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Der Himmel
über Rom

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Der Himmel über Rom Teil 10

BEGIERDEN EINER KAISERIN

Vanadis hörte lautes Lachen aus dem Salon der Sidonia. Diese hatte Besuch, nämlich ihre Cousine und Busenfreundin Messalina.
Die Kaiserin, so dachte Vanadis verächtlich.
Sie verabscheute beide, und sie wollte eigentlich schnell vorbeigehen, um außer Reichweite zu kommen, denn es hieß, die Kaiserin sei eifersüchtig auf jede andere Frau, egal ob sie schön war oder nicht. Und Sklavinnen hatten nicht das Recht schön zu sein. Nicht, dass sie besonders schön wäre…
Doch dann stockte ihr Schritt, denn sie hatte einen Namen gehört, den sie kannte. Asiaticus... Dann fiel es ihr ein: Wegen diesem hatte Markus früher als geplant aus Ravenna nach Rom zurückkehren müssen.
Jetzt sprach ganz Rom darüber: Der Asiaticus war in Gefangenschaft, und es wurde ihm gerade der Prozess gemacht. Er hatte angeblich Hochverrat geplant, was hieß, er wollte den Kaiser stürzen und sich selber auf den Thron setzen. Außerdem hatte er sich durch seine Freundschaft zu edlen Galliern verdächtig gemacht. Auch die bösen Gallier planten anscheinend Verrat…
Vanadis blieb also stehen und lauschte. Was hatten diese beiden Frauen sich wohl zu erzählen? Jedenfalls taten sie es nicht heimlich. Entweder war der Gegenstand ihrer Unterhaltung vollkommen harmlos – oder es war ihnen egal, wer gerade zuhörte.
Trotzdem verhielt Vanadis sich vollkommen still und harrte der Dinge, die da erzählt werden würden.
„Ich denke, ich habe alles nun endgültig in meiner Hand“, sagte die Messalina und lachte.
Die Sidonia fiel in ihr Lachen ein: „Wen meinst du, Liebste, den Asiaticus oder die Gärten?“
„Beide! Oh, wie freue ich mich auf die Gärten des Lucullus. Sie sind an Pracht nicht zu überbieten, allein die mittlere Terrasse ist wunderschön. Und die Wandelgänge erst einmal, ein riesiger Irrgarten ist dort angelegt. Was meinst du, was man dort alles anstellen kann an unanständigen Sachen...“, kicherte die Messalina.
„Ich gönne es dir von Herzen, meine Liebste. Rache ist süß!“
„Das stimmt, und bei dieser Rache habe ich zwei Fliegen mit einem Streich zerschmettert, oder?“, wieder kicherte die Kaiserin.
„Du bist ein Genie, meine liebste Messalina.“
„Danke, liebe Cousine!“ Messalinas Stimme klang gewollt bescheiden, und nun kicherten beide Frauen.
„Diese eingebildete Poppaea, ich weiß nicht, warum man die als schönste Frau Roms bezeichnet! Sind die denn alle blind?“ Messalina verstummte empört.
„Das habe ich immer schon gedacht! Die mit ihrer riesigen Nase und ihren seltsamen Glubschaugen! Wenn das die schönste Frau Rom sein soll, was bist DU dann? Venus in Person?“
„Danke liebe Sidonia! Aber irgendwas müssen die Männer ja an ihr finden. Immerhin hatte sie ein Verhältnis mit MEINEM Liebhaber, dem Mimen Mnester, das musst du dir mal vorstellen, er hat mich mit DER betrogen! Trotzdem mag ich ihn immer noch, er ist so schön, dass sogar mein edler Vetter Caligula ein Verhältnis mit ihm hatte… Der Hurenbock! Ich muss gestehen, ich verspürte ein wenig Angst vor ihm, er hatte schließlich seine eigene Schwester ermordet, ihr förmlich mit bloßen Händen das Kind aus dem Leib gerissen, nur weil der Spinner glaubte, er wäre ein Gott und dieses Kind würde ihn irgendwann umbringen wie Zeus seinen Vater Kronos…“
„Das ist wirklich wahr, Liebste? Und ich habe immer gedacht, es wäre eine Verleumdung.“
Die Stimme der Messalina klang nun schelmisch: „Sidonia, meine schöne Lieblingsfrau, es ist alles wahr, was ich dir erzähle, und in Bezug auf den guten Caligula ist alles noch viel schlimmer als in den Annalen berichtet wird.“ Sie machte eine kleine Pause und sprach dann weiter: „Weißt du eigentlich, bei welcher Gelegenheit der gute Claudius mich zum ersten Mal gesehen hat…“
Die Sidonia schwieg. Und sogar ihr Schweigen wirkte ehrfürchtig.
