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Die Frauen von Kampodia

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Die Frauen von Kampodia - Teil 6

Kraft

DIE KRAFT

Hanna saß vor ihrem winzigen Häuschen und schaute verträumt auf den Unteren Teich. Es war der dritte und somit auch der letzte Teich von Kampodia, und eigentlich handelte es sich bei diesem Teich nur um den in die Breite gezogenen Bach, der das Dorf nun verließ und in den nächsten Ort floss.
Aber dieser breite Bach sah wunderschön aus, so ruhig und friedlich, auf ihm schwammen Entenmütter mit ihrem Nachwuchs, und manchmal sah sie einen Frosch ins Wasser springen, dann gluckste es, und kleine Blasen stiegen an die Oberfläche des stillen Teiches.
In der Ferne konnte sie den weiterführenden Lauf des Baches an den feuchtigkeitssuchenden Weiden erkennen, sie erstreckten sich fast bis ins Nachbardorf. Am Abend lag meist Nebel über dem Bach, und dieser Anblick verursachte bei ihr ein seltsam unbekanntes Gefühl, es war wie eine Mischung aus Traurigkeit, Sehnsucht nach etwas Unbekanntem und überschäumendem Glück, sie kannte dieses Gefühl nicht und scheute instinktiv davor zurück.
Sie war normalerweise nicht so sentimental, ganz im Gegenteil, sie war eine kräftige Person, sie war stark, sie konnte Lasten in die Nachbardörfer fahren, sie konnte auf den Feldern arbeiten – und das alles musste sie tun. Sie war ja nur eine Tagelöhnerin, aber immerhin besaß sie ein winziges Häuschen im Unteren Dorf, und sie musste keinen Mietzins dafür bezahlen wie fast alle anderen hier.
Hanna seufzte auf: Es stimmte, fast alle, die hier wohnten, waren schwer vom Schicksal geschlagen, durch Krankheiten und damit verbundene Erwerbsunfähigkeit. Oder sie waren zu alt oder zu jung, um zu arbeiten. Immer an der Schwelle zum Verhungern, nur am Leben erhalten durch die Gaben der Baronin. Doch das Dorf hätte es schlechter treffen können. Woanders da gab es keine mildtätigen Rittergüter, da ließen sie die Leute einfach verhungern, wenn sie nicht mehr arbeiten konnten. Aber hier nicht, hier verfühlten sich die Barone dem Dorf verpflichtet, Hanna glaubte, dass dies nirgendwo anders so familiär zwischen Adel und Landbevölkerkung ablief. Sie kam ja weit herum und hatte schon einiges anderes gehört und auch gesehen...
Das Obere Dorf, ja, das war viel reicher, üppige Gehöfte standen dort, geschnitzte Inschriften über den Eingangstoren, mit Schiefer behängte Häuser mit Blumenschmuck, wohlhabende Handwerker...
Ha, wohlhabende Handwerker! Bei diesem Begriff stieg in ihr der Zorn hoch. Automatisch musste sie an den Heuers Karl denken, er war Tischlermeister, beherrschte auch das Büttnerhandwerk – und war dabei faul wie die Sünde. Er vernachlässigte seine Werkstatt seit ein paar Wochen, er lungerte nur mit seinen Spießgesellen herum, betrank sich in allen möglichen Kneipen, bei allen möglichen Schützenfesten und zettelte unheimlich gerne Streit an, der natürlich in gewaltigen Schlägereien endete... Wie konnte ein Mannsbild so seine Zukunft verspielen! Und dabei sah er auch noch gut aus.
Erschreckt über diesen Gedanken riss sich Hanna zusammen. Sie war arm, und fast alle anderen waren eben reicher als sie, und sie konnten treiben, was auch immer sie wollten. Was ging es sie an? Sie hatte bestimmt genug andere Sorgen.
Bitte lieber Gott, lass mich nicht krank werden, dachte sie inbrünstig. Andererseits war sie zäh, sie würde sich nicht so leicht in Bockshorn jagen lassen. Ihre Arbeitskraft wurde im Dorf geschätzt, immer kam jemand an, um sie um Hilfe zu bitten, sei es auf den Feldern oder sei es beim Transport von Sachen. sie war halt ein starkes Mädchen, und vor allem ein lustiges Mädchen.
Sogar die Baronin schätzte sie und ließ ihr ab und dann Sachen zukommen, die sie ausbessern sollte. Wahrscheinlich war keiner der Mägde im Herrenhaus dazu in der Lage, so gut und unauffällig zerrissene Sachen zu stopfen wie sie.
Und den letzten Auftrag der Baronin, nämlich alte Kleider in neue umzuschneidern, hatte sie mit Bravour bestanden. Vielleicht konnte sie dies nun öfter verrichten. Das wäre zu schön! Es machte ihr ja auch Freude und wäre in den harten Wintermonaten, wo niemand sie auf den Feldern brauchte und auch die Transporte weniger wurden, ein wunderbares Einkommen.
Der Tag verblasste allmählich, Hanna hielt sich die Hand vor den Mund und gähnte, sie war rechtschaffen müde und drehte sich zu ihrem Häuschen um. Es war wirklich sehr klein, es hatte gar keine richtige Rückwand, sondern lehnte sich an einen Felsen, der aus Schiefer bestand.
Schieferbrüche gab es viele hier in der Gegend, sogar das Herrenhaus der von Kampes besaß eine Fassade aus dem graurosa Stein, und es sah schön aus mit den weißen Säulen über der Eingangstür.
