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Die Frauen von Kampodia

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Die Frauen von Kampodia - Teil 1

Hohepriesterin

MORGAN – im Frühling des Jahres 1838

Die frühe Maisonne schien heiß auf Morgan herab, sie reckte sich hoch und wandte der Sonne ihr Gesicht entgegen, sie genoss  gierig die Strahlen und hätte dabei fast angefangen zu schnurren wie eine der Stallkatzen.
Die entsetzliche Kälte war wohl erst einmal vorbei – und damit auch die Zeit der langen kratzenden Unterhosen, die aus Wolle gestrickt waren und unter dem üppigen Rock getragen wurden.
Morgan, Baronin von Kampe seufzte tief auf. In England war das Wetter allgemein milder gewesen, Schnee gab es dort nur selten. Doch hier im Bergland an der Weser herrschte ein raueres Klima, die Sommer waren zwar kühl und manchmal so regenreich wie die in England, aber die Winter hier...

Wieder seufzte die Baronin auf, und sie musste an den letzten Winter denken, der wie immer hart und schneereich gewesen war. Ihr taten die armen Leute leid, die immer mit dem Brennholz knapsen mussten. Sie selber war ja privilegiert, sie konnte Holz im Walde schlagen lassen und es in den drei Öfen des Herrenhauses verbrennen lassen, aber die Armen im Dorf mussten mühsam Holz sammeln und durften keinen Baum im Wald fällen. Und natürlich auch kein Wild schießen und keinen Fisch in den Bächen fangen, alle diese Vorrechte gehörten dem Rittergut. Doch Morgan tat, was sie konnte, im Herbst verteilte sie an die Tagelöhner des Dorfes große Mengen an Brennholz, und ab und zu fielen auch ein paar Hirsche und Wildschweine ab, vor allem zu Weihnachten. Morgan selber lebte eigentlich recht bescheiden, die Öfen wurden mäßig geheizt, das hatte zur Folge, dass es zwar nicht wirklich kalt im Herrenhaus war, aber richtig schön warm wurde es nie. Man versuchte, das Haus abzudichten. Alle Fenster wurden durch hölzerne Läden von außen verschlossen. Von innen wurden sie mit schweren, üppigen Portieren bedeckt, denn durch die dünnen Fensterscheiben drang die Kälte fast ungehindert ein. Dicke Teppiche wurden an den Türzargen befestigt, damit beim Öffnen der Türen die warme Luft nicht auf den Flur hinaus gelangen konnte, um dort sinnlos zu verpuffen. Durch diese Maßnahmen waren die bewohnten Räume angenehm warm, wenn man allerdings durch den Flur musste, dann fror man sich den Arsch ab, wie Morgan undamenhaft vor sich hinfluchte.
Natürlich wurde es durch diese Maßnahmen noch finsterer im Haus, als der kurze Wintertag es ohnehin schon zuließ. Auch die vielen Öllampen, die an den Wänden hingen, konnten den Tag, geschweige denn die Nacht kaum erhellen. Man nannte sie nicht umsonst Tranfunzeln, obwohl sie gar nicht mehr mit Waltran gespeist wurden, sondern mittlerweile nur noch mit Rapsöl. Die Kienspäne brachten nur kurzfristig Helligkeit, und sie verrußten sämtliche Decken und Wände, also benutzte man sie nur, um die Öllampen anzuzünden. Und das Lesevergnügen, welches Morgan sich manchmal gönnte, dauerte immer nur ein bis zwei Stunden und fand zur Mittagszeit statt – falls sie sich entschlossen hatte, die Fensterläden zu öffnen, und falls die Sonne sich entschlossen hatte zu scheinen...