Vanadis zog vorsichtig den Türvorhang ein Stück beiseite, es war gefährlich, warum tat sie das nur? Weil sie furchtbar neugierig war. Sie beugte sich vor und sah, wie die Herrin des Hauses die Hand der Kaiserin nahm und sie zärtlich küsste, während diese geschmeichelt lächelte und in ihrer Erzählung fortfuhr: „Er wurde eines Nachts mit mehreren Senatoren in den Palast gebeten. Claudius kannte die anderen, bis jetzt hatten sie ihn immer verspottet, aber nun waren sie kleinlaut und mutmaßten über ihr Schicksal. Alle hatten furchtbare Angst vor dem Kaiser, und das vereinte sie in diesem Augenblick. Man führte sie in ein Zimmer mit einem Vorhang. Sie saßen wie gelähmt auf ihren Bänken. Was würde wohl passieren? Bestimmt nichts Gutes… Nicht viel später öffnete sich dieser Vorhang, und ein Schauspiel fand statt...“ Die Kaiserin machte eine verheißungsvolle Pause.
„Erzähle weiter!“ Die Sidonia sah sie verlangend an, es sah aus, als verlangte es sie nach der Kaiserin und nicht nach der Erzählung. Welch seltsamer Gedanke! Vanadis, die immer noch spähend und lauschend am Vorhang stand, schüttelte den Kopf.
Die Kaiserin ließ sich nicht groß bitten: „Ich kann das alles bezeugen, denn ich war selber Teil dieses Schauspiels. Gut, also weiter… Plötzlich hörten sie lustige Musik von Oboen und dazu das Schlagen eines Tamburins. Sklaven, von denen jeder zwei Lampen trug, traten in zwei Reihen ein, dann hörte man einen Eunuchen mit zarter Stimme ein Lied singen: Lang, lang nach Mitternacht...“
„Was beim Pluto geschah dort?“, fragte die Sidonia neugierig.
„Nur der normale Wahnsinn“, lächelte die Kaiserin. „Claudius sah, wie eine hohe Gestalt in einem rosafarbenen Kleid und einem Kranz echter Rosen auf dem Kopf auf die Bühne tanzte. Es dauerte eine Weile, bis er es begriff: Es war der Kaiser Caligula, sein Neffe, der Sohn seines geliebten Bruders Germanicus. Beim Jupiter! Er sah aus wie eine sehr maskuline stark geschminkte und vor allem hässliche Hure, so erzählte es mir der Claudius später.“
„Das glaube ich nicht!“
„Doch, das kannst du mir ruhig glauben… Als der singende Eunuch zu der Stelle kam ‚Die Morgenröte schelmisch blinkt’, öffnete der Caligula einen Vorhang, und sein Onkel Claudius sah ein Gemach mit einem Bett darin, darauf lagen ein junger Mann und ein junges Mädchen, die beide vollkommen nackt waren.“
„Oh!“ Die Stimme der Sidonia zitterte. „Und du warst das nackte junge Mädchen…“
„Oh ja, das war ich! Caligula hatte mich öfter zu sich befohlen, ich war ja seine Cousine, und wir haben, na was schon… - mittlerweile bin ich der Ansicht, er liebte es, enge weibliche Verwandte zu beglücken…“ Messalina lachte auf und fuhr fort: „Der Kaiser, der die Göttin der Morgenröte darstellen wollte, bedeutete dem Paar pantomimisch, dass es an der Zeit wäre, auseinander zugehen. Der junge Mann und das junge Mädchen erhoben sich daraufhin und verschwanden in verschiedene Richtungen. Mein Gott, war ich damals schön…“ seufzte die Messalina gekünstelt auf, dann plauderte sie weiter: „Beim dem darauf folgenden Frühstück bot Caligula seinem Onkel Claudius das Mädchen an, er sollte es heiraten.“
„Du bist jetzt noch viel schöner als damals. Und ich kann nicht verstehen, wieso Caligula dich verschmähte“, sagte die Sidonia.
