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Die Frauen von Kampodia

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Teil 2
Teil 3
Teil 4
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Teil 6
Teil 7
Teil 8
Teil 9
Teil 10

Teil 11
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Die Frauen von Kampodia Teil 19

Magier

DIE MAGIERIN


„Eve-Marie, komm’ doch mal her zu mir!“ Die Stimme ihrer Mutter klang ziemlich ernst, die Eve-Marie wischte sich kurz die Hände ab, kehrte dem Tresen den Rücken und setzte sich neben ihre Mutter. Was wollte sie wohl von ihr?
„Ich war doch letztens bei der Frau Baronin eingeladen“, die Maladessin schleuderte ihre Haube von einer Seite zur anderen, doch es sah ein wenig zaghafter als üblicherweise.
„Sag’ einmal, wie kommt denn die dazu, dich einzuladen?“, fragte die Eve neugierig.
Ihre Mutter schüttelte den Kopf und sah sie missbilligend an. „Das ist doch nicht außergewöhnlich. Wir sind beide Frauen, wir sind beide verwitwet, wir stehen beide unseren Mann...“
„Hmm, aber das ist doch nicht alles?“, mutmaßte die Eve.
„Und wir haben beide Kinder...“
„Ja und?“ Die Eve schaute ein wenig missbilligend drein. Was wollte ihre Mutter von ihr? Mit diesen Leuten hatte sie gar nichts zu schaffen, auch wenn sie Kinder hatten...
Der Sohn der Baronin kam ihr in den Sinn. Was für ein arroganter Schnösel! Obwohl er ja im Grunde gut aussah, natürlich bei weitem nicht so gut wie der Heuers Karl. Doch den konnte sie sich wohl abschminken, der war ja mittlerweile verlobt mit diesem groben unverschämten Ding...
Die Maladessin wand sich ein wenig auf ihrem Stuhl, aber bei ihrer Üppigkeit fiel das kaum auf. Die Eve jedoch hatte es bemerkt und fragte sich nun ernsthaft, was mit ihrer Mutter los war. „Also liebe Mutter, was willst du mir eigentlich damit sagen?“
„Du solltest mal das Klosett im Herrenhaus sehen“, fuhr diese nun eifrig fort. „Es ist wunderbar, es besteht aus Keramik, und es gibt ein Rohr, durch das alles fortgeschwemmt wird. Man kann sogar mit Wasser nachspülen, denn dahinter ist ein großes Fass mit einem Zapfhahn, den man nur aufmachen muss. Und das Papier erst einmal, das ist Luxus. So weich...“ Die Maladessin blickte verträumt vor sich hin. „Es ist fast wie in Zonnzossie* Dagegen ist unser altes Holzklo wirklich unmöglich.“
„Na ja, wenn die sich das leisten können“, sagte die Eve-Marie ein wenig neidisch und zuckte verächtlich mit den Schultern. Wir könnten uns das auch leisten, dachte sie bei sich, aber meine Mutter ist ja so bescheiden und gibt kaum Geld aus...
„Und die Öfen erst einmal! Morgan erzählte mir, dass es drei davon gibt, die Ofenrohre führen durch verschiedenen Räume und heizen sie, bis sie dann in den Kamin gehen.“
„Was zum Geier redest du da? Wer ist Morgan? Sprichst du etwa von der Baronin?“
Die Maladessin ignorierte diese Frage und erzählte verträumt: „Und sie haben einen, der nur für die Kamine und das Holz zuständig ist...“
„Und was macht der im Sommer?“, fragte die Eve und schüttelte den Kopf. Was für eine Verschwendung, das könnte man bestimmt doch anders regeln.
„Kind...“, fing die Maladessin behutsam an. „Diese Leute können es sich leisten, sie haben einen anderen Lebensstil als wir. Und sie sind immer noch sehr reich, allein das Land ist schon viel wert...“
„Quatsch! Land gibt es in Hülle und Fülle! Es kommt nur drauf an, was man anbaut... Wenn die zum Beispiel Hopfen anpflanzen würden, dann wäre es vielleicht was wert.“
