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Aschenbecher

 

IMMER AUF DER HUT SEIN...
 

Manchmal werde ich gefragt: „Wie kann man sich wohl am besten das Rauchen abgewöhnen?“
Blöde Frage! Wenn man fest (und damit meine ich wirklich fest) dazu ent-schlossen ist, dann ist die Sache schon klar. Wenn man allerdings auf billige Tricks hofft, dann ist dieser Artikel fehl am Platze. Denn man muss es schon wollen! Wirklich FEST wollen...

Ich selber wollte es fünfundzwanzig Jahre lang nicht. Ich glaube, meine erste Zigarette habe ich mit fünfzehn geraucht, diese erste Zigarette, von der einem noch leicht schwindelig wird. Hinterher ist dieser wunderbare Schwindeleffekt leider verschwunden, aber man raucht trotzdem lustig weiter, als ob man auf irgendwas hoffen würde. Aber auf was? Ich habe keine Ahnung.
 
Schmeckt es? Definitiv nicht. Vielleicht schmeckt es dreimal am Tag. Nach dem Frühstück, nach dem Mittagessen, nach dem Kaffeetrinken mit Kuchen und nach dem Abendessen. Oh, das ist ja schon viermal! Egal, alles was man danach raucht, schmeckt einfach eklig. Mir zumindest ging es so.

Doch es gibt ja die Gemeinschaft. Die Gemeinschaft der Raucher... Genüsslich eine Zigarette anstecken unter Gleichgesinnten...
Ist es nicht wunderbar, diese Zelebration der Gemeinsamkeit, diese ultimative Entflammung, dieses intensive Ziehen an dem Stängel. Ja? Ist es das?
Schwachsinn! Gemeinsamkeit mit Leuten, mit denen man eigentlich gar nichts gemein hat, ist keine Gemeinsamkeit. Aber das Rauchen gaukelt einem diese Gemeinsamkeit vor. Es handelt sich um eine Gemeinsamkeit auf dem niedrigsten Level. Nämlich auf dem Sucht-Level.
Sucht-Level? Jeder Raucher wird mir sofort heftig widersprechen. Mit Worten wie:
„Ich bin überhaupt nicht süchtig. Es ist ja auch gar nicht gesundheitsschädlich. Mein Opa ist hundert Jahre alt geworden, und er hat geraucht wie ein Schlot...“
Ist okay, wenn man fest dran glaubt. Die Warnungen auf den Zigaretten-schachteln sind bestimmt nur aus Spaß drauf - und furchtbar lästig. Und mich hat es auch nur genervt, dass meine Stimmbänder chronisch verschleimt waren.

Doch es gibt auch Leute, die daran sterben. Ich bekam den Hauch einer Ahnung, als mein Onkel mit 56 Jahren an den Folgen eines Bronchialkarzinoms starb. Er hatte immer Zigaretten ohne Filter geraucht, bis es eben zu spät war. Ich habe meinen Onkel gemocht, obwohl er mich im zarten Alter von fünf Jahren in eine dunkle Kammer eingeschlossen hatte, um mich irgendwie zu erziehen. Ich glaube, damals habe ich einen Knacks wegbekommen ;-), und ich glaube auch, als mein Onkel starb, war ich reif dafür, mir endlich das Rauchen abzugewöhnen.
 
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich keinen einzigen Tag ohne Rauchen verbracht. Ja tatsächlich. Auch wenn ich grippekrank war oder im Krankenhaus lag, hatte ich immer wieder versucht, zu rauchen. Es schmeckte zwar saumäßig und kratzte fürchterlich im Hals, aber dem Verlangen war Genüge getan.

Ich versuchte also im Alter von vierzig Jahren, mir das Rauchen abzugewöhnen. Ich hatte es vorher noch nie versucht. Ich habe immer geraucht, ich habe geraucht, wenn ich unter Stress stand und wenn ich nicht unter Stress stand. Ich habe geraucht, wenn ich gearbeitet habe, und wenn ich nicht gearbeitet habe. Ich habe geraucht, wenn ich in Gesellschaft war und auch, wenn ich alleine war.