Auch das Winteressen war sie leid, dauernd nur Rüben, den ewigen Kohl, Kartoffeln, Sauerkraut, eingesalzene Bohnen und das alles mit gepökeltem Schweinespeck... Auch gab es des Öfteren Salzheringe, sie ließ sich immer ein Fass davon für den Winter kommen. Eingelegt in Buttermilch schmeckten sie gar nicht übel... Gut, sie sollte nicht klagen, viele andere wären froh, wenn sie so etwas zu essen hätten, trotzdem fand sie es im Sommer angenehmer mit den Kräutern aus dem Gutsgarten, dem Gemüse und vor allem dem Obst. Schade, dass man diese Mengen an Obst und Gemüse nicht aufessen konnte, aber sie arbeitete an einem Verfahren, um Obst, Gemüse und auch frisches Fleisch zu konservieren, und das geschah auf eine abenteuerliche Weise. Natürlich gab es schon Konservenbüchsen, aber die wurden nur für das Heer gemacht und nicht für den Privatverbrauch. Nein, sie versuchte es mit dem Einkochen. Ihr größtes Problem, nämlich die Keramikgefäße, in denen dies alles eingekocht wurde, dicht zu machen, hatte sie einigermaßen gelöst. Sie benutzte simplen Kitt dazu, auf den Rändern der Einmachgefäße verteilt, diente er dazu, sich eng mit dem Deckel zu verbinden. Und es gelang! Sie war so glücklich, als sie das erste Einmachgefäß nach einem halben Jahr öffnete und ihr kein furchtbarer Verwesungsgeruch entgegenschlug, sondern ein annehmbarer Duft nach Essbarem. Natürlich gelang es nicht immer, aber bestimmt jedes zweite Mal. In nicht allzu ferner Zeit würde es sicherlich etwas Besseres zum Abdichten geben, das wusste sie, aber jetzt gab es eben nicht viel. Jetzt lebte man in einem toten Winkel der Zeit, einerseits fast noch im Mittelalter mit seinen furchtbaren Krankheiten und Seuchen, andererseits an der Schwelle der Zukunft. Nur hatte man diese Schwelle leider noch nicht erreicht.
Jedenfalls war der Winter entsetzlich gewesen! Weil sie die eiskalten klammen Laken ihres Bettes fürchtete, wickelte sie sich vor dem zu Bett gehen in dicke wollene Decken, ließ sich aus der Küche einen im Herd aufgeheizten Ziegelstein kommen – und schlüpfte dann vor Kälte zitternd unter die Federn. Dieses kalte Bett war viel zu groß für sie... Oh wie sie Frederic vermisste! Vor zwei Jahren war er nach einem Reitunfall gestorben, hatte sich wortwörtlich den Hals gebrochen. Natürlich hatte sie ihn gewarnt, doch er wollte nicht auf sie hören. „Hör auf mit deinen Spökenkiekereien“, hatte er gesagt. „Ich will wie ein Mann sterben und nicht wie ein hinfälliger Tattergreis!“
Sie hatte ihm nie von ihrer Gabe erzählt, oder sollte sie besser sagen von ihrem Fluch? Sie wollte ihn nicht damit belasten, und vor allem wollte sie, dass er sie als eine normale Frau sah.
Und ja, er war wie ein Mann gestorben, er war der männlichste Mann gewesen, den sie je gekannt hatte. Sie vermisste ihn, nicht nur als Wärmespender in den kalten Winternächten, in denen ihre Körper sich aneinanderschmiegten, sie vermisste alles an ihm. Ihre Unterhaltungen, ihre leidenschaftlichen Nächte...
Gut, der Winter schien gebrochen zu sein, aber der Frühling fühlte sich fast noch schlimmer an. Aufsteigende Sehnsüchte, die sie nicht benennen konnte, überwältigten sie. Das Gefühl eines Verlustes, eine Traurigkeit, in die sich Bitternis mengte.
