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Die Frauen von Kampodia

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Teil 2
Teil 3
Teil 4
Teil 5
Teil 6
Teil 7
Teil 8
Teil 9
Teil 10

Teil 11
Teil 12

Teil 13
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Teil 20
Teil 21
Teil 22
Teil 23

 

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Die Frauen von Kampodia Teil 20

Gericht

ALLES ANDERS...

Morgans Hände zitterten, als sie im Herrenhaus ankam. Sie hoffte, dass keins der Mädchen sie in diesem Zustand erblicken würde und schlich sich unauffällig die große gewundene Treppe hoch, um sich in ihrem Zimmer zu verkriechen.
Doch war es noch ihr Zimmer? Der Raum hatte Frederic und ihr gehört, doch Frederic war tot, und er hatte sie betrogen. Es war nicht länger ihr Zimmer.
Hatte er sie betrogen? Die Lena war zweiundzwanzig Jahre alt, gerade mal ein Jahr älter als Thomas. Morgan kniff ihre Augen zusammen und ballte die Fäuste. Hatte Frederic etwa, nachdem er um ihre Hand angehalten hatte, immer noch Kontakt zu dieser Schlampe gehabt? Falls nicht, dann aber bestimmt kurz vorher. Mit Sicherheit kurz vorher.
Wie hatte er es dieser Dame beigebracht, dass es aus war? Oder hatte er es ihr gar nicht beigebracht, sondern das Verhältnis weiterhin gepflegt. Haha, gepflegt! Morgan schnaubte wütend vor sich hin. Warum war er nicht mehr da, warum konnte sie ihn nicht danach fragen, ihn festnageln, ihn beschimpfen, diesen Drecksack! Sie hatte in einer Illusion gelebt, hatte ihn geliebt und gedacht, er würde sie auch lieben und wäre ihr treu.
Wenn er es ihr wenigstens gesagt hätte! Sie hätte es vielleicht akzeptiert, aber indem er es ihr verschwieg, hatte er sie jetzt dem Spott dieser Schlampe preisgegeben. Und vor allem ihren Beschimpfungen und Drohungen. Die Frau war ja nicht mehr zurechnungsfähig, sie sah aus wie eine Furie mit ihrem wirrem Haar und ihrem zerstörten Gesicht, das einstmals schön gewesen war, obwohl man sich das heute kaum vorstellen konnte. Dabei war diese Person nicht viel älter sie.
Ein seltsames Gefühl beschlich Morgan, es war eine Mischung aus Zorn und Mitleid. Mitleid... Sie selber war ja privilegiert, brauchte nicht um ihren Lebensunterhalt kämpfen, und wer weiß, wie SIE aussehen würde, hätte sie ledig unter diesen Umständen leben müssen, hätte den Vater ihres Kindes verloren....
Den Vater ihres Kindes! Sie lachte bitter auf. Kein Wunder, dass der Anblick der Lena sie an etwas erinnert hatte. Es waren Frederics Gesichtszüge, die sie in ihr erkannt hatte. Die leicht gebogene Nase, der Mund. Kein, Wunder, sie war ja auch Frederics Tochter!
Damn it!! Das konnte doch alles nicht wahr sein! Was hat die furchtbare verrückte Frau sich dabei gedacht? Die Schlampe hat es in Kauf genommen, Frederics Sohn mit seiner leiblichen Tochter zu verheiraten. Die Heirat war zwar ungültig, aber das Kind blieb...
Blutschande! Skandal! Bruder und Schwester hatten ein Kind gezeugt! Es war einfach entsetzlich, unfassbar! Was hatte die Hure sich dabei gedacht! Wahrscheinlich nicht viel in ihrem besoffenen Kopf!
Wütend riss Morgan das Bettzeug zu Boden. Ihr Bett, ihr gemeinsames Bett war eine Lüge! Sie hielt sich die Hände vors Gesicht, um ihren Aufschrei zu ersticken. Trotzdem quoll es stoßweise und bitter aus ihr heraus: „Ich hasse dich, Frederic, du hast mich betrogen und das von Anfang an! Wie konnte ich nur so blöd sein!“ Sie hielt atemlos inne, beruhige dich, dachte sie, denke an die guten Zeiten, denke an das Glück, das du hier empfunden hast, hier in diesem Zimmer... Beschwörend dachte sie das immer und immer wieder.
Nein, es ging nicht, sie konnte den Anblick des breiten Bettes nicht ertragen.
Sie klingelte nach dem Mädchen. Als es kurze Zeit später kam, musterte Morgan es von der Seite her, es war nicht halb so schön wie die Lena, dieses Bastardkind, das bleibende Zeichen von Frederics Untreue. Seine leibliche Tochter. Die mit seinem leiblichen Sohn ein Kind gezeugt hatte...
Oh verdammt, was blieb ihr jetzt noch?
Die Drohungen dieser Verrückten hatte sie noch im Ohr, sie hatte ihr aufgelauert, als sie den verschwiegenen Pfad von Unteren Teich zum Rittergut benutzte.
Sie war so froh gewesen, wieder daheim zu sein, sie liebte den vertrauten romantischen Pfad, der am mittleren Teich vorbeiführte. Doch dann auf einmal ging diese Person neben ihr her und sprach mit monotoner Stimme die furchtbaren Wahrheiten aus, verbunden mit Drohungen und Erpressung...
Sie hatte ihr fürs erste ein paar kleinere Geldstücke gegeben. Aber sie würde bestimmt wiederkommen...
„Ich werde heute Nacht im Fremdenzimmer schlafen“, teilte sie dem Dienstmädchen mit und versuchte ihrer Stimme einen beherrschten Klang zu geben. Ruhig sein vor den Dienstboten, ruhig erscheinen, du kannst das, du musst über alles nachdenken, es in einen Zusammenhang bringen. Vielleicht ist die Wahrheit ja ganz anders. Ohne Zweifel hat Frederic dich geliebt. Aber war er dir auch treu? Männer sind unverständlich in ihren Trieben, man kann das als Frau nicht nachvollziehen. Vielleicht war er ja verzweifelt zu diesem Zeitpunkt. Ich selber war auch einmal verzweifelt... Sie stöhnte auf und dachte an den Tag, als sie dem Karl im Wald begegnet war. Aber das war doch nur, weil Frederic tot war und weil sie sich so einsam fühlte. Als er noch lebte, da hätte sie das nie mit einem ihr fremden Mann tun können...
