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VOLKSSPORT NR. 1 - Einführungskurs
Nein, es nicht das Telefonieren mit dem Handy oder eine Abart davon, nämlich das Herunterladen von Klingeltönen. Es ist auch nicht das Autofahren. Hmmm ja, könnte die Nummer eins sein, ist es aber nicht. Ferner ist es auch nicht das exzessive Herumdüsen mit Interkontinentalfliegern, die bevorzugt auf die DDR (Deutsche Dominikanische Republik) fliegen. Nein, auch das ist nicht der Volkssport Nummer eins, obwohl es von der Beliebtheit schon verdammt nahe herankommt.
Nein, der Volkssport Nummer eins ist einmalig, jeder kann ihn betreiben, überall und in jedem Alter. Und zudem ist er auch noch KOSTENLOS!!!
Habt Ihr's jetzt geschnallt? Na also, es ist das MOBBEN!
Mobben gibt es vollkommen umsonst, jeder kann es tun, vom Kindergarten bis ins Altersheim, und es macht wahnsinnig viel Spaß. Ausgenommen den Gemobbten natürlich, die wir ab jetzt der Einfachheit halber "Opfer" nennen werden. Da es sich um ein relativ neues Hobby handelt, das aber stark im Kommen ist, geben wir für diesen vergnüglichen Volkssport ein kleines Brevier heraus, damit alle Beteiligten auch so richtig Spaß daran haben, denn stümperhaftes plumpes Mobben ist geistlos, leicht durchschaubar und vor allem LAAANGWEILIG.
Fürs erste nehmen wir uns den Arbeitsplatz vor, dieser ist geradezu ideal zum Mobben.
Was solltest du als angehender Mobber also beachten?
1.) Es kann nahezu jeder gemobbt werden, aber bei gewissen Leuten macht es gewaltig viel mehr Spaß als bei anderen. Es sollte eine Person sein, die intelligent genug ist, um gewisse Minderwertigkeitskomplexe zu verspüren, sie sollte gut erzogen und höflich sein, denn dann wird sie sich nicht groß wehren.
2.) Bevor man mit dem Mobben anfängt, sollte man sich der Unterstützung seines Chefs (Abteilungsleiters u.s.w.) sicher sein. Am besten vorher durch ein paar Bemerkungen antesten, wes Geistes Kind er oder sie ist. Die Unterstützung der restlichen Mannschaft kommt ganz von alleine. Man nennt das den Mitzieheffekt.
3.) Dann gucke man sich ein Opfer aus und gehe dabei nach folgenden Auswahlkriterien vor: Jemand ist zu dick, zu dünn, zu groß, zu klein, zu schwarz, zu extravagant, zu faul, zu fleißig, ohne die richtige Nationalität, ohne die richtige Religion, ohne die richtigen Eltern, Geschwister, Antworten, Kleider, ist schwul, lesbisch, bi oder hetero, hat zuviel oder zuwenig Sex, kann etwas besser als du - oder einfach nur, weil seine Nase dir nicht passt.
Man hat also das Opfer ausgesucht. Nun sollte man sich ein Konzept überlegen. Wenn das Opfer arbeitsmäßig gut ist und fast unentbehrlich erscheint, dann kann man die Arbeit des Opfers madig machen, sie zum Beispiel als künstlich erzeugte Arbeitsbeschaffungs-Maßnahme bezeichnen, die vollkommen überflüssig wäre. Seine eigene Arbeit hingegen sollte man als firmenerhaltend und konstruktiv hinstellen und dieses auch immer wieder dem Chef (Abteilungsleiter u.s.w.) einflüstern. Man kann natürlich auch privat den Hebel ansetzen. Kleines Beispiel: Wenn eine Mitarbeiterin nicht mindestens dreimal am Tag mit ihrem Mann innige und vor allem lange Telefonate führt, dann ist das ein sicherer Hinweis auf eine zerrüttete Ehe - und sehr vielversprechend! Falls Arbeit und Privatleben allerdings überhaupt nichts hergeben, dann kann man dem Opfer immer noch Drogensucht vorwerfen. Das klappt immer!
Tipp: Es ist besser, vorher mit dem Opfer Brüderschaft getrunken zu haben, denn dann kannst du es duzen. Beim Siezen ist die Hemmschwelle zu hoch, um gute Gemeinheiten zu produzieren. „Sie sind ein abartiges Wesen! (Schwach, absolut nicht überzeugend!) „Du bist ein perverses Schwein!" (Viel besser!)