„Eve, du bist ein Mordmeeken“, die Mutter lächelte ihr anerkennend zu. „Und du weißt, ich will nur das Beste für dich. Du bist doch jetzt mein einziges Kind“, die Maladessin strich sich über die Augen und wischte ein paar Tränen weg. „Die Zeiten sind unsicher. Die Gesetze sind wieder verschärft worden unter dem neuen König, ein furchtbarer Mensch ist das! Wie Morgan mir erzählte, kursieren Gerüchte – nicht zu Unrecht, wie sie sagt – er soll einen Bediensteten zu Tode geprügelt und seine eigene Schwester Prinzessin Sophia vergewaltigt haben. Auch seine Frau hat keinen guten Ruf. Sie soll einen ihrer früheren Ehemänner ermordet haben. Oder sogar beide Und nun hat dieser Unhold den Adel wieder privilegiert, man weiß nicht, wie das enden wird...“
„Pah!“, die Eve sah sie widerspenstig an. „Die sind doch am Ende! Nur wer gute Geschäfte macht, nur wer Handel mit Gewinn betreibt, der ist auf der Gewinnerstraße...“
„Recht hast du, mein Mordmeeken, trotzdem möchte ich dich absichern, es kann nicht schaden. Und vor allem möchte ich, dass du keinen Nichtsnutz heiratest, einen der unser Geschäft herunterzieht, es läuft doch so gut – und das ohne Kerl...“
„Von mir aus kann’s so bleiben“, lachte die Eve. „Die Kerle saufen einfach zuviel, und wenn sie dann noch eine eigene Wirtschaft hätten... Nee danke! Das brauchen wir nicht.“
„Du bist ein Schelm, mein Kind“, die Maladessin schüttelte den Kopf, und ihre Haube wackelte ein wenig zur anderen Seite. „Aber wir sollten jetzt die Tatsachen besprechen. Du musst heiraten, und ich weiß auch schon wen. Nur er verspricht die Sicherheit, die ich für dich und unseren Besitz anstrebe, außerdem sieht er gut aus, und er ist nachgiebiger Kerl. Der Archibald von Kampe.“
Das Mordmeeken Eve schaute die Mutter fassungslos an und schüttelte die blonden Locken. Das glaubte sie einfach nicht. SIE sollte den Archibald von Kampe heiraten? Den? Nee, datt kunt se nich glöven...
Sie fing an zu lächeln und sagte hinterlistig: „Was will der denn mit mir, Mutter?“
„Er hat sich wohl in dich verkiekt“, entgegnete ihre üppige Mutter entgegen ihrer sonstigen Natur ziemlich kleinlaut.
„Ach, hat er das? Datt kun ick ook nich glöven. Bis jetzt hat er sich nämlich einen, na ja, er hat sich nicht viel um mich gekümmert, der hochnäsige Kerl. Für den war ich unsichtbar!“
„Das musst du dir einbilden, mein Kind.“ Die Maladessin schien etwas verlegen zu sein. „Du bist doch hübsch und jung und gesund, und du bist doch ein Mordmeeken!“
„Hast du da nicht was vergessen, Mutter?“
Die Maladessin starrte ihre Tochter an, und ihre Haube schien ein wenig zu erzittern. Schließlich sagte sie: „Natürlich bist du auch ein reiches Mädchen. Aber was zum...“, sie verschluckte den sündigen Ausruf und fuhr fort, „erwartest du denn? Der Heuers Karl hat sich nun mal ein armes Meeken genommen. Wenn du auf den immer noch spitz bist, dann kannste das vergessen! Du hast was Bess’res verdient, Eve! Also was willst du, mein Mordmeeken? Liebe?“ Verächtlich prustete die Maladessin in sich hinein. „Liebe geht verloren im Laufe des Alltags, zurück bleibt nur das Geld und der Wohlstand. Und die Kinder vor allem.“
„Ich und mit DEM Kinder haben?“ Eve-Marie schüttelte sich ein wenig, aber es sah geziert aus.
„Kinder sind das Salz in der Suppe des Lebens!“ Die Maladessin schaute grimmig drein, denn mittlerweile hatte sie es satt, sich mit dieser widerspenstigen Tochter herumzuärgern. Was wollte die haben? Einen reichen Herzog, der prächtig anzuschauen war und sie auch noch liebte? Das war lächerlich! Doch da sie ihr Mordmeeken kannte, ging sie das Thema vorsichtig an.