Ich hatte die Nase voll vom Rauchen! Doch wie kommt man davon weg?
Eine Arbeitskollegin erzählte, dass es mit den sogenannten Nikotinpflastern klappen würde. Sie war zwar nach einem Monat wieder rückfällig geworden, aber das Pflaster hatte ihr Verlangen während dieses Monats ziemlich gut unterdrückt. Es hatte also nicht geklappt.

Eine andere Arbeitskollegin erzählte mir, sie hätte Nikotinkaugummis benutzt. Sie war zwar nach einem Monat wieder rückfällig geworden, aber das Nikotinkaugummi hatte ihr Verlangen während dieses Monats ziemlich gut unterdrückt. Also auch das hatte auf Dauer nicht geklappt.

Ich musste es also ohne diese Hilfsmittel schaffen, denn sie halfen wohl nur kurzfristig. Ich brauchte aber unbedingt einen Rettungsanker für die erste Zeit.

Ich entschied mich für das Kaugummi, und es war schon ein Problem, mir die Dinger zu beschaffen, denn die Apothekerin argumentierte folgendermaßen:
Nikotin ist ein Gift, und bei diesem Kaugummi nimmt man das Gift oral zu sich, also fällt das Kaugummi unter das Arzneimittelgesetz, was soviel heißt wie: Kein Rezept – kein Nikotinkaugummi.
Aha! Wenn man dieses Gift nur einatmet (und den ganzen störenden Nebenmist wie Teer u.s.w.), dann fällt das Nikotin nicht unter das Arzneimittelgesetz, sondern man ist ein guter Bürger, weil man für dieses ansonsten hochschädliche Produkt Steuern bezahlt. Und das nicht zu knapp... Das war Heuchelei!!! Und ab hier musste meine angeborene Sturheit über meine Sucht siegen. Den ich bin zwar nicht sehr willensstark, aber ich kann verdammt stur sein, wenn man mich irgendwie ärgert.
 
Ich beschaffte mir das Kaugummi bei einer anderen wohlwollenderen (oder geldgierigeren) Apothekerin. Das Kaugummi würde zwar nur eine Krücke sein, aber ich glaubte, diese Krücke würde ich brauchen.

Es war wirklich nur eine Krücke. Aber die hatte einen anderen wirklich guten Nebeneffekt:
Dieses Kaugummi schmeckte – wenn man  intensiv  darauf  herumkaute – wie ein voller Aschenbecher. Ein wirklich gut gefüllter Aschenbecher mit abgestandenen Zigarettenkippen.
Trotzdem hatte ich immer noch das Verlangen zu Rauchen.
Ich war vier Tage lang recht standhaft, aber danach wurde es schlimm:

Ich wollte rauchen, wenn ich aufgestanden war.
Ich wollte rauchen, wenn ich gefrühstückt hatte.
Ich wollte rauchen, wenn ich irgendwas bearbeitet hatte.
Ich wollte rauchen, wenn jemand ins Büro kam.
Ich wollte rauchen, wenn ich alleine im Büro war.
Ich wollte rauchen, wenn ich was Kniffliges zu tun hatte.
Ich wollte rauchen, wenn ich nichts Kniffliges zu tun hatte.
Ich wollte rauchen, wenn ich Kaffee getrunken hatte.
Ich wollte rauchen, wenn ich überhaupt was getrunken hatte.
Ich wollte rauchen, wenn ich mir was Nettes gekauft hatte.
Ich wollte rauchen, wenn ich ein Fenster geputzt hatte.
Ich wollte rauchen, wenn ich was anderes geputzt hatte.
Ich wollte rauchen, rauchen, rauchen, rauchen, rauchen und rauchen!
MERDE!!!