Du solltest auch nicht permanent auf dem Opfer herumhacken, dadurch könnten Mitleidsgefühle (das soll tatsächlich vorkommen, ist aber selten) bei den anderen entstehen. Besser ist es, ab und zu das Opfer um Rat zu fragen und sich bei ihm über andere auszulassen. Das Opfer wird dadurch eingelullt, es ist froh, einen Augenblick lang Ruhe vor dem Mobber zu haben und wird einen Tag (eine Stunde, eine Minute) später umso härter durch eine unverfrorene Bemerkung vom Mobber frontal getroffen werden. Das ist die hohe Kunst des Mobbens! Ferner darfst du dich ruhig bestechen lassen von dem Opfer. Man kann von diesem minderwertigen Kroppzeug ruhig Süßigkeiten, Bücher und kleine und größere Gefälligkeiten annehmen. Bei Gefälligkeiten sollte man das allerdings nur tun, wenn man mit dem Opfer alleine ist. Falls das Opfer dir in Gesellschaft eine Gefälligkeit anbietet oder dich um einen Gefallen bittet (weil du ihm das just gestern angeboten hast), dann weise dieses unverschämte Ansinnen empört von dir. Das Gesicht des Opfers wird es wert sein.
Weiter: Du solltest nicht zwei Leute auf einmal mobben, es könnte zu Fraktionsbildungen bei den Opfern kommen, und das wollen wir ja nicht. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit der Fraktionsbildung unter Opfern verschwindend gering, denn eines von beiden wird sich nicht so stark gemobbt fühlen wie das andere, und dieses nicht so stark gemobbte möchte mit dem anderen Loser nichts zu tun haben. Unglück steckt nämlich an... Besser ist es, sich nach und nach neue Opfer herauszupicken. Das alte Opfer wird ein enormes Gefühl der Erleichterung verspüren, wenn dein erbarmungsloser Druck nicht mehr voll auf ihm lastet, es wird dein williges Werkzeug werden, und es wird auf dem neuen Opfer mit Hingabe herumhacken. Tja, so sind die Menschen halt...
Das war natürlich nur eine kleine Einführung in die Hohe Schule des Mobbens. Bald wirst du selber alle Tricks und Kniffe beherrschen. Natürlich sind die Feinheiten des Mobbens deiner Fantasie überlassen. Du musst nur einen Blick für die Opfer und ihre Empfindlichkeiten haben, denn Mobben ist reine Psychologie. Und wir wollen das Mobben doch auf keinen Fall stümperhaft betreiben, wir wollen dem Opfer nicht nur die reine Kindergartenzeit, die Schulzeit und die Arbeitszeit vermiesen, nein, wir wollen ihm auch die Zeit zwischendurch vermiesen. Es soll immer an uns denken, immer an die Attacken denken, die da noch kommen werden und von denen es sich keinerlei Vorstellung macht. Und auch wenn es sich davon Vorstellungen macht, so werden seine Erwartungen immer übertroffen werden. Natürlich im negativen Sinne.
Also dann, wir wünschen viel Erfolg beim Mobben!
MMMMMMMMMMMMMMMMMMMMMMMMMMM
Bernd Eelzebub legte das kleine Büchlein kurz beiseite und musste heftig grinsen. Wieder mal was dazu gelernt...
Er drehte sich auf seinem Stuhl herum und rief: "Hey Clancy, Sie abartiges Wesen, kommen Sie doch mal her, ich will mit Ihnen Brüderschaft trinken!" Er nahm das kleine Büchlein wieder in die Hand, um auch noch das Nachwort zu lesen. Aus den Augenwinkeln heraus sah er, wie Clancy angedackelt kam. Das perverse Schwein! Leider bemerkte er nicht, dass Clancy eine dieser portablen Gartenäxte in seinen Händen hielt, er sah nur noch, wie ein stählerner scharfer Schatten auf seinen Schädel zuraste, hörte ein dumpfes Geräusch, irgendetwas knackte laut, und dann konnte er auf einmal gar nichts mehr sehen, geschweige denn denken.
Clancy atmete auf, zu seinen Füßen lag Eelzebub, blutüberströmt und anscheinend ziemlich tot, auch im Tode hielt er immer noch das kleine Buch fest. Clancy bückte sich und nahm es an sich. Nachdenklich wog er es in seiner Hand. Dann schlug er zielsicher die letzte Seite auf und las laut:
NACHSATZ: Für die Opfer.
Leider kann der Verfasser dieses Breviers euch keinen guten Tipp geben außer: Wenn Ihr dem Mobber in den Hintern kriecht, verlängert das nur Eure Leiden, denn so werdet Ihr ihn NIE los. Hört also auf damit, bei anderen Leuten Hilfe zu erflehen, denn es wird euch sowieso keiner helfen. Fangt an, euch zu wehren denn was habt Ihr schon groß zu verlieren! Also wehrt euch mit allen Mitteln - und diese Mittel bleiben nun EURER Kreativität überlassen...
© 2008/2011 by Ingrid
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