War das schon alles? Aber sie fühlte sich doch noch jung, mit fünfundvierzig Jahren war sie zwar in dieser Gesellschaft alt, aber nicht im Herzen. Nonsense, dachte sie auf englisch, immer wenn das Leben ihr entglitt, dachte sie in ihrer Muttersprache, obwohl sie mittlerweile schon in deutsch träumte und manchmal sogar in plattdeutsch. Nonsense! Wen kümmert schon das Herz? Es gibt für mich nur die Pflicht, und die wiegt schwer. Ich könnte mich natürlich noch einmal vermählen – aber mit wem? So einen wie Frederic gibt es kein zweites Mal, einen alten Knacker will ich nicht – und einen jungen hübschen brauche ich nicht, dafür bin ich wirklich zu alt. So what, altes Meeken, freu dich deines Lebens! Du hast zwei Söhne, die so total verschieden sind. Du liebst sie sehr, und du musst für sie das Gut erhalten. Frederic hat dir die Verantwortung dafür hinterlassen. Lieber Frederic, du wusstest damals schon, dass ich es kann, yes? Und vor allem, dass ich es auch tue...
So viele vernünftige Gedanken, dennoch brodelte es in ihr. Morgan fing an hysterisch zu lachen, sie konnte diese seltsamen Frühlingsgefühle einfach nicht unterdrücken. Sie fuhr sich nervös durch ihr Haar, sie kniff die Augen zusammen, sie runzelte ihre Stirn, sie fühlte sich vollkommen out of control. Sie musste hier heraus! Musste in die freie Natur, musste Luft atmen, musste spüren, dass sie noch lebte und nicht nur der Verwalter ihrer Söhne war. Sie nahm sich nicht die Zeit, ihr Reitgewand anzuziehen, sondern ging direkt zu den Stallungen, ließ sich ihr Pferd satteln und ritt ungestüm und mit vermutlich hochgeschürztem Rock in den Wald.
Es war ihr egal, ob jemand sie sah, sie stürmte wie eine Windsbraut dahin, spürte den massigen Körper des Pferdes zwischen ihren Schenkeln, doch nichts schien ihre Gefühle betäuben oder gar besänftigen zu können.
Nach einem wilden Ritt hielt sie auf einer Lichtung an, sie sah so wunderbar friedlich aus. In der Nähe rauschte ein Bächlein, und die starke Frühlingssonne schien wärmend auf Morgan herab. Sie stieg vom Pferd und ließ sich auf das frische Gras fallen, sie schloss die Augen und versuchte nur zu spüren, die Wärme der Sonne zu spüren, das Rauschen der Bäume, das Murmeln des Bächleins und das Singen der Vögel, sie versuchte zur Ruhe zu kommen. Versuchte, glücklich zu sein, denn sie hatte doch allen Grund dazu...
Dennoch brodelte es weiter in ihr, und ihr Körper wand sich hin und her, als ob er unter Schmerzen litte. Sie fing an zu schluchzen, sie konnte es nicht unterdrücken.
Ein Schatten fiel durch ihre verschlossenen Augen, und sie schaute auf. Jemand neigte sich über sie, aber sie konnte sein Gesicht nicht erkennen, weil die Sonne just hinter ihm stand und sie blendete.
„Frau Baronin...“ Eine sehr männliche Stimme, sie klang angenehm, und sie kam ihr bekannt vor. Der Mann reichte ihr seine Hand, sie ergriff sie und zog sich langsam daran empor, bis sie ihn schließlich durch ihre Tränen hindurch richtig sehen konnte.
Es war der Karl Heuer, der schönste junge Kerl im Dorf, aber er schien sich nicht viel darauf einzubilden, ganz im Gegenteil, er machte immer einen ziemlich unbeteiligten Eindruck, als ob ihm alles egal wäre. Aber in diesem Augenblicke wirkte er verlegen und sah sie unsicher an.
Morgan fühlte die Wärme, die von seiner Hand ausging, und sie erschauerte. Es fühlte sich so gut an! Sie wollte sich daran erwärmen, ihr ganzer Körper war kühl und wollte sich an diesem Mann wärmen.
Sie ließ seine Hand nicht los, sondern fing an sie zu streicheln. Atemlos blickte sie in seine grauen Augen, und er starrte zurück.
Bis sie schließlich aufstöhnte und ihn an sich zog und mit ihm zurücksank auf den weichen Wiesenboden...

 

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ROMANE

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