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Die Frauen von Kampodia

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Teil 4
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Teil 7
Teil 8
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Die Frauen von Kampodia - Teil 7

Hierofant

PROPHEZEIUNGEN...

„Die Frau Baronin hat mich herbestellt, ich soll für sie ein paar Möbel erneuern...“ Karl hatte seine Mütze abgelegt und schaute sie intensiv an, während er diese spröden nichtssagenden Worte von sich gab.
„Das ist richtig, zuerst also zum Geschäft. Kannst du mir ein Brett mit Dellen darin herstellen? Das Holz muss wasserfest sein, ohne jegliche Späne – und vor allem vollkommen glatt.“
„Wie meinst du denn das, mit Dellen darin? Längs oder quer?“ Er war interessiert, so interessiert, dass er sie sogar duzte.
„Quer auf jeden Fall! Es soll zum Waschen sein, ich habe es irgendwo in England gesehen.“ Das war natürlich gelogen. Sogar in ihrer Heimat England gab es noch keine Waschbretter, sie hatte es natürlich in einem ihrer Träume gesehen.
„Es soll also handlich sein?“
„Ja, nicht zu groß, aber auch nicht zu klein, und es wird den Frauen viel Arbeit ersparen...“ Morgan dachte dabei an die Wäscherinnen, die den Stoff mit Holzknüppeln walkten, um den Schmutz heraus zu bekommen. Das Wäschewaschen war überhaupt sehr mühsam. Erst wurde das Zeugs eingeweicht in Waschlauge, dann langsam darin erhitzt und stundenlang gesotten, dann am Bach mit Steinen bearbeitet, dann ausgewrungen und zur Bleiche ausgebreitet. Um danach endlich mit einem auf dem Ofen erhitzten Bügeleisen geplättet zu werden. Viel Arbeit war das, und es funktionierte eigentlich nur in den wärmeren Jahreszeiten, weswegen es am Ende des Winters generell immer zu einem großen Waschstau kam...
„Ach so, zum Wäschewaschen“, der Karl überlegte sichtlich, und die Idee schien ihm einzuleuchten. „Das kann ich, ich werde einige davon anfertigen lassen in verschiedenen Größen und mit verschieden Dellenabständen. Und Ihr lasst sie dann ausprobieren.“ Er hatte sich wohl wieder für das adelige „Ihr“ entschieden, und das tat der Baronin etwas weh.
„Sehr schön!“, lächelte sie verlegen, dann sagte sie: „Komm mit, Karl. Ich muss dir etwas sagen.“
„Es wird nichts Gutes sein, Frau Baronin“, murmelte Karl vor sich hin, dennoch fügte er sich und ging an der Seite der Baronin den Weg zur Kirche entlang.
„Bitte Karl, nenne mich doch einfach Morgan!“
„Gut, das kann ich vielleicht tun, obwohl ich weiß, dass es nicht für immer sein wird...“ Karls Stimme klang bitter.
„Nichts ist für immer, manches aber doch, und gerade darüber möchte ich mich mit dir unterhalten.“
Der Karl nickte zu ihren Worten und ging schweigend neben ihr her. Wie groß er doch war und wie stattlich! Wie unwiderstehlich und gut er aussah! Aber er wirkte ein wenig heruntergekommen, sein Haar war zu lang, seine Augen rot umrändert. War es vielleicht wegen ihr? Wenn das so war, dann musste sie sofort handeln. Er hatte bestimmt Bess’res verdient als sie, und sie würde ihm dies verschaffen...
Als sie schließlich die Kirche passiert hatten und auf die freien Felder hinauskamen, sagte Morgan: „Du weißt gewisslich, dass ich eine Hexe bin?“
„Weiß ich das?“ Karl lächelte sie an, und dieses Lächeln verzauberte sie, obwohl sie das gar nicht wollte. Doch sie ließ es zu, dass er fortfuhr, sie zu verzaubern: „Ich hab immer schon gedacht, du wärest eine Art Engel. Denn du hast mir damals die Wahrheit gesagt, damals, als mein Vater krank danieder lag...“