„Von verschmähen konnte keine Rede sein, wir trieben es auch weiterhin miteinander…“
Die Lauscherin Vanadis traute ihren Ohren nicht: Die Messalina hatte mit ihrem Cousin Caligula herumgehurt, und das nach ihrer Eheschließung mit dem jetzigen Kaiser? Gut, das hatten viele Frauen und auch Männer ebenso getan, aber bei der Kaiserin war es bestimmt freiwillig gewesen.
„Wer könnte dich nicht lieben, wenn er dich sieht?“ Die Stimme der Sidonia klang brüchig und verlegen. Wollte sie der Kaiserin etwas vorschmeicheln? Wenn ja, dann wirkte es gelungen.
„Viele tun es, meine Liebste, und den Rest zwinge ich dazu“, kicherte nun die Kaiserin „Am Anfang war ich schockiert, so ein alter Mann, zugegeben ein potenter alter Mann. Aber zwei Jahre später war Caligula tot, und ich war Kaiserin. Ich fand es wunderbar. Alle Wege standen mir offen, ich konnte mir alle Männer gefügig machen aufgrund meiner Position. Zuerst kam der Schauspieler Mnester an die Reihe. Außer den anderen natürlich. Der große Mime wollte nicht so richtig, hatte wohl Angst davor, mit der Kaiserin ins Bett zu steigen. Aber dann bin ich zum Claudius gegangen und habe mich über den Mnester beschwert: Er würde mich nicht achten und mir nicht den nötigen Respekt bezeugen…“ Messalina machte eine kunstvolle Pause, und die Sidonia richtete sich gespannt auf, um den Worten der Kaiserin zu folgen.
„Claudius, mein älterer Göttergatte, mein über alles geliebtes Schaf befohl dem Mnester, mir in allem gefällig zu sein. Das gab er mir schriftlich – und ich gab das Schreiben dann dem Mnester. Das musst du dir mal vorstellen….“ Die Messalina sank auf ihre Polsterbank zurück und fing hemmungslos an zu lachen.
„Der Stotterer hat dir damit einen Freischein gegeben…“, sagte die Sidonia sichtlich amüsiert. „Immer wenn ihr es getrieben habt, geschah es auf kaiserlichen Befehl! Das ist einfach köstlich!“
Jetzt lachten beide Frauen wieder, es hörte sich an wie das höhnische Gekrächze von Rabenvögeln, und Vanadis wollte sich zuerst schaudernd abwenden, aber sie blieb wie angenagelt neben der Tür stehen. Es kam ihr vor, als würde sie einem dieser schrecklichen Unfälle beiwohnen, die manchmal auf den Straßen Roms passierten. Da wurden einfach Kinder von Kutschen überfahren, und niemand kümmerte sich drum. Oder es wurden Leute ermordet, deren Leichen viel später gefunden wurden, doch auch darum kümmerte sich niemand, vor allem wenn es in Subura geschah...