Frederic hätte es ihr sagen müssen! Vielleicht nur für den Fall, um der Liebe zwischen Thomas und der Lena von Anfang an einen Riegel vorzuschieben. Aber er war feige gewesen! Leichtsinnig gewesen! Und vor allem dumm gewesen!
Als sie endlich im Bett des Gästezimmers lag, da spürte sie sich kaum. Das war nicht sie in dem schmalen Bett, hier lag eine einsame und unglückliche Frau, die betrogen und belogen wurde von ihrem Mann. Und vermutlich hatte er sie nie wirklich geliebt.
Das war sie wohl: die ungeliebte Frau! Die Schlampe hatte Andeutungen gemacht von wegen Erben schenken. Siedendheiß fiel ihr ein, dass sie sehr viele Brüder hatte. War das der Grund, warum Frederic sie heiraten wollte? War alles andere nur Illusion und Wunschdenken? Vermutlich...
Denn im Augenblick fühlte sie sich wirklich wie die Gebährmaschine Frederics, um ihm das Rittergut zu erhalten. In England gab es schon seit einiger Zeit Maschinen, war sie selber eine Maschine? Ein entsetzlicher Gedanke, er stellte den Sinn ihres Lebens in Frage. Nein, das konnte nicht sein. So grausam war er nicht. Sie erinnerte sich an seine Wort in der Gruft, als sie ihren Sohn bestattet hatte: „Und bitte verzeih mir.“
Was sollte sie ihm verzeihen? Dass sie nur von ihm benutzt wurde? Oder tat es ihm leid, dass er ihr nichts von seiner Tochter gesagt hatte?
Das Bett war leblos und kalt und sie hatte seine Anonymität gesucht, trotzdem wurde sie von Erinnerungen heimgesucht, aber die waren alle falsch und somit bedeutungslos.
Sie würde fürs erste hierbleiben. Würde grübeln, würde vielleicht weinen, würde sich aber trotzdem nicht unterkriegen lassen...
„Frau Baronin, der Jonathan Strauss ist da, und er wartet auf Euch!“ Eins der Mädchen schreckte sie nach Stunden mit diesen Worten hoch.
Zuerst wusste sie nicht, wo sie sich befand, aber dann kamen all die schlimmen Gedanken zurück und erschlugen sie förmlich. Dennoch stand sie auf, betrachtete sie sich prüfend im Spiegel und befand sich für passabel. Ihr Trotz war geweckt worden, warum sollte sie sich von Frederics üblen Vorlieben aus dem Konzept bringen lassen?
Tatsächlich machte sie kurz darauf einen wackeligen Gang nach draußen. Sie hatte Angst davor, jeder würde wissen, was damals passiert war. Jeder, außer ihr natürlich.
Damned, der Dorfklatsch wusste bestimmt Bescheid über jedes schmutzige Detail dieser Liebschaft, vermutlich hatten sich alle vor Lachen gebogen, als die naive Morgan als die Frau des Barons hier eintraf. Sie erinnerte sich an die jubelnden Kinder. Der Karl war auch dabei gewesen. Nein, die Kinder wussten nichts, aber alle anderen vielleicht doch...
Diese Vorstellung verschlug ihr den Atem, aber Morgan konnte nicht anders, sie musste sich dem stellen. Sollten die sie doch verhöhnen, sie würde drüber lachen. So ging sie also tapfer und mit sehr gemischten Gefühlen hinaus.
Sie überquerte als erstes den riesigen Gutshof, in dem die Hühner herumliefen, gackernd und nach Körnern pickend. Das Wetter war dummerweise strahlend sonnig, und das fand sie sehr unpassend. Aber es war nun einmal so, und sie konnte nicht viel dran ändern.
Im Hintergrund schwärte noch die Wunde, die Frederic ihr im Nachhinein zugefügt hatte, dennoch wollte sie nicht in einem bescheidenen Gästezimmer des Ritterguts versauern. Sie war die Herrin!
Sie kam am Verwalterhäuschen vorbei, bog nach links ab und erreichte die Strulle. Die Strulle war der größte Wasserzufluss Kampodias, sie kam aus dem Gebirge und speiste schon seit Ewigkeiten das große gemauerte Becken, bevor sie die Teiche versorgte und damit auch die Mühlen. Bis sie schließlich im Unteren Teich aufging und wieder als Bach dem Nachbarort zufloss.
Die Strulle, sie war einfach schön! An heißen Tagen konnte man in dem klaren Wasser seine Füße kühlen oder Kartoffeln darin waschen. Alles wurde direkt fortgespült, weswegen man es auch bedenkenlos trinken konnte.
Morgan lächelte, sie warf dem gemauerten Becken einen liebevollen Blick zu und ging dann weiter bis zur Hauptstraße des Dorfes.
Und da stand er auch schon, der Wagen vom Jonathan Strauss. Sie kannte den Jud schon seit Ewigkeiten, er musste ebenso alt sein wie sie. Er hatte sie immer gut versorgt mit Artikeln wie Seife und wohlriechenden Cremes – und auch mit dieser strapazierfähigen Arbeitskleidung für ihre Leute. Er war so ein beruhigendes Element in ihrem Leben, kein Wunder, er hatte sie nie so betrogen wie ihr eigener Mann...
„Guten Tag, Frau Baronin...“
Ihr wurde schwindelig, und sie fasste sich an den Kopf. Ein gelber Stern erschien vor ihren Augen, er war auf einem Ärmel angebracht.