„Du bist ein sehr reiches Meeken, und du bist auch schlau. Und hier sitz’ ich und sag ich: Heirate den Archibald! Was Besseres wird sich für dich nicht finden. Er ist von Adel, er ist gutmütig“, die Maladessin lachte kurz auf. „Du kannst dich ihm gegenüber durchsetzen, aber du solltest es ihn nicht spüren lassen. Sei kein Drachen! Die Männer mögen es nicht, wenn eine Frau klüger ist als sie. Du bist stark, mein Mordmeeken. Du kannst ein Rittergut führen, und du hast die freie Hand! Immerhin ist das Gut und vor allem der Landbesitz noch sehr viel wert, auch wenn sie jetzt stöhnen...“
Die Eve musste nachdenken. Es hörte sich alles nicht übel an, schiet auf die Liebe, schiet auf die unnützen Hoffnungen. Und bei Lichte gesehen war der Archibald wirklich eine annehmbare Erscheinung, er sah nicht schlecht aus und war wohl auch ein guter Kerl. Wohl nicht unbedingt einer, vor dem man Respekt haben musste, aber dieser Wunsch war sowieso fehlgeleitet. Männer hatten zwar die Macht, aber Respekt vor ihnen haben?
Ha! Da war es doch besser, man gab seine ureigensten weiblichen Wünsche auf und heiratete einen den man nicht liebte. Einen den man zurechtbiegen konnte... Oh ja, die Eve fühlte sich ihrem zukünftigen Gatten ziemlich überlegen, denn sie stammte aus dem Volk und war durch ihre Familie trotz aller Widerstände durch die Stände – bei diesem Wortspiel musste sie lächeln – reich geworden. Und in dieser Ehe konnte sie ihre Fähigkeiten voll zur Geltung bringen.
Sie grübelte vor sich hin, die Brauerei lief gut, sie könnte aber noch besser laufen, vielleicht konnte man auf dem Land der von Kampes Hopfen und Gerste anpflanzen, das würde die Kosten des Transports aus anderen Ländern vermindern. Nein, nicht auf dem Land der von Kampes, dachte sie auf einmal versonnen, auf MEINEM Land...
„Die Morgan ist eine sehr nette Frau, liebe Eve, sie hat mir da Sachen erzählt vom englischen Hofe... Weißt du, dass sie den alten Georg „Farmer George“ genannt haben, weil er die Gartenarbeit liebte und dass er in den letzten Jahren total verrückt geworden ist? Nein, davon weißt du bestimmt nichts. Und weißt du, wie sie seinen Sohn genannt haben? Prince of Whales haben sie ihn genannt, weil er so fett war wie ein Wal... Ich finde das herrlich! Und der nach dem Wal hieß Sailor Bill, weil er Admiral vorher war, damit meinten sie Wilhelm den Vierten, der ja leider vor einem Jahr gestorben ist und uns dieses Monstrum von Ernst August hinterlassen hat. Der fünfte Sohn vom Farmer George. Meine Güte, der hatte so viele Söhne, nur hatten die selber keine Nachkommen, nur der eine, der aber gestorben ist hatte eine Tochter, die Victoria, und die ist jetzt Königin von England ist. Das hat mit den Thronfolgegesetzen zu tun. In England darf eine Frau Herrscherin werden, in Hannover aber nicht... In England munkelt man jedoch, dass ihre Mutter eine Affäre mit einem Grafen hatte und dass die Victoria gar nicht die wahre Thronfolgerin ist...“
Die Maladessin erkannte, dass sie ihr Mordmeeken mit dieser Tirade zu Tode langweilte und befleißigte sich hinzuzufügen: „Die Baronin würde dich gerne in die Gesellschaft einführen, natürlich nur wenn du willst. Und sie wird ein Jahr nach deiner Hochzeit nach Helligenthal ziehen, sie hält es nicht für gut, wenn die Schwiegermutter im gleichen Hause wohnt wie die Schwiegertochter...“