„Das weißt du noch?“ Morgan konnte nicht anders als ihn liebevoll anzuschauen, bevor sie weitersprach: „Nein, ein Engel bin ich auf keinen Fall! Hexe trifft wohl eher zu.“ Mühsam riss sie sich zusammen, sie musste hart sein, es durfte keine Verzauberungen mehr geben.
Karl sagte nichts darauf, er genoss es einfach, an ihrer Seite zu gehen, sie sah wunderbar aus mit ihrer schmalen Taille in dem schwarzen Kleid. Ihr blondes, leicht gelocktes Haar war in einem Kranz geflochten, das konnte er trotz ihrer Haube sehen, und ihr Gesicht wirkte so ruhig und gelassen. So schön...
„Ich habe dich nämlich gesehen...“, fing die Baronin zaghaft an.
„Ja und?“
„Ich habe gesehen, dass du und die Hanna...“ ihre Stimme stockte, doch dann sprach sie schnell weiter: „Dass du und die Hanna, also ihr beide einander heiraten werdet...“
„Was denn, welche Hanna?“ Karl war so verblüfft, dass er gar nicht drüber nachsann, wo die Baronin, nein, wo Morgan dies gesehen hatte.
„Die Hanna Sinners natürlich!“
„Was? Ich und die? Die ist doch noch ein Kind!“
„Natürlich ist sie noch ein Kind in ihrem Herzen, ein sehr unschuldiges und verletzliches Kind. Aber sie hat große Wünsche, sie möchte gerne Schneiderin werden, das arme Mädchen, aber das ist ihr in diesem Königreich verwehrt...“
Karl wusste nicht, was er dazu sagen sollte. Die Hanna war wirklich ein wunderschönes junges Mädchen, sehr fleißig, aber auch sehr bestimmend und vor allem furchtbar männerfeindlich. Die war bekannt dafür, dass sie alle Burschen verspottete. Was sollte er mit der? Die lachte doch nur über ihn.
Und dennoch hatte er auf einmal ein Bild im Kopf. Er musste diesen seinen dummen Kopf schütteln, um das Bild daraus zu vertreiben. Aber es blieb, er konnte sich der Vorstellung nicht entziehen, wie die Hanna geschmückt neben ihm daher ging...
„Oh nein, was soll das?“, fragte er entsetzt.
Sein Gesicht sah total verwirrt aus. Die Baronin lächelte. Sie hatte den Keim in die Erde gelegt. Der Karl würde sich ab jetzt immer vorstellen müssen, wie es wohl mit der Hanna wäre. Es würde schließlich enden in einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Die beiden zusammen waren ja auch ein so schönes Paar, wie man selten eins fand.
Sie fühlte einen leichten Stich in ihrem Herzen, aber sie ignorierte ihn. Keine Eifersucht! Sie musste da durch, und sie hatte es ja auch gesehen: Diese beiden würden glücklich miteinander werden. Mit drei Kindern vielleicht, wenn alles gut ging.
„Ja, mein lieber Karl“, sie lächelte ihn zärtlich an, „wenn du schon so wild tun willst, dann nimm dir diese Frau. Eine Frau mit eigentlich unerreichbaren Wünschen, die DU ihr erfüllen könntest. Meine Güte, du kannst doch eine Magd einstellen, die den Haushalt macht oder die Felder bestellt. Und wer weiß, vielleicht braucht die Hanna ja nur die Möglichkeit, es anders zu machen als die anderen Frauen. Und ob sie es nun tut oder nicht – die Kinder werden sie bestimmt einiges an Zeit und Kraft kosten – doch auf alle Fälle wird sie dich noch mehr dafür lieben...“
Karl blickte nachdenklich vor sich hin. Ja genau, vielleicht könnte er damit alle Nachbarn schockieren, mit einer Frau, die einen eigenen Beruf hätte. Das war einfach revolutionär! Natürlich würde es nicht einfach werden, die Stände waren ja so unbeweglich, und der kleine Schneider beharrte so sehr auf seinem verbrieften Recht, der einzige zu sein, der Sachen zusammenschusterte... Aber Kinder? Sie würden Kinder zusammen haben? Jetzt erst kamen ihm die letzten Worte der Baronin richtig ins Bewusstsein. Kinder... Mit der Hanna?