„Du bist also ein Jude“, ertönt eine gehässige Stimme. „Ein Volksverräter, Angehöriger einer unwerten Rasse!“
„Ich habe im Krieg gedient, ich besitze sogar das Ehrenkreuz erster Klasse. Ich bin Deutscher!“
„Ein Dreck bist du! Hast alles nur erschlichen, du menschlicher Abfall!“
Eingeschlagene Scheiben, in Brand gesetzte Läden, weinende Menschen, denen man das Recht aberkannt hat, Mitbürger zu sein.
Ausgegrenzt, schikaniert, verfolgt – und das in einem Land, wo man sich sicher gefühlt hat, wo die Bande groß sind, aber nun... Reichsbürger kann nur noch der sein, der „deutschen oder artverwandten Blutes“ und zudem noch gewillt und geeignet ist ,„dem deutschen Volk und Reich zu dienen“. Jahrhunderte der Integration einfach beiseite gewischt, sie sind nicht mehr erwünscht hier. Und das alles, weil ein Hasserfüllter die Regierung ergriffen hat und das Volk aufhetzt durch üble Propaganda.
Heimliche Transporte, Wagonladungen voll mit unerwünschten Elementen, wie sie es nennen, darunter Juden, Geisteskranke, politische Störenfriede. Lager. Schrille Stimmen geifern darin herum, Kommandorufe, militärisch, graue Schatten... Ein Gebäude, ein hämischer Gruß am Eingangstor, menschliche Skelette, so abgemagert, dass sie aus Knochen bestehen... Wie schlimm, wie furchtbar, wie unmenschlich das. Trotzdem kann sie ihre Augen nicht davon abwenden. In Arbeitsuniformen gekleidete Leichname, die noch ein bisschen Leben in sich haben, um arbeiten zu können... Kammern, Duschen genannt, aus deren Decken tödliche Schwaden fließen, in denen sie langsam und qualvoll sterben...
Morgans Innerstes dreht sich um in einem wilden Strudel. Schwindelig trunken, kotzelend fühlt es sich an, zum Sterben ist es, und sie hält sich an dem Gedanken fest, dass es ihr auch in diesem elenden Zustand immer noch besser geht als diesen bedauernswerten Mitmenschen...