Das war natürlich ein Argument! Die Eve fing an, ihre zukünftige Schwiegermutter zu lieben.
Diese arrangierte Ehe war wirklich kein schlechter Einfall, und sie sollte sich mit dem Gedanken daran anfreunden. Die Möglichkeiten, die sie dadurch hatte überwältigten sie schier.
„Träumst du, mein Kind?“ Die Stimme ihrer Mutter hört sich zärtlich an. „Ich gebe dir nun einen guten Rat: Freunde dich mit der Baronin an! Diese Frau ist außergewöhnlich. Sie wird dir die Hand reichen, dich unterweisen und dich in die Gesellschaft einführen. Du solltest ihre Macht nicht unterschätzen.“
Klar, warum denn nicht, lernen konnte man immer etwas, und sie hatte die Baronin insgeheim bewundert, obwohl sie dies nie zugegeben hatte.
Dann fiel ihr ein, dass sie ihre Nachfolgerin werden würde. Eve-Marie, Baronin von Kampe... Das hörte sich ausgezeichnet an! Sie würde dieses heruntergewirtschaftete Rittergut wieder zu seiner alten Größe führen. Sie war die Zukunft, sie hatte Ideen! Vage schwebte ihr etwas mit Senf vor, das Familienrezept, man könnte es in größerem Ausmaß herstellen. Aber es verdarb ziemlich schnell. Doch auch dafür würde sich etwas finden lassen. Essig oder Zucker... Eves Blick ging durch ihre Mutter hindurch, die wie ein großer Fels vor ihr saß. In Gedanken versunken murmelte sie vor sich: „Tja, wenn du meinst, Mutter...“
Andere Bilder tauchten vor ihr auf. Ein riesiger Eiskeller unter der Erde. Dort konnte man das neue untergärige Bier brauen, es brauchte Kühlung, sonst verdarb es zu schnell. Demnächst würde sie Zugriff auf die Teiche haben und im Winter große Eisblöcke daraus sägen lassen, um sie in die Kellergewölbe der Brauerei zu schaffen. Dort würden sie fast ein Jahr lang das neue Bier kühlen können...
Welche Aussichten! Sie würde das Rittergut nicht nur zu seiner alten Größe, sondern zu neuen Höhen führen, denn auch dafür gab es Möglichkeiten. Sie hatte von Dreschmaschinen gehört, die den Winterdrusch überflüssig machten. Gut, dadurch würden viele Männer im Winter kein Einkommen mehr haben, aber es war der Lauf der Dinge, und man konnte sich diesem Lauf nicht verschließen. Falls man das tat, konnte man das Getreide nicht mehr verkaufen, es war einfach zu teuer...
Und sie würde auf jeden Fall wohltätig sein, um das Dorf nicht gegen sie aufzubringen, aber sie würde es nicht aus Liebe für die armen Menschen tun, sondern mehr aus Eitelkeit. Die Eve neigte nicht dazu, sich in einem verklärten Lichte zu sehen, sie kannte sich gut.
Andererseits würden viele Menschen das Dorf verlassen, um in den Städten Arbeit zu finden. Und auch dort würde es kritisch werden, denn in den Fabriken dort fertigte man nun Waren, die einst von Hand hergestellt wurden.
Würde diese Vorgehensweise bei ihrer künftigen Schwiegermutter auf Verständnis stoßen? Nun denn, die Baronin war nicht dumm, sie wusste bestimmt, worauf sie sich einließ mit ihrer Schwiegertochter.
Und die Zeiten änderten sich nun mal, man musste zumindest mit der Zeit gehen, aber besser noch: Ihr voraneilen!
Ich werde die neue Herrin von Kampodia sein! Ein bisher unbekanntes Gefühl überkam die Eve, es fühlte sich großartig an, und sie schwelgte darin.
„Ich wusste, dass es dir gefallen würde, meine kleine Mordbaronin!“ Die Maladessin breitete ihre Arme aus und zog die Eve liebevoll an ihre üppige Brust.

 

~*~*~~*~*~~*~*~

 

ROMANE

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