Dagegen war ihr Häuschen natürlich ein Scherz, seine Vorderseite bestand aus Lehm, und gedeckt war es mit Strohbündeln, die schon ein wenig buckelig ausschauten. Es gab nur ein Fenster neben der Haustüre, welche direkt in die Wohnküche führte. Dort war dann der Herd, ein Holzregal mit wenig Kochgeschirr, ferner ein Tisch und zwei Stühle.
Eine wacklige Holzstiege führte hinauf zu ihrem Schlafzimmer, nebenan schlief eine Tante in einem noch winzigeren Verschlag. Annelie war Hannas einzige noch lebende Verwandte, und da sie alt und hinfällig war und keinerlei Einkünfte hatte, lebte sie nun hier und wurde von der Hanna versorgt. Das fand die Hanna selbstverständlich, und zum Glück war die Annelie nicht sehr anspruchsvoll.
Sie wollte schon die Stiege hochgehen, um sich in ihr schmales Bett zu legen, doch fühlte sie eine innere Unruhe in sich, und die trieb sie wieder hinaus aus dem Häuschen.
Sie schlenderte in Richtung Oberes Dorf, zuerst über die Brücke, die den Mittleren Teich von dem Unteren trennte. Dort wurde das Mühlrad der Kornmühle angetrieben. Langsam wanderte sie über die Hauptstraße und begrüßte freundlich die alten Leute, die vor ihren Fachwerkhäusern saßen. Bei manchen verweilte sie länger, denn es gab immer etwas zu erzählen.
Je näher sie dem Oberen Dorf kam, desto stattlicher und gepflegter sahen die Häuser aus.
Zu Hannas Rechten lag nun der Obere Teich, und hinter ihm erhob sich die dunkle Silhouette vom Herrenhaus derer von Kampes. Dort war kein Lichtlein zu sehen, die Baronin war wohl schon schlafen gegangen.
Sie erreichte den Mittelpunkt des Ortes, es war ein kleiner Hügel, auf dem der große Gasthof des Dorfes lag, er hieß Wagenrad, und tatsächlich wirkte seine Erscheinung fast wie ein umgekipptes Rad, behäbig und rund hockte das Rad auf dem Hügel, mattes Licht drang durch die Fensterscheiben, und man konnte Stimmen vernehmen.
Hanna ging weiter, irgend etwas geleitete sie, obwohl sie gar nicht wusste, wohin ihr Weg sie führte. Mittlerweile befand sie sich im Oberen Dorf, dort wo die reichen Bauern und Handwerker wohnten.
Vor einem stattlichen Haus machte sie Halt, sie öffnete vorsichtig und vor allem leise die Pforte, die das Haus von der Straße abgrenzte und huschte den Weg entlang, bis sie schließlich die Tür zur Werkstatt aufmachte.
Es sah furchtbar aus! Vollkommen unordentlich! Jede Menge Werkzeug lag wüst auf dem Boden herum, statt in den Regalen verstaut zu sein. Gefegt worden war auch schon lange nicht mehr, das konnte sie im Licht des vollen Mondes erkennen. Die ganze Werkstatt erweckte den Eindruck einer schmutzigen Lotterbude.
Die offenkundige Verwahrlosung machte die Hanna zornig. Warum? Nun, sie war ein Mensch, dem jedwede Unordnung zuwider war, aber hier bei DEM, das machte sie ganz besonders zornig, sie wusste nicht warum. Angeekelt ließ sie ihre Blicke in der Werkstatt herumschweifen. Hier sah es ja furchtbar aus!
Aus einem unbekannten Grund begann sie aufzuräumen, legte sorgfältig Beile, Feilen und Sägen in die Regale, während sie sich fragte, was sie überhaupt hier tat.
„Ich bin halt ein ordentlicher Mensch“, dachte sie, „ich kann es nicht ertragen, so eine Unordnung, das ist wider meine Natur – und das hat jetzt gar nix mit dem Karl zu tun. Soll er doch sehen wo er bleibt, der Saufkopp!“
Schon wollte sie aufhören mit dem Aufräumen, doch dann dachte sie weiter: „Mir tun halt nur die Gesellen leid, die unter so einem Meister leiden müssen. Und der Lehrling erst einmal!“
Sie versuchte, die übelsten Missstände zu beseitigen, während sie weiterhin Selbstgespräche führte.
„Ja was liegt denn da? Ein riesiges Brett mitten in der Werkstatt? Und noch mit Nägeln drin? Das glaub ich einfach nicht! So eine Schlamperei, ich hör jetzt sofort auf, es hat ja keinen Sinn bei dieser Unordnung. Und was geht es mich auch an!“ Unwillig schüttelte sie ihren hübschen Kopf mit dem langen blonden Zopf.
„Andererseits könnte aber jemand kommen und drüber stolpern...“
So führte sie eine innerliche Unterhaltung, in der sich zwei Stimmen abwechselnd zu Worte meldeten. Und ohne dass es ihr langweilig wurde, hatte sie die Werkstatt ganz schnell aufgeräumt und sogar zum Schluss die Sägespäne zusammengefegt. Dazu musste sie sich allerdings erst einen Besen fertigen aus ein paar Strohresten und einem Holzstab, denn so etwas wie einen Besen gab es hier nicht. Was für eine Sauwirtschaft!
Als sie ihr Werk verrichtet hatte, schlüpfte sie unauffällig wieder durch die Pforte hinaus auf die Straße. Kein Mensch hatte sie gesehen, und das war gut so. Was ging es sie auch schon an, das Lotterleben von dem?
Sie brauchte bestimmt keins von diesen verschlampten Mannsbildern, Gott bewahre sie davor, und gerade eben hatte sie nur Mitleid gehabt.

 

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ROMANE

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