Mühsam kehrte sie zurück. Wenn das die Zukunft war, dann würde sie das Deutsche Reich verfluchen! Dieses Land würde allen nur Unglück bringen. Vor allem den Juden.
Sie atmete tief ein, um sich nicht vor Abscheu übergeben zu müssen, denn dies hätte den Jonathan doch ziemlich irritiert. Sie riss sich also zusammen und sagte: „Mein lieber Jonathan, habt ihr je daran gedacht, woanders hin auszuwandern?“
Der Jonathan schaute sie erstaunt an und entgegnete nach einer kurzen Weile: „Nein, liebe Frau Baronin, eigentlich nicht.“
„Ihr solltet es tun“, Morgans Stimme klang schroff. „Denn es wird nicht immer so bleiben wie jetzt...“
„Das glaube ich nicht, liebe Frau Baronin.“
„Wenn er glaubt, die Wüste wird grün und fruchtbar werden, dann bleibe er hier. Wenn er glaubt, die Menschen essen nur noch Gemüse und kein Fleisch mehr, dann bleibe er hier. Wenn er glaubt, die Menschen sind gescheit und wissen zu schätzen, wer ihre Freunde sind, dann bleibe er hier...“ Atemlos verstummte sie.
Der Jonathan schien verwirrt, er dachte wohl angestrengt nach über ihre Worte.
„Vielleicht könnte ich nach Preußen gehen“, sagte er. „Dort sollen die Gesetze sehr viel gerechter sein.“
„Nein, nicht nach Preußen, das ist nicht weit genug weg! Auch nicht Frankreich oder sonst irgendein Staat in Europa...“
Der Jonathan zweifelte bestimmt an ihrem Verstand, aber er dachte nach – jedenfalls sah es so aus.
Und schließlich meinte er nachdenklich: „Es ist seltsam. Mein Neffe Levi will, dass ich mit nach Amerika ziehe. Er hat vor kurzem seinen Vater verloren und sieht hier keine Zukunft für sich. Aber nach Amerika? Das ist so weit weg von der Heimat...“
„Tu es, mein lieber Jonathan, gehe mit deinem Neffen nach Amerika. Dort wirst du zwar kein Gold auf den Straßen finden, doch dieses Land wird deine neue Heimat sein – und vor allem wird es viel freundlicher zu deinen Nachfahren sein als dieses hier...“
Der Jonathan schaute sie zwar skeptisch an, aber er machte sich wohl schon Gedanken über das Auswandern. Gut Morgan, wenn auch nur einige deinem Rat folgen würden, dann hättest du mehr getan als dein untreuer Ehemann. Und schon brach ihr persönliches Elend wieder über sie hinein. Doch so ging es nicht, sie musste das zurechtrücken: Sie wurde nicht zu Tode gequält, sie verhungerte nicht, sie wurde nicht verfolgt und musste sich wegen ihrer Herkunft verstecken. Sie litt einzig und allein unter der Untreue ihres toten Ehemanns. Und das musste sie verkraften.
Sie kaufte dem Jonathan einiges an Waren ab, weil sie meinte, sie wäre es ihm schuldig. Vielleicht konnte er mit dem Geld dann besser die Passage in die neue Welt bezahlen.
Er winkte ihr freundschaftlich zu, als er sich auf den Weg ins Nachbardorf machte, und sie fühlte sich einigermaßen beruhigt.
Doch in der Nacht bedrängte sie wieder der furchtbare Traum, dieser Traum von der Lakosta, von der sie nun wusste, dass sie eine Schlampe war.
Wieder stürzt sie hinterrücks in den Abgrund, wieder ist die schwarze Gestalt zu sehen, die ihr hinterher schaut und sich dann vergewissert, ob sie tot ist.
Und immer noch nicht hat sie das Gesicht der Gestalt gesehen. Mittlerweile hegt sie einen furchtbaren Verdacht: Vielleicht ist sie das selber, vielleicht steht sie selber vor der Lakosta an den Klippen, und die Lakosta hat so eine Angst vor ihr, dass sie den Fehltritt begeht und hinterrücks die Klippen hinunter stürzt.