Aber ich rauchte nicht. Ich bin, wie gesagt, nicht sehr willensstark, aber ich kann verdammt stur sein, wenn man mich ärgert. Und mittlerweile ärgerte mich meine Abhängigkeit an dieses verdammte Nikotin gar sehr. Dieses Gift war eine innige Beziehung mit meinen Gewohnheiten eingegangen, beide tyrannisierten mich, doch das konnte ich ändern. Ich musste nur stur genug sein.

Ich glaube, es gibt nicht viele Frauen, die sich erfolgreich das Rauchen abgewöhnt haben, die Männer scheinen in dieser Beziehung erfolgreicher zu sein. Erzählen so was wie: „Das Abgewöhnen? Das war doch überhaupt nicht schwer!“ Genauso wie Männer erzählen, dass sie nach nur zwei Fahrstunden den Führerschein mit ‚links’ gemacht haben... Leider erzählen sie nicht, dass sie ein paar Monate später wieder mit dem Rauchen angefangen haben. Sind Männer willensstärker, oder sind Männer einfach nur Angeber?
Keine Ahnung und ist ja auch egal, denn einzig und alleine zählt nur: DASS MAN ES SICH ABGEWÖHNT! Und das ist so schwer...

Ich gebe einen Tipp: Man sollte es nicht im Urlaub versuchen, denn der Urlaub ist keine normale Zeit. Auch nicht, wenn am Arbeitsplatz mal gerade kein Stress herrscht. Denn wenn es dann wirklich Stress gibt, dann fällt man um wie ein Volltrottel. Am besten sollte man es vorher noch groß ankündigen, damit man sich voll lächerlich macht, wenn man umfällt wie ein Volltrottel. ;-)
Diesen Fehler habe ich vermieden. Das ist 1.) eine rein private Sache und man kann 2.) kein Verständnis von den anderen Rauchern erwarten. Manchmal glaube ich, die wollen nur, dass man umfällt wie ein Volltrottel. Und deswegen habe ich mein Vorhaben auch nicht an die große Glocke gehängt.
Hinterher, ja da waren sie alle sehr verwundert. „Das finde ich aber toll“, sagte eine von den lieben Kolleginnen – während sie mir ihren Zigarettenrauch um die Ohren blies – „wie du das gemacht hast.“ Oh ja, vielen Dank...
 
Denn es war wirklich nicht einfach. Als ich nach den ersten vier Tagen das unwiderstehliche Verlangen verspürte, mir eine anzuzünden, da habe ich mir sel-ber aufmunternde Notizen geschrieben und überall hingelegt.
Du hast dir gerade was Hübsches gekauft und willst eine rauchen? Warum willst du deinem Körper schaden? Das Rauchen ist keine Belohnung für dich. Also lass es! LASS ES!!! LASSS ESS EINFACH SEIN!
 
Du hast gerade die Wohnung geputzt und willst eine rauchen? Warum willst du deinem Körper schaden? Das Rauchen ist keine Belohnung für dich. Also lass es! LASS ES!!!LASSS ESS EIN-FACH SEIN!

Du hast gerade gefrühstückt (gebruncht, gevespert, zu Abend gegessen, von der Pommes-Bude was geholt, u.s.w.) und willst eine rauchen? Warum willst du deinem Körper schaden? Das Rauchen ist keine Belohnung für dich. Also lass es! LASS ES!!! LASSS ESS EINFACH SEIN!

Diese schlauen Sprüche zeigten Wirkung, und ich zündete mir keine Zigarette an.
Doch auch ab da war es nicht einfach. Genauer gesagt war es entsetzlich.

Ich schrieb noch mehr Notizen, diesmal beschwor ich meine Kindheit:

Warst du als Kind nicht glücklich? Und hast du damals geraucht? Natürlich nicht. Also braucht man das Rauchen nicht. Lass es sein, und du wirst wieder glücklich sein wie ein Kind. (Es sei dahingestellt, ob ich als Kind wirklich so glücklich war, mit oder ohne Rauchen, aber das tut hier nichts zur Sache).