„Aber zurück zu dieser Poppaea… Außerdem war sie die Geliebte des Asiaticus, MICH wollte er nicht, kannst du dir das vorstellen: MICH wollte er nicht! Dabei habe ich mich doch sooo angestrengt, habe ihm erzählt, wir würden Claudius vom Thron jagen und eine neue Dynastie begründen.“
Die Sidonia lachte: „Eigentlich eine gute und bewährte Methode. Darauf stehen sie, die Männer…“
„Zumal ein Erbe ja schon da war, nämlich der Britannicus“, Messalina verstummte kurz, doch es ging schnell weiter mit ihrer Rede: „Wie kann Claudius sich nur die Gewissheit anmaßen, dass ER der Vater des Britannicus sei! So etwas Lächerliches! Natürlich ist Caligula sein Vater“, Messalinas Stimme hatte mittlerweile einen selbstgefälligen Klang angenommen. „Ich weiß nicht, was Männer sich einbilden. Vor allem so ein hässlicher alter Sack!“
„Es gibt bestimmt Schönere…“
„Dennoch mag ich den Claudius ein bisschen. Er ist so nachsichtig mit mir, er zweifelt nie an meiner Treue zu ihm. Im Fall Asiaticus habe ihm erzählt, ich hätte einen Traum gehabt, in dem der Asiaticus Verrat plante. Er hat es geschluckt, wie immer. Und jetzt gehören die Gärten des Lucullus mir, nur mir allein! Eine nette Fügung des Schicksals, dass gerade der Asiaticus sie in seinem Besitz hatte... Und meine Rivalin Poppaea hat sich selbst getötet, was anderes blieb ihr nicht übrig, nachdem ich sie ein bisschen verleumdet habe wegen Ehebruchs. “
„Das Schicksal scheint dir gut gesonnen zu sein, liebe Cousine. Oh, wie ich dir diesen Triumph gönne, meine Messalina, meine Kaiserin.“
Schleim, Schleim dachte Vanadis an ihrem Horcherposten. Oder meinte die Herrin des Hauses das etwa ernst? Möglich war alles...
„Ich werde diese Gärten dem Gaius Silius zum Geschenk machen, ich bin unsterblich in ihn verliebt. Er ist der schönste Mann Roms, und ich muss ihn einfach haben! Ich will ihn haben! Leider ist er verheiratet, und er hat Skrupel deswegen. Ich muss mir was einfallen lassen, vor allem wie ich seine Frau loswerde – und später dann den Claudius. Ich bin verrückt nach dem Silius! Wir werden das neue Kaiserpaar sein, Kaiser und Kaiserin. Er liebt mich, und ich liebe ihn, ist das nicht wunderbar?“
Er liebt mich, und ich liebe ihn. Das kam Vanadis bekannt vor, es waren ihre eigenen Träume, die sie manchmal vor sich hin flüsterte. Seltsam… Aber ihre eigenen Träume waren doch viel schöner und viel ehrlicher als die der Kaiserin...
„Und ich brauche nun mal eine angemessene Unterkunft für ihn, wo wir uns treffen und lieben und wo wir wie Mann und Frau zusammen leben können. Das Anwesen des Asiaticus schien mir das Passende zu sein. Ein paar Möbelstücke aus dem kaiserlichen Palast sind schon dort. Claudius hat gar nichts davon gemerkt. Sage, liebste Sidonia, warst du auch jemals so verliebt? So verliebt, dass du den Verstand verloren hast?“
Die Sidonia schaute die Kaiserin an, und Schmerz stand in ihren Augen. „Ja“, gab sie schließlich zu, „aber es ist wohl eine unerwiderte Liebe… Wir haben übrigens einen Neuzugang im Haus. Einen wunderschönen germanischen Sklaven...“, erzählte sie dann locker und versuchte ihrer Stimme etwas Verwegenes zu geben.
Vanadis stieg ein gewaltiger Schreck in die Glieder. Wie gelähmt stand sie nun an der Tür und harrte der Dinge, die da kommen würden. Es war bestimmt nichts Gutes.
