KENNENGEL... Das war’s dann. Alles klar! Und K. bedeutete Karl, so hieß er nämlich.

Ich wollte das Buch schon schließen, blätterte aber weiter und fand ein paar Seiten später noch einen Eintrag mit K.: ZAPPA geil, K. getroffen.
Wahnsinn, jetzt fiel es mir wieder ein. Es passierte ein Jahr später bei den Essener Songtagen (so 'ne Art Woodstock für Sozialisten und Weltverbesserer), ich wollte Frank Zappa mit seinen Mothers of Invention spielen sehen. Beim Konzert traf ich K. wieder, er war mittlerweile recht berühmt geworden mit einer anderen Band. Und wieder vertieften wir unsere Bekanntschaft nicht.
Ich hatte nämlich irgendwie meine Tasche verloren mit allem möglichen Zeugs drin, ich tippelte frustriert nach Hause und nicht in das Zeltlager am Baldeneysee, wo die ganzen Berühmtheiten campierten und wohin mich K. eingeladen hatte. Eine halbe Stunde später schellten wohlwollende Festivalbesucher bei mir an, sie hatten meine Tasche gefunden... Aber da war es natürlich zu spät, um ins Camp zu fahren und der Lust zu frönen. Quatsch, Lust! Auch zu diesem Zeitpunkt war ich noch die absolute Spätzünderin.
Trotzdem bringt es mich zum Grübeln, was unter anderen günstigeren Umständen mit mir und K. hätte werden können.

Ich denke: Nichts. Und damit basta!

 

© 2007/2010 by Ingrid
 

BOOKRIX

KURZGESCHICHTEN

bestof 

zu Fotostories

START / HOME   fahne