Das Argument mit dem wieder Kind sein, das fand ich gar nicht übel und total erstrebenswert. Also ließ ich es wirklich sein. Versuchte, die Tasse Kaffee auch ohne Zigarette zu genießen – und stellte fest, dass ich mit dem Stress im Büro auch so umgehen konnte. Der Kaffee schmeckte übrigens besser als vorher. Der Stress nicht.
 
Dennoch musste ich durch furchtbar viele Situationen hindurch, in denen ich früher immer geraucht hatte. Außer aufzustehen, ins Büro zu fahren, im Büro sein, nach Hause zu fahren, zu Hause sein, waren es hauptsächlich Familienfeiern.
Und zwar jede einzelne, Konfirmationen, Geburtstage, Beerdigungen, ferner auch solche, von denen ich noch gar nicht weiß, ob und wann sie jemals stattfinden werden.
Es hört nie auf. Man ist, ähnlich wie ein trockener Alkoholsüchtiger immer empfänglich für eine Zigarette, egal wie lange man schon „trocken“ ist.

Gut, Familienfeiern gab es nicht so viele, aber das freitägliche Billardspiel mit Mann und Freunden, das war das Schlimmste. Vor allem, weil ich mir stattdessen den guten Sambucca reinzog, bis ich nicht mehr ganz klar im Kopf war und die anderen alleine weiterspielen ließ.
Als wir dann noch mit mehreren Leuten zu uns nach Hause gingen, war ich so unkontrolliert besoffen, dass ich mich auf meinem Raucherkaugummi herumwälzte und auf allen Vieren in der Wohnung herumkroch. Tja, tatsächlich.
Außerdem erzählte man mir später, dass ich einen extrem dünnen Kaffee gekocht hatte, und das, ohne mich dabei zu verletzen. Hatte ungefähr einen Löffel Kaffee auf einen Liter Wasser genommen. Peinlich, peinlich...
Anscheinend ist das Saufen ohne das Rauchen verheerend. Vermutlich fehlt das fein ausgeklügelte Wechselspiel von den sich verengenden Adern beim Rauchen und den sich erweiternden Adern beim Saufen. Ja, so wird's wohl sein. Jedenfalls war ich besoffen wie noch nie. Aber es konnte nun wirklich keiner von mir verlangen, dass ich mir gleich alle Laster abgewöhnen würde. Oder? Man gewöhnt sich natürlich irgendwann an die veränderte Wirkung des Alkohols, aber am besten sollte man auch mit dem Saufen aufhören.

Und ich träumte vom Rauchen, ich träumte so real davon, dass ich beim Aufwachen immer entsetzt dachte, ich hätte wirklich geraucht. Das war jahrelang so. Aber ich hatte nicht geraucht. Und ich hoffe, das bleibt auch so. Mein Leben hat sich zwar verändert, ich gehe kaum noch in Kneipen, denn ohne zu Rauchen hängt man in der Luft, kann die Zeit nicht mehr messen ohne den Zeitmesser Zigarette, und außerdem stinken die Klamotten am nächsten Tag ganz furchtbar. Wie hab’ ich das früher nur ausgehalten...
Wie auch immer, ich denke mal, ich habe es geschafft. Seit siebzehn Jahren bin ich „clean“. Aber die Gefahr eines Rückfalls besteht immer. Ein Augenblick der Schwäche kann alles wieder kaputt machen.
Gestern zum Beispiel, ich saß im Park auf einer Bank, und urplötzlich wehte von der Nachbarbank ein bekannter Duft herüber. Normalerweise stinkt er, aber gestern roch er sehr verführerisch.

Und auf einmal überkam mich ein seltsames Verlangen... Dieser Geruch, diese Erinnerungen, diese Lust...

Nein, ich will's nicht, und ich tu's auch nicht!!!

 

ABER ICH MUSS IMMER AUF DER HUT SEIN...

 

© Ingrid 2009/2012

 

 

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