Eigentlich will sie es gar nicht wissen, dennoch träumt sie weiter davon, versucht Wege zu umgehen, Hindernisse nicht wahrzunehmen, Sackgassen zu ignorieren – aber nur halbherzig, und sie hasst sich dafür.
Im Traum hört sie die Feuerglocken läuten, es brennt irgendwo. Erst will sie weiterschlafen, doch dann richtet sie sich mühsam auf und schaut aus dem Fenster.
Rote Flammen züngeln aus dem Pferdestall, und Morgan überkommt eine schreckliche Wut.
Wenn die Schlampe das getan hat, dann soll sie dafür büßen! Denn jetzt handelt es sich nicht mehr um bloßen Besitz, der ist versichert, aber unschuldige Tiere leiden zu lassen, das geht nicht, und sie wird sich dafür rächen.
Morgan fühlt sich furchtbar, sie hat Angst, Angst vor dieser Verrückten – und zudem Angst vor sich selber. Sie hasst diese Frau, und sie hasst sich selber für ihre Rachegefühle.
Dem Himmel sei Dank kann der Brand schnell gelöscht werden, kein Pferd erstickt in den Flammen, und dennoch bleibt die Bedrohung...
Sie muss es jemanden sagen, sie kann es nicht mehr alleine ertragen. Aber wer wird sie verstehen? Wer ist vertrauenswürdig genug, um ihre Situation nicht auszunutzen?
Nach langen Grübeln kommt ihr dann eine Person in den Sinn, sie kann es zuerst gar nicht glauben, es ist keine Verwandte und auch keine Vertraute, es ist, sie wundert sich selber darüber – die Maladessin.
Beim näheren Nachdenken erkennt sie viele Gemeinsamkeiten. Sie haben beide nur noch ein Kind, sie einen Sohn und die Maladessin eine Tochter. Sie haben Kinder verloren. Sie haben beide Ehemänner gehabt, die anscheinend nicht ganz treu gewesen waren. Im Dorf zerreißt man sich das Maul über den verstorbenen Herrn Maladess, anscheinend genießen die Leute es, die große Maladessin in den Dreck zu ziehen, man gönnt ihr wohl den Reichtum nicht, auch wenn man ihr schöntut von Angesicht zu Angesicht.
Morgan lächelt bitter. Tja, so sind die Menschen. Ob sie hinter ihrem eigenen Rücken genauso reden? Es müssen doch bestimmt ein paar Leute von Frederics Verhältnis gewusst haben, so etwas kann auch der gewiefteste Kerl nicht unbegrenzt geheim halten...
Nach langem Überlegen entschließt sie sich, der Maladessin alles anzuvertrauen. Sie kann nicht anders, als es sich von der Seele zu reden. Außerdem würde die Eve–Marie bald der Familie von Kampe angehören, und ihre Mutter hat somit ein Recht darauf, alles über die von Kampes zu erfahren.
„Ja, es ist richtig, vertrau dich jemanden an.“ Wieder träumt Morgan. Es ist ihre Ururur–Enkelin, die ihr das schickt, nicht in Worten sondern in Bildern. Das arme Kind ist bestimmt viel einsamer als sie, es hat die gleichen Fähigkeiten wie sie, doch viel stärker, es wird heimgesucht von Visionen, die es nicht verstehen kann. Und dennoch besitzt es die Kraft, sie zu trösten.
Morgan fängt an zu weinen. Die Tränen schwemmen alles hinfort, was sie an Hass empfunden hat. Ich bin ja so selbstsüchtig, meine kleine Morgaine, nimm dir ja kein Beispiel an mir...
Sie hofft, dass die Kleine es verstehen wird, sie ist ja nicht mal fünf Jahre alt.
 

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ROMANE

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