„Oh tatsächlich? Wie schön! Was meinst du, wie er veranlagt ist? Bevorzugt er Frauen?“
„Ich weiß es nicht, würde es aber gerne erfahren. Er reizt mich ungemein, und es wäre mir vollkommen egal, ob er nun Frauen bevorzugt, oder Männer oder Kinder oder Tiere.“
„Er muss wirklich außergewöhnlich sein…“
„Vielleicht liebt er es ja, Schmerzen zu erleiden...“, die Sidonia brach ab und schüttelte unwillig den Kopf.
„Das wäre pikant. Aber warum weißt du nicht, was mit ihm los ist? Du bist doch sonst nicht zimperlich.“
„Dieser wundervolle Fleischhappen ist“, sagte die Sidonia ärgerlich, „leider wieder ein Zögling der Antonia Caenis. Mittlerweile habe ich die Nase voll von dieser freigelassenen Schlampe. Erst schleppt sie diese unverschämte germanische Sklavin an, die ich kein bisschen hart anfassen darf – und dann diesen jupitergleichen Kerl! Das ist, als ob man einen leckeren Braten vor der Nase hat, der herrlich aussieht und wundervoll duftet, aber man darf ihn nicht anfassen, geschweige denn dran lecken und ihn dann verspeisen...“
Eine Weile herrschte Stille, dann sagte die Messalina: „Aber wenn es nun freiwillig wäre? Wenn er dich auf Knien drum bitten würde?“
„Du gibst nie auf, Liebste. Nicht wahr?“
„Das ist meine Art“, lachte die Messalina.
Vanadis wandte sich ab. Sie konnte dieses Geschwätz nicht mehr ertragen.
Das war also die erste Frau im Kaiserreich, leichtfertig, verderbt und skrupellos erschien sie ihr. Gut, sie hatte ja bei dem ersten Besuch der Messalina schon einiges gehört, da ging es um Privilegien, welche die Kaiserin für teures Geld verkaufte. Bürgerrechte zum Beispiel. Natürlich ahnte der Claudius nichts davon, er wunderte sich nur, dass sie mit dem geringen Haushaltsgeld, das er ihr zuteilte, so gut wirtschaften konnte. Sidonia und ihre kaiserliche Freundin hatten sich darüber fast zu Tode gelacht.
Aber nun war es noch schlimmer geworden. Vanadis schüttelte den Kopf, diese Frau bestand ja nur aus Neid, aus Begehren und aus Rache.
Sie versuchte die Namen, die sie gehört hatte, in einen logischen Zusammenhang zu bringen:
Die Poppaea galt als die schönste Frau Roms, und sie hatte ein Verhältnis mit sowohl dem Schauspieler Mnester – als auch dem Senator Asiaticus gehabt. Die Messalina hatte ein Verhältnis mit dem Mnester gehabt, aber der Asiaticus hatte sie verschmäht.
Also mussten beide weg, Poppaea und auch der Asiaticus. Beide wurde von ihr verleumdet, der Asiaticus wegen Hochverrats, die Poppaea wegen Ehebruchs.
Vanadis lachte auf, Ehebruch... Als ob das die Kaiserin jucken würde, sie tat es doch zweimal am Tag!
Nach dem Ableben des Asiaticus würden die Gärten des Lucullus in den Besitz der Messalina übergehen. Und die wollte ihren Liebhaber dort standesgemäß unterbringen.
Was für eine widerwärtige Frau! Vanadis konnte sich nicht entscheiden, wen sie schlimmer fand, die Sidonia oder die Messalina. Vielleicht wäre die Sidonia noch schlimmer als die Kaiserin, wenn sie nur die Möglichkeiten dazu hätte. Aber so – zwar als Adelige geboren, doch nur mit einem Mann aus dem Ritterstand verheiratet – besaß sie weder den Einfluss noch die Macht dazu. Deswegen klammerte sie sich bestimmt auch an ihre kaiserliche Cousine, dieses verderbte, grausame und unersättliche Wesen.
Schließlich kamen ihr die letzten Worte der Messalina in den Sinn: „Aber wenn es nun freiwillig wäre? Wenn er dich auf Knien drum bitten würde?“
Bis jetzt hatte sie die aus ihren Gedanken verdrängt. Sie wollte es gar nicht wissen, aber nun musste sie sich dieser Frage stellen.