Morgan bemerkte natürlich, wie versonnen er war. Sie nahm kurz seine Hand und drückte sie, aber er schien es gar nicht zu spüren. Das tat ihr ein wenig weh, aber im Großen und Ganzen fühlte sie sich erleichtert. Es würde alles in Ordnung kommen. Und sie selber musste sich anderen Dingen zuwenden. Vielleicht ihren Enkeln, nun denn, für die Enkel musste sie wohl selber sorgen, und sie hatte schon eine Idee dafür – vielleicht aber auch den Kranken und den Armen zu helfen. Es gab soviel zu tun, und sie würde bis zu ihrem Tode nicht viel an Langerweile haben.
Auch verspürte sie immer öfter eine leise Stimme, die sich kindlich anhörte und die wohl aus der Zukunft kam, um sie um Hilfe zu bitten. Noch klang diese Stimme wie die eines kleinen Kindes, es dachte eher in Bildern als in der Sprache, dennoch war es sehr gut zu verstehen. Seltsam, da war jemand ähnlich wie sie, bestimmt noch viel stärker in seinen Fähigkeiten. Und dadurch bedingt noch viel einsamer... Eine Ur–ur–ur–urenkelin von ihr, und das hieß: Die von Kampes würden weiter bestehen, doch das war zweitrangig, sie war nicht mehr alleine auf dieser Welt, da war jemand, mit dem sie sich verständigen konnte, dem sie vielleicht helfen konnte. Sie liebte dieses arme Wesen schon, es war ja fast, als hätte sie nun wirklich eine Tochter. Wenn auch eine in ferner Zukunft...
Ja, die Zukunft... „Ach ja, mein lieber Karl“, meinte sie schließlich. „Die Böttcherei wird in den nächsten Jahren nicht mehr viel einbringen, denn die Fässer wird man bald allesamt in Fabriken fertigen – du solltest dir stattdessen ein kleines Sägewerk zulegen. Holz wird immer gebraucht werden. Und auch Waschbretter werden gebraucht werden...“
Der Karl wachte aus seinen Gedanken auf und schaute sie neugierig an. „Woher weißt du das?“, fragte er schließlich.
„Es ist der Lauf der Dinge“, sagte Morgan und lächelte schmerzlich dabei.
Karl lächelte zurück, insgeheim wunderte er sich natürlich über die Worte der Baronin, ja der Baronin, nicht seiner Geliebten Morgan, seine Welt war ein klein wenig zurecht gerückt worden. Und diese seine Welt schien ihm auf einmal sehr verheißungsvoll zu sein. Seine Zukunft lag vor ihm, er war noch jung, und er hatte Ideen. Und vielleicht würde er sich sogar verheiraten mit der widerborstigen, aber überaus hübschen Hanna. Na ja, die war ein harter Brocken, und sie mochte die Männerwelt ganz und gar nicht...
„Du weißt, dass du ihr nie von uns erzählen darfst“, hörte er die Stimme der Baronin wie durch einen Nebel hindurch. „Und du weißt, dass es mit uns zwar schön war, aber in Wirklichkeit hast du nur nach einer liebevollen Mutter gesucht...“ Es tat Morgan weh, das zu sagen, es setzte sie als Frau herab, aber es stimmte wohl.
„Ich weiß nicht...“, sagte er zerstreut, doch dann trat er auf sie zu und nahm sie zärtlich in seine Arme. „Du bist die Schönste...“, murmelte er. Und sie schmiegte sich an ihn, immer noch geleitet von ihrem dummen Körper, und der wollte diese Berührung, genoss sie...
Karl küsste sie auf die Stirn, zog sie für einen kurzen Moment leidenschaftlich eng an sich. Doch dann ließ er sie abrupt los, drehte sich zögerlich um und ging schließlich den Weg zum Dorf zurück.
Morgan blickte ihm hinterher. So einfach war das? Ein schales Gefühl ergriff Besitz von ihr. Das war’s dann? Aber sie hatte es ja so gewollt, dennoch tat es weh, und sie versuchte dieses Gefühl zu verdrängen. Doch es tat immer noch weh und würde wohl noch eine Weile weh tun. Sie fühlte sich wie zwiegespalten: Einerseits sentimental, andererseits froh darüber, dass alles so leicht abgelaufen war.