Wenn es nun freiwillig wäre... Ihr schoss das Blut in die Wangen. Was meinte die Messalina damit? Sie hatte so ihre Befürchtungen. Thumelicus, nein, er hieß ja nun Imaginus, was war er, was wollte er? Welche Neigungen hatte er? Sie machte sich Sorgen um ihn. Sie wollte nicht, dass er diesen Frauen in die Hände fiel. Dadurch würde er noch mehr an Selbstbewusstsein verlieren, und er besaß doch so wenig davon. Kein Selbstbewusstsein, kein Vertrauen in sich selbst. Auch die Zukunft machte ihm Angst. Vielleicht machte ihm Rom Angst. Oder sein eigenes Wesen.
Ich könnte ihm helfen, dachte sie. Ich könnte ihn beschützen vor seinen Trieben, die ihm sicherlich nur die verdammten Römer anerzogen haben. Sie kriegten ihn als Kleinkind in ihre verderbten Klauen. Und ich möchte nicht wissen, was er alles erleiden musste, der arme Kerl. Er ist so schön, so sanft – und dennoch innerlich so entzweigerissen. Oh nein, jetzt muss ich dran denken, wie er durch einen seiner Erzieher entzweigerissen wurde. Auf eine entsetzlich körperliche Art.
Diese Römer haben keinerlei Skrupel in ihren Vorlieben, die treiben es mit allen, Mann, Frau, Mädchen, Jüngling, Kind und Tier... Aber wenn er dadurch verletzt ist, dann muss es nicht so bleiben, ich könnte ihm helfen.
Wenn er mich nur ließe. Ich würde ihn lieben, würde ihn hochschätzen, würde ihn allmählich aus seiner Einsamkeit herausholen. Vielleicht haben wir Kinder miteinander. Kinder schließen Wunden…
Immer mehr steigerte sie sich in ihre Vorstellungen hinein. Sie sah sich und den Thumelicus gemeinsam auf einer glückseligen Insel, sie schauten sich zärtlich an. Um sie herum waren ihre Kinder, sie lachten und tobten auf den Wiesen herum. Der Thumelicus nahm sie in die Arme und flüsterte ihr zu: „Nur durch dich hab ich all das errungen. Nur durch dich habe ich die wahre Liebe erkannt.“ Und dann küsste er sie, und sie erwiderte seinen Kuss leidenschaftlich… Doch dann ging es nicht weiter. Warum nicht?
Vanadis wachte auf aus ihren Träumen, sie stand immer noch an der Tür zum Wohnzimmer der Sidonia, hörte immer noch das Geschwätz der beiden Frauen, aber nun ging deren Unterhaltung um etwas anderes, die Kaiserin erzählte von einem Streit, in dem sie Siegerin geblieben war, es handelte sich um eine stadtbekannte Prostituierte, mit der sie eine Wette abgeschlossen hatte: es ging darum, wer von ihnen mehr Männer befriedigen konnte. Natürlich hatte die Kaiserin die Wette gewonnen, sie hatte länger durchgehalten...
Und die Sidonia lachte darüber, während sie die Kaiserin fasziniert anschaute.
Vanadis schloss den Vorhang unauffällig und wandte sich angeekelt ab. Marcus kam ihr in den Sinn. Wenn der Herr des Hauses auch nur einen Bruchteil von diesen Sachen wusste, sie duldete oder gar mitmachte, dann war er… Sie stellte sich vor, wie er im Bett der Sidonia angekettet war und wie Peitschenhiebe auf ihn …. Nein, das war unerträglich!
Hoffentlich war der Bau von Caenis’ Villa bald vollendet, es konnte sich nur noch um ein paar Tage handeln. Außerdem hoffte sie, dass die Kaiserin so mit ihrem neuen Liebhaber beschäftigt war, dass ein zwar schöner, aber doch unbedeutender Sklave sie nicht reizen würde.

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