Dann schüttelte sie den Kopf und sagte zu sich selber: Altes Meeken, sei nicht so eitel, und vor allem sei froh, dass es so gut abgelaufen ist. Schade, sie hatte ihm doch noch so viel sagen wollen über die Zukunft, natürlich in verschleierter Form, aber er wollte es wohl nicht wissen. Und damit hatte er nicht unrecht, wer will schon seine Zukunft wissen, wer will schon wissen, dass eine Idee, so hehr sie auch sein mag, nur Unglück bringt?
Warum nur wollten sie alle das vereinigte Deutsche Reich? Alle Herzog– und Kurfürstentümer, alle Königreiche sollten unter EINER deutschen Fahne vereinigt werden. lllusion alles... Sie hatte Schreckliches gesehen unter dieser Fahne, egal ob sie nun schwarz–rot–gold oder schwarz–weiß–rot war. Warum? Was war los mit denen? Die Römer hatten sie schon nicht vereinigen können, die germanischen Stämme bekriegten und verrieten sich immer gegenseitig, und, sogar der Arminius, der sich gegen die römische Vorherrschaft gewehrt hatte, war von einem – sie lachte kurz auf – „befreundeten“ Stamm durch Gift ermordet worden. Sehr eigenartig, die Germans... Germanen waren sie und würden es wohl immer bleiben. Wieder musste sie in ihrer englischen Muttersprache denken.
Da hatten es die Briten schon leichter gehabt, nur drei große Stämme, die Engländer, die Waliser und die Schotten. Yes, mittlerweile die Iren auch. Natürlich gab es einiges auf die Fresse, bevor es klappte. Aber es klappte.
Auch die Franzosen konnten sich einigen. Doch was zum Teufel war mit den Germans los? Oder besser gesagt: Würde los sein? Waren sie demnächst alle nur noch ein Spielball der Preußen? Aber was ging es sie an, die Zukunft würde sie nicht mehr erleben, sie konnte nur warnen, Bedenken anstellen, aber keiner würde sich drum kümmern, sie waren alle wie besoffen von ihrem Nationalstaat....
Genauso wie sie vom Karl besoffen war, sie schüttelte wehmütig den Kopf. Zum Glück würde er nicht mehr durch Kriege betroffen sein, der nächste Krieg – ein Krieg der Deutschen untereinander – lag noch ein paar Jahre weit weg in der Zukunft, dann würden sich die Preußen, immer wieder die Preußen, mit den Österreichern bekriegen, und das Königreich Hannover stand auf Seiten der Österreicher. Die Preußen würden aber siegen und somit die Weichen stellen für das Deutsche Reich unter Vorherrschaft des preußischen Beamtenstaates...
Wie wäre es wohl ausgegangen, oder würde es ausgehen, wenn die Engländer immer noch eine Bastion im Deutschen Bund hätten und somit viel Einfluss auf den europäischen Kontinent? Wenn nicht Victoria, sondern Ernst August König von Großbritannien und Hannover geworden wäre? Wenn die Preußen nicht gesiegt hätten? Wenn dadurch zwei Weltkriege nicht stattfinden würden?
Es war müßig, darüber nachzugrübeln. Dann würde nämlich mit Sicherheit ein anderes Übel geschehen. Der Mensch war eben nicht vernunftbegabt...
Warum nur musste das alles so geschehen? Wo war der alte Mann mit dem Bart, der ja angeblich alles sehen konnte? Vielleicht sah er es ja, aber es ging ihm am Barte vorbei...
Auch ihr sollte es am Barte vorbeigehen, wenn sie denn einen hätte. Es war aus, der Karl musste Neues erleben – und anscheinend hatte er sie, Morgan, schon überwunden. Er war bereit dazu, und er würde dabei sein Glück finden.
Morgan lächelte, es sah ein wenig schmerzlich aus, doch dann verwandelte sich das schmerzliche Lächeln in ein befreiendes, und eine Last fiel von ihr ab. Sie hatte richtig gehandelt, egal wie weh es tat oder noch tun würde...

 

~*~*~~*~*~~*~*~

 

 

